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Im Eingange der zweiten Periode tritt die Vorherrschaft der Römer überall in den Vordergrund. Die mit den Süditalischen Völkern abgeschlosse nen Bündnißverträge laffen darüber keinen Zweifel.

Was die Modalitäten des Abschlusses anbelangt, so war es überall, wo Bündnißverträge im Zusammenhange mit vorangegangener Kriegsführung zu Stande kamen, nur natürlich, daß Volk und Senat die Verhandlungen über alle militärischen Angelegenheiten, Gränzregulirungen und Gebietsveränderungen zunächst ihren Feldherren anvertrauten. 8) Aber auch hier wurde auf neuen Umwegen das Collegialitätsprincip in der Behandlung internationaler Angelegenheiten dadurch zur Geltung gebracht, daß der Senat eine größere Anzahl von Gesandten (gewöhnlich zehn) in das Heerlager abordnete, unter denen wir uns in ältester Zeit regelmäßig Fetialen zu denken haben. Jedenfalls bedurfte jeder Friedensschluß der Genehmigung des Senats und der Zustimmung des Volkes.

Im Uebrigen haben die Römer zu keiner Zeit den rechtlich bindenden Charakter der Staatsverträge geleugnet, obschon sie auf Sicherungsmittel überall Bedacht nahmen. Nur das mag längere Zeit hindurch unter den alten Königen zweifelhaft gewesen sein, ob Bündnisse mit dem Tode der Könige, die sie abgeschlossen hatten, aufgehoben wurden. Solche Zweifel, die mit Eidesleistungen durch Magistrate zusammenhingen, mögen zur Creirung besonderer sacraler Magistraturen zum Zwecke der Schwurverhandlung den nächsten Anlaß geboten haben.

Für den unzweifelbaren Rechtscharakter der Staatsbündnisse spricht auch die Gleichartigkeit der Bezeichnung, die man auf feierliche Verfassungscompromisse zwischen Patriciern und Plebejern anwandte. Die ursprüngliche Bevöl ferung der Stadt Rom durch Elemente verschiedener Abkunft weist schon auf solche Bundesideen hin. Zu keiner Zeit waren daher die Römer darüber im Unklaren, daß zwischen Völkerrecht und Staatsrecht oder Civilrecht ein grundfäßlicher Unterschied nicht bestand.

Erheblichen Einfluß auf die spätere Staatspraxis der Römischen Republik gewann freilich die Entwickelung des Majestätsbegriffes. Rom gewöhnte fich mehr und mehr daran, an Stelle fester Freundschaftsverhältnisse mit anderen Nationen die nächstliegenden Vortheile glücklicher Kriegsereignisse an sich zu reißen, geschlagene Gegner durch Triumphe zu demüthigen, die Dauer der Bündnißverträge als Sache der Politik zu behandeln und das einseitige Recht der Verleihung communaler Verfassungsurkunden gegenüber fremder Gemeinwesen zu beanspruchen. Schon der im Felde gewonnene Sieg sollte daher nach diesen späteren in den Asiatischen Kriegen ausgesprochenen Staatsmaximen für den Geschlagenen die Verwirkung seiner gleichberechtigten Stellung zur Folge haben. Der Sieger sei demnach bei der Neuordnung seiner internationalen Beziehungen zu dem Gegner nur durch seine eigenen Interessen gebunden, die nunmehr ganz anders verstanden wurden als in der ersten Epoche. Alles kam auf die Befriedigung der Herrschaftsgelüfte des Römischen Volkes an. Der

Gesichtspunkt, daß Rom durch Vertragsverletzungen sich selbst den Menschen und Göttern gegenüber verantwortlich machen oder wegen seiner Willkür Schaden nehmen könnte, schwindet aus dem Volksrechtsbewußtsein.9) Aus solchen Anschauungen ergab sich dann mit Leichtigkeit die weitere Schlußfolgerung, daß Rom die den besiegten Völkern auferlegten Bündnisse oder Friedensverträge eigenmächtig zu interpretiren beanspruchte und nach Umständen sehr verschiedene Entscheidungen gelegentlich hervorgetretener Streitpunkte fällte.

Nur gegenüber solchen Nationen, mit denen Rom in keinerlei 3wistig= keiten gerathen war und bei denen noch das Vorhandensein einiger Machtgröße zugestanden werden konnte, waltete, wenigstens dem Wortlaute nach, das Anerkenntniß gegenseitiger Berechtigung. Die mit den Italischen Staaten ehemals abgeschlossenen alten Bündnißverträge waren aus der Reihe internationaler Rechtsacte zur Stufe einseitig verliehener und widerruflicher Privilegien herabgefunken. Die Titulatur der Bundesgenossenschaft des Römischen Volkes entsprach der Wahrheit nicht mehr.

Innerhalb dieser Italischen Bundesgenossenschaften waren während des letzten Jahrhunderts der Republik mancherlei durch Gunst oder Abneigung angerathene Unterscheidungen möglich geworden. Einige Bundesstädte erfreuten sich des Römischen Bürgerrechts oder anderer Vorzüge, andere waren im Vergleich dazu benachtheiligt.

Noch weniger als der Majestät des Römischen Volkes sagte Gleichberechtigung innerhalb der bundesgenossenschaftlichen Idee der Majestät der Kaiser zu. 10) Dieselben Verhältnisse, die auf der einen Seite die Centralisation des Civilrechts beförderten, verursachten nothwendiger Weise auf der Kehrseite den Rückgang des Staatsvertragsrechts. Kriegführung gegen die Cäsaren konnte als Auflehnung gegen die Autorität der geheiligten Macht angesehen, Friedensschluß mit den Barbaren ohne deren vorangegangene völlige Unterwerfung als Zeichen der Schwäche auf Seiten der Imperatoren von der Volksmeinung gedeutet werden.

Gingen daher die alten Bündnisse der Römer in der Urzeitt von dem Gedanken international gesicherter Rechtsordnung und dauernden Friedens aus, so verhielt es sich in dem letzten Abschnitt der Kaiserzeit umgekehrt: das Imperatorenthum war der ewige Krieg gegen alle solche Nationen, die ihre völlige Unterwerfung verweigerten, weil der Gedanke der Gleichberechtigung anderer Nationen außerhalb des von den Imperatoren beherrschten Weltkreises ein rechtlich unfaßbarer geworden war.

Die Geringschätzung, welche die Römischen Cäsaren gegenüber anderen Fürsten empfanden, war übrigens gleichsam republikanischen Ursprungs. Denn im letzten Jahrhundert der Republik hatten sich zahlreiche Könige um die Titulatur eines Freundes und Bundesgenossen des Römischen Volkes beworben und auf diese Weise den königlichen Titel entwerthet.

Zu den Eigenthümlichkeiten des Römischen Rechts gehört es auch, daß neben den Bündnißverträgen die Friedensverträge selten selbständige Bedeutung erlangten, sondern mit jenen häufig in Verbindung standen. Für diesen Zusammenhang sprach allerdings eine historische Erfahrung, die dem Scharfsinn der Römer nicht entgangen war. Besiegte, aber nicht völlig unterjochte Völker blieben fast immer geheime Feinde des Siegers. Sieger, die gleich den Römern irgendwo fast immer Krieg führen müssen, schwächten ihrer Gegner Widerstandskraft am meisten, wenn sie ihre Selbständigkeit durch Bundesgenossenschaft verringerten. So verfuhren die Römer mit Carthago nach den beiden ersten Punischen Kriegen. Sie gewannen damit die Möglichkeit, die Rüstungen ihrer geheimen Gegner unter dem Titel der Bundesgenossenschaft zu überwachen.

Mit den gleichen Ergebnissen politischer Erfahrung hing es zusammen, daß die Römer bei solchen Nationen, mit denen sie einmal in feindlichen Beziehungen gestanden hatten, nach geschlossenem Frieden keinerlei Neutra= litätsberechtigung mehr anerkannten und deswegen in einer generellen Vertragsformel ein und für allemal zu stipuliren pflegten, daß beide Contrahenten dieselben Freunde und Feinde in Zukunft haben sollten. Diese Clausel diente auch gleichzeitig der Interventionspolitik in die Staatsangelegenheiten anderer Völker, wenn die Römer gewillt waren, eine ihnen vielleicht völlig entbehrliche Kriegshülfe von den Verbündeten erst zu verlangen und hinterher gegen anderweitige Zugeständnisse wiederum zu erlassen. 11)

Im Uebrigen wechselte der Inhalt der Friedensschlüsse naturgemäß je nach den Kriegsgründen, den politischen Anforderungen der Situation, dem militärischen Erfolge des Siegers. 12) Als solche im Friedenschluß regulirten Streitfragen finden sich vornehmlich folgende: Abtretung von Territorien an Rom oder seine Verbündete, Rückgabe der Kriegsbeute im Ganzen oder theilweise, Ersatz der Kriegsschäden und Kriegskosten, Auswechselung der Gefan= genen, Bestellung von Geiseln.

War der Feind völlig niedergekämpft oder hatte er sich auf Gnade und Ungnade ergeben, so bedurfte es natürlich keines Friedensschlusses. Zuweilen schändeten die Römer ihren Sieg durch kaltblütige Hinrichtung überwundener Feldherren und Könige, 18) auch finden sich Beispiele für die Orientalische Sitte, unterlegene Völkerstämme durch Verpflanzungen unschädlich zu machen.14)

1) Livius I, 24. Festus: Foedus appellatum ab eo quod in paciscendo foedere hostia necaretur. Zum Ritual gehört das Schlagen eines Schweines zur Andeutung der Folgen des Meineides Wie das Schwein so sollte der Eidbrüchige von den Göttern geschlagen werden (ferire oder icere). Daher foedus icere; auch foedus percutere

2) Ueber das verwandte Griechische Ritual und die Mischung des von beiden Contrahenten herbeigebrachten reinen Weines f. Ilias II, 125–129.

3) So der bekannte Handelsvertrag mit Carthago: Polyb. III, 26 und das Bündniß mit den Aetolern gegen Philipp (Liv. XXVI, 24), das Griechischer Seits in Olympia aufbewahrt wurde. Andere Stätten der Aufbewahrung lieferte das Forum.

4) Er ist der Bewahrer der richtigen Eidesformel: pater patratus ad jusjurandum patrandum.

5) Sogar die Formel des „ewigen Friedens" findet sich in diesen Bündnißverträgen, amicitia, pia et aeterna pax esto. Dion. III, 3. VI. 95. Polyb. III, 22. 24. Liv. VII, 19. 27. 31.

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7) Eine eigenthümliche Stellung nahmen die Colonien ein. Sie entstanden niemals spontan, sondern immer unter obrigkeitlicher Mitwirkung (deductio coloniae) entweder aus Römischen Bürgern oder Latinern. S. Madvig, De jure et couditione coloniarum populi Romani (1832). Serv. ad. Aen. I, 12. Hae autem coloniae sunt, quae ex consensu publico non ex secessione sunt conditae.

8) Liv. XXX, 43. Dion. VIII, 68. IX, 17.

9) Hierher gehört die wichtige Stelle bei Liv. XXXIV, 57.

10) Der Majestätsbegriff ist überhaupt, geschichtlich genommen, nicht staatsrechts lich monarchischen, sondern völkerrechtlich demokratischen Ursprungs. Das Römische Bolf wahrte zuerst die Majestas gegen seine Magistrate, nachdem es auswärtigen Nationen gegenüber diese Dignität als Vorrecht zur Geltung gebracht hatte. Daher die Vertragsformel gegen auswärtige Nationen: Majestatem Rom. comiter conservato (Liv. XXXVIII, 8). Siehe auch L. 4 pr. Dig. 48, 4.

11) Die Formel lautete: ut eosdem amicos atque inimicos haberent z. B. in dem Bündniß mit ben Aetolern (Liv. XXXVII, 1. 49. XXXVIII, 8, 11) mit Rhodus u. a.

12) Beispiele s. bei Voigt (a. a. D.) II, 134 ff.

13) Madvig, Verfassung und Verwaltung des Römischen Staates II, 527ff. 14) Liv. XL, 38. 41. Plin., Hist. N. III, 105; Sueton., Tib. c. 9.

§ 64.

Das jus gentium der Römer.

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Literatur: Dirksen, Ueber die Eigenthümlichkeit des jus gentium nach den Vors ftellungen der Römer (Vermischte Schriften, I, 200). Müller-Jochmus, Geschichte des Völkerrechts im Alterthum S. 135. M. Voigt, die Lehre Dom jus naturale, aequum et bonum et jus gentium der Römer, 1863. 1, 64 ff., 399 ff. Hildenbrand, Geschichte und System der Rechts- und Staatsphilosophie I, 611f. Labatut, Histoire de la préture. Paris 1868.

Als reifeste Frucht Römischer Rechtsgeschichte verblieb der Nachwelt ihr privatrechtliches jus gentium. Allerdings bedeutete dasselbe gleichfalls eine Zersehung Altrömischer Ordnungen. Es ist somit, rein politisch genommen, eine den Verfall des Verfassungslebens begleitende Erscheinung, vornehmlich der zweiten und dritten Periode. Aber der Verfall der Anfangs streng natio=

nalen und facralen Rechtsordnung führte in diesem Falle zu einer Neubildung, deren innerer Werth es ermöglichte, daß sie auch nach dem Untergang des Römischen Kaiserreichs ihre Lebensfähigkeit unter völlig veränderten Verhält= niffen behauptete. Wenn daher von Römischen Culturformen im weltgeschichtlichen Sinne überhaupt die Rede ist, so beruht deren Fortwirkung vorzugsweise auf der unvergänglichen Macht dieses Rechts, das sich völlig unabhängig von dem historischen Dasein bestimmter Regierungsformen und Staatspersön= lichkeiten denken und verwirklichen ließ.

In diesem privatrechtlichen Sinne war das jus gentium von den alten Römern selbst freilich nicht gedacht worden. Ursprünglich nahm man den Begriff des jus gentium vornehmlich im engeren Sinne einer völkerrechtlichen Ordnung für den auswärtigen Staatsverkehr, so daß damit allgemein menschliche und staatliche Zweckbestimmungen aller Nationen, Krieg führung und Friedenschluß zwischen einzelnen Staaten durch VertragschlieBung oder strenge Rechtsformen erfüllt wurden, die man troß ihrer möglichen Abstammung von anderen noch älteren Völkern doch als Römisch rechtliche zu betrachten pflegte. Dies (völkerrechtliche) jus gentium war also nationalrömischer Herkunft.

Wie nun aber in der Römischen Gesammtentwickelung das Privatrecht des einzelnen Bürgers fich allmälig immer mehr aus den Banden der alten Geschlechterverfassung, der sacralen Formen und famililienrechtlichen Ueberlieferungen befreite, so wiederholt sich dieselbe Strömung auch auf der Grundlage der internationalen Beziehungen, indem von dem (staatlichen) jus gentium der Friedenschlüsse, Gesandtschaften und Kriegserklärungen sich die privaten und persönlichen Rechtsverhältnisse Verkehr pflegender Peregrinen trennten, deren Gesammtinhalt man unter die Begriffe commercium und connubium fubfumirte.

Ein solcher Trennungsproceß muß bereits lange Zeit im Gange gewesen sein, als die Einrichtung der Prätur für den Fremdenverkehr und das Fremdenrecht geschah (512 nach Erbauung der Stadt). Jede neue Eroberung Roms mußte auch eine Mehrung der thatsächlichen Beziehungen zwischen Römern und Peregrinen, sowie der letteren unter sich zur Folge haben, so daß es nach und nach unmöglich erscheinen mußte, bei der bloßen Verweigerung der Anwendung des jus civile der Quiriten stehen zu bleiben. An der Bestimmung des auf Fremde anwendbaren Rechtes durch die Prätoren hatten daher auch die Römer selbst kein geringeres Interesse als die Ausländer. 1)

Wie das Recht des Römischen Bürgers seiner Natur nach ein perso= nales war, ebenso verhält es sich von Hause aus mit dem Peregrinen. Zunächst kam für ihn in Betracht, welcher Gemeinde er angehörte und welche Rechte etwa durch Verleihung an Rom oder durch Staatsverträge dieser Gemeinde zugestanden waren. 2) Fehlte es an solchen besonderen Anhaltspunkten zur Beurtheilung seiner Rechtsfähigkeit, woran sich auch in älterer Zeit die

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