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Normort.

Den

Den Gedanken der Arbeitstheilung und Arbeitsvereinigung zum Zwecke der Herstellung umfassender Handbücher, den ich, nicht ohne eine für mich ehrenvolle Nachahmung auf anderen Gebieten der Rechtsund Staatswissenschaft zu finden, mit Beziehung auf die Materie der juristischen Encyclopädie, des Strafrechts und Strafprozesses zur Anwendung gebracht habe, versuche ich in dem Werke, dessen erster Band nunmehr erscheint, jezt auch auf das Völkerrecht zu übertragen. Der Plan dazu beschäftigte mich selbst seit Jahren. Seiner Verwirklichung wurde er jedoch näher gebracht durch Anregungen aus den Kreisen praktischer Staatsmänner, denen es schien, als ob, wenigstens in Deutschland, die Theorie des Völkerrechts dem Entwickelungsgange des öffentlichen Lebens, den neuen Staatsbildungen und dem Umfange des jüngsten Staatsvertragsrechts mit etwas zu großer Zurückhaltung gefolgt sei.

Ohne den in aller Welt anerkannten Verdiensten meiner deutschen Vorgänger, Amtsgenossen und Lehrer, insbesondere Heffter's und Bluntschli's, irgendwie zu nahe zu treten, glaube ich den Augenblick gekommen, wo, auf breiterer Grundlage aufgebaut, ein Unternehmen Billigung finden kann, das vornehmlich darauf berechnet ist, die Wissenschaft des Völkerrechts, deren Bedeutung mir in schnellem Wachsthum begriffen zu sein scheint, und die Staatspraris mehr, als bisher geschehen konnte, einander annähern soll.

Hätte ich in diesem Stücke irgend welchen Zweifel gehegt, so würde er durch die Bereitwilligkeit widerlegt worden sein, die ich bei meinen Herren Mitarbeitern fand, als ich sie um ihre Unterstüßung anging.

Gewisse, meiner Ansicht nach minder erhebliche, Mängel sind freilich von allen Sammelwerken unzertrennlich und fallen zunächst der Sache selbst und hinterher dem Herausgeber zur Last. Die Abgränzung der einzelnen Stoffgebiete läßt sich, wo Mehrere zusammen arbeiten, nicht überall mit Schärfe durchführen. Verschiedenheiten der Auffassung innerhalb der Gesammtheit solcher Werke sind sogar ebenso natürlich, wie Verschiedenheiten der Schreibweise und des Stils.

Der Zustand des heutigen Völkerrechts ist jedoch ein solcher, daß die Vorzüge der Systematik, die für den Lehrzweck an den Universitäten sehr hoch veranschlagt werden mögen, zurücktreten können, wo die Staatspraris nicht nur eines einzelnen Gemeinwesens, sondern zahlreicher Regierungen zusammenwirkt, um ein einheitliches Resultat herbeizuführen, das fast niemals auf rein theoretischen Erwägungen beruht.

Eben deswegen scheint es mir im gegenwärtigen Zeitpunkt besonders wichtig, thunlichst vollständig den wirklichen Bestand der völkerrechtlichen Verhältnisse auch in ihren Eigenheiten so zur Anschauung zu bringen, wie er sich in der Auffassung verschiedener, sowohl theoretisch durchgebildeter als auch praktisch erfahrener Publicisten auf den von ihnen vorzugsweise gepflegten Wissensgebieten darstellt.

Wenn durch die hiermit in ihren Anfängen vorgelegte Arbeit in Wirklichkeit das Verständniß des Völkerrechts nur um ein Geringes gefördert würde, so hätte ich solches Ergebniß unserer Bemühungen im Verhältniß zur ungewöhnlichen Bedeutung einer der Gesammtheit aller Kulturstaaten gewidmeten Rechtsmaterie immerhin als einen vollkommen ausreichenden Erfolg für meine Herren Mitarbeiter und für mich selbst zu erkennen.

München, 11. Juli 1885.

Franz von Holhendorff.

Einleitung in das Völkerrecht.

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