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An der Katzbach.

Deutschland, das sich rühmt, Europa's Herz zu sein, ist jedenfalls Europa's Lieblingsschlachtfeld und in Deutschland hinwiederum genießt Sachsen der traurigen Ehre, zur bevorzugten Walstätte zu dienen. Auf diesem so oft mit Blut gesättigten Boden war im Frühjahr bei Lügen und Baußen das Präludium zur kolossalen Schlachtensymphonie von 1813 gespielt worden und hier auch sollte im Herbste das unerhörte Finale bei Leipzig nervenzerreißend und markdurchbohrend wogen und wettern und wüthen.

Zwar soll einer seiner Marschälle, Oudinot, dem Napoleon gerathen haben, seine gesammte Streitmacht, mit Einschluß der aus den Elbe- und Oderfestungen herauszuziehenden Besagungen, aus der bedrohlich eingeengten Stellung in Sachsen hinweg und in das offene Gebiet zwischen dem Main und dem Rhein zu ziehen, um dort den Krieg zu führen oder über den Frieden zu unterhandeln; allein dieser Rath war nicht nach des Imperators Geschmack. Vielmehr hatte er beschlossen, Sachsen bis zum Aeußersten als sein Kriegstheater festzuhalten, weil es ihm als eine ungeheure" strategische Niederlage erschien, daffelbe aufzugeben und seine Operationsbafis rückwärts an den Rhein zu verlegen. Sehr möglich, höchst wahrscheinlich sogar,

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daß sein Rachedurst ihm den Wunsch eingab, vor Allem einen Schlag gegen das „, abtrünnige "Destreich zu thun, die böhmische Armee zu vernichten, auf Wien zu marschiren und dort zum dritten Mal den Frieden zu diktiren. Allein dies fonnte nur mit einer sehr bedeutenden Macht unternommen werden und eine solche vermochte er nicht aus Sachsen wegzuführen, falls zugleich dieses Land gegen die schlesische und die nördliche Armee der Verbündeten behauptet werden sollte, wie es behauptet werden mußte, wenn man nicht ganz stüzelos ins Blaue hineinoperiren wollte. Nachdem daher Napoleon innegeworden, daß die Hauptmacht seiner Gegner - er hatte dieselbe zuerst in Schlesien vermuthet -in Böhmen stünde, mußte er folgerichtig Dresden zum Mittelpunkt seiner Hauptstärke machen, weil er von hier aus seine Stöße gleich gut gegen Böhmen, gegen die Marken und gegen Schlesien führen konnte. Zu diesem Behuse theilte er seine Heergeschwader ungefähr in derselben Weise, wie die Verbündeten mit den ihrigen gethan hatten, jedoch so, daß er, durch seinen eben berührten anfänglichen Jrrthum verleitet, die gegen Schlesien hin operirende Armee ungewöhnlich stark machte, während er gegen die Nordarmee eine in ihrem Stärfebetrag unzulängliche Streitmacht aufstellte, weil er vollwichtigen Grund hatte, von dieser Seite her, d. h. von der Kabriolenschneiderei des Monsieur Bernadotte nichts Ernstliches zu befürchten. In der Mitte seiner Feinde sich behauptend, hoffte er je nach den Umständen in gewohnter Wetterstralsweise aus seiner concentrischen Stellung hervorbrechen, die Gegner mittelst einzelner Siege aufreiben oder wenigstens ermüden, entmuthigen und entzweien zu können 19). Allerdings hatte diese Hoffnung einen starken Beisaz von Kaiserwahnsinn, jedoch war sie nicht allzu kühn, und zwar darum nicht, weil der Krieg dermalen kein solcher mehr, von welchem die Kronen nicht wußten," sondern im Gegentheil ein solcher, von dem nur die Kronen wissen sollten, nicht die Völker, d. h. ein „forrekter“

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Krieg im alten guten despotischen Kabinettstyl, welchen unendlich viel besser als seine gegnerischen Pfuscherdespoten handhaben zu können der Meisterdespot mit Grund sich schmeicheln durfte. Er übersah dabei nur, daß es in der Welt noch ein mächtiger Ding gäbe als das Napoleonglück und Napoleongenie, den Napoleonhaß, der in dem Zelte Blücher's wachte.

Der Alte handelte bei Eröffnung seiner Laufbahn als Obergeneral der schlesischen Armee sofort im Sinne der Auslegung, welche er, wie wir hörten, seiner Instruktion gegeben hatte, d. h. er ging vorwärts. Man hatte durch Späher in Erfahrung gebracht, daß die Franzosen, hinter der Kazbach von Goldberg bis Baußen staffelförmig aufgestellt, sich vorbereiteten, am 17. August, als dem ersten Tage, wo den Bestimmungen des Waffenstillstandsvertrags zufolge die Feindseligkeiten wieder anheben durften, das neutrale, zwischen ihnen und dem blücher'schen Heer gelegene Gebiet zu überschwemmen. Nun war es aber aus strategischen Gründen von Wichtigkeit, diesem zuvorzukommen 20). Als daher im Hauptquartier die Nachricht einging gebracht durch einen von Steffens aus Warmbrunn abgefertigten Boten 21) - daß feindliche Reiterschwärme Requisitionen erhebend das neutrale Gebiet vertragswidrig durchstreiften, war der Gebhart Lebrecht schnell entschlossen, zog seine Harste rasch zusammen, ließ sie am 14., 15. und 16. August das neutrale Gebiet besegen und bis zur Kazbach vorgehen. Darüber hub sich aber ein groß Geschrei. Zunächst nicht so sehr im feindlichen als vielmehr im eigenen Lager und recht keifend angestimmt vom russischen General Langeron, welcher, weil er schon einmal selbstständig, dort hinten in der Türkei, den Heerbefehlsstab geführt, sehr widerwillig von einem Andern sich fommandiren ließ. Das Vorrücken Blücher's schrieen Langeron und seine Russen — verstoße gegen den Kriegsplan und gegen die geheime Instruktion, welche leßtere, um dem alten „Husaren“ einen „ Dämpfer“ aufzusegen, dem russischen General

unehrlicher Weise mitgetheilt worden war. So könne man nicht dreinfahren und die russischen Korps dürften nicht unter dem Befehl eines solchen Dreinfahrers verbleiben. Der Alte achtete dieses Geschrei's gar nicht und nahm davon erst dann Kenntniß, als er mußte. Zu Neumark befanden sich nämlich noch Kommissäre der Verbündeten und der Franzosen, welche über die Ausführung der Waffenstillstandsbedingungen zu wachen hatten. Die französischen erhoben Beschwerde über das Vorgehen der blücher’schen Armee; aber der General, zur Erklärung aufgefordert, sandte nach Neumark die Beweise, daß die Franzosen das neutrale Gebiet zuerst verlegt hatten. Trogdem ging ihm von Neumark die Weisung zu, er solle seine Truppen umkehren lassen. Da blücherte der Gebhart Lebrecht los und schrieb an den preußischen Kommissär, den General von Krusemark: „Die Narrenpoffen der Diplomatiker und das Notenschmieren müssen nun mal ein Ende haben. Ich werde den Taft ohne Noten schlagen 22).“

Napoleon, am 15. August in Baußen angelangt, erfuhr zwar in den nächsten Tagen Einiges, was darauf hindeutete, daß die Hauptmasse der Verbündeten in Böhmen zusammengezogen sei, und er schien entschlossen, sich dorthin zu werfen und einen großen Schlag zu versuchen. Allein er schien es nur; denn seine Entschlüsse hingen denn doch nicht mehr so ganz von ihm selber ab, sondern wurden vielmehr durch die Armbewegungen der folossalen Heerzange bestimmt, womit seine Feinde ihn zu packen suchten. Der Plan, in Böhmen einzufallen und die dortigen feindlichen Heerscharen zu schlagen, noch bevor sie sich vereinigt hatten, wurde schon in seinem Entstehen zunichte gemacht durch das rasche Vordringen Blücher's bis an den Bober. Der Empereur durfte es nicht wagen, der schlesischen Armee, welche er noch dazu für bedeutend stärker hielt als sie war, seine linke Flanke preiszugeben. Seinen Befehlen zufolge hätten die sämmtlichen Korps von Marmont, Macdonald, Lau

riston, Sebastiani und Ney unter der Führung des leztgenannten Marschalls in der Stärke von 130,000 Mann bei Bunzlau vereinigt sein und in fester Stellung das blücher'sche Heer aufhalten sollen. Dies wurde nicht bewirkt und die Franzosen, ziemlich planlos geführt, entgingen einer schweren Niederlage schon am 19. August nur durch die mißlichen Verhältnisse, womit Blücher in der eigenen Armee zu kämpfen hatte. Er war am genannten Tage am Bober angekommen und ordnete sofort einen allgemeinen Angriff, welcher dem Feind und insbesondere dem Marschall Ney, der sich am Grädigberg mitten unter verbündeten Truppenabtheilungen befand, hätte verderblich werden. müssen. Da versagte Langeron unter ganz nichtigen Vorwänden den Gehorsam, griff mit seinem Korps im entscheidenden Augenblicke nicht angriffsweise ein und Ney entkam in der Nacht bei Bunzlau über den Bober. Das zeichnet wohl sattsam die schlimme Lage Blücher's. Sein Heer bestand der Mehrzahl nach aus Russen und die russischen Generale befolgten seine Befehle nur, wenn es ihnen beliebte. Auch York kam den Weisungen aus dem Hauptquartier nur murrend nach und war stets mit Einwürfen bei der Hand. Was sollte der Alte thun? Durchfahren? Aber das würde ja das locker genug zusammengefügte Ding von schlesischem Heer gleich zum Anfang ganz aus dem Leim gerissen haben. Hier war nur mit Beharrlichkeit und Geduld, mit unendlich viel Geduld Etwas auszurichten, und daß der Blücher solche Geduld erwies, ist ihm doppelt hoch anzurechnen. Er beschloß, seinen persönlichen Stand beim langeron'schen Korps zu nehmen und zu erwarten, ob eine Widerseßlichkeit gegen persönlich gegebene Befehle, wobei die Entschuldigung eines Mißverstehens nicht stattfinden konnte, erfolgen würde." Das half, aber doch nur allmälig und erst dann, als der Alte seinen ersten großen Sieg erfochten hatte, stand sein persönliches Ansehen so fest, daß seine Unterfeldherren keine Widerseßlichkeit mehr wagten. Für jezt war die schöne Gelegenheit, das FeldScherr, Blücher. III.

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