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wohl schwerlich zu erweisen sein, daß dem ältesten Handelsvertrage mit Carthago aus dem dritten Jahrhundert nach Erbauung der Stadt irgend ein Friedensschluß vorangegangen sei.

Thatsächlich bestanden sicherlich in alter Zeit Handelsbeziehungen zwi schen Römern auf der einen Seite und Carthaginiensern, Griechen und Etruskern auf der andern Seite. Handelsbeziehungen gab es auch vor den Bündnißverträgen, die in der Mehrzahl der Fälle aus länger fortgesettem Verkehr mit anderen Nationen erwuchsen. Will man also sagen: alle auswärtigen Beziehungen Roms feien entweder schlechthin feindselige oder, wenn friedlich durch förmlich vereinbarte Bündnisse oder Friedensschlüsse bedingt gewesen, so wäre diese Aufstellung als richtig keineswegs anzuerkennen. Nur hinsichtlich benachbarter Gränzstaaten war für Rom ein anderes Verhältniß außer dem Kriegsstande oder den Friedens- und Bündnißverträgen füglich nicht denkbar.

Die Gegenüberstellung des jus belli ac pacis liefert keine völlig erschöpfende Darstellung der zur Zeit der Römischen Republik vorhanden gewesenen internationalen Rechtsbeziehungen. Sie entspricht vielmehr der Auffassungsweise späterer Zeiten, in derem Verlaufe sich bereits die Vorstellung von dem Weltherrschaftsberufe der Römischen Waffen im Volksgeiste eingelebt hatte.

Zwischen Krieg und Frieden gab es einen Zwischenzustand, ausgedrückt in dem Verhältniß Roms zu solchen Staaten, die in keinerlei öffentlich rechtliche Vertragsbeziehungen eingetreten waren. Unter solchen Umständen fehlte es an der Vereinbarung rechtlichen Schußes. Damit war aber keineswegs gesagt, daß thatsächlich der Verkehr Römischer Unterthanen mit solchen Gemeinwesen abgeschnitten gewesen wäre. Oder soll man sich vorstellen, daß jeder aus entlegener Gegend nach Rom wandernde Peregrine sofort in Sclaverei versetzt worden wäre, wenn er nicht durch Rechtsschuß oder Bündnißverträge gesichert war?

Die uralten Ueberlieferungen der Volksreligion und Sitte hatten das Gastrecht (Hospitium) ohne irgend welche juristische Anlehnung an Vertragsclauseln geschaffen. Der wehrlose Fremde lief in Rom, wenn er einen hülfreichen Patronus gefunden, sicherlich keinerlei Gefahr, nach Analogie der Kriegsgefangenen in die Sclaverei verkauft zu werden.

Es ist also eine unrichtige Annahme, wenn man glaubt, nur auf Grund besonderer Staatsverträge sei der Friedensstand nach Römischrechtlicher Auffaffung anerkannt gewesen. 1)

Was die rechtliche Qualität der Völker anbelangt, mit denen die Römer in Verkehrsbeziehungen standen, so unterschieden die Römer dieselben nach dem Maßstab der Unabhängigkeit. Freie Staaten im völkerrechtlichen Sinne hießen diejenigen, welche im Innern selbständig über sich verfügen konnten.) Daß Bündnißverträge an diesem Zustande nichts änderten, wenn gleiches Recht mit Rom stipulirt war, erschien selbstverständlich. Indessen ging nach

Ansicht der Juristen die Freiheit der Staaten auch dann nicht verloren, wenn Vorrang oder Hegemonie für Rom ausdrücklich stipulirt war.3)

Unter den nicht verbündeten freien Staaten war dann weiter zu unterscheiden, ob auf Grund von Verträgen anderer Art oder thatsächlich bestehender Uebung freundschaftlicher Verkehr unterhalten werden konnte, was sicherlich auch dann der Fall war, wenn entfernte, regierende Monarchen sich um den Titel eines Römerfreundes“ erfolgreich beworben hatten. Ebenso konnte es wohl geschehen, daß in Bündnißverträgen mit bestimmten Völkern einzelne Nationen, mit denen Rom unmittelbar keine Schutzverträge geschlossen hatte, als befreundet im Hinblick auf mögliche Kriegsfälle im Voraus bezeichnet waren. Endlich gab es Völkerschaften, von denen man irgend eine bestimmte Rechtsstellung positiver Art nicht behaupten konnte, sondern nur in der negativen Richtung wußte, daß sie weder kriegführende, noch befreundete ge nannt werden konnten. Auch konnten sich die Römischen Juristen der Kaiserzeit nach den von ihnen gemachten historischen Erfahrungen nicht verhehlen, daß außer den ihnen bekannt gewordenen Nationen auch noch unbekannte Völkerschaften vorhanden waren und in Berührungen mit ihnen gerathen konnten.

In Beziehung auf solche fremdartigen Völker konnte in Ermangelung sowohl kriegerischer als auch friedlicher Beziehungen kaum eine andere Frage auftauchen, als diejenige des Postliminium.

Zu diesem Zwecke ward anerkannt, daß solche, außerhalb ständiger Verkehrsbeziehungen verharrende Staatswesen zwar als nicht feindliche' zu er achten seien, die Rechtsregel des Postliminium dagegen dennoch auf die etwa in ihnen geraubten Römer Anwendung zu finden habe, und andererseits auch die Angehörigen dieser Völker keinerlei Rechtsschuß gegen feindselige Behandlung während des thatsächlich fordauernden Friedenszustandes erheben konnten: ein Grundsaß, der mehr den Anforderungen der praktischen Politik als denjenigen der juristischen Consequenz entgegenkam. *)

Ueberschaut man daher die möglichen Gestaltungen der vom Römischen Staat mit dem Auslande unterhaltenen Beziehungen, so stellen sich dieselben in folgender Weise dar:

Erstens, kriegerische Beziehungen, welche durch die strengen Grundsäße des jus belli geregelt waren.

3weitens, genossenschaftliche Beziehungen, beruhend auf förmlich abs geschlossenen Bündnißverträgen oder Friedensschlüssen.

Drittens, friedliche Beziehungen, anerkannt in Specialverträgen zum Zwecke des Handels oder der Staatsgastfreundschaft (Hospitium) oder ohne vertragsmäßige Grundlage thatsächlich bestehend.

Im Allgemeinen waltet bei diesen verschiedenen Beziehungen der oberste Grundsaß, daß Privatpersonen überall das jeweilige Recht der bürgerlichen Gemeinden, also entweder den Friedensstand oder den Kriegsstand theilen. Doch gab es auch Rechtsverhältnisse gemischter Natur, hervorgegangen aus

einer Wechselwirkung friedlicher und kriegerischer Thatsachen, wie dasjenige des Postliminium war, worin völkerrechtliche und privatrechtliche Gedankenkreise sich durchschneiden. Auch das Gesandtschaftsrecht der Römer dehnt seine Wirkungen weiter aus, als rein friedliche Beziehungen reichen. Denn auch während des Krieges, insbesondere zum Zweck der Anknüpfung von Friedensverhandlungen, sind Gesandtschaften geschützt.

Als Anfang der comitas gentium mag es gedeutet werden, daß die Römer fremde Fürsten gelegentlich durch Ehrentitel und Geschenke ehrten. 5)

1) L. 24. Dig. 49, 15 beschränkt daher den Begriff des Feindes auf den Kriegszustand (Ulpian).

2) Vgl. die Stelle bei Cicero pro Balbo 8. Innerhalb der Provinzen waren die freien Städte weniger liberae, als libertae d. h. von den Römern nach stattgehabten Eroberungen aus besonderer Gunst frei erklärt.

3) L. 7 S1 Dig. 19, 15. Das entscheidende Merkmal in dem staatsrechtlichen Begriff der städtischen libertas einzelner Communen lag wohl in der Selbständigkeit der Geseßgebung und der Rechtspflege. S. Liv. XXXIII, 32: Senatus Romanus liberos, immunes, suis legibus jubet esse Corinthios Phocenses, Locriensesque omnes. Strabo XVII, 3, 24. So ferner die Lex Antonia de Thermensibus vom Jahre 683 n. Chr., wonach den Bewohnern von Thermessus und Pisidien die Qualität als liberi, amici, sociique populi Romani beigelegt wird. Den Text giebt neuerdings Bruns in den Fontes J. R. A. (4. Aufl.) S. 85.

4) L. 5 § 2 L. 12 pr. Dig. 49, 15. Es war dies das postliminium in pace. 5) So Masinissa. Liv XXVII, 4. XXXI, 10. 11.

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§ 62.

Das Kriegsrecht.

Literatur: Osenbrüggen, De jure belli et pacis Romanorum. 1836. Müller Jochmus, Geschichte des Völkerrechts im Alterthum. 1836. v. Jhering, Geist des Römischen Rechts I, 244 ff. B. W. Leist, GräcoItalische Rechtsgeschichte (Jena 1884) S. 199 ff. 430 ff. Willems, Le Sénat de la République Romaine (Louvain 1883), S. 465 ff. — 521 ff.

Die gewaltige Ueberlegenheit, die das Römische Staatswesen im Verlaufe der Jahrhunderte über alle Nationen Vorderasiens, Africas und Südeuropas erlangt hatte, beruhte neben der festen Ordnung seiner inneren, nur selten unterbrochenen Stätigkeit in der Entwickelung der Verfaffungsformen, wodurch eine freie, lediglich durch den eigenen Staatsnußen geleitete Thätigkeit der Diplomatie gestattet ward, auf der Ueberlegenheit seines Kriegswesens in der dreifachen Richtung der militärischen Technik, der volksthümlichen, von strengs fter Disciplin getragenen Wehrverfassung und der Stärke der auch das ge= sammte Heer erfüllenden Tradition rechtlicher Grundfäße.

Der Eroberungsprozeß der Römischen Waffen, durch den seit dem vierten Jahrhundert vor Christus zuerst Mittelitalien, sodann alle höher organisirten Staaten soweit überwältigt wurden, als sie menschlichen Machtmitteln von Europa aus zugänglich waren, erscheint in den Augen der Römer selbst gleichzeitig als ein juristischer Prozeß. Seine ältesten Grundlagen bot jenes jus sacrum, dessen Regeln im vollsten Umfange und entscheidenster Weise den Krieg an religiöse Weihen anknüpften.

Der Krieg ist nach Römischer Rechtsanschauung ein von der göttlichen Weltordnung selbst gefeßter Act, der nicht nach Willkür der Machthaber oder nach souveräner Volkslaune, sondern in Gemäßheit heiliger Offenbarungen göttlicher Zeichen unternommen oder unterlassen werden soll. Er wird in Wahrheit als internationaler Prozeß begriffen. In dieser Eigenschaft muß er nach Römischer Auffassung nicht nur als rechtmäßig gegenüber fremden Nationen, sondern auch im staatsrechtlichen Sinn als pflichtmäßige Gewaltan= wendung zum Schuße der sittlichen, religiösen und gesetzlichen Ordnung an= gesehen werden. Nirgends finden wir in den guten Zeiten der Republik den Wahn, als ob während der Feindseligkeiten der Römische Krieger nach anderen Maßstäben zu messen wäre, als sein Gegner im Kampfe. Gleichberechtigung erscheint daher als das oberste Princip des Krieges. Auch die während des Krieges geschlossenen Verträge müssen, wie der Kampf der Horatier darthut, erfüllt werden.

Die Bedingungen, unter denen der Krieg im Sinne der allgemeinen sittlichen und religiösen Ordnung oder des Römischen Volksrechtsbewußtseins rechtlichen Charakter annimmt, sind doppelter Art: materieller, insofern ein hinreichender Kriegsgrund; formeller, insofern eine ordnungsmäßig geschehene Kriegserklärung verlangt wird. Sind beide Bedingungen gegeben, so erscheint der Krieg als gerechter.

Rechtlich anerkannte Kriegsgründe waren folgende:

1. Räuberische Gebietsverlegung, zu der in alten Zeiten fast überall die Aneignung von Viehherden oder Sclaven im Gränzbezirke ein häufig wiederkehrendes Motiv darbietet. 1)

2. Verlegung der Gesandtschaften. Ihre Rechte zu wahren, nahmen die Römer stets so sehr Bedacht, daß sie zur Erlangung von Genugthuung es auf das Aeußerste ankommen ließen. 2) Einer der berühmtesten Fälle dieser Art betraf die Verlegung der Römischen Gesandten durch die Tarentiner, in Folge wovon das Römische Volk den Kampf mit dem ausgezeichnetsten Feldherrn seines Zeitalters, König Pyrrhus, aufnahm.3)

3. Bündnißbruch (Defection) oder Vertragsverlegung schlechthin. Solche Kriege galten Angesichts der feierlichen unter religiösen Ceremonien vollzogenen Vertragsformen gleichsam als heilige, von den Göttern selbst gewollte Strafkriege.4)

4. Parteinahme gegen das Römische Volk oder dessen Bundes

genossen. 5)

In allen solchen Fällen konnte zwischen den Verschuldungen eines fremden Volkes und denjenigen einzelner Staatsangehöriger nicht scharf unterschieden werden. Waren die Missethäter jedoch bekannt oder überhaupt zu ermitteln, so konnte der Krieg durch ihre Auslieferung abgewendet werden, wozu sich die Römer auch ihrerseits verpflichtet erachteten, wenn gegen fremde Nationen gefrevelt worden war.

Als bedeutungsvoll haben wir zu erachten, daß solche ursprünglichen und gleichsam entfernteren Klagegründe zur wirklichen Kriegsursache nur dann genommen werden durften, wenn hinreichende Entschädigung oder Genugthuung versagt worden waren. Demgemäß erschien von Hause aus der Normalfall des Krieges als gewaltsam erzwingendes Rückforderungs- oder Schadensersaßverfahren.6) Natürlich ergab sich aus derselben Gedankenreihe auch die weitere Schlußfolgerung, daß willkürlich verweigerte Annahme angebotener ausreichender Sühne ebenso rechtsverleßend wirken mußte.

Im Grunde kannte man also in den guten Zeiten der alten Republik nur den Vertheidigungskrieg als rechtmäßigen, von den Göttern geschüßten Kampf an. Wer zuerst ohne ausreichenden Rechtsgrund den Frieden bricht und den Gegner plötzlich überfällt, versündigt sich gegen die heilige Ordnung des Schicksals.7)

Damit war freilich nicht immer ausgeschlossen, daß nicht auch Angriffskriege von Seiten der Römer als gerechte fingirt wurden. Immerhin aber bleibt doch die Aussage des Römischen Volksgewissens aufrecht, wonach raubgieriger Eroberungskrieg untersagt ist. Wo man sich im Unrecht wußte, versuchte man wenigstens, Sühne anzubieten, deren Zurückweisung dann das Unrecht auf den Gegner abwälzte.

Späterhin suchte man sich dann, wie im Civilrecht, den wirklichen oder vermeintlichen Forderungen politischer Nothwendigkeit durch gleichsam ständige Fictionen oder Präsumtionen anzubequemen. Man wahrte den äußeren Schein und legte Werth darauf, im Wege diplomatischer Verhandlungen sich zu rechtfertigen: ein Verfahren, das schon darum von Wichtigkeit wurde, weil man nicht selten befürchtete, bei Aushebungen auf Schwierigkeiten zu stoßen. Ohnehin war die tribunicische Gewalt gegen militärische Machtsteigerungen und Dictaturen gerade der glücklichen Feldherren mit Mißtrauen erfüllt.

Die zweite Voraussetzung für den Begriff des rechtlich zugelassenen Krieges war dadurch gegeben, daß derselbe ordnungsmäßig vorher erklärt sein mußte, 8) ein Grundsaß, der rechtshistorisch aus drei Beziehungen hergeleitet werden kann: aus den alten Verpflichtungen des Latinischen Bundesverhältnisses, in denen die Unzulässigkeit plöglicher Ueberfälle stipulirt gewesen sein konnte, sodann aus dem Bedürfnisse, feste Gränzlinien gegenüber der alten Praris des Raubes zu gewinnen und endlich aus der staatsrechtlichen Nothwendigkeit, ein Princip erkennbar hinzustellen, in Gemäßheit dessen der Staats

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