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officiis gentium erga se invicem, ac inde nascentibus juribus; De dominio gentis; De foederibus et sponsionibus; De modo componendi controversias gentium; De jure belli gentium; De jure gentium in bello; De pace et pactione pacis; De jure legationum.

Im »Jus gentium methodo scientifica pertractatum«, bildet das erste Kapitel des Compendiums die Prolegomena. Darauf folgen die weiteren Kapitel als I-IX.

Die einzelnen Materien sind ziemlich vollständig abgehandelt. Auch durch seine Systematik bezeichnet Wolff seinen Vorgängern gegenüber einen wichtigen Fortschritt. Es wird mit Recht hervorgehoben, daß bei ihm an Stelle der Eintheilung in ein Kriegs- und ein Friedensvölkerrecht, wenn er auch das nicht ausdrücklich angedeutet hat, der Unterschied des materiellen und formellen Völkerrechts getreten ist. 5)

Beide Werke übrigens, sowohl das »Jus gentium« als die »Institutiones«, sollen lediglich natürliches Völkerrecht enthalten.

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Die Institutiones« sind Deutsch übersetzt und zweimal aufgelegt wor= den als Grundsätze des Natur- und Völkerrechts", Halle 1754, 1769; Französisch mit Noten 1772 vom Buchdrucker, Advokaten und Philosophen Elie Luzac aus Noordwijck (1723 — 1796). Das »Jus naturae et gentium<< wurde vom Berliner Pastor, Professor, Academiker Formey (1711–1797) in trefflicher Weise abgekürzt, als »Principes du droit de la nature et des gens; extrait du grand ouvrage latin de M. Wolff«, 1757-1758. Vor Allem aber hat Wolff im Kursächsischen Legationsrathe Vattel auf dem Gebiete des Völkerrechts einen vorzüglichen Bearbeiter gefunden.

1) Kaltenborn, S. 67:,,(Das philosophische System Wolff's) steht ... bei weitem über den hohlen Abstractionen und rein willkürlichen Constructionen der Pufen dorfianer und Thomasianer... Es ist bei Wolff ein unmittelbares Anschließen an das Positive, Empirische, wie überall, so auch im Völkerrechte sichtbar; ja es soll eigentlich alles Empirische, Positive durch die unaussprechliche Kraft der mathematischen Methode zum Philosophischen erhoben werden; einzig in ihr soll ja das Geheimniß der Wolff'schen Philosophie bestehen. Es verleiht auch wirklich die Wolff'sche Theorie der Wissenschaft des Völkerrechts in Bezug auf das Princip nicht weniger als in Bezug auf die systematische Gliederung einen gewissen Umschwung."

2) Er sowohl als seine Zeitgenossen haben den Namen bald,,Wolf“ bald „Wolff“ geschrieben. Lettere Form scheint doch die endgültig von ihm selbst angenommene, während er Lateinisch »Wolfius« schrieb

3) Pütter, Selbstbiographie (1798), S. 28. Ueber die spätere, weniger anziehende Art Wolff's, S. 41.

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Oben, § 85 und

4) Ueber die Civitas gentium maxima vgl. u. A.: Ompteda, S. 323. gern, Kritik des Völkerrechts, S. 44. Kaltenborn, S. 72. § 87. Borhorn (Gierke, Johannes Althufius, S. 236) leitet das Jus gentium aus der Universalis res publica omnium hominum her.

Ausführlicher wird der Gedanke der Civitas maxima von Wolff entwickelt wie

folgt: »Gentes omnes in civitatem coivisse intelliguntur, cujus singula membra sunt singulae gentes seu civitates particulares. Ipsa enim natura instituit inter omnes gentes societatem, et ad eam colendam eas obligat communis boni conjunctis viribus promovendi causa « . . . »Absit itaque, heißt es weiter, »ut tibi persuadeas, nullam prorsus esse gentem quae non consentire intelligatur in civitatem, in quam omnes coire jubet ipsa natura Quemadmodum vero in tutela recte praesumitur consentire pupillus quatenus consentire deberet, immo consensurus esset, siquidem commoda sua intelligeret; ita non minus gentes quae defectu acuminis non perspiciant, quantae utilitatis sit esse membrum civitatis illius maximae, consentire in hanc associationem praesumùntura.

5) Bulmerincq (a. a. D.). Ueber Wolff's Systematik s. auch Kaltenborn, S. 275. Bulmerincq bemerkt, daß die Kapitel I-IV des »Jus gentiuma das materielle Recht, und zwar mit Nachbildung der Römischen privatrechtlichen Systematik, enthalten, die Kapitel V-IX hingegen nur Prozessualistisches. Das Gesandtschaftsrecht hätte an die Spiße dieses zweiten Theils gestellt werden sollen.

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»Nos maximes vont paraître bien étranges à la politique des cabinets, et le malheur du genre humain est tel que plusieurs de ces raffinés conducteurs des peuples tourneront en ridicule la doctrine de ce chapitre. N'importe, proposons hardiment ce que la loi naturelle prescrit. aux Nations.<< Mit diesen einfachen und edlen Worten eröffnet Vattel das zweite Buch seines berühmten Werkes, betitelt: »Le Droit des gens, ou principes de la loi naturelle appliqués à la conduite et aux affaires des Nations et des Souverains.<<

.....

In seiner Vorrede hat er bereits erklärt: »Le Droit des gens, cette matière si noble et si importante, n'a point été traité jusqu'ici avec tout le soin qu'il mérite . . . . . La foule des écrivains, et des auteurs même célèbres ne comprennent guère sous le nom de droit des gens que certaines maximes, certains usages reçus entre les nations, et devenus obligatoires pour elles par l'effet de leur consentement. C'est resserrer dans des bornes bien étroites une Loi si étendue, si intéressante pour le genre humain et c'est en même temps la dégrader, en méconnaissant sa véritable origine >>Le Droit des gens«, heißt es weiter, »est une science particulière, laquelle consiste dans une application juste et raisonnée de la loi naturelle aux affaires et à la conduite des Nations ou des Souverains. Tous ces Traités dans lesquels le Droit des gens se trouve mêlé et

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confondu avec le Droit naturel ordinaire sont dont insuffisants pour donner une idée distincte. une solide connaissance de la loi sacrée des Nations.«

Nachdem er dann den Begriff des Völkerrechts bei Grotius, Hobbes, Pufendorf und Barbeyrac besprochen, sagt er weiter: »Mais il fallait de plus profondes méditations, et des vues plus étendues, pour concevoir l'idée d'un système de Droit des gens naturel, qui fût ainsi comme la loi des Souverains et des Nations; pour sentir l'utilité d'un pareil ouvrage; et surtout pour l'exécuter le premier. La gloire en était réservée à M. le baron de Wolf.«

Den Schluß seiner Vorrede bildet folgende Erklärung:

»Je me suis étudié à n'offenser personne, me proposant de garder religieusement le respect qui est dû aux Nations et aux Puissances souveraines. Mais je me suis fait une loi plus inviolable encore de respecter la vérité et l'intérêt du Genre humain. Si de lâches flatteurs du despotisme s'élèvent contre mes principes, j'aurai pour moi les hommes. vertueux, les gens de coeur, les amis des lois, les vrais citoyens.

»Je prendrais le parti du silence, si je ne pouvais suivre dans mes écrits les lumières de ma conscience. Mais rien ne lie ma plume, et je ne suis point capable de la prostituer à la flatterie. Je suis né dans un pays dont la liberté est l'âme, le trésor et la loi fondamentale: je puis être encore, par ma naissance, l'ami de toutes les Nations. Ces heureuses circonstances m'ont encouragé à tenter de me rendre utile aux hommes par cet ouvrage. Je sentais la faiblesse de mes lumières et de mes talents, j'ai vu que j'entreprenais une tâche pénible: mais je serai satisfait si des lecteurs estimables reconnaissent dans mon travail l'honnête homme et le citoyen.<«<

In diesen Aeußerungen läßt sich der Charakter Vattels und seines Werkes deutlich erkennen. Hätte man die Vorrede besser beachtet, so würde manche Kritik ausgeblieben sein. Ein wissenschaftlich gebildeter, edelgesinnter Weltmann, der troß seiner übrigens sehr freien amtlichen Thätigkeit in Kursächsischen Diensten ein unabhängiger Schweizer geblieben ist, sich dessen bewußt ist, und auch meistens in der Schweiz wohnhaft war und blieb, hat Wolff's streng logisches, scharfes, aber steifes und schematisches Werk, von dessen Werth er erfüllt war, dem gebildeten Publicum mundgerecht machen wollen, und zwar vorerst, wie er auch sagt, den Herrn »qui sont à la tête des affaires, à ceux de qui il importe le plus qu'il soit lu et goûté, denn: »le droit des gens est la loi des Souverains, c'est pour eux principalement et pour leurs ministres qu'on doit l'écrire.«<

Dieses Unternehmen Vattel's ist vorzüglich gelungen, und ist zugleich eine That, für welche wir ihm dankbar sein sollten. Durch Vattel hat das Völkerrecht, als wirkliche unabhängige Wissenschaft proclamirt (obschon er noch manches Fremde hineinmischt), den Schulstaub abgeschüttelt, und ist in die Höfe, in die Gesandtschaften, in die feine Welt (monde poli) eingeführt worden,

Handbuch des Völkerrechts 1.

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wo es noch gerade in der von ihm gegebenen Form in hohem Ansehen steht. 1)

Vattel schließt sich absichtlich und eingestandener Maaßen an Wolff an, doch nicht absolut, und das ist in einigen Hinsichten zu bedauern. mischt mit dem Völkerrechte manches Fremdartige, Staatsrechtliche, Politische. Buch I handelt de la Nation considérée en elle-même, Buch II de la Nation considérée dans ses relations avec les autres, Buch III vom Kriege, Buch IV vom Frieden und vom Gesandtschaftsrechte. Diese Systematik steht hinter der Wolff'schen zurück. Die civitas maxima verwirft Vattel aus. drücklich. Dennoch nimmt er selber die Existenz einer société des Nations an, deren Unterschied von der Wolff'schen civitas maxima mehr intensiv als wesentlich scheint.

Emer de Vattel, wohl nach Rousseau von allen Schweizer Publicisten der berühmteste, war Sohn eines 1727 geadelten Predigers aus dem Fürstenthume Neuenburg und Neffe jenes Kanzlers Emer de Montmollin, welcher bekannt ist sowohl wegen seiner Mitwirkung bei der Anerkennung des Neuenburgischen Erbanspruchs des Königs Friedrich I. von Preußen, als auch wegen seiner staatsrechtlichen Arbeiten, insbesondere des »Mémoire sur l'indigénat helvétique«, wo die uralte Schweizerische Zugehörigkeit Neuenburgs nachgewiesen wird. Vattel wurde geboren im Pfarrdorfe seines Vaters 1714, studirte Philosophie in Basel, dann (1733) Theologie und Philosophie in Genf. Schon damals war er der Leibniz'schen und Wolff'schen Philosophie zugethan, und 1741 gab er eine »Défense du système Leibnitzien« heraus. Im selben Jahre reiste er nach Berlin, wo er eine politische oder diplomatische Verwen= dung vergeblich nachsuchte. Einige Jahre später aber (1746) trat er in Sächsische Dienste und wurde Gesandter in Bern. In dieser Stellung, die ihm viel Muße ließ und ihm auch gestattete, theilweise in Neuenburg zu leben, verblieb er zwölf Jahre, während welcher er neben einigen mehr belletristischen Schriften sein wichtigstes Werk »Droit des gens« abfaßte. Von 1758 ab wirkte er an der Kurfürstlichen Kanzlei als Geh. Rath. Er starb auf einem Urlaube in Neuenburg am 28. December 1767.2)

Von seinen Schriften ist außer dem Droit des gens hier noch anzuführen: >>Questions de droit naturel et observations sur le traité du droit de la nature de M. le baron de Wolf.« Bern 1762.

Das Droit des gens erschien 1758 in zwei Quartbänden, die in Neuenburg gedruckt wurden, obschon ein Theil der Auflage Leyden und ein Theil London als Ort der Herausgabe bezeichnen. Zahlreiche Ausgaben sind seitdem veranstaltet worden, namentlich Neuenburg 1773 mit einigen 3Zusäßen, - in Quart, in Octav, in Duodez. Aus diesem Jahrhundert erwähne ich die von Cotelle veranstaltete, 1820; die von Paris 1830, von Royer-Collard (1763-1845), damals Professor des Völkerrechts in der Pariser Facultät; dann die von 1835 und 1838 1839 (v. Hoffmanns, Graf Hauterive, endlich die von 1863, welche von Pradier-Fodéré besorgt wurde. Von Ueber

sehungen, die in fast allen Sprachen Europas vorhanden sind, erwähne ich die Deutsche von J. P. Schulin 1760; die Italienische von 1805; die Spanische von Hernandez 1820, Otarena 1822, Fernandez 1824; die Englische vom Barrister in Temple-Bar Joseph Chitty (1776-1841) 1834 (lette Ausgabe 1852). Noten, Zufäße, Erläuterungen einzelnen Ausgaben beigefügt, sind geschrieben worden unter Anderen vom Philosophen und Berliner Academiker Joh. Georg Sulzer (1720 1777); vom Neuenburger Staatsmann und Diplomaten Baron von Chambrier v. Oleyres (1753-1822: Question de droit des gens, observations sur le droit naturel de M. de Vattel, Berliner Academie 1788-1789, neugedruckt 1795 als Essai sur le droit des gens); vom Portugiesischen Philosophen und Staatsgelehrten Pinheiro-Ferreira (1769-1847). 1838; von Edward D. Ingraham, Advocaten in Philadelphia, gestorben 1854, in der letzten (Amerikanischen) Chitty'schen Ausgabe 1852.3)

1) Nicht mit Recht spricht Bulmerincq von einer „Quasi-Autorität“ Vattel's. Battel's Autorität ist sehr thatsächlich, und heute noch bedeutend.

2) Feller, in einem parteiischen Artikel seines Dictionnaire, sagt, Vattel habe sich vergeblich um Erlangung einer amtlichen Stellung in Belgien bemüht. In Brüffel habe ich nichts darüber finden können.

3) Es ist nicht ohne Interesse zu erwähnen, daß Bentham, der Vattel sehr scharf kritisirt hat (Vattel's Säße nennt er oldwomanish and tautological u. dgl.), doch Jabez Henry aufmunterte, eine neue Ausgabe Vattel's zu veranstalten, oder ein ähnliches Werk zu schreiben. (Nys, Quarterly Law Review, 1885.)

$ 100.

Andere Wolffianer.

Literatur: Ompteda, S. 306, 328, 347, 385, 412. Kamp, S. 38. Pierantoni (Roncali), Geschichte der Italienischen Völkerrechtsliteratur, S. 40.

Johann Adam Jckstatt's Elementa juris gentiuma sind bereits 1740 erschienen, somit älter als Wolff's völkerrechtliche Schriften. Dennoch ist Ickstatt (1702–1776), der damals in Würzburg lehrte und von 1746 bis zu seinem Tode die Hauptzierde der Universität Ingolstadt war, wesentlich als Jünger Wolff's zu betrachten. Er hatte unter ihm in Marburg studirt, und die Elementa folgen ganz der Wolffschen Lehre: ein gutes, etwas trockenes Werk, worin auch positives Völkerrecht enthalten ist. Es zerfällt in sechs Bücher: Praecognita juris gentium, De jure gentium humano, De jure perfecto circa dominia et pacta gentium, De jure perfecto gentium litigantium atque belligerantium, De pace et legatorum juribus, De jure gentium positivo, nämlich pactitio, consuetudinario und ceremoniario. 1)

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