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schwinden und dadurch der absoluten Monarchie die Bahn freilegen. In Englond sucht das Haus Tudor gleiche Ziele gegenüber der Parlamentsverfassung zu verwirklichen, eine Aufgabe, an der die Stuarts scheitern, ohne daß jedoch die im Parlament und der Krone repräsentirte Einheit des Volkes ernstlich dadurch gefährdet worden wäre.2)

Für die Ausbildung der monarchischen Institutionen und des modernen Einheitsstaates übernahm Frankreich und Spanien seit dem XV. Jahrhundert gleichsam die Führerschaft in der Entwickelung der staatswissenschaftlich leitenden Grundbegriffe. Dies geschah im schroffen Gegensatz sowohl gegen die Traditionen der kaiserlichen, Römisch-rechtlichen Epoche als auch gegen die Ueberspannung päpstlicher Einmischungen in den Gang der weltlichen Geschichte. Ganz Europa, England, Deutschland und Italien nicht ausgenommen, wurden von den staatsrechtlichen Vorbildern des Französischen Königthums selbst dann noch überall beeinflußt, als die Macht Karls V. derjenigen des Französischen Königthums weitaus überlegen schien und der fortschreitende Auflösungsprozeß in ehemals größeren Staatswesen, wie in Deutschland und Italien, entgegengesetzten Staatsprincipien zu gehorchen schien.

Untersucht man den seit dem XIII. Jahrhundert auf dem Festlande eingeleiteten Prozeß der fürstlichen Machtentfaltung, der für die Geschichte des allgemeinen Völkerrechts von großer Bedeutung werden mußte und in Frankreich zur schärfsten Centralisation in einem nationalen Königthum führte, wähs rend er in Deutschland und Italien der decentralistischen Widerstandsbewegung kleinerer Dynastien und um so zu sagen der politischen Allodification der großen Reichslehn und des Fürstenamtes dienlich wurde, so läßt sich darüber fagen: Sein Gang sei historisch in der Weise gekennzeichnet, daß die Anfangs zahlreich zwischen der königlichen Gewalt und den untersten Schichten der Gesellschaft vermittelnden Glieder mit der Architectur ihres Stufenbaues in Wegfall kamen, bis sich zuletzt der von der Kirche oder dem Adel bevormundete Hörige und Leibeigene der Landbevölkerung oder der Stadtbürger in unmittelbare Unterthanenschaft der Krone versett befand; ein Resultat, das in doppelter Weise herbeigeführt wurde: entweder durch Einschränkung mittelalterlicher Immunitäten und allmälige Unterdrückung kronfeindlicher Privilegien des großen Adels und der geistlichen Fürsten (wie in Frankreich) oder umgekehrt durch Machterweiterung der Großvafallen und Zerschneidung der reichsunmittelbaren Unterwerfungsbeziehungen zwischen der Ritterschaft und dem Kaiserthum, wie in Deutschland.

Die allgemeinen, die völkerrechtlichen Beziehungen der Monarchie stüßenden Bestandtheile der gegen das Ende des XV. Jahrhunderts sich vollendenden nationalen Beziehungen sind im Wesentlichen folgende:

Erstens: Die politische Einheitlichkeit, Untheilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Staatsgebietes (im Zusammenhang mit den Primogeniturordnungen) als Gegensatz gegen die mittelalterliche Idee, welche (wie beispielsweise im Falle Richard I. von England) keinen Anstoß an der Lehnsqualität eines natio

nalen Volksgebietes im Verhältniß zu einem mächtigeren Nachbarlande genommen hatte.3) Die modernen Nationalitäten dagegen haben sich vornehmlich durch die Grundvorstellungen höchster monarchischer Einheit und andererseits räumlicher Abgeschlossenheit eines mit dieser Einheit unlösbar verbundenen Territoriums gebildet. Die Unveräußerlichkeit und Untheilbarkeit größerer Staatsgebiete, welche ebenso bestimmt durch den nationalen Volkstrieb seit dem XIV. Jahrhundert (im Zusammenhang mit dem Landfriedensbeschluß der wirthschaftlich abhängigen Volksklassen), wie durch hausgeseßliche Bestimmungen der regierenden Häuser im Interesse der Machterhaltung gefordert wurden, gelangten zunächst in jenen Kämpfen zum Austrag, welche, mit den Plantagenets beginnend, bis in das XVI. Jahrhundert hinein die Kronen Englands und Frankreichs entzweit hatten. In diesen Kämpfen hatte dann vornehmlich das französische Volksgefühl, sei es durch Niederlagen, sei es durch Siege, jene selbstbewußte Schnellkraft nach Außen gewonnen, wodurch die Französischen Könige seit dem Reformationszeitalter befähigt wurden, erfolgreich in den Streit mit Anfangs mächtigeren Nationen, wie Spaniern, Italienern und Deutschen einzutreten.

3weitens: Die vornehmlich durch die Landfriedensgebote langsam erreichte Unterdrückung der bewaffneten Selbsthülfe und des Privatkrieges mit dem positiven Erfolge einheitlicher Kriegsherrlichkeit im Innern großer Staatsgebiete.4) Das moderne nationale Königthum bedeutet Ausschließlichkeit eines höchsten Waffenrechtes, vornehmlich gestüßt auf die Ständigkeit der Heeresmacht, eine Institution, die sich gerade im Reformationszeitalter von Frankreich und Spanien aus über das Europäische Festland verbreitete. Ihren historischen Anschluß fand diese Neugestaltung der fürstlichen, vom Lehnsverbande unabhängigen Heerkörper in der bereits im Zeitalter der Kreuzzüge vorkommenden und nachmals verallgemeinerten Verwendung von geworbenen Söldnern, die ein Element von internationaler Beweglichkeit im Verkehr der mittelalterlichen Gesellschaft dargestellt hatten und erst durch Ständigkeit zunächst der Befehlshaberstellen in den Zusammenhang der monarchisch-nationalen Institutionen eintraten. War früher das Hitterthum eine internationale Potenz der Kriegführung gewesen, so wurden die ständigen Heerkörper zu Anstalten, in denen sich fortschreitend nicht nur im Streite mit ständischen Corporationen und widerseßlichen Unterthanen die innerstaatliche Macht der Monarchie, sondern auch deren wechselseitige Rivalität nach Außen am stärksten ausprägte. 5)

Das Reformationszeitalter vermochte es noch nicht, den Grundsaß der einheitlichen Kriegsherrlichkeit in denjenigen Staaten vollkommen zu bewähren, in denen die monarchische Gewalt, wie in Frankreich und England, bereits erheblich erstarkt war. Aber die Kämpfe der französischen Ligue und der Hugenotten, der Englischen Independenten gegen die Stuarts sind wesentlich verschieden von der bewaffneten Selbsthülfe des Vasallen. Sie sind Bürgerfriege, während die Kriege der Deutschen Religionsparteien noch ein verwor

renes Gemisch von Motiven erkennen lassen. Grundsäßlich aber galt im Reformationszeitalter die Regel, daß bewaffnete Auflehnung gegen die Obrig keit nicht mehr als Selbsthülfe, sondern als strafbarer Verrath zu erachten sei.

Drittens: Territoriale Einheitlichkeit der höchsten bürgerlichen Gewalt, dargestellt in dem anerkannten Rechte allgemeiner Landesgeseßgebung, deren Begriff während der feudalen Periode durch Hörigkeitsverhältnisse, Immunitäten, Privilegien und Grundbesizrecht völlig verdunkelt worden war. Welche Stellung die monarchische Gewalt dabei staatsrechtlich im Zusammenhange mit den Parlamenten der ständischen Institutionen einnahm, ist von durchaus untergeordneter Bedeutung im Verhältniß zu der Thatsache, daß in England und Frankreich nationale Reichsgefeße, in den großen Deutschen Staaten Landesordnungen ergingen, wodurch wiederum eine im Fürstenthum an= schaulich dargestellte Gesammtmacht über den Widerstand einzelner Stände, insbesondere des Adels und der Geistlichkeit, zur Oberherrschaft gelangte. Noch viel früher war in dem Entwickelungsgange der Englischen und Französischen Monarchie die Einheitlichkeit der Rechtspflege als nothwendiger Bestandtheil der Staatsgewalt fühlbar geworden und zwar in positiver Richtung als Mittel des Rechtsverfahrens gegen jene Kronvafallen, die vor Niemand als dem Könige selbst zu erscheinen verpflichtet waren, in negativer Richtung als Abwehr fremder Einmischung in den nationalen Gang der Rechtsgeschichte.

Auch in dieser Beziehung wird durch das Reformationszeitalter vollendet und bestärkt, was vorangegangene Jahrhunderte vorbereitet hatten. Die Losreißung von der päpstlichen Autorität, die Einziehung kirchlicher Besizthümer oder deren Säcularisirung im Zusammenhang mit der Aufhebung der Klöster, die völlige Veränderung in dem Rechtscharakter des Clerus erweiterte das Gebiet der weltlichen Gesetzgebung, Rechtspflege und Verwaltung in der Richtung fürstlicher Machtvollkommenheit und größerer, durch den Wegfall des canonischen Rechts bedingter Einheitlichkeit. Dies geschah freilich zunächst unmittelbar nur in protestantischen Fürstenthümern, aber auch in katholischen Staaten, wo gewaltsame Unterdrückung des neuen Glaubens versucht wurde, betrachtete es die monarchische Gewalt als ihr Recht, die Kriegführung gegen die Heterodoxie aus eigener Machtvollkommenheit zu betreiben und nicht mehr, wie im Mittelalter, den Befehlen des Papstes auch auf politischem Gebiete Gehorsam zu leisten. Die Jurisdictionsrechte des Papstes wurden daher überall eingeschränkt.

Den Inbegriff dieser fundamentalen Rechte monarchischer Einheitlichkeit und Ausschließlichkeit bezeichnete man mit dem technischen Ausdruck der suprema potestas oder Souveränetät, deren theoretische Rechtfertigung und Bestimmung von den Publicisten des XVI. Jahrhunderts in Angriff genommen wurde. 6) In dem Grundgedanken der modernen nationalstaatlichen oder monarchischen Souveränetät, wie er sich seit der Reformation ausbildet und in Europa verbreitet, erkennt man den vollendeten Bruch mit den mittelalterlichen Vorstellungen der Universalherrschaft geistlicher oder

weltlicher Macht. Zwar wird durch den Anspruch auf Souveränetät der Monarchen in staatsrechtlicher Hinsicht der Grundsatz der Absolutie noch nicht begründet, wohl aber die Gleichberechtigung ständischer Organe neben dem das ganze Volk repräsentirenden Machtstande des Königs negirt und völkerrechtlich die Unabhängigkeit der in der souveränen Gewalt organisirten Nationen nach Außen hin in Krieg und Frieden festgestellt. 7)

1) Dies geschah 1457 in Böhmen durch die Wahl von Georg Podiebrad, in Ungarn unter Mathias Corvinus, in Polen durch den Frieden von Thorn. Nißsch, (Geschichte des Deutschen Volkes) III, 373. Ueber die späteren Verhältnisse Böh: mens zum Hause Habsburg s. namentlich Gindely, Geschichte des dreißigjäh rigen Krieges I, 132 ff.

2) Gneist (a. a. D.) S. 460 – 628.

3) In Deutschland ward die goldene Bulle (1356) vorbildlich für die Herrschergeschlechter Das Nähere s. bei H. Schulze, Das Recht der Erstgeburt in den Deutschen Fürstenhäusern und seine Bedeutung für die Deutsche Staatsentwickelung. 1851.

4) Als lezten Fall des Privatkriegs in England bezeichnet Freeman (Comparat. Politics, S. 482) denjenigen der Lords Berkeley und Lisle aus der Regierungszeit Edward IV (gleichzeitig der lezte Fall, in dem Tödtung durch Wergeld gesühnt wurde.)

5, Auch Fränkische Ritter thaten im heiligen Lande Söldnerdienste Die financiellen Mittel zu ihrer Löhnung flossen theils aus den sog. Kreuzzugscollecten, theils aus frommen Stiftungen, theils aus königlichen Geschenken, wie in dem Falle Ludwigs IX (1225). Pruz, Culturgeschichte der Kreuzzüge, S. 183.

6) Eingebürgert hat sich dieser grundlegende Begriff seit Jean Bodin (1530 bis 1596), dessen Werk Les six livres de la république 1576 (Lateinisch 1586) erschien

7) Ueber mittelalterliche Vertreter der absoluten Fürstenmacht unter den Legisten f. Laurent (a. a. D.) S. 561; Hallam (A view of the State of Europe etc) 11, 466 ff.

§ 83.

Diplomatie und Gesandtschaftswesen im sechszehnten

Jahrhundert.

Literatur: G. M. Thomas, Die ältesten Verordnungen der Venezianer für auswärtige Angelegenheiten. Ein Beitrag zur Geschichte des völkerrechtlichen Verkehrs. (In den Abhandl. der phil-hist. Klasse der Münchener Acad. der Wissensch. XIII, 1 (1872) 97-149.) L. v. Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation (4. Aufl) 1, 322 ff. Derselbe, Französische Geschichte vornehm lich im XVI. und XVII. Jahrhundert. (1868) Bd. II. - K. Fischer, Ges schichte der auswärtigen Politik und Diplomatie im Reformationszeitalter. 1874. D. Krauske, Die Entwickelung der ständigen Diplomatie vom fünfzehnten Jahrhundert bis zu den Beschlüssen von 1815 und 1818. (1885), S. 7— 147 ffA. Baschet, Les Archives de Venise. Histoire de la Chancellerie secrète Paris, 1870. Derselbe, La diplomatie Venitienne. Les Princes

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de l'Europe au XVI. siècle. Paris, 1872. Mercier de la Combe, Henri IV et sa politique. (Ouvr. couronné.) A. Rivier, Notice sur la litterature du droit des gens avant la publication du Jus Belli et Pacis de Grotius. Bruxelles 1883. Romanin, Storia documentata di Venezia. II, 353 ff. Ferd. Cavalli, La scienza Politica in Italia. 4 vol. Ve

nezia 1865-1881.

Der Einrichtung ständiger Heereskörper, deren Urheberschaft man auf Ludwig XI. zurückzuführen pflegt, ging die Ständigkeit des Gesandtschaftswesens zur Seite. 1) Wenn man beide Vorgänge auch mit einigem Recht in Zusammenhang zu bringen pflegt, so darf man doch deswegen nicht übersehen, daß die allgemeine Entwickelung der internationalen Verhältnisse seit dem XVI. Jahrhundert darauf hindrängte, der Souveränetät der Fürsten nach Außen hin einen permanenten Ausdruck zu geben, wodurch neben dem Kriegführungsrecht, das seine Ausschließlichkeit nach Innen kehrte, auch dem Bündnißrecht nach Außen eine stets sichtbar bleibende Darstellung verliehen ward.

Hatte ehemals das Gesandtschaftsrecht zu Zwecken des Friedensschlusses sich selbstverständlich an das Fehderecht des Adels angeschlossen, so ergab sich in umgekehrter Richtung nach Herstellung eines allgemeinen Landfriedens, daß der ehemals häufigste Anlaß zur Entsendung von Botschaftern, Herolden und Gesandten in Wegfall kommen mußte. Noch wichtiger, als die Ständigkeit der Gesandtschaften wurde daher die Anwendung der aus dem Souveränetätsbegriff zu ziehenden Consequenzen auf den Gedanken der Ausschließlichkeit und Einheitlichkeit der diplomatischen Staatsvertretung nach Außen.

Unklar in dieser Richtung blieben wiederum die Verhältnisse in Deutsch land, dessen Verfassungszustände man, soweit das Reich in Betracht kam, gegen Ausgang des XVI. Jahrhunderts in Uebereinstimmung mit Bodinus vielfach nicht als monarchische, sondern als aristokratische anzusehen pflegte, woraus dann der Zweifel erwuchs, ob Deutsche Fürsten dem Ausland gegenüber das Gesandtschaftsrecht zu beanspruchen und ob die Mitglieder des Deutschen Reichstags ihre Rechtsstellung dem Kaiser gegenüber nach den Regeln des internationalen Herkommens zu bemessen hatten oder nicht.

Durch den politischen Grundzug neuerer Nationalstaatsbildungen und die verschiedenen Concentrationen der monarchischen Gewalt wurden dem Refor mationszeitalter für die Wahrnehmung auswärtiger Interessen ganz neue Aufs gaben gestellt. Zunächst mußte allerdings das fürstliche Bedürfniß aufmerksamer, mißtrauischer Ueberwachung durch planmäßig eingerichtete Beobachtungsstellen an auswärtigen Höfen gewahrt werden, nachdem durch die Bereitschaft ständiger Soldtruppen die Unterscheidung friedlicher und kriegerischer Intentionen im internationalen Verkehr erschwert und die Möglichkeit plötzlicher Ueberfälle von Seiten der Gegner näher gerückt worden war. Bedeutsamer aber erscheint, daß die Glaubensspaltung einen früher fehlenden Antagonismus in die Be

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