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lungen der geschlechtlich gedachten Welterzeugung und von jener Abhängigkeit, in die das Walten der Naturmächte andere Gottheiten versetzt hatte.

Jehovah ist der nationale Bundesgott Israels, dessen Anfangs überliefertes, späterhin geschriebenes oder urkundlich geoffenbartes Gesetz unabänderlich bleibt und weder vom Willen des Volkes noch von der Macht der Könige abgeändert und nur durch die Einsicht des Priesters in jedem Falle praktischer Anwendung gedeutet werden kann. 2)

Von diesem in die Seele des jüdischen Volkes tief eingegrabenen Ge= sehe, dessen Befolgung in gleichem Maße durch Androhung einer das ganze Volk ergreifenden Strafe, wie durch Verkündung eines dem ganzen Volke verheißenen Segens gesichert wird, muß auch die Stellung des Staatswesens zu Fremden im Gebiete des jüdischen Machtbereichs und zu ausländischen Nationen beherrscht werden. In stärkerem Maße, als alle anderen Beziehungen, fiel das internationale Verkehrsleben der Juden unter religiöse Sagungen.

Als sinnlich wahrnehmbares Zeichen dieses vom Volksgott mit dem Gottesvolk errichteten unverbrüchlichen Bundes dient die Bundeslade, deren Vorbilder sich bereits auf Aegyptischen Denkmälern vorfinden. Anfangs wandernd, wie die Juden selber, und dem Anschauungsbedürfniß des Nomadenvolkes dienend, ward sie mit dem jüdischen Volke gleichsam ansässig, die Stätte ihrer Aufbewahrung heiligend und mit der staatlichen Zerstörung der jüdischen Nation wiederum in die Welt hinausziehend. Kaum zu bezweifeln ist, daß ein Theil der auf die Verehrung der Bundeslade und den Opferdienst bezüglichen Ritualvorschriften aus Aegypten stammt. Ihre noch heute fortdauernde Uebung ift vielleicht das älteste, durch die Jahrtausende ununterbrochen fortwirkende Lebenszeichen eines längst zertrümmerten Tempeldienstes. Ob nicht die zehn oder zwölf Gebote des mosaischen Gesetzes ihre Form aus unbewußten Nachwirkungen des Altägyptischen Todtenbuches das ja gleichzeitig ein Buch des ewigen Lebens sein sollte. entnahmen, kann dahin gestellt bleiben. Ein Volk, das sich nach seiner Befreiung von der Sclaverei dennoch Jahrzehnte hindurch nach den Fleischtöpfen Aegyptens zurücksehnte, obwohl es nur in Begleitung seiner Heerden die Hungersnoth der Wüste durch Fleischnahrung zu überstehen vermochte, und das auch zum Zeichen seines Bundes die Aegyptische Sitte der Beschneidung angenommen, konnte vermuthlich nach langer Ansässigkeit im Lande Gosen seine geistigen Ueberlieferungen zu Altägyptischen Zuständen wahrscheinlich niemals völlig, sicherlich nicht plötzlich abbrechen.

War doch die auch in der Folgezeit gleichsam ständige Gedankenrichtung der Juden auf Aegygten ursprünglich gerade dadurch gegeben, daß die Nachfolger Ramses III oder des Menephtah in Palästina strategisch wichtige Punkte in Gaza und Mazeddo beseßt hielten.

Durch Gewalt und List war es den Israeliten gelungen, unter sorgfäl tiger Vermeidung der von Aegypten besetzt gehaltenen Küstenfestungen und der von Phöniciern behaupteten Landstriche, sich als Eroberer gleichsam in ein Landgebiet einzuschleichen, welches an die große Afrikanisch- Asiatische Völkerwande

rungsstraße stieß. Der Erfolg zeigte, daß ihre priesterliche Führung sie jedenfalls den kleinen umwohnenden Kanaanitischen Völkerstämmen weitaus überlegen machte. Die mittlere Linie des Jordan und des todten Meeres gab den einzelnen in Kanaan angesiedelten Stammestheilen der Juden gegen Angriffe benach barter Stämme eine gegen Umgehungen gesicherte Nückendeckung, eine centrale Stellung der Höhenlage. Troß hervorragender Tapferkeit Einzelner und mannigfacher Siege waren jedoch die Israeliten kein Kriegsvolk wie Assyrer oder Perser. Sie flohen vor den Pfeilen der Phönicier und hüteten sich vor Angriffen gegen gut bewaffnete Krieger der umliegenden Ebenen. Fremde Söldner finden sich in der Leibwache jüdischer Könige. Die Technik der Kriegsführung verdankt ihnen keinerlei nennenswerthe Fortschritte. Wo Gewaltthat aussichtslos schien, zogen sie es kluger Weise vor, sich, wie die Nachkommen Ashers thaten, unter umwohnenden Nachbarn niederzulassen3) und Dienste als Maurer, Arbeiter oder Karawanenführer zu thun.

War das gelobte Land ein verheißenes Geschenk des nationalen Bundesgottes, so wurde schon deswegen jeder Feind vor allen Dingen als rechtloser Gottesfeind angesehen. Der Gedanke menschlicher durch Verträge verbürgter Treue war ausgeschlossen, weil es im Sinne altorientalischer Ueberlieferung unmöglich gemacht war, Friedensverträge gleichzeitig unter den Schuß der Gößen auswärtiger Völkerstämme und des einigen Gottes zu stellen, der keine anderen Götter neben sich haben wollte. Im Grunde waren dadurch alle durch religiöse Garantie wirksamen Staatsverträge für die Juden unthunlich gemacht. Friede bedeutet dem Auslande gegenüber nichts anderes als Duldung eines thatsächlich gegebenen Zustandes.

Aus solcher Auffassungsweise erklärt es sich, daß auch Raub und plöglicher Ueberfall oder Treubruch in den Augen der Israeliten wenigstens insoweit verdienstlich erschienen, als irgend ein Zusammenhang zwischen ihnen · und religiösen Vorstellungen obzuwalten schien. So überfielen die Nachkommen Dans mitten im Frieden die Sidonische Ansiedlung Laïs, deren Einwohner niedergemeßelt wurden. 4)

Die Gränzlinien zwischen verrätherischem Morde und ehrlicher Bekämpfung des Feindes blieben bei den Israeliten durch religiösen Fanatismus verdunkelt, daher Lobpreisungen verabscheuungswürdiger Mordthaten sogar in der heiligen Schrift nicht auffallen können. 5)

Im Uebrigen muß man bei Bemessung der den Israeliten eigenthümlichen Stellung sorgfältig darauf achten, daß verschiedene Entwickelungsstufen des Volksgeistes nicht miteinander vermischt werden.

Einen sehr bedeutsamen Abschnitt bildet die Einsetzung des Königthums. In der ältesten Zeit, nach der Niederlassung der Juden in Kanaan, fehlte ihnen die Einheit priesterlicher, richterlicher und kriegführender Gewalt. Es würde daher richtiger sein, wenn man nicht von einem Staats-, sondern von einem Stammwesen der Israeliten redet. Die zwölf auf bestimmten Landstrecken ansässig gewordenen Stämme repräsentiren viel eher ein internationales

als ein nationales Gemeinwesen, eine Conföderation, deren Spite sich nach Außen gegen die Umwohnerschaft der Küste, Syriens und Arabiens richtete. Von der Pflicht gemeinsamer Vertheidigung war im Allgemeinen keine Rede, so lange die Angriffe feindlicher Stämme nicht einen hohen Grad der Gefährlichkeit erlangt hatten. Und selbst in äußersten Fällen gelang es nicht immer, das Volksaufgebot unter den Waffen zu versammeln. 6)

Die alte Sitte des Opferdienstes zu Silo bot allein den Einheitspunkt des inneren Volkslebens, ohne daß dadurch die Festigkeit theokratischer Herrschaftsformen gewährleistet worden wäre, denn das Verbot Mose, sich der Gottesbilder zu enthalten, wurde schon in alten Zeiten vielfach vergessen und verlegt. 7)

Am meisten mag zur Bewahrung alter Ueberlieferungen das aus innerster Eingebung, ohne die Grundlage fester Prozeßordnung urtheilende, aus dem Volksvertrauen und der Volkssitte erwachsene Schiedsrichteramt beigetragen haben, dessen Wirksamkeit sich nicht auf die Angehörigkeit zu einem bestimmten Stamm beschränkte, sondern auch von Mitgliedern verschiedener Stämme in Anspruch genommen werden konnte. Das Richteramt bildete somit gleichsam ein in Streitfachen thätiges, von zwei Parteien angegangenes juristisches Drakel, im Gegensatz zu den priesterlichen Orakeln, die gegen Entschädigung von Einzelnen in ihren persönlichen Angelegenheiten befragt wurden. Beide Einrichtungen mögen in äußerem Zusammenhange und zeitweise in örtlicher Verbindung mit den Centralstätten der des Opferdienstes wegen unternommenen Pilgerfahrten gestanden haben, deren Bedeutung neben anderen volksthümlichen Verkehrsformen des orientalischen Lebens auch heute nicht übersehen werden darf.

1) Sprachlich bedeutet Baal (oder Bel) soviel wie „Herr“.

2) Ranke (a. a. D. S. 103): „Auch Jehovah wird als nationaler Gott ges dacht und verehrt. Er schien in dem Kampfe der Landschaften, die mit ihren Göttern identificirt werden, gleichsam auch als einer derselben."

3) Buch der Richter I, 31–32.

4) Sehr beachtenswerth ist die Darstellung im Buch der Richter, Cap. 18.

5) Ueber die Mordthat Ehuds s. Richter 3, 12.

6) Die Wehrmacht sämmtlicher Stämme ward in ältester Zeit auf 400 000 Streiter, oder zu Davids Zeiten auf 270 000 angegeben. S. Dunder (a. a. D.) II, 75. 7) Samuel 1, 19, 13-16. Richter 17, 5. 14, 17. Könige 2, 23, 24.

§ 47.

Das alte Israelitische Königthum.

Die Begründung eines einheitlichen, die zwölf Stämme umfaffenden Königthums, bezeichnet eine zweite, troß ihrer vergleichungsweise nur kurzen Zeitdauer von ungefähr hundert Jahren, immerhin wichtige Epoche. In ihr formte fich diejenige Gestaltung der monarchisch verfaßten Theokratie, die

auch nach dem Untergang des jüdischen Staatswesens überall, wo man späterhin im christlichen Europa die Schriften des alten Testaments als fortwirkende ansah, ideale Normen für Regentenpflichten und Herrschaftsrechte zu bieten schien. In der durch die Geschichtsberichte des alten Testaments überlieferten Ordnung des Fürstenthums erkennt man das Zusammenwirken zweier Grundkräfte: des religiösen Sittenrichteramts einer den Volksgeist beständig leitenden Priesterschaft, die wegen ihres Einflusses auf die Menge auch die Gewalt der Könige zu ihren priesterlichen Zielen zu lenken sucht, und eines Königthums, das aus eigener göttlicher Mission seines Berufes zu walten sucht und nur die aufdringliche Macht der Priester seinerseits einzuschränken und den Gegensaß der alten Religion zu umwohnenden Völkerstämmen Phöniciens oder Syriens zu mildern unternimmt, indem von Zeit zu Zeit fremdartige Formen des Gottesdienstes angenommen oder zugelassen werden. Abwechselnd gelangen in dieser Periode Harmonie und Gegensatz weltlicher und geistlicher Gewalt zur Wirkung.

Die Einheit des Königthums, hervorgegangen aus glücklicher und siegreicher Kriegsführung Saul's und David's, begegnete sich mit der Einheit des Priesterthums, seitdem im Stamme Juda die ständige Hauptstadt des jüdischen Gottesreiches und der Mittelpunkt gemeinsamer Gottesverehrung errichtet worden war. Der Suprematie des königlichen Amtes über die einzelnen Stämme schloß sich die Centralisation des hohenpriesterlichen Amtes auf ihrer örtlichen Gebundenheit an den einen Tempel zu Jerusalem an.

Aus dieser Combination der monotheistischen und nationalen Gottesidee mit der Einheitlichkeit einer unwandelbaren Verehrungsstätte erwuchs im Verlauf der Zeiten die Ueberlegenheit der volksthümlichen Theokratie über das Herrscheramt der Könige, zumal zur dauernden Befestigung rein staatlicher Herrscherform sowohl die Macht der Erblichkeit innerhalb einer Dynastie, als auch die territoriale Abgeschlossenheit eines gegen Phönicien und Syrien festbegränzten Landesgebietes fehlte. Jene ideelle Macht der Erblichkeit, beruhend auf festgeordneter Thronfolge, die Aegyptischen und Assyrischen Herrscherhäusern innewohnte, war bei den Israeliten bereits durch den Stammesbegriff und den Stammesunterschied so stark aufgezehrt worden, daß die priesterliche Salbung des zum Herrscheramt Auserkorenen, als des vom Herrn Erwählten, zur Grundlage einer gleichsam halb volksthümlichen, halb priesterlichen Wahlmonarchie genommen werden mußte. In dem Wesen einer so beschaffenen Monarchie lag denn auch die von vornherein einleuchtende Andeutung, daß, wie das Volk durch Auflehnung gegen den reinen Glauben, so auch der König der Juden durch Zuwiderhandlung gegen die von den Priestern empfangenen Offenbarungen seiner Verheißungen verlustig erklärt werden konnte.

Den Höhepunkt des jüdischen Königthums bezeichnet David's Regierung (seit 1033), seinen gleichsam in Pracht und Luxus geschmückten Niedergang die Herrschaft Salomos († 953), die als ältester Versuch der Säcularisirung jüdischer Theokratie gedeutet werden kann. Denn Salomo hatte sich im Wider

spruch zur strengen Ordnung des nationalen Priesterrechts mit Töchtern herdnischer Fürsten vermählt.

Bezeichnender als diese beiden Herrschergestalten ist jedoch Saul's Persönlichkeit, in welcher schon unmittelbar nach der Begründung monarchischer Verfassung der Gegensatz zwischen Königthum und Priesterthum, als ein im Volksleben der Juden unausgleichbares Schicksal, zur Anschauung kommt. 1)

Klarer als die Könige verstanden die Priester die tiefsten Falten des Volksgeistes zu durchschauen und zu erfassen.

Religiöse Concentration des Volksglaubens im nationalen Fanatismus strengster Ausschließlichkeit neben energischer, mit gelegentlichen Bußübungen abwechselnder Lebensfreude und Genußsucht sind Grundmerkmale des altjüdischen Volkscharakters. Mit Recht urtheilt daher ein neuerer Forscher: „Die Juden waren kein kriegerisches Geschlecht und David stürzte sie in Kriege: sie waren weder Seeleute noch Baukünstler, noch besaßen sie von Hause aus Neigung für Handel und Industrie, und Salomo zwang ihnen Handelsflotten und Handelsbeziehungen auf. Sie hatten Abscheu vor dem Fremdländischen und Fanatismus für ihre Religion, er gab ihnen das Beispiel in der Duld. samkeit."

Eben dieses Beispiel in der Duldsamkeit ward Salomo's Geschlecht alsbald ebenso verhängnißvoll wie es Milde für die besiegten Feinde dem Saul geworden war. Die Ausgleichung zwischen königlicher Macht, priesterlicher Herrschsucht, militärisch geschulter Autorität und handelspolitischen Beziehungen zum Auslande war ohnehin in einem streng theokratischen Staatswesen nicht zu ermöglichen.

Da die Juden zur Zeit der ersten Könige, von der Leibwache abgesehen, kein stehendes Heer besaßen, so mußte für jeden einzelnen Nothfall die Volks wehr aufgestachelt werden und deren natürliche, durch kriegerische Gewohnheiten nirgends gemäßigte Blutgier Befriedigung erlangen. Dasselbe Mittel leidenschaftlicher Aufreizung, das des Gegengewichts militärischer Disciplin entbehrte, erwies sich aber auch dann wirksam, wenn religiöse Streitfragen oder priesterliche Anforderungen gegen die eigenen Könige im Innern auszufechten waren. Was das Kriegsrecht der Juden anbelangt, so offenbart sich darin die Barbarei der Priestermacht.

Furchtbar war oft genug das Schicksal der von den Juden besiegten Völker und Könige. Gefangene wurden für kalte Rache in den Stunden des Triumphs aufgespart. Noch grausamer als Krieger, deren Leben in Gefahr gewesen, war der Priester, der aus der Ferne und daheimbleibend dem Kampfe ruhig zugeschaut hatte. Samuel hieb Angesichts des Volkes den wehrlosen, gefangenen König der Amalekiter in Stücke und verfehmte Saul, weil dieser es, göttlichen Geboten zuwider, unterlassen hatte, Weiber und Kinder ums Leben zu bringen.) Aehnliches, wie die Amalekiter, erlebten auch Moabiter und Jbumäer nach verlorenen Schlachten.

Die Entschuldigung, daß schwache, von ihren Nachbarn bedrohte Völker,

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