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ihnen seinen beinahe kahlen Scheitel entgegenreckte, sagend, sein Kramladen enthielte, wie sie sähen, allzu Wenig von der verlangten Waare. Es hatte etwas Hochkomisches, wenn der unorthographische alte Husar zu Oxford zum Ehrenmitglied der juristischen Fakultät, also zu einer Art Doktor Juris gemacht wurde („Na, Gott straf' mir! soll ich Doktor werden, so müssen sie den Gneisenau wenigstens zu meinem Apotheker machen; denn wir zwei gehören nun einmal zusammen "). Es war pöbelhaft, daß, weil die Mode wollte, daß man sagen könnte, man hätte mit dem Marshal Forwards „Hände geschüttelt“, Herren und Damen, vom feinsten Ton" die Thüre von Blüchers Loge im Theater, ja sogar die feines Schlafzimmers mit Gewalt aufsørengten, um den Akt des Händeschüttelns vornehmen zu können. Es war grotesk und hätte verdient, von einem Swift beschrieben zu werden, wenn der Alte, von einem unnennbaren Bedürfniß auf der Landstraße plöglich überfallen, diesem Bedürfniß um feine Welt anders genügen fonnte als Angesichts von Tausenden von Zuschauern, worunter die „ anständigsten Gentlemen", welche die glückliche Erledigung des großen Geschäftes mit einem jubelnden Hurrah begrüßten. Aber in Alledem legte die Volksstimme, die öffentliche Meinung Englands doch immer nur wieder das großartige Zeugniß ab, der greise deutsche Held sei der echte und rechte ,,conqueror of the tyrant".

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Nur von einem Engländer wissen wir, daß er sich dem Blücher-Enthusiasmus seiner Landsleute ganz entschieden entzog, von Lord Byron, welcher, die Romantik zur Weltschmerz-Lyrik zuspigend, dermalen, d. h. nach Veröffentlichung des Childe Harold, des Giaour und des Korsaren, in der Blüthe seines Ruhms stand und, als ,,lion of the season" die Salons der Aristokratie durchwandelnd, mehr als einer schwachnervigen Schönen den verliebten Angstruf entlockte: „Dieses blasse Gesicht ist mein Schicksal!“ Der Zerrissenheitspoet par excellence schrieb zwei Jahre später in einem seiner Briefe: „Ich erinnere

mich, Blücher in londoner Gesellschaften gesehen zu haben, und nie sah ich einen Mann, welcher mir weniger ehrwürdig vorkam. Mit den Manieren und der Sprache eines Korporals machte er auf die Auszeichnungen eines Helden Anspruch, - gerade, als ob ein Stein verehrt werden müßte, weil ein Mensch darüber gestolpert ist." Man glaubt aus diesen Worten deutlich genug die neidgrüne Erinnerung des in seinen jüngeren Jahren mit seiner Eitelkeit häufig an den Chateaubriandismus streifenden Dichters herauszuhören, daß i. J. 1814 die byron'sche „Löwenschaft" von der blücher'schen in den Hintergrund geschoben worden. Aber es war nicht nur das, was den genialischen Dichterlord gegen den Marschall Vorwärts ungerecht machte. Byron war nämlich, um der Meinung seines Landes auch hierin zu widersprechen, ein großer Bewunderer von „Bony ", hatte daher während der Feldzüge von 1813 und 1814 den Verbündeten alles mögliche Böse gewünscht und ihre Siege mit höchster Erbosung aufgenommen. Endlich mußte auch die Persönlichkeit des Feldherrn den Poeten abstoßen; denn einen schrofferen Gegensag als den, welchen der naturwüchsige, durch eine rauheste Lebensschule gegangene, trinkende, rauchende, fluchende Blücher zu dem durch Weiberhände verhätschelten, mit ängstlichster Bemühung für die Schlankerhaltung seiner Gestalt besorgten Byron machte, konnte man sich kaum vorstellen. Der Alte war seinem mecklenburger Junkerthum, seinem Feldmarschallsstab und seinem Fürstentitel zum Troß eine durch und durch volksmäßige Natur; der Lord dagegen eine aristokratische Treibhauspflanze, ein Produkt der vornehmen Gesellschaft, deren Anschauungsund Empfindungsweise er mittelst der Macht seines Genius zur Zerrissenheitspoesie potenzirte, und troß seiner Freiheitstendenz ein Aristokrat vom reinsten Wasser, wie der Menschenkenner Scott gar wohl erkannt und bezeugt hat (,,he was certainly proud of his rank and ancient family"). Uebrigens machte die Blücher - Furiousneß nicht allein den reizbaren Dichterlord

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eifersüchtig und neidisch, sondern auch verschiedene Generale, welche mit den Monarchen nach England gekommen waren. Bei einem während Blüchers Abwesenheit in Oxford zu London gefeierten Bankett sagte so ein Neiderich zum Essigblicker York: Wundere mich, daß wir heute nicht, so wie sonst, schon zehnmal aufgefordert worden sind, des alten Blüchers Gesundheit zu trinken." Worauf der wackere York: „Ja, das wundert mich auch und Ihre Schuldigkeit wär' es gewesen, dieselbe auszubringen; denn ohne den Alten säßen wir Beide heute nicht hier.“

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Entzückt von England, aber beifallsmüde und ehrensatt fam der Feldmarschall nach dem Festlande zurück. Lieber sagte er in Braunschweig zum Herzog Wilhelm - lieber noch einen Feldzug als noch so 'ne Fahrt nach England machen, Gott straf' mir!" Er hatte jedoch auch im Vaterlande hinlänglich viele Strapazen der Berühmtheit durchzumachen; denn natürlich wollten es die Deutschen, nachdem man ihnen einmal das Beispiel gegeben, in der Bewunderung des Helden den Engländern doch einigermaßen gleichthun. Namentlich gab es auch in Berlin, wohin der Alte, nachdem er sich in Wansleben unweit Magdeburg bei seiner einzigen Tochter, der Gräfin von Afseburg, etwas ausgeruht hatte, am 29. Juli kam, ein Zerzupfen seines Federbusches durch schöne Hände zu Blücher-Reliquien, wie es in London stattgefunden hatte, und es geht die Sage, daß begeisterte Berlinerinnen an die Stelle der Wolle vou Jean Pauls Pudel, welche sie vor vierzehn Jahren in Busennadeln und Ringe hatten fassen lassen, jezo Mähnen- und Schweifhaare von Blüchers Schimmel gethan hätten. Thatsache ist, daß damals in der Hauptstadt Preußens, wie im ganzen Lande, eine gehobene, frohbewegte Stimmung waltete. Der übermüthige Eroberer, dessen Joch so schwer gelastet, war besiegt und gestürzt, ganz vornehmlich, das durften sich preußische Patrioten wohl sagen, besiegt und gestürzt durch preußische Tapferkeit und Aufopferung. Das bange Vorgefühl bevorstehender schmerz

licher Enttäuschungen machte sich zunächst nur wenigen Schärferblickenden bemerkbar. Die Masse der Bevölkerung dagegen überließ sich willig dem Bewußtsein der Kraft, einer siegreich erprobten Kraft, welche so Erstaunliches geleistet und vollbracht hatte. Noch wurde auch die Reinheit der Siegesfreude nicht getrübt, wenigstens nicht an der Oberfläche, durch wieder erwachende Junkergelüfte oder dummfreche Säbelrasselei. Der mit Recht vor allen anderen gefeierte Held, der alte Vorwärts, wäre auch gar nicht der Mann gewesen, derartige Trübungen und Störnisse zu ermuthigen oder auch nur zu dulden. Im schlichten blauen Bürgerrock, die ewig dampfende Pfeife im Munde, ging er herum, mit allen Volksklassen zutraulich verfehrend, wie und wo sich ihm hiezu gerade Veranlassung und Gelegenheit bot. Das Vertrauen und die Liebe des Volkes zu ihm waren gränzenlos und gewiß ist es sonst nie und nirgends wieder vorgekommen, daß der erste Heros einer Nation zugleich dessen volksthümlichste Figur gewesen. Bei Festmahlen ging ihm das Herz auf und er hat da, was ihn bewegte, in beredten Worten ausgeströmt. So bei dem Bewillkommnungsbankett, das die berliner Freimaurer ihrem berühmten Bruder in der Loge zu den drei Weltkugeln gaben. In der Rede, welche Blücher bei diesem Anlaß hielt, ging er, der Neidlose, von dem Lobe seines Freundes Gneisenau auf das des vorzeitig hingegangenen Scharnhorst über und schloß mit den tiefempfundenen und schwungvollen Worten: „Bist du gegenwärtig, Geist meines Freundes, mein Scharnhorst, dann sei du selber Zeuge, daß ich ohne dich Nichts würde vollbracht haben!" Ein noch viel bedeutsameres, ein für Preußen geradezu historisches, den Sinn und Geist des so eben bestandenen Befreiungskrieges bestimmt und scharf ausprägendes Wort sprach er bei einem andern ihm zu Ehren gegebenen Fest, indem er den Toast ausbrachte: „Auf die glückliche Verbindung des Krieger- und Bürgerstandes vermittelst der Landwehr!"

Fünftes Kapitel.

Wi-e n.

Der Korse Pozzo di Borgo, ein wissender Mann unter seinen Zeitgenossen, ein klarer Kopf und scharfer Denker, schrieb im Juli von 1814 an den Freiherrn vom Stein: - „Deutschland ist nach meinem Urtheile das einzige Land, dessen Sittlichfeit, Einsicht und Charakter die größten und sichersten Erfolge versprechen. Allenthalben sonst ist Sand oder Fels, bei Ihnen ist guter, angebauter Boden 74)." Wenn ein solcher Mann, nur in seinem Hasse gegen den Landsmann Napoleon leidenschaftlich, sonst aber faltabwägend besonnen, unserem Lande zu dieser Zeit ein solches Ehrenzeugniß auszustellen sich gedrungen fühlte, so durften deutsche Patrioten auch nach den bittern Enttäuschungen, welche sie seit den grünen Ostern von 1813 hatten erfahren müssen, immerhin noch erwarten, das weitschichtige Tribunal, vor welchem die Angelegenheiten Europa's endgültig verhandelt werden sollten, der nach Wien berufene Kongreß, würde den gerechten Ansprüchen und Forderungen der deutschen Nation wenigstens einigermaßen gerecht werden. Thörichte. Hoffnung, gegründet auf den unter dem Volke der Geduld hartnäckig heimischen „ideologischen“ Glauben, es sei nur eine misanthrovische Grille des bekannten Doktor Sauerampfer, daß nicht die arme heimatlose Gerechtigkeit, sondern vielmehr das höllische

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