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kuräischen Philosophie hinzu. Die Folge war, daß die Geistesbildung Römischer Optimaten immer mehr dem spät Griechischen Typus sich annäherte. Gleichzeitig wirkten Philosophie und Orientalische Cultusformen gemeinsam in der Zersehung des Altrömischen Volksglaubens, dessen ethischer Gehalt sich nicht länger aufrecht erhalten ließ.

Schon im sechsten Jahrhundert nach Erbauung der Stadt (568) hatte ein Senatusconsult den Gefahren auswärtiger Geheimculte durch energische Ausnahmebestimmungen zu wehren gesucht.7)

Als hervorragendster Vorfechter Römisch-Griechischer Geistesbildung wirkte im letzten Jahrhundert der Republik Cicero. Seine Darstellungen der Pflichtenlehre, der Religionsphilosophie, der Redekunst, der Geseßgebungslehre und Politik beruhen auf dem Bestreben, die Griechische Weltauffassung mit den Ueberlieferungen der Römischen Staatsverfassung in Einklang zu sehen und beide in höherer geistiger Einheit zu verschmelzen.

Das für diese zweite Periode in internationaler Hinsicht bedeutendste Ergebniß politischer Machtausdehnung und geistiger Assimilation verschiedener nach Rom gelangter Culturformen besteht in der Entwickelung des jus gentium im Anschluß an die Privatrechtssphäre der Fremden und des Prätorischen Edicts.

In diesen Zeitraum fallen als bedeutsame Symptome einer vergeblich erstrebten Reaction gegen die Ueberhandnahme einer Alles an sich ziehenden Centralisation die Kämpfe des Bundesgenossenkrieges, deren Ende eine Reihe von Scheinconcessionen an halbfreie Communen herbeiführte. Unerträglich erschien dem Römischen Plebs, der sich im Verhältniß zu allen anderen Nationen den Majestätstitel beigelegt hatte, jeder Gedanke der Gleichberechti= gung mit anderen, während einsichtige Volksführer, wie die Gracchen und Marius, vollkommen klar eingesehen hatten, daß die republicanische Verfassung gegen das militärische Imperatorenthum und den Stadtpöbel nicht mehr durch den Senat, sondern nur durch Organisation bundesgenossenschaftlicher Verhältnisse hatte vertheidigt werden können. Roms Staatsverfassung scheiterte schließ lich an der Unnatur und Ungerechtigkeit seiner Stellung zu den Bundesgenossen, durch deren Waffen Marius gesiegt hatte. Nicht unwichtig für diese Entwickelung der auswärtigen Verhältnisse wurde es auch, daß gegen den Schluß des zweiten Jahrhunderts v. Chr. die Römer zum ersten Male in ernsthafte Kämpfe mit Germanischen Nationen geriethen. Die Siege des Marius können jedoch die Thatsache nicht verbergen, daß nach den Gracchischen Unruhen die innere Zerrüttung sowohl in den Comitien des Volkes als auch in den vornehmen Kreisen der Optimaten reißende Fortschritte machte, wofür namentlich die Geschichte der Gerichtsverfassung und des Strafprozesses beredtes Zeugniß ablegte.

Der Verfall der zweiten Periode kündigt sich vornehmlich in den Bürgerkriegen, den Dictaturen und der Zerstörung der alten Comitialverfassung an. Im Uebrigen blieben äußerlich die Grundzüge des internationalen Verkehrs im

Wesentlichen unverändert. An die Stelle des Populus Romanus feßte sich die Majestät der Cäsaren. Mit ihrem Siege beginnt die dritte Periode.

Die durch großartige Gebietserweiterungen in Gallien eingeleiteten Bürgerkriege zwischen Cäsar und Pompejus führten nicht nur zur Ausdehnung der Römischen Herrschaft im Norden Europas, sondern rissen auch das Reich der Ptolemäer in den Strudel der Zerstörung. Als Augustus die Alleinherrschaft erlangt hatte, erstreckte sich das Römische Weltreich nicht nur auf die Gesammtheit aller derjenigen Länder, welche durch Alexander von Makedonien unterworfen worden waren, sondern auch auf das gesammte Herrschaftsgebiet der Griechen und Karthaginienser in Sicilien, Nordafrica und Hispanien, sodann auf Völkerschaften im Norden Europas, von denen früher nur die Sage geredet hatte.

Zwischen diesen verschiedenen Gebieten, deren weitere Ausdehnung in der Kaiserzeit glücklich fechtenden Imperatoren gelang, entwickelte sich allmälig ein für die spätere Nachwelt höchst wichtiger Unterschied. In den Ländern der Altorientalischen oder Griechischen Cultur gelang es den Römern nicht, außer ihrer provincialen Verwaltungsordnung und der formalen Durchbildung des Privatrechts irgend welche Keime politischer Neubildung zu pflanzen. Hier waren sie nur im Stande, den Zustand materiellen Wohlbefindens und die Sicherheit des Handels gegen den begehrlichen Ansturm barbarischer Horden zu vertheidigen oder die Blüthe einzelner Gemeinwesen, wie namentlich in Nordafrica, zu begünstigen.

Wesentlich anders gestalteten sich die Dinge in den Neuländern ohne eigene Cultur, wo Jberer, Celten und Germanen sich niedergelassen hatten. Hier wurden die Römer in Wirklichkeit Culturschöpfer. Während der dritten Periode, die mit Caracalla schließt, dehnt sich die politische Herrschaft der Römischen Kaisermacht bis an den Atlantischen Ocean, die Schottischen Gränzgebirge, den Rhein und die Donau aus. Gleichzeitig versiegt die staatsbürgerliche Freiheit so weit, daß das politisch entwerthete Bürgerrecht allen Infaffen des Römischen Rechts geschenkt wird. Die für die völkerrechtliche Cultur bedeutsamste Thatsache dieses Zeitraums besteht in der Blüthe der PrivatrechtsJurisprudenz und dem Abschluß des Prätorischen Edictes mit seinem jus gentium.

Während des letzten Abschnittes der Römischen Rechtsgeschichte sehen wir den Prozeß des Absterbens in schnellerem Zeitmaße fortschreiten. Während im Innern der Fortschritt der christlichen Lehre den antiken Staatsgedanken zerseßt, stürmen von Norden her die Barbaren über die großen Stromlinien und Hochgebirge sowie über den Gränzwall (limes), hinter welchem das in fortwährenden Kämpfen erschöpfte Römerthum nothdürftige Deckung gesucht hatte. Die Aufgabe wirksamer Vertheidigung nach Außen suchte man durch Theilung des Römischen Weltreiches in zwei Hälften zu lösen, ohne den Untergang aufhalten zu können. Das Weströmische Reich brach gegen Ende des fünften Jahrhunderts zuerst zusammen, während die Römische Kaisermacht in

Byzanz noch ein Jahrtausend hindurch ein schattenhaftes Dasein fristete, wäh rend dessen nur eine weltgeschichtlich bedeutsame Thatsache für den Rechtshistoriker hervorleuchtet: die Sammlung und Ergänzung des Römischen Rechts durch Justinian.

An seinem Endpunkt angelangt, bietet das Römische Recht die Kehrseite zu seinem Ausgangsstadium. In ältester Zeit steht es im Verhältniß der Gleichartigkeit zu den Culturzuständen benachbarter Völkerstämme; zuleßt blieb nichts als der schroffe Gegensatz zwischen einem centralisirten, technisch vollkommenen Privatverkehrsrecht eines abgelebten Staatsorganismus auf der einen Seite und der naturkräftigen, aber bildungsfähigen Uncultur des Germanen= thums, das die Römischen Waffen überwältigte.

Die uralte Idee des Sacralrechts, die einer näheren Prüfung bedarf, hatte sich also in Wirklichkeit an den Römern erfüllt. Sie gingen schließlich daran zu Grunde, daß sie den Grundgedanken des Völkerrechts, den sie in ältester Zeit erkannt hatten, nicht weiter zu entwickeln verstanden, sondern durch auswärtigen Machtmißbrauch verlegten: ein Unrecht, das auch durch die großartige Hinterlassenschaft ihrer Privatrechtsschöpfung nicht vollkommen gesühnt werden konnte. Privatrecht und Völkerrecht stehen also bei den Römern im historisch umgekehrten Verhältniß. Der Fortschritt des einen begleitet den Verfall des anderen.

Kehren wir daher zur sacralen Basis des Völkerrechts zurück.

1) Ranke (Weltgeschichte II, 45) sagt: „Das ist eben der Charakter der Tradition. Sie ist kein Gedicht, auch keine Geschichte, sondern eine an historische Ereignisse anknüpfende, politisch ausgestaltete Erinnerung.“

2) Juppiter, Juno und Minerva waren Gottheiten, die auch von Latinern und Etruskern verehrt wurden, gleichsam Bundesgötter, die erst mit der Gründung des Capitols ihren eigenartig Römischen Typus annahmen.

3) Der Latinerbund, den man bezeichnend auch „Eidgenossenschaft“ nennt, umfaßte ursprünglich dreißig Kleinstaaten mit der Bundesversammlung bei Caput Ferentinae sub monte Albano. Es war ein foedus aequum, von dem sich Tusculum 381 v. Chr. losriß, dessen Grundsäße aber noch in dem 393 von Sp. Cassius Viscellinus zu Stande gebrachten Bundesvertrag erkennbar sind. Madvig, Verfassung und Verwaltung des Römischen Staates I, 59. Der Bund dauerte bis 340. Seit 338 sind die Latiner nur noch abhängige socii von Rom.

4) Insbesondere dürfte dies von der alten lex sacrata nach der ersten secessio plebis in montem sacrum anzunehmen sein.

5) Auf den Erwerb des (Carthagischen) Sicilien folgte: Sardinien 516, dann Spanien nach dem zweiten Punischen Kriege, Makedonien mit Achaja (608), Africa (608), Asien (620), Gallia Narbonensis (636), Cilicien (652).

6) Hildenbrand, Geschichte und System der Rechts- und Staatsphilosophie, S. 519. Das Mißtrauen des Senates gegen diese Einwanderer war Anfangs kein

geringes; fiehe das S. C. aus dem Jahre 593 (de philosophis et rhetoribus) bet Bruns, Fontes Juris (4. Ausgabe 1879) S. 147.

7) Liv. XXXIX, 8-19. Den Text s. bei Bruns, Fontes Juris R. Antiqui S. 145 und im Corp. Inscr. Latinar. I, 43 n. 196

$ 59.

Das sacrale Völkerrecht der Römer.

Literatur: J. Rubino, Untersuchungen über Römische Verfassung und Geschichte. Voigt, De fetialibus. Leipzig 1872. Derselbe,

-

Marquardt, Hand

v Jhering, Geist des RöBernhöft, Staat und Recht

Bb. I (1879), 169 ff. Jus naturale aequum et bonum und jus gentium. Bd. II, 24. Dany, Der sacrale Schuß im Römischen Rechtsverkehr, 1857. buch der Römischen Staatsverwaltung Bd. VI. mischen Rechts I, § 18 ff. (4. Aufl. 1878.) der Römischen Königszeit im Verhältniß zu verwandten Rechten. (1882.) Madvig, Verfassung und Verwaltung des Römischen Staates. (1882.) II, 580 ff. Leift, Gräco-Italische Rechtsgeschichte (1884). S. 427 ff. F. Laurent, Études sur l'histoire de l'humanité, III, 9 31 (2. éd. 1855). E. C. Clark, Early Roman Law. The Regal period. London 1872.

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Als Urkeime der von den Römern vertretenen internationalen Rechtsgedanken erscheinen die föderalen Beziehungen der alten Latiner und das sacrale Recht.

Griechen und Römern gemeinsam war von Hause der durch mannigfachste Uebereinstimmung bezeugte Götterglaube und das Sacralrecht, womit Staat, Staatsamt, Geschlechterordnung, Ehe, Kriegsdienst und zahlreiche an= dere Verhältnisse des Volkslebens verknüpft waren. So sehr war dies der Fall, daß das jus sacrum der Römer noch in historisch klar erkennbarer Zeit die Einheit aller göttlichen und menschlichen, priesterlichen und politischen, öffentlichen und häuslichen Beziehungen der Gesellschaft ausdrückte.

Aber auch erhebliche Unterschiede walteten daneben zwischen Hellenen und Latinern. Zunächst erwies sich die Römische Staatswelt schon frühzeitig dadurch überlegen, daß die rituellen und formellen Bestandtheile der Gottesverehrung genauer geordnet und treuer festgehalten wurden, als bei Griechen, deren Culturgränzen gegenüber den Orientalischen Religionssystemen zu allen Zeiten schwankende waren. Gewiß fanden sich auch bei Römern und Latinern mancherlei fremdartige, vielfach aus Etrurien eingedrungene Gebräuche. Durch den Römischen Volksgeist ward aber deren feste Verschmelzung mit dem einheimischen Gottesdienst gefördert und durchgesezt, wozu die in alle Verhält= nisse eindringende Stellung des Priesterthums geeignete Handhaben bot.

In Griechenland stand das Priesterthum in seiner Eigenschaft einer nationalen Repräsentation der Götterverehrung außerhalb der großen Mittelpunkte der Kunst, Philosophie, Politik und Handelsbewegung. Athen, Sparta,

Corinth und Theben bedeuteten im religiösen Volksleben der Hellenen weitaus nicht soviel, wie Delphi, Delos, Olympia oder Dodona. Auf diesem räumlichen Trennungsverhältnisse beruhte zu einem wesentlichen Theil die Freiheit der geistigen Bewegung, der sich Athen zu erfreuen hatte, andererseits aber auch die schnell eintretende Lockerung der politischen Bande, die die einzelnen Stämme mit einander verknüpften.

Für das Sacralrecht der Römer blieb hingegen die räumliche Einheit der höchsten Opferstätten, des priesterlichen Ritualwesens und des ge= sammten Volkslebens von Alles entscheidender Bedeutung. Nach der sacralen Seite des alten Staatszustandes ausschließlich gewürdigt, scheinen deswegen die Römer den Orientalischen Anschauungen näher zu stehen, als den Griechis schen. 1) Welchen Grad von Festigkeit Latium bereits in einer Zeit gewann, die vor der Römischen Gründungssage liegt, darf man daraus schließen, daß troß vielfach bestehender Verwandtschaften Griechische Ansiedler im achten und neunten Jahrhundert v. Chr. sich nicht vermaßen, in Mittelitalien festen Fuß zu fassen, sondern nach der Besiedlung der näher gelegenen Theile Siciliens und Unteritaliens entlegnere außeritalische Küstengebiete aufzusuchen genöthigt

waren.

Selbst der Umstand, daß die Schriftzeichen des Alphabets zu den Latinern später gelangten, als zu den Griechen, mag der größeren Heiligkeit göttlicher Aussprüche und Gebote (Fas), sowie dem mit feierlichen Worten ausgestatteten Ritual höchst förderlich gewesen sein. Denn zu allen Zeiten hat es sich bestätigt, daß mündliche Ueberlieferung unter den der Schrift entbehrenden oder unkundigen Menschen größere Treue und Haltbarkeit des Ueberlieferten vers bürgt, als schriftliche Aufzeichnung mißverstandener Berichterstattungen durch solche, die entweder zu starke oder zu schwache Gaben kritischen Geistes em pfangen haben. Was den Homerischen Gesängen zu Statten kam und ihren jugendlichen Reiz in aller Frische erhielt, der Mangel nämlich einer zu frühzeitigen Aufzeichnung vor ihrer Vollendung durch den mitdichtenden Volksgeist, bewirkte auch die Sicherung der dem Römischen Priesterrecht innewohnenden Heiligkeit bestimmt vorgeschriebener Redewendungen und in weiterer Folge die Stätigkeit gesprochener Worte im Rechtsverkehr und in der Rechtspflege. 2)

Das Römische Sacralrecht bietet eben deswegen den wichtigsten Schlüffel zur Eröffnung tieferen Verständnisses und hellerer Beleuchtung der Wege, die die Römische Rechtsgeschichte durchmessen hat.

Was nun insbesondere die Altrömischen Vorstellungen vom Völkerrecht anbelangt, so mußte die Wichtigkeit sacraler Formeln aus naheliegenden Gründen, insbesondere wegen des Mangels ständigen Rechtsverkehrs noch eine höhere sein, als auf anderen Gebieten des Rechts. Es wiederholen sich hier dieselben Auffassungen und Erscheinungen, die im Orient hergebracht waren. Staatsverträge bedürfen, wenn nicht zu ihrer Gültigkeit, so doch zu ihrer Haltbarkeit sacraler Gestaltung und religiöser Garantien. Der Unterschied zwischen

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