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Beginn und Fortgang des Treffens skizzirt der am Beiwachtfeuer geschriebene Brief des mithandelnden Prinzen Bernhard von Weimar an seinen Vater Karl August: Gegen Nachmittag am 16. Juni zeigte der Feind starke Kolonnen und fing uns zu fanoniren an. Wir hatten nur 5 Bataillone ihm gegenüberzustellen, von denen ich 3 bekam, um die Lisière eines Waldes zu vertheidigen. Der Herzog von Wellington war während des Anfangs vom Gefechte zugegen gewesen. Ich hielt mich lange gegen einen dreimal überlegenen Feind und hatte zu meiner Vertheidigung nur zwei belgische Kanonen. Der Feind nahm eine vor mir gelegene Waldspize und genirte mich in meiner linken Flanke. Ich, nicht faul, nahm Freiwillige und zwei Kompagnieen holländische Landmiliz und nahm meine Waldspige mit dem Bajonnett wieder. Während ich dann mein Holz rechtschaffen vertheidigte, trieb der Feind unsern linken Flügel bis an Quatrebras zurück. Bei dieser Gelegenheit blieb der wackere Herzog von Braunschweig durch einen Schuß in die Brust 58)." Der Prinz befehligte an diesem Tage eine Brigade der Division Perponcher, die Hauptstärke der 7000 Niederländer, welche anfänglich die ganze Vertheidigungsmacht der hochwichtigen Stellung ausmachten, die zu bewältigen Ney gleich zu Anfang 22,000 Mann zur Hand hatte. Der fast unbegreiflichen Verzögerung seines Angriffs und später dann dem durch allerhand Mißverständnisse und Schwankungen verursachten zwecklosen Hin und Herschicken des Armeekorps von d'Erlon, welches die Streiterzahl des Marschalls auf 50,000 Mann gebracht hätte, zwischen Quatrebras und Ligny verdankte er sein Mißlingen. Denn als es im Laufe des Gefechts dem Wellington gelungen war, mittelst im Laufschritt herbeieilender Verstärkungen seine bei Quatrebras schlagenden Truppen allmälig bis auf 30,000 Mann zu verstärken, mußte Ney sein Vorhaben, die feindliche Stellung zu nehmen, aufgeben und bei einbrechender Nacht auf Frasues zurückgehen. Damit war die französische

Hauptabsicht beim Eingehen des blutigen Treffens, nämlich einen ausdauernden Keil zwischen die Heere Wellingtons und Blüchers hineinzutreiben, vereitelt.

Der britische Feldherr, von dem, was bei Ligny geschehen war und von dem Rückzug der Preußen nach Wavre in Kenntniß gesezt, verharrte bis zum folgenden Tage in der behaupteten. Stellung bei Quatrebras. Da er nun aber einen Angriff von Seiten Napoleon's mit Bestimmtheit erwarten konnte, erschien ihm zur Lieferung einer großen Vertheidigungsschlacht diese Stellung nicht geeignet, sondern er hatte hiezu bereits vorsorglich das von der nach Brüffel führenden Straße durchschnittene, zwischen Plancenoit, Ohain, Braine-la-leude und Waterloo von Süden nach Norden sanft ansteigende Hügelgelände von Mont-St.-Jean gewählt. Dorthin wollte er seine ganze Armee führen. Indeffen hatte er doch einen Adjutanten in's blücher'sche Hauptquartier geschickt mit dem Anerbieten, bei Quatrebras den napoleonischen Angriff abzuwarten, falls die Preußen schon heute, am 17. Juni, wieder vorzurücken vermöchten. Der Herzog saß, mit Müffling frühstückend, auf der Erde, als ein Ordonnanzoffizier aus dem preußischen Lager die Antwort Blücher's brachte: „Heute kann ich nicht kommen, aber morgen." Worauf der Dufe:,,Well! Ich kann aber in diesem Fall nicht hier bleiben, sondern muß in meine Stellung von Mont-St.Jean zurück, wo ich morgen eine Defensivschlacht annehmen werde, falls mich der Feldmarschall mit zwei oder im Nothfall auch nur mit einem seiner Armeekorps unterstügen will." Der Adjutant flog nach Wavre und wieder flog von dort einer nach dem Mont-St.-Jean, wohin Wellington inzwischen aufgebrochen war, und brachte vom Gebhart Lebrecht die Antwort: „Ich werde nicht mit einem, nicht mit zwei Korps, aber mit meiner ganzen Armee kommen, jedoch nur unter der Bedingung, daß, falls uns der Bonaparte morgen am 18. Juni nicht angreifen sollte, wir unsererseits am 19. ihn angreifen.“ Dieselbe Ver

sicherung gab er, um den Herzog ja in dem Schlachtgedanken zu bestärken, am Morgen des 18. auch noch schriftlich, indem er an Müffling schreiben ließ, dieser solle dem englischen Feldherrn sagen, er, Blücher, werde sich, so unwohl er auch sei, sofort an die Spize seiner Truppen stellen, falls Napoleon Etwas gegen Wellington unternähme Erfolge aber von Seiten der Franzosen heute kein Angriff, so müßten der Herzog und er vereint morgen ihrerseits den Angriff thun. „Welche Zuversicht nach einer verlorenen Schlacht! Welche Energie in dem dreiundsiebzigjährigen Greise!" hat ein Franzose bewundernd ausgerufen 59).

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Belle Alliance.

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Ut is det noch nich!" So schrie ein preußischer Soldat, ein tapferer Märker, mit drohend geschüttelter Faust den Franzosen zu, als in der Schlacht von Ligny die Brigade Steinmez im Dorfe St. Amand nach einem erbitterten Handgemenge und furchtbarem Verlust abgelös't werden sollte und die Preußen sich mit den Feinden so ganz verbissen hatten," daß sie von ihren Offizieren, fast nur mit Gewalt "vermocht werden konnten, vom Kampf abzulassen 6o). Ut is det noch nich!" schrie der Brave, noch einmal, als sein Hauptmann ihn fortzog, sich den Franzosen zukehrend und ihnen seine derbe märkische Bauernfauft zeigend, ein Stück Blücher so zu sagen im Landwehrkamisol; denn auch der ganze Blücher dachte und sagte, zu Gentinnes mit „Warmbier" aus einem Pferdeeimer" sich labend: - Aus ist das noch nicht! Mit dem Nichtausseinlassen kann man aber, richtig anfassend, Etwas zuwegebringen in dieser Welt. Unter Anderem kann man damit, nachdem man am 16. Juni eine Schlacht verloren hat, am 18. eine gewinnen.

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Der Empereur verlor in der dem Kampfe bei Ligny folgenden Nacht und am Vormittag des 17. Juni eine unwiderbringlich kostbare Zeit, gerade die Zeit, welche die blücher’sche Armee benüßte, um ihren Rückzug gen Wavre zu bewerkstelligen

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und sich zum Wiedervormarsch von dort gen Ohain und MontSt. Jean in Verfassung zu sehen. Er schlief tief und lange zu Fleurus und seine Truppen standen am Morgen viele Stunden unthätig in ihren Bivouaks, so daß der General Vandamme, über diese unzeitige Ruhe aufgebracht, in seiner brutalen Manier nicht ohne Grund sagte: „Der Napoleon, den wir früher kannten, ist nicht mehr da! Unser Sieg von gestern wird erfolglos sein." Allerdings war den Soldaten nach den Strapazen der beiden lezten Tage wohl einiges Aufathmen zu gönnen, aber hatten denn die Preußen nicht ebenso viel gestritten und gelitten? Freilich, diese Preußen waren jezt beseitigt, in voller Auflösung über Namur rheinwärts fliehend, wähnte man, wähnte man so sehr, daß „ es gar Niemand einfiel“ (il ne vint dans l'esprit de personne), sie könnten und würden noch irgend Etwas von Belang" unternehmen (pussent être en mesure de faire une diversion sérieuse 61). Erst zwischen 8 und 9 Uhr fuhr der augenscheinlich müde und matte Empereur von Fleurus nach St. Amand, wo er zu Pferde stieg und die Reihen der vor ihren Beiwachtstätten aufgestellten Regimenter entlang ritt, häufig stillhaltend und mit Offizieren und Soldaten redend. Man möchte fast glauben, der gewaltige Geist des Mannes habe gerade in diesen schicksalsvollen Stunden seine Spannkraft eingebüßt. Oder wenigstens beschäftigte ihn ganz Anderes als ihn hätte ausschließlich beschäftigen sollen. Er war mit seinen Gedanken in Paris, wo sich die Deputirtenkammer in für den Napoleonismus - nämlich nicht für den scheinkonstitutionellen, sondern für den wirklichen unliebsamen Debatten erging. Nachdem er zwischenhinein befohlen, daß das Korps Lobau's nach Marbais, also in der Richtung auf Quatrebras, abmarschire, stieg er ab und unterhielt sich inmitten eines Kreises von Generalen lange mit dem Marschall Grouchy und dem General Gerard. Nicht etwa über die kriegerische Situation, sondern über die pariser Kammerdebatten, wobei er es an heftigen Aus

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