Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

De old Blü ch e r t.“

Ein Sonnenstral, flüchtig eine Kothlache streifend: - so verhält das Ideal sich zur Wirklichkeit. Von Zeit zu Zeit rauscht aus den „heitern Regionen, wo die reinen Formen wohnen, “ ein voller Gedankenakkord hernieder; aber nur, um in der lackirten Barbarei des großen „Jahrmarkts von Plundersweiler," genannt „Gesellschaft,“ sofort in die grellen Diffonanzen der Thorheit und Selbstsucht zu zerfahren. Was weiß und will die ungeheure Mehrheit der Menschen von Ewigem? Nichts. Und wir Andern, die wir uns einbilden, Etwas davon zu wissen und zu wollen, sind wir nicht allesammt Dickhäuter und Harthörige, an deren Trommelfell nur gebrochene und verlorene Klänge einer geahnten Universalharmonie schlagen? Ah, jener Eine, vor dessen Augen die kleine Narrenwelt," der Mensch, durchsichtig gewesen ist wie Glas, William der Einzige, hat es wohl gewußt und gesagt: -Zu grob umhüllt uns das Kleid hinfälligen Staubes, als daß wir die Musik der Geistersphären vernehmen könnten 1)." Wie in einer verdorbenen Phantasie eine Ophelia und Desdemona, eine Iphigenie und Dorothea zu Megen werden, so vergröbert und vergemeinert sich jede höchste und heiligste Idee in den schwieligen und schmußigen Händen des Lebens. Größter aller Fafire, unglücklicher und unsterblicher Selbstpeiniger von der Eremitage im

"

Forst von Montmorency, Alles zusammengehalten, hast du doch wohl nicht so ganz unrecht gehabt mit deinem griesgrämigen Ausspruch, daß der Mensch nur dazu da sei, Alles zu verpfuschen und zu verderben 2).

Das Bestialische, genannt der Krieg, niemals war es durch eine reinere und schönere Glut so sehr zu etwas Sittlichem hinaufgeläutert worden wie im Frühling von 1813. Aber das fonnte ja nicht von Dauer sein; denn das Edle und Gute ist nur dazu da, dem Gemeinen und Schlechten zu unterliegen, und „das Schöne lebt nur im Gesang." Diese bittere Wahrheit sie wurde, wie in der Weltgeschichte unzählig oft, im Sommer von 1813 zu brutaler Wirklichkeit. Genau in demselben Verhält

"

niß, in welchem durch Destreichs Beitritt zur Koalition der Widernapoleonismus an Massenhaftigkeit zunahm, verfiel er der Entgeistung. Der Volks- und Freiheitskrieg wandelte sich unversehens in einen Dynastenstreit, in einen, nüchternen und forreften" Kabinettskrieg, dessen würdiges Ziel und Ende dann auch ein altgewohntes dynastisches Schachern und Hadern um Länderfeßen und Seelen" gewesen ist. Die Franz-Metternichigkeit, durch die unverbesserlichen Unterlassungen und Fehler, welche die Verbündeten von Anfang an begangen hatten, zur entscheidenden Rolle berufen, hat bewußt und absichtlich das Prinzip des großen Kampfes gefälscht. Bewußt und absichtlich hat sie auch, von czarisch-alexandrischer Falschheit und königlichinfinitivischer Bornirtheit trefflich unterstüßt, von vorneherein eine vergiftende Hand auf die nationalen Hoffnungen Deutschlands gelegt. Leuten wie Franz und Metternich, denen es später Vergnügen machte, über verworfenste und ruchloseste Menschenquäler und Völkerpeiniger, über einen Karl von Braunschweig und über einen Dom Miguel von Portugal liebkosend-schüßende Hände zu halten, ihnen mußte es wahre Wollust sein, die Bestrebungen und Erwartungen der deutschen Patrioten zunichte zu machen.

[ocr errors]

Und sie thaten so. Sie hatten Sorge getragen und es einzurichten gewußt, daß sie selbst nicht um den Preis der ihnen bewilligten Preisgebung der Völkerhoffnungen und der deutschen Sache weder durch die reichenbacher Vereinbarung vom 27. Juni noch sogar durch die Kriegserklärung an Frankreich allzu fest der widernapoleonischen Allianz sich anschlossen. Jedermann weiß, daß Metternich, sowie Fortuna dem Schlachtendonnerer wieder lächelte oder zu lächeln schien, sein feiges "Finassiren" abermals anhob, daß er, der weiland begünstigte Buhle von Napoleon's Schwester Karolina, seine Beziehungen zum Hofe des Empereur so lange unterhielt, als es eine phyfische Möglichkeit war, und daß er, selbstverständlich im Einverständniß und auf Befehl seines Herrn, bis zulezt Alles aufbot, den französischen Machthaber auf seinem Throne zu erhalten. Dies konnte, falls man erwägt, mit welchem bohrenden Hafse Tartuffe Franz die Persönlichkeit seines Schwiegersohns haßte, räthselhaft erscheinen. Aber das scheinbare Räthsel lös't sich leicht und sicher dahin, daß Franz und Metternich in Napoleon den vollendeten Meister der Tyrannenkunst höchlich bewunderten, ja als solchen gewissermaßen liebten. Fürwahr, es erregt mitleidiges Achselzucken über menschliche Thorheit, wenn man wahrnimmt, welche thörichte Hoffnungen deutsche Patrioten, dahlende und duselnde freilich nur, im Hochsommer von 1813 auf Oestreich sezten. Da war so Einer, der wohlmeinende Junker May von Schenkendorf, welcher sich bemühte, auf seiner dünnpfeifenden lyrischen Flöte tyrtäisch zu trompeten und zu posaunen. Der forderte im August die Preußen auf, das „klangreiche Böhmerland mit Waffentänzen zu begrüßen und Sieg und Heil dem Kaiser zu rufen, " dem Kaiser Franz wohlverstanden, in welchem der arme faselnde Poet den Wiederhersteller des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sah, eine Art von deutschem Messias so zu sagen, den Heraufführer eines goldenen Zeitalters, von welchem gesungen werden könnte

und würde: „Nicht mehr nun trennt uns Süd und Norden, ein Lied, ein Herz, ein Gott, ein Orden, ein Deutschland hoch und schön 3)."

Zur selben Zeit, wo der Kaiser-Tartuffe also angedudelt wurde, trug der Empereur bei Dresden seinen lezten glänzenden Erfolg über die unzulängliche Führung der dort fechtenden Verbündeten davon und flugs flog heimlich ein Friedensunterhändler aus dem östreichischen ins französische Hauptquartier. Aber ein widerdeutscher Schwiegerpapa und ein kaiserwahnfinniger Schwiegersohn hatten keine Zeit sich zu verständigen, weil der von den Siegesstätten von Kulm und von der Kazbach herbrausende Wind die Wetterfahne der franz-metternichigen Politik wieder drehte. Jezo beschloffen der östreichische Kaiser und sein Minister, den Knoten der Allianz mit Rußland und Preußen etwas fester zu schürzen, und geschah dies dann befanntlich durch den zu Teplig am 9. September vereinbarten Vertrag, welcher durch einen weiteren, am 3. Oktober zwischen Destreich und England abgeschlossenen seine Ergänzung fand. Destreich hatte es auch jezt wieder verstanden, sich kostbar zu machen, und seßte daher zu Teplig in Betreff der deutschen Sache seine Ansicht und seinen Willen durch. Der Freiherr von Stein hatte es dahin gebracht, daß man sich einmal alles Ernstes mit dieser Sache befassen und die Grundzüge einer deutschen Gesammtverfassung feststellen wollte. Er forderte, nachdem er seinem früheren Gedanken einer Theilung sämmtlicher deutscher Länder zwischen Preußen und Oestreich entsagt hatte, die Wiederherstellung der deutschen Kaiserwürde, des Reichstags und der Reichsgerichte in verjüngter und verbesserter Gestalt. Diesem Vorschlag widersprachen die preußischen Diplomaten, Hardenberg und Humboldt, und noch viel entschiedener Franz und Metternich, welche von einem deutschen Reich überhaupt Nichts wissen wollten. Auf Stein's Anregung schlug nun Preußen die Errichtung eines deutschen Bundes vor mit

etwas straff-föderativen Formen, kraft welcher der Souverainetätsschwindel der mittleren, kleineren und kleinsten deutschen Staaten zu Gunsten des Ganzen beschnitten werden sollte 4). Destreich widersetzte sich auch diesem Antrag. Sein Bedenken vorschiebend, die Rheinbundssatrapen würden lieber den lezten Mann und den legten Gulden ihrer Unterthanen für den Napoleonismus opfern als ihrer Souverainetät von Napoleon's Gnaden entsagen, brachte es Metternich dahin, daß festgesezt und erklärt wurde, der Rheinbund zwar müßte aufgelöst wer den, allein die Fürsten desselben und überhaupt sämmtliche zwischen dem wiederhergestellten Oestreich und Preußen, dem Rhein und den Alpen liegenden Staaten und Stäätchen sollten die vollständige und unbedingte Souverainetät besigen („,l'indépendance entière et absolue 5).“

Damit waren die Hoffnungen auf die Herstellung deutscher Nation, auf ein deutsches Gesammtvaterland glücklich vermetternicht, d. h. eingesargt und begraben. Die gefoppten und geäfften Deutschen schlugen sich fortan, indem sie gegen den Napoleonismus weiterfochten, im Grunde nur noch für einen andern Anstrich ihrer Fesseln, für dynastische Egoismen und diplomatische Ischariotismen und der veränderte Charakter des ganzen Kampfes gab sich hörenden Ohren schon dadurch deutlich fund, daß in den Lagern an die Stelle der arndt- und körner'schen Eisen- und Feuerlieder die offiziell - servile Drehorgelei Heil dir im Siegerfranz" gesezt ward. Also triumphirte Oestreich, die russische Zweideutigkeit und die preußische Schwäche gleichermaßen nasführend. Und nicht zufrieden damit, Prinzip und Charakter des widernapoleonischen Krieges gefälscht zu haben, hat die Franz-Metternichigkeit nachmals noch den Versuch gemacht, durch die Feder von Judas Genz auch die Geschichte dieses Krieges zu fälschen, indem sie den genannten Judas, im schreienden Widerspruch gegen früher von ihm selber gethane Aeußerungen, lügen ließ, „die Völker, die

"

« ZurückWeiter »