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VI. Bericht über die Tätigkeit der Wissenschaftlichen Abteilung der Rebenveredlungsstation Geisenheim a. Rh. im Jahre 1927.

Erstattet von Prof. Dr. Karl Kroemer.

A. Wissenschaftliche Tätigkeit.

1. Zur Kenntnis der Wurzelentwicklung an Stecklingen
und Veredlungen von amerikanischen Reben.

Zu den Eigenschaften, die den Anbauwert der amerikanischen Reben bestimmen, gehört auch die Bewurzelungskraft ihres Holzes. Sie ist nicht nur von Bedeutung für die Veredlungsfähigkeit, die Bodenanpassung und die Resistenz der einzelnen Sorten, sondern muß auch als Gradmesser für die Triebkraft und Lebensdauer der Veredlungen in Betracht gezogen werden. Es ist deshalb unbedingt notwendig, bei der weinbautechnischen Prüfung der Unterlagsreben auch die morphologischen und physiologischen Merkmale ihres Wurzelkörpers zu beachten. Um über diese Eigenschaften Aufschluß zu gewinnen, werden vom Berichterstatter seit einigen Jahren in den preußischen Rebenveredlungsstationen und Pfropfweinbergen fortlaufende Beobachtungen an amerikanischen Reben und Veredlungen angestellt. Sie haben ergeben, daß für den Gebrauchswert der Unterlagssorten namentlich von Bedeutung sind die Stellung der Wurzeln am Blindholz, die Stärke der Wurzelbildung in den Vortreibkisten, die Restitution des Wurzelsystems nach dem Einschulen der Veredlungen, die Korrelationen zwischen dem Wurzelwachstum und den Entwicklungsvorgängen in den Edelreistrieben und im Wurzelstamm, die Ausbildung des Wurzelkörpers an alten Pfropfreben und die Beziehungen zwischen der Lebenstätigkeit der Wurzeln und der Bodenbeschaffenheit der Weinberge.

Von den Beobachtungsergebnissen erscheint besonders die Tatsache wichtig, daß die Wurzelbildung bei einzelnen Sorten von amerikanischen Reben fast ganz auf den Fußknoten der Stecklinge beschränkt ist. Unter den Einwirkungen des Vortreibverfahrens kommt diese Eigentümlichkeit auch an den Veredlungen zum Ausdruck. Sie ändert sich auch im Weinberge nicht, sondern tritt z. B. bei verschiedenen Ripariasorten mit zunehmendem Alter der Stöcke besonders stark in Erscheinung. Die Veredlungen dieser Sorten sind offenbar nicht befähigt, sich den Bodenverschiedenheiten der Weinberge in ähnlicher Weise anzupassen wie die ein

heimischen Reben, die je nach der Bodenstruktur bald die Tauwurzeln, bald die Fußwurzeln stärker entwickeln.

Bekannt ist die Erscheinung, daß über der Pfropfstelle der Veredlungen ungemein leicht Wurzeln entstehen. Während ihre Neubildung hier leicht zu erreichen ist, läßt sie sich im oberen Teile längerer Unterlagen, also unmittelbar unter dem Verwachsungsring, in der Regel nicht erzwingen. Grade hier befinden sich aber die Bodenschichten, die für das Wurzelwachstum und die Ernährung des Stockes die besten Bedingungen bieten. Pfropfreben, die diese Schichten nicht auszunutzen vermögen, werden schwer anwachsen und leicht eingehen, wenn das unterste Internodium ihrer Unterlagen der Einwirkung ungünstiger Bodenschichten ausgesetzt ist. Manche Beobachtungen sprechen sogar dafür, daß unter solchen Verhältnissen selbst bei ungehinderter Entwicklung der Fußwurzeln oft Nachteile dadurch entstehen, daß die Stöcke rauhere minderwertige Weine liefern. Auf Grund dieser Feststellungen sind weitere Versuche eingeleitet worden, die darüber Auskunft geben sollen, ob nicht eine bessere Lokalisation der Wurzeln im Boden durch Verkürzen der Unterlagen und Veredlung der Triebe in der Nähe eines Knotens zu erreichen ist. Kroemer.

2. Untersuchungen über die Mauke der veredelten Reben. Im Berichtsjahre trat die Mauke auffallend seltener und schwächer auf als im Vorjahre, obwohl die Witterungsverhältnisse innerhalb der Vegetationsperioden der Jahre 1926 und 1927 keine wesentlichen Unterschiede erkennen ließen. Das Jahr 1928 dürfte aber unter Umständen weitere wichtige Aufschlüsse über die Frage bringen, inwieweit etwa frühzeitig und plötzlich einsetzende Kälte im Vorwinter fördernd auf die Entstehung der Mauke einwirken kann. Selbst in den stark verseuchten Weinbaubezirken an der Obermosel war im Berichtsjahre das Wachstum der Mauke wucherungen sehr schwach, wenn auch darauf hingewiesen werden muß, daß sich die aus den Vorjahren stammenden Geschwülste unter der sie bedeckenden Borke fast durchweg als lebend erwiesen. An jüngeren veredelten Anlagen konnte vereinzelt frischer Maukebefall festgestellt werden.

Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den im Jahre 1927 eingetretenen schweren Hagelschäden und einem verstärkten Auftreten der Mauke ließ sich nicht nachweisen. Die besonders stark an Mauke erkrankten Parzellen zeigten neben frischen, maukeähnlichen Bildungen an den Hagelwunden auf den Bogreben und jüngeren Schenkeln sehr kräftige Maukewucherungen aus den Vorjahren. Daneben ließen sich auch viele Stöcke feststellen, deren Hagelschäden normal verheilt waren. Offensichtlich hat in diesen Fällen also nicht die Verwundung als solche, sondern erst die Infektion der Wunden mit dem Maukeerreger die Bildung der Wucherungen veranlaßt. Die Auszählung einer nachweislich verhagelten und einer vom Hagel verschonten Parzelle des Weingutes Saarstein bei Serrig ergab, daß die Anzahl der maukekranken Stöcke in beiden

Parzellen nahezu gleich groß war, daß also der Hagelschlag den Maukebefall hier nicht merklich gefördert oder gar bedingt haben kann.

Durch eigene Beobachtungen und das Ergebnis einer Umfrage konnte die Verbreitung der Mauke in den preußischen Weinbaugebieten näher festgelegt werden. Am stärksten sind die Weinbaugemarkungen an der Saar von der Mauke befallen. Beachtenswert ist ferner ihr Auftreten in den Seitentälern des Rheines bei Nieder- und Oberheimbach, Rhein- und Oberdiebach, Bacharach und Oberwesel. Ferner finden sich im Mittelrheingau größere Herde in den Gemarkungen Johannisberg, Winkel, Östrich, Hallgarten und Schierstein. Stark geschädigt ist u. a. auch die Gemarkung Wallhausen bei Kreuznach (Nahe).

Die Versuche zur Bekämpfung der Mauke wurden in größerem Umfange fortgesetzt, nachdem durch Vorversuche im Jahre 1926 gewisse Anhaltspunkte für die aussichtsreichste Art ihrer Durchführung gefunden worden waren. Durch Bestreichen der unverletzten Wucherungen mit Desinfektionsmitteln oder bloßes Ausschneiden der Geschwülste ohne nachfolgende Wundbehandlung ließ sich in keinem Falle eine Heilung erzielen. Besser wirkte die Kombination beider Mittel in der Weise, daß zunächst die Geschwülste mit dem Messer entfernt und dann die Wundstellen mit einem Desinfektionsmittel gebeizt wurden. Von den dazu benutzten Chemikalien wirkten am besten 30%ige Eisenvitriollösungen und zwei Karbolineumpräparate. Um diese Versuche in größerem Umfange durchführen zu können, wurde in Schierstein eine besondere Versuchsanlage geschaffen, die mit ein- und zweijährigen maukekranken Veredlungen bestockt wurde. Die Reben entwickelten sich im ersten Jahre trotz ungünstiger Bodenverhältnisse sehr gut, soweit sie durch die Einwirkung der Bekämpfungsmittel nicht gelitten hatten. Von den angewendeten Bekämpfungsmitteln bewährten sich in der Anlage Schierstein die Präparate Florium, Barol und 1proz. Jod-Jod-Kalium bisher nicht, was vermutlich aber darauf zurückzuführen ist, daß die Augen der Veredlungen unter der Einwirkung dieser Präparate gelitten haben. In Temmels dagegen hat sich die Mauke mit Dendrin und Karbolineum selbst in schweren Fällen unterdrücken lassen, wenn die Behandlung in der vorhin angegebenen Weise erfolgte. Unbehandelte Reben zeigten in Temmels auch im letzten Jahre keinen Rückgang der Geschwulstbildung.

Zur Klärung der wichtigen Frage, ob die Mauke durch Verwendung von Setzholz verbreitet wird, wurde im Frühjahre 1928 eine zweite Versuchsanlage von 5,72 a in Schierstein eingerichtet, welche mit Holz von maukekranken Reben bestockt werden soll. Vorgesehen sind auch Versuche, die über die Möglichkeit einer Schutzbehandlung der Veredlungen Auskunft geben sollen. Kroemer und Moog.

3. Untersuchungen über die Ausreife der Unterlagsreben
bei Anwendung der kriechenden Erziehung.

Die kriechende Erziehung der Unterlagsreben bringt nach den Erfahrungen des Auslandes den größten Ertrag an veredlungsfähigem Holz

und stellt infolge weitgehender Verminderung der Erstehungskosten die billigste Schnittholzgewinnung dar, sofern die klimatischen Bedingungen für die Ausreife des Rebholzes günstig sind. Nach Untersuchungen von Staehelin hat sich die kriechende Erziehung auch im Waadtlande als veredlungstechnisch besonders brauchbar erwiesen. Da die Witterungsverhältnisse dieses Weinbaugebietes den Witterungsverhältnissen einzelner deutscher Weinbaugebiete ziemlich entsprechen, lag es nahe, die Ausreife bei der kriechenden Erziehung in unseren Rebschnittgärten durch anatomische Untersuchungen zu ermitteln. Es wurde hierbei die Breite der sekundären Rinde und des Holzkörpers an der Rinnenseite, der Flachseite und den beiden Schmalseiten und die Dicke des Markkörpers in seiner breitesten und schmalsten Ausdehnung gemessen und die Anzahl der in der sekundären Rinde ausgebildeten Hartbastplatten festgestellt. Die Untersuchungen erstrecken sich auf verschiedene Schnittweingärten des preußischen Weinbaugebietes und konnten daher noch nicht abgeschlossen werden. Soweit die Möglichkeit bestand, wurden nicht allein Rebtriebe von der kriechenden Erziehung und aus der üblichen niedrigen Spaliererziehung, sondern auch noch aus anderen Erziehungsarten gesammelt, um so die vergleichenden Untersuchungen auf eine möglichst breite Grundlage zu stellen. Die Reifeuntersuchungen haben in Anbetracht der durchaus ungünstigen Wetterlage des Jahres 1927 besondere Bedeutung. Die ausgeführten Messungen lassen bereits erkennen, daß bei Anwendung der kriechenden Erziehung im vergangenen Jahre bei bestimmten Unterlagsreben nur in den seltensten Fällen ein gut ausgereiftes Unterlagsholz erzielt worden ist, und daß das Holz der gleichen Unterlagsreben in den gleichen Lagen also unter völlig gleichartigen sonstigen Entwicklungsbedingungen - bei der niedrigen Spaliererziehung weit günstiger ausgereift ist. Der Reifemangel der kriechenden Reben zeigt sich namentlich in einer weit schwächeren Ausbildung der sekundären Rinde. Namentlich an der Rinnenseite fehlen die Hartbastplatten häufig vollständig oder ihre Ausbildung ist nur unvollkommen. Auch an den übrigen Seiten der kriechenden Triebe sind die Hartbastplatten in der Regel in geringerer Zahl als bei den zum Vergleich herangezogenen Spalierrebtrieben nachzuweisen. Neben eigentlichen Reifemängeln zeigte sich an den Trieben der kriechenden Reben in einigen Fällen eine größere Zahl von Hagelwunden als bei den Reben anderer Erziehungsarten, die denselben Witterungsunbilden ausgesetzt waren. Auch der bekannte bilaterale Bau der Rebentriebe verschwindet bei der kriechenden Erziehung zuweilen vollständig. Nicht selten reifen die Triebe nur auf der oberen Seite aus, während die untere nur wenig sekundäres Gewebe bildet. Die Triebe nehmen dabei oft eine ganz unsymmetrische Querschnittsform an, die durch ungewöhnlich starke einseitige Holzbildung und exzentrische Verlagerung des Markes bedingt ist. Diese Mängel, welche sich offensichtlich grade in kälteren Weinbergslagen zeigen, lassen es nicht angebracht erscheinen, die kriechende Erziehung von Unterlagsreben in Deutschland zur Einführung zu bringen.

Moog.

B. Sonstige Tätigkeit.

1. Veröffentlichungen.

Kroemer, K.: Der Weinbau im Kanton Tessin. Wein und Rebe 1927/28, 11, S. 531.

Kroemer, K und Moog, H.: Die Mauke der Reben. Weinbau und Kellerwirtschaft 1927, 6, 101-104.

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Moog, H.: Der Wert der Riparia × Rupestris 10114 M. G. als Unterlage. Der Deutsche Weinbau 1927, 6, S. 355-358. Der Wert der Riparia × Rupestris 3309 C. als Unterlage. Der Deutsche Weinbau 1928, 7, S. 3-6 und 16-18. Die Mourvèdre x Rupestris 1202. Der Deutsche Weinbau 1928, 7, S. 100-101, 113-114 und 124-125.

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