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Bagration (,,la belle ange nue") und der Herzogin von Sagan in die Mysterien der Genußschwelgerei eingeweiht hatten, ein Mann, welcher mit beispiellosem Kynismus über das Verhältniß zu seiner eigenen Frau sich ausließ 22), der mußte alles Edlere und Bessere im Menschen für Firlefanz erklären und folgerichtig die Staatsfunst in den höheren Humbug sezen. Bei Alledem jedoch ist wahr, daß Metternich eine zwar klein, aber sehr fein angelegte Persönlichkeit gewesen ist und daß er sich ganz unübertrefflich jenen Anschein von Ueberlegenheit zu geben verstand, welcher selbst gescheite Leute verblüffen kann und dumme staunen macht. Nicht entfernt ein Mann von Genius, aller ursprünglichen und selbstständigen Ideen bar, war er, was in der Welt unendlich mehr gilt und wirkt, ein Meister der Formen und als solcher hat er nur der Unverstand kann es bestreiten die Politik Oestreichs im franz'schen Sinne während der Jahre 1813-15 meisterhaft geleitet. Das unwiderrufliche Endurtheil über die ganze Franz-Metternichigkeit hat erst der März von 1848 gesprochen. Es konnte nur ein herbster Verdammungsspruch sein.

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Wie hätte unter einem Regiment wie das franz-metternichige der Gedanke des Deutschthums und einer nationalen Erhebung gegen Napoleon sich regen können? Hier in Wien -schrieb Dorothea Schlegel im April von 1813 an Sulpiz Boifferée ist man auf jede andere Ehre eifersüchtiger als auf die, Deutschlands Hauptstadt zu sein. Denn Sie müssen wissen, daß man Hanaken, Naraken und alle erdenklichen Aken und Maken nicht für Ausländer, aber alle Deutschen, die nicht am wiener Berge geboren find, allerdings für Ausländer ansieht“

und als Theodor Körner seiner Leier das Schwert gesellte und sich zu den Lüßowern gen Breslau aufmachte, da meinten die gutmüthigen Wiener achselzuckend, „der in jeder Hinsicht so achtungswerthe Jüngling sei doch viel zu gut für Kanonenfutter 23)." So weit war man in Destreich dem Verständnisse

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dessen fern, was die Blüthe der deutschen Jugend drängte und trieb. Der Widernapoleonismus hatte demnach in Wien einen ausschließlich östreichischen, aristokratisch-reaktionären und selbstsüchtig-diplomatischen Charakter und in solchem Sinne ging er vor, d. h. auf Schleichwegen und Heuchelpfaden. Noch vor Ablauf des Jahres 1812 kam der dem Franzosenkaiser von früher her wohlgefällige General Bubna nach Paris, um die Glückwünsche des wiener Hofs zur Heimkehr Napoleon's zu überbringen und nebenher zu versichern, daß Oestreich bei der französischen Allianz beharren werde. Am 12. Februar von 1813 sodann erklärte Metternich dem Grafen Otto: Unsere Allianz gründet sich auf die natürlichsten, dauerndsten, ihrem Wesen nach wohlthätigsten Verhältnisse und Interessen; sie muß daher ewig sein wie die Bedürfnisse, aus denen sie hervorging." Doch ließ der Minister nebenbei ein Wort von der Unbequemlichkeit des Kontinentalsystems für Destreich fallen, sowie ein weiteres, daß das wiener Kabinett den Gedanken ins Auge gefaßt habe, eine Vermittlung zwischen den kriegführenden Mächten versuchen zu wollen. Und in denselben Tagen, wo Metternich die französisch-öftreichische Allianz für „ewig" erklärte, gingen östreichische Sendlinge ins Hauptquartier des Czaren und nach London ab, natürlich nur, um für diese „Ewigkeit" zu arbeiten, und in denselben Tagen drückte der, redliche "Kaiser Franz dem preußischen General von dem Knesebeck, welchen Friedrich Wilhelm sofort nach Abschluß seiner Allianz mit Alexander nach Wien geschickt hatte, biedermännisch die Hand und sagte: „Melden Sie Ihrem König, daß ich komme. Ich habe noch nie meine Hand auf Etwas gegeben, ohne mein Wort zu halten. Erst muß mich aber der Metternich von Napoleon losmachen, gegen den ich Verpflichtungen eingegangen bin 24).“ Man sieht, der Franzosenkaiser hatte recht, wenn er, weit ents fernt, von Seiten Oestreichs einen äußersten Entschluß zu fürchten, der Sachlage doch nicht ganz traute. Ueberzeugt von der

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Wahrheit des Sages, daß „kleine Geschenke die Freundschaft warmhalten,“ bot er dem wiener Hof, um denselben „treu“ zu erbalten, die preußische Provinz Schlesien an 25). Das Anerbieten, wohl nur ein Fühler," wurde abgelehnt und nun schien es Napoleon rathsam, an die Stelle des redlichen Otto den pfiffigeren Narbonne nach Wien zu schicken, welcher Diplomat auf seinen Posten mit den Worten abgegangen sein soll: „Wo der Arzt mit seinem Latein zu Ende, ruft man den Quacksalber. ' Der Quacksalber vermochte den sehr allmälig, aber unaufhaltsam vor sich gehenden Allianzbruch nicht zu verhindern oder wieder zu heilen. Oestreich wollte aus der Lage Vortheil ziehen und warum hätte es das nicht wollen sollen? Metternich bandirte sehr geschickt. Ihm kam es nicht zu Sinne, den Napoleonismus vernichten zu wollen; er wünschte ihn bloß einzuschränken und zwar in einer für Destreich vortheilhaften Weise. Die Franzosen aus Deutschland zu verdrängen, fiel ihm gar nicht ein; wohl aber, die angebotene Friedensvermittlung so hoch wie möglich anzuseßen und zwar nach beiden Seiten hin. Wetteifernd sollte auf die Allianz Oestreichs von hüben und drüben. geboten werden, bis das Angebot einer Wiedereinbringung der östreichischen Einbussen von 1805 und 1809 gleichfäme. mit war es dem Franz und dem Metternich ernst und Napoleon sollte es bitterlich bereuen, daß er das nicht bei Zeiten einsah und sich danach richtete. Er wähnte, er habe es ja schlimmsten Falls immer noch in seiner Gewalt, Oestreich mittelst Hinwerfung eines Länderbrockens beim Bündniß mit ihm festzuhalten, und allerdings erklärte noch am 26. April Metternich dem Grafen Narbonne, daß Oestreich die Grundlagen der Allianz vom März 1812 als unerschüttert ansehe. Aber in derselben Note doch auch, daß „Oestreich als vermittelnde Macht und vermöge seiner geographischen Lage nicht mehr in der Eigenschaft als bloße Hülfsmacht (Napoleon's) an dem Kriege sich betheiligen könne und daß demnach die Stipulationen des Allianz

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vertrags von 1812 aufhörten, auf die gegenwärtige Situation anwendbar zu sein." Aus der diplomatischen Phrasenbaumwolle herausgewickelt hieß das: Sehr lieber Herr Bruder und Schwiegersohn Bonaparte, entweder du bezahlst uns für unsere Allianz den Preis, den wir fordern, oder aber wir suchen bereitwilligere Käufer im Lager deiner Feinde." Dies so deutlich zu verstehen zu geben, daß man es verstehen mußte, wenn man es verstehen wollte, hatte auch der Fürst Karl von Schwarzenberg Auftrag, als derselbe, so eben für den thatlosen Feldzug in Polen auf Napoleon's Verwendung mit dem Marschallsstab belohnt, am 7. April nach Paris kam, um die Unterhandlungen weiter zu führen. Er that es ohne Erfolg, obgleich der Schmiegsame am 22. April Namens seines Hofes dem Duc de Bassano (Maret) erklärte, Destreich halte den Kaiser Napoleon für seinen , natürlichsten Verbündeten" 26). Der Kaiserwahnsinnige ließ den östreichischen Botschafter ziehen, ohne Oestreich irgendwelche feste Vorschläge oder gar Einräumungen gemacht zu haben. Noch mehr, der tollgewordene Napoleonismus fonnte nicht umhin, den Fürsten Schwarzenberg förmlich zu hänseln, wovor diesen schon sein höchst ehrenhafter Privatcharakter hätte sicherstellen sollen. Der Fürst war bei der Abschiedsaudienz in östreichischer Feldmarschallsgala und trug den Marschallsstab. ,,Vous avez le bâton de maréchal fagte im Uebermuth seiner Laune der Empereur zu ihm -- le bâton cela veut dire schlagen celui qu'on a devant soi." Worauf der östreichische Magnat ganz treffend und tüchtig:,,Oui, Sire, il faut le désirer; il s'agit de le pouvoir 27)." Die Dinge nahmen dann ihren Verlauf und man muß anerkennen, daß es ein feines Stück diplomatischer Arbeit gewesen ist, welche Metternich that, indem er seinen Herrn vom Napoleon „losmachte,“ Destreich fachte aus der Region der napoleonischen Allianz auf das Feld der Neutralität, dann der friedlichen Vermittlung, dann der bewaffneten Vermittlung hinüberrückend und zulegt in eine

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Stellung schiebend, wo es in diese oder jene Wagschale das Gewicht der Entscheidung werfen konnte.

Das Verhältniß Preußens zu dem Eroberer und Zwingherrn mußte sich der ganzen Lage dieses Staats gemäß viel rascher und früher klären als das Oestreichs. Aber Preußen war nicht allein in Betreff seiner materiellen Machtstellung weit ungünstiger daran als Destreich, sondern auch in Betreff der leitenden Personen. Friedrich Wilhelm kam an Verschlagenheit, Verstellungskunst und Willenszähigkeit dem Kaiser Franz entfernt nicht bei und Hardenberg war in diplomatischen Ränken und Schwänken dem Metternich lange nicht gewachsen. Daher fiel auch die Gaufelei, welche man nach der Konvention von Tauroggen dem Napoleon von Berlin aus vorzumachen sich bemühte, so kläglich aus. Daß man, sobald vom Untergang der großen Armee in Rußland bestimmte Kunde eingegangen, die Empörung Preußens gegen die fremde Zwingherrschaft als eine ausgemachte Sache ansah und daß auch der König in innerster Seele diesen Gedanken hegte, ist wohl ganz unzweifelhaft 28). Aber noch immer stand, was in den Jahren 1806 und 1807 geschehen war, noch immer stand das Schreckgespenst Jena-Tilsit vor Friedrich Wilhelm, und sowie es drohend den Finger erhob, schwankte der König in seine infinitivische Unentschloffenheit zurück, den Einflüssen von Kalkreuthen und Wittgensteinen preisgegeben.

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Es wurde, wie Jedermann wissen könnte, in der hofhistoriographischen Falschmünzstätte eine Friedrich - Wilhelms - Legende geprägt, welche von dem „ Heldenkönig, “ von „, Der König rief und Alle, Alle kamen" — und von dergleichen schönen Dingen mehr unterthanentrommelfellrührend und herzbeweglich zu singen und zu sagen weiß. Solche Legenden gehören zu den dynastischen Regierungsmitteln und es ist ganz in der Ordnung, daß sie bei passenden Gelegenheiten offiziell hergeleiert werden; denn die Welt will betrogen sein und die blöde Menge lieber hundert

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