Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Fünftes Kapitel.

Krieblowik und St. Helena.

Was vom Leben unseres Nationalhelden noch übrig, ist nur ein herbstlich Stoppelfeld, welches Aehrenleserin Anekdote nicht ohne Nugen absuchen mag, wo aber für Schnitterin Geschichte keine Arbeit mehr. In dem dicken Bündel, welches Jene zusammengerafft hat, steckt viel leeres Stroh, da und dort jedoch auch eine volle und gesunde Aehre.

Mögen zwei hervorgezogen werden: die eine von sehr ernstem, die andere von spaßhaftem Gehalt - Blücher in Karlsbad und Blücher in Teterow... Nachdem der Alte den Winter fränkelnd in Berlin verbracht hatte, ging er im Frühling nach Krieblowig und dann im Sommer nach dem genannten böhmischen Badort. Die preußischen Badgäste veranstalteten ihm zu Ehren am 18. Juni eine Festfeier des Jahrestages von Belle Alliance; aber so sehr war in gewissen Kreisen schon im Jahre 1816 das Jahr 1813 vergessen und der Anno 1806 bei Jena ausgeklopfte Unrath von Neuem angesammelt, daß die Adeligen von den Bürgerlichen getrennt sein und ihre besondere Feier haben wollten. „Dummes Zeug, Gott straf' mir!“ sagte der Gebhart Lebrecht und ging zum Bankett der Bürgerlichen, obzwar die Einladung derselben später als die seiner

"

"

Standesgenossen an ihn ergangen war. Der Urania-Poet Tiedge brachte das Hoch auf den Festgast aus, welcher in seiner Danksagung äußerte: Ehrenzeichen, Titel, Würden, Belohnungen aller und reichlicher Art sind mir zu Theil geworden; meinen schönsten Lohn aber finde ich in der Liebe meiner Landsleute, in der Achtung meiner Zeitgenossen und in dem Bewußtsein, meine Schuldigkeit gethan zu haben.“ Dann erst ging er zu den Junfern hinüber und erklärte ihnen mit Schärfe, daß er den für den Abend veranstalteten Ball nur besuchen würde, so auf demselben ein armseliger Kastengeist keinen Zutritt fände. Das ist man dummes Zeug! Die Söhne von Bürgern und von Edelleuten haben Gott verdamm' mir! - den Krieg gleich wacker mitsammen ausgefochten und darum sollen sie jezt auch mitsammen. tanzen und sollen zusammenhalten und des Sieges brüderlich miteinander sich freuen "97). Von Karlsbad. ging der Alte, der auch hier wieder bewiesen hatte, daß er den Geist der Befreiungskriegszeit nicht übel verstanden habe, über Berlin ins Secbad nach Dobberan, dessen Gebrauch ihm sehr wohlbekam. Auf einer sodann quer durch sein mecklenburger Heimatland unternommenen Fahrt, um einer Einladung des Grafen Plessen nach Ivenak zu entsprechen, begegnete ihm, nachdem er an der dobberaner Bank viel Geld verspielt hatte", zu Teterow - im Volksmunde das Abdera Mecklenburgs, übrigens sehr mit Unrecht" - ein absonderlich Abenteuer. Nämlich, alle Städte und Städtchen, durch welche sein Weg ihn führte, beeiferten sich, dem heldischen Landsmann einen feierlichen Empfang zu bereiten, und hatten demnach auch die guten Teterower ihre Stadt zu diesem Zwecke festlich geschmückt, item bei den Scheunen der Vorstadt gen Güstrow zu eine Wache postirt, welche die Ankunft Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls und Fürsten signalisiren sollte. Kam da nun eine ordinäre zweispännige Kalesche angefahren, worin zwei alte Herren in ordinärem Anzug, der Eine aus einer Meerschaumpfeife heftig rauchend. Bei und zwischen

Scherr, Blücher. III,

"

35

[ocr errors]

"

"

"

den Scheunen zu rauchen ging aber schnurstracks gegen die teterower Moral und Kleiderordnung. Hielt also die besagte Wache die Kutsche an: Herr Soundso, wer hier zwischen den teterower Scheunen raucht, dem kostet es die Pfeife. ' -,,Wirklich? Na, da habt ihr sie. Eine merkwürdige Geschichte, Gott straf' mir!" sagt lachend der alte Herr und fährt mit seinem Begleiter weiter und ohne anderweitige Anfechtung durch das gute Teterow hindurch gen Ivenak. Nun kommt aber bald ein Packwagen mit Dienerschaft hintendrein. Haben Se. Durchlaucht hierorts nicht angehalten?", Se. Durchlaucht? Keine Durchlaucht weit und breit gesehen.“ „Ei, was? Ein alter Herr in einer zweispännigen Kalesche, seinen Meerschaum rauchend, so und so angethan." —, Wär' es die Möglichkeit? Das wäre de old Blüchert gewesen? Herrgott, die Blamage! Da möchte man nur gerade des Teufels werden!"... Das zweite Kapitel dieser Pfeifengeschichte ist etwas mythisch, wenigstens gibt es über den Ausgang derselben verschiedene Lesarten. Die glaubhafteste lautet, daß Senatus Populusque Teterowensis eine feierliche Gesandtschaft nach Jvenak abordneten, welche den Auftrag hatte, die konfiszirte Meerschaumpfeife - auf einem Sammetkissen, vermuthlich — ihrem Eigenthümer zurückzubringen, der aber die Zurücknahme verweigerte mit den Worten: „Wat mal futsch ist, det nehm' ich nich wieder" 98).

"

Mecklenburg hat jedoch seinem größten Sohne nicht nur die Pfeife konfiszirt, sondern ihm auch, noch bei seinen Lebzeiten, in seiner Geburtsstadt Rostock ein Denkmal errichtet, in Form einer von Schadow geschaffenen -leider zu antikisirend gehaltenen Statue des Helden. Als Fürst, Volk und Stände des Landes zu Ende des Jahres 1815 ihre Absicht, diese Blücherstatue aufzurichten, dem Gefeierten anzeigten, dankte er gerührt und beschloß sein vom 8. Februar 1816 datirtes Schreiben mit den schönen Worten: „Ich kann nicht umhin, mir die Bemerkung zu erlauben, daß man das Wenige, was ich zu leisten

"

[ocr errors]

im Stande war, zu hoch in Anrechnung bringt, und so geehrt ich mich auch durch das mir zu errichtende Denkmal fühlen muß, doch wohl eigentlich nur der Nachwelt die Entscheidung über das Geschehene gebührt“ 99). Am 26. August — dem Kazbachtag von 1819 wurde zu Rostock diese Blücher-Statue enthüllt, auf deren Piedestal die von Göthe verfaßte Inschrift eingegraben ist: In Harren und Krieg, in Sturz und Sieg bewußt und groß so riß er uns vom Feinde los." Ein zweites Denkmal hat später dem Führer des „schlesischen" Heeres die Provinz Schlesien errichtet, das kolossale von Rauchs Meisterhand modellirte Erzbild des Marschalls Vorwärts, welches auf dem Salzring zu Breslau steht; ein drittes Friedrich Wilhelm der Dritte, das ebenfalls von Rauch geschaffene Koloßbild auf dem Opernplage zu Berlin. Es ist fürwahr nicht zu fürchten, daß die Nachwelt diese Blüchersäulen umstürzen werde. Gehört doch der Gebhart Lebrecht zu den nicht eben sehr zahlreichen weltgeschichtlichen Gestalten, welche die Zeit eher vergrößert als verkleinert.

Die letzten Lebensjahre des heldischen Greises waren fortgesezte Bad- und Festfahrten, von welchen lezteren eine, noch i. J. 1816 nach Hamburg unternommene besonders glänzend ausfiel. Hier wiederholten sich die londoner Szenen vom Jahre 1814. Statt jedoch die eintönige Litanei dieser Festberichte nachzubeten, wollen wir lieber auch noch einen Blick in des Alten gutsherrliches Walten thun, und zwar mittelst eines Briefes, welchen er am 13. Februar von 1818 aus Berlin an seinen Verwalter in Schlesien schrieb. Hier ist er, freilich ein wenig durch die orthographische Puzmühle des Abschreibers gegangen: Mein liber Schwenke. Heinen schreibt mich daß Werkmeister den Krug in Griblowig gekauft hat, welches mich sehr lib ist, von Werkmeister selbst habe ich darüber noch nischt ich erwahrte nun von Werkmeister seine rorschläge wie wihr die Brau und Brennerei da anlegen wollen und ich begreiffe wohl wen es ordentlich werden soll daß ich da bauen muß, aber ich

"

mag mich nichts drauff denn ich werde selbigen bau durch ein Angestälten machen lassen sobald ich hin komme werde ich befehlen wie es seyn soll. Die Materialien zu dem hauß und stallbau sind zum Theill schon heran und werden fertig geschafft, sorgen Sie nur davor daß die Dihlen und Latten geschnitten werden damit selbige etwas auß trofnen können, ich werde durch den Stahtsraht hier auff gehallten und kann nuhr erst ende Aprill in Schlesien ankommen, wenn ich gesund bleibe, so will ich dises jahr nicht ins Bad reissen bis jezt bin ich recht wohl. Sorgen sie nur davor das die an planzung in Griblowig zu rechter Zeit geschiht, wenn man nuhr Leutte krigen kann damit das rohden und graben auch gemacht werden könnte, Ich denke die beiden Schimmelstuhten werden nun wohl bald fohlen frigen, sie werden selbige zu rechter Zeit mit dem reitknecht nach Griblowig schicken müssen damit sie den 9 ten Tag nach der Niderkunfft wider beim hengste gelassen werden, scherffen sie nur dem Reitknecht ein daß wenn er mit die Stuhten in Griblowig ist er selbige guht in acht nimmt denn der Kerl den der Werkmeister hat soll sie nicht unter Händen haben. Schreiben fie mich wie es mit ihrem holz verkauff geht, wihr werden dises Jahr viehl Holz zu alle die bauhten gebrauchen und die Allten Eichen werden dazu beytragen müssen. wie sieht es um meine jagdt und hunde aus von hier bringe ich einen wunderschönen windthund mit. wenn sie nach Griblowig kommen so treiben sie Den hausbau an denn meine Frau wird diesen Sommer doch auf kurze Zeit hin kommen. leben sie wohl und schreiben mich gleich" 100).

Im Sommer von 1819 suchte der jezt bald Siebenundsiebzigjährige noch einmal eine Auffrischung seiner zu Ende gehenden Lebenskräfte in Karlsbad, wo er diesmal mit dem Fürsten Schwarzenberg zusammentraf und seinen berühmten, echt waffenbrüderlich - neidlosen Trinkspruch auf denselben ausbrachte. Das war ein des Marschalls Vorwärts würdiges Ab=

« ZurückWeiter »