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kämpft, fast immer solchen Völkerschaften überlegen ist, die zwar in ihrer Gesittung weiter fortgeschritten sind, aber wegen unvollkommener Arbeitstheilung zwischen Kriegsdienst und Ackerbau oder Gewerbe zu keiner festen Organisation ihrer Machtmittel gelangt sind. Geographische und historische Unkennt niß, wie sie durch Griechische Berichte für den Orient noch im 6. Jahrhundert als vorhanden und in bunten Mythenbildungen hervortretend bezeugt wird, wirkt neben den bereits angedeute ten Verhältnissen als ein Grund der Lähmung wirklich vorhandener Staatskräfte. Unbeachtet gebliebene Streifzüge beuteluftiger Stammeshäuptlinge konnten leicht zu Unterjochungen blühender Gemeinwesen führen, weil organisirte Gegenwehr oft erst dann versucht wurde, wenn es zu spät war.

Die Assyrer waren in kriegerischer Hinsicht ein hochbegabtes, tapferes, unternehmungslustiges Volk, voll Verachtung gegen minder kräftige Nationen, in strengster Unterordnung unter ihre Könige Entscheidend für ihre Machtstellung war der Anfall von Ninive gewesen, das als Stapelplatz des Karawanenhandels zwischen dem fernen Osten und Phönicien längst, bevor die Sage ihre Stadterbauer erdichtete, von Bedeutung gewesen sein muß. Ebenso verschwand Assyriens Macht mit dem Untergange von Ninive. Das Schicksal dieser Nation war dasjenige seiner Hauptstadt und seiner Könige. Bei den feßhaften Nationen Asiens, in Assyrien und Babylonien war der Belagerungskrieg mit seinen Erfolgen und Fehlschlägen in der Mehrzahl der Fälle entscheidender, als der Ausgang einer Feldschlacht.

1) K. Bezold (Ueber Keilinschriften, Berlin. 1883) giebt als Fundorte der Keilinschriften an die größeren Städte des Persischen, Babylonischen und Affyrischen Reiches. Doch sind auch bei Suez Keilinschriften gefunden. Derselbe Forscher meint, daß die Literatur der Babylonischen Monumente sich an Alterthümlichkeit mit der Aegyptischen und Chinesischen vergleichen lasse. Doch reicht die Mesopotamische Chronologie immerhin nur bis in die Anfänge des dritten Jahrtausends v. Chr. Ueber die neue Keilschriftenliteratur s. daselbst die Nachweisungen desselben Autors S. 30.

2) Die Zahl der Schriftwerke ist erstaunlich groß, wenn man die gewaltsamen Zerstörungen durch Menschenhand und Naturereignisse bedenkt. Bezold (a. a. D.) S. 6 schäßt den Vorrath des Britischen Museums (außer 15 000 numerirten Thontafeln) auf ebensoviel nicht numerirte Stücke, und mindestens 150 000 Stücke im Stromland selber liegend, d. h. blosgelegte.

3) Neuerdings werden die Chaldäer als Sumarier oder Akader bezeichnet. Im engeren Sinne bedeutet mat Chaldu bei den Afsyrern das südlich von Babylon nach dem Meere belegene Gebiet; im weiteren Sinne schließt es Babylon in fich. Schrader (a. a. D.) S. 132.

4) Als typisches Beispiel solcher monumentalen Berichte mag die Inschrift des Sanherib (705 – 681 v. Chr.) dienen, welche seinen Feldzug gegen die Kaschgi erzählt.

5) S. Rante (a. a. D.) S. 92.

6) Ranke (a. a. D) 1, S. 88.

7) (a. a. D.) S. 282.

8) Weltgeschichte I, S. 111.

9) Die biblische Todtenklage des Propheten s. Ezechiel, 31, 11-16. 32, 22. 23.

§ 45.

Das Medisch-Persische Reich.

M. Dunder, Geschichte

Literatur: Spiegel, Die Altpersischen Keilinschriften. 2. Aufl. 1881. — Oppert, Le peuple et la langue des Mèdes. Paris 1882. des Alterthums (5. Aufl. 1879). Bd. IV, S. 205 ff. Ed. Meyer, Geschichte des Alterthums. Bd. I, 497—619. 2. v. Ranke, Weltgeschichte. Bd I, S. 120 ff. G. Maspero, Geschichte der Morgenländischen Völker im Alterthum. (Deutsch von R. Pietschmann, 1877.) S. 504-600. rent, Études sur l'histoire de l'humanité. Bd. I, 425 – 464.

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F. Lau

Die Wieder hatten das Verdienst, die semitische Gesittung von der gefährlichen Bedrohung durch skythische Horden zu erretten. Ihrerseits erlagen fie bald den Perfern. 1)

Das Persische Reich, dessen Dasein unter Kyros um die Mitte des VI. Jahrhunderts v. Chr. begann, überdauerte kaum den Zeitraum von zwei Jahrhunderten Auf der Grundlage der von Kyaxares begründeten Medischen Herrschaft erwachsen, vereinigte es unter der Gewalt seiner Könige der Reihe nach Lydien, erhebliche Theile Kleinasiens, Phönicien, Cypern, Aegypten, Syrien, Affyrien und Babylonien, sowie die östlichen Ländergebiete bis an die Gränzen Indiens, im Norden die Kaspischen Nachbargebiete bis an die Steppenränder Centralafiens mit den Gebieten der Skythen. Keines der vorangegangenen und vor Begründung der Persischen Herrschaft wieder zerfallenen Reiche konnte sich auch nur eines annähernd gleichen Umfanges rühmen.

Die Größe dieser durch Eroberung gewonnenen Erfolge beruhte vornehm= lich auf innerer Erschöpfung der früher thätig gewesenen nationalen Culturkräfte, nächstdem auf schneller Beweglichkeit eines kriegerischen Nomadenstam= mes, dessen Stärke besonders in der Ueberlegenheit der Reiterei und berittener, ferntreffender Bogenschüßen bestand.

Allen anderen Nationen gegenüber war der Persische Volkscharakter durch eine Reihe negativer Merkmale gekennzeichnet. Ihm fehlte der Grundzug religiöser Ausschließlichkeit und theokratischer Priesterherrschaft, sowie die dadurch bedingte Unterwerfung unter geheimes Ceremonialwesen oder abergläubische Gößenverehrung. Unzweifelhaft trägt sogar die Religionslehre Boroafters mehr als irgend welches andere alte Glaubenssystem der Orientalen allgemein menschliche Keime eines universalen Ethos in sich, die späterhin viel-. leicht nur deswegen entarteten, weil sie vorzeitig, ehe sie sich hinlänglich be

festigt hatten, in der Berührung mit niederen Cultusformen anderer Nationen zersetzt wurden.

Die schnellen Erfolge Persischer Eroberungen unter Kyros und Rambyfes und der Mangel hartnäckigen Widerstandes bedingten für die rechtliche Gestaltung des Persischen Weltreiches nach Innen und Außen ein hohes Maġ von Duldsamkeit und Milde gegen Unterworfene oder Fremde, obgleich den Persischen Königen, als sie sich an Griechenland vergriffen, die Idee des Weltherrschaftsberufes ebenso tief innewohnte wie Assyrischen Herrschern. 2)

Immerhin war es ein bedeutsamer Vorgang, daß Kyros den Juden nach Jerusalem heimzukehren gestattete. Zu gering an Anzahl, um den ungeheuren Ländercomplex zwischen den Gränzen Indiens, Arabiens, Aethiopiens, des Mittelmeerrandes und des Pontischen Gebiets einer ständigen Regel zu unterwerfen oder dicht bevölkerte Culturländer in Mesopotamien, Unterägypten und Phönizien positiv beeinflussen zu können, begnügten sich die Perser mit durchaus oberflächlicher Geltendmachung ihrer kriegerischen Ueberlegenheit, indem fie Verrath und Auflehnung rächten, in ruhigen Zeiten aber sich bei der Erhebung eines Tributs in dem lockeren Gefüge der Satrapie oder mit formalen Unterwürfigkeitsacten Seitens unterworfener Könige beruhigten.

Die Verbindung zwischen den einzelnen Landestheilen war eine so lockere, daß man nicht selten das Perserreich als Abart des Staatenbundes genommen hat, 3) was freilich schon deswegen nicht zutrifft, weil den königlichen Statthaltern keinerlei Unabhängigkeit zukam und sie jederzeit nach königlichem Gefallen abgesezt oder abberufen werden konnten. Die bewegende Kraft Persischer Staatsaction lag vielmehr gerade in dem Gedanken der an die monarchische Gewalt der Achämeniden geknüpften Weltherrschaft nach Innen und Außen.

3u festeren, völkerrechtlichen Anschauungen und sicheren Maximen des auswärtigen Verkehrs vermochte Persien bei der vergleichungsweise kurzen Dauer seiner Herrschaft ebenso wenig zu gelangen wie zu einer die unterworfenen Völker innerlich miteinander verknüpfenden Staatsverfassung. Denn an den Gränzen des Reiches und innerhalb seines Gebietes wohnten Völkerschaften von außerordentlich verschiedener Begabung und Entwickelung. Jedes derselben wollte und mußte nach seiner eigenen Weise genommen werden. Es war unmöglich Griechen, Aegypter und Chaldäer gleich den Sarmaten ind Skythen oder den Steppenvölkern der Wüste zu behandeln.

Jener Grundzug der Duldsamkeit gegen Fremde würde, wenn er nicht in allegorischen Ueberlieferungen gewurzelt hätte, unter so bewandter Umständen politische Nothwendigkeit gewesen sein. Ihm ist es zuzuschreibei, daß Verbannte, wie Themistokles und Alkibiades, lieber an Asiatischen Höfer des Perferreiches Zuflucht suchten als in Freistaaten Italiens oder Siciliens. Nicht selten zeichneten sich Persische Heerführer durch Zeichen der Großmuth nd der Milde gegen besiegte Feinde aus. Ihre Kriegführung unterscheidet sich ehr wesentlich von der Praxis der Assyrer und Juden. Selten sind die Beispele der Volks

verpflanzung und der Raffengefangenschaft. Für ein so kriegerisches Volk wie die Perser hatte sogar die Sclaverei nur eine untergeordnete wirthschaftliche Bedeutung. Wer nicht auf dem Schlachtfelde getödtet wurde, hatte Hoffnung, in seinen Lebensverrichtungen unbehelligt zu bleiben, wenn er sich bereit finden ließ, seiner Zinspflichtigkeit zu genügen.

Was man von Bündnißverträgen, Interventionen und Verkehrsformen der Persischen Epoche meistentheils aus Griechischen Quellen weiß, ist nur von untergeordneter Bedeutung. Wichtiger ist, daß zahlreiche Griechen aus freien Stücken als Feldherren, Künstler, Politiker, Schriftsteller, Hofbeamte in Dienste Perfischer Könige und Satrapen traten. 4)

Die nachbarschaftlichen Gegensätze Kleinasiatischer und Syrischer Völkerschaften, aus deren Ueberlieferungen der religiöse Volksfanatismus Nahrung gezogen hatte, wurden sowohl durch das Intriguenspiel der einzelnen Satrapien als auch durch die auf nothdürftige Erhaltung des inneren Friedens bedachte Politik der Perserkönige gemildert und abgeschwächt.

Abgesehen davon, daß die Abkunft des Persischen Reiches von der alten Heimath der Iranischen Hochebene wahrscheinlich viel dazu beigetragen hat, eine große Anzahl ursprünglich Persischer Culturpflanzen 5) an den Gestaden des Mittelmeeres zu verbreiten und dadurch den wirthschaftlichen Fortschritt des Menschengeschlechts erheblich zu fördern, bedeutet die Eingliederung der Persischen Geschichte in den Entwickelungsgang der internationalen Ordnung kaum etwas mehr als beschleunigte 3ersetzung Altasiatischer Culturformen bis zu dem Punkte, wo die Macedonische Eroberung an ihre Stelle tritt und das Schicksal völlig widerstandslos gewordener Völker durch wenige siegreiche Schlachten gegen die Despoten entschieden wird, die über ein ungeheures Bändergebiet nur deswegen geherrscht hatten, weil es von bereits absterbenden Rationen bewohnt gewesen war.

1) Ueber Herodots Berichterstattung bezüglich der Meder urtheilt Ranke (Weltgeschichte I, S. 126): Ihre Eigenthümlichkeit liegt besonders darin, daß sie das Könighum nicht von den Waffen, die sonst allenthalben vorwalteten, sondern von der anderen Aufgabe der höchsten Gewalt, Gerechtigkeit zu handhaben, herleiteten. Der Gerechteste wird durch freie Wahl zum Oberhaupte erkoren und um ihm ein höheres Ansehen als seinen Stammesgenossen zu verschaffen, wird ihm eine Burg erbaut, in der er dann seinen Siz hat.

2) Ir den Inschriften zu Persepolis nennt sich Darius Hysstaspes: „der große König, der König der Könige, der König der Länder“, „König der Länder aller Zungen, der König dieser großen und weiten Erde." Als unterworfen werden vierundzwanzig Länder nahmhaft gemacht.

3) Müller-Jochmus, Geschichte des Völkerrechts im Alterthum (1848) S. 94. Rante, Weltgeschichte I, S. 146.

4) Herodot bemerkte, daß die Perser von allen Nationen fremde Gebräuche am leichtesten bei sich aufnahmen.

5) Ormuzd war ein Gott nicht nur des Lichtes, der Gerechtigkeit und der Wahrheit, sondern auch des Ackerbaues und damit ein Gott des Friedens, außer gegenüber dem Princip des Bösen. „Gott wohlgefällig ist ein heiliger und wohlgeordneter Haushalt mit allem, was zu demselben gehört, sodann die Stelle, wo am meisten durch Anbau erzeugt wird an Getreide, Futter und Früchte tragenden Bäumen, wo man trockenes Land bewässert oder allzu feuchtem Lande das Wasser entzieht." (Spiegel.)

§ 46.

Die Israeliten.

Literatur: Ewald, Geschichte des Volkes Jsrael. (3. Aufl.) 1864. De Wette, Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in das alte Testament. 8. Aufl. von Schrader, 1869. - E. Schrader, Die Keilinschriften und das alte Testament. 2. Aufl. 1883. Duncker, Geschichte des Alterthums II, 69 ff Ranke,

Weltgeschichte I, 39–80.

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380.

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Ed. Meyer, Geschichte des Alterthums I, S. 346 O. Peschel, Völkerkunde S. 258 ff. James Darmesteter, Die Philosophie der Geschichte des jüdischen Volkes (Deutsch von Singer). Wien 1884. G. Maspero, Geschichte der Morgenländischen Völker im Alterthum S. 284 ff. F. Laurent, Études sur l'histoire de l'humanité. Bd. I,

319-400.

Der schroffe Antagonismus des jüdischen Staatswesens gegen andere Nationen wurzelte in religiösen Gegenfäßen, die erst unmittelbar vor der vermeintlich mosaischen Gesetzgebung und während der Wanderschaften in den Wüstenländern zwischen dem Euphrat und den Nilmündungen durch die Berührungen mit Chaldäern und Aegyptern entstanden waren. Denn man nimmt gegenwärtig vielfach an, daß die Hebräer der Urzeit ebenso wie andere Semiten Polytheisten gewesen sind. Blieb nun jener Gegensatz für die gesammte Folgezeit zwar charakteristisch, so darf man ihn doch auch nicht überschäßen. Alle semitischen Stämme, einschließlich der Israeliten, besaßen eine in ihrer Natur begründete Anlage zur religiösen Exaltation. Andererseits sollte angesichts der bei den Juden nachweisbaren Spuren altheidnischer Götterverehrung nicht übersehen werden, daß auch in der Folgezeit die Neigung zur Abwendung vom mosaischen Gott zu Baal1) und zur Betheiligung an fremden Cultusformen in erheblichen Theilen des jüdischen Volkes lebendig blieb. Ebenso ist es beinahe sicher, daß sich in anderen orientalischen Religionen und in den Kosmogonien ihrer priesterlichen Systeme Keime monotheistischer Vorstellungen vorfinden.

Daß die monotheistische Idee des Judenthums eine von fremdartigen Zufäßen völlig freie gewesen sei, läßt sich gewiß nicht behaupten. Denn immer schwebte seinen jüdischen Bekennern der Gott Israels vor, der sich selbst in seiner Allmacht durch Bundesvertrag und Verheißung an das auserwählte Volk gebunden und beschränkt hatte, freilich aber dadurch von anderen Gottesbegriffen geschieden war, daß er sich unberührt erhielt von den Umhül

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