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traler Staaten, und noch vielmehr diejenigen thatsächlich der Militärgewalt unterworfenen Personen und Behörden des verdrängten Belligerenten, die das materielle Recht des Siegers während des Krieges grundsäßlich bestreiten. In solchen Fällen sezt eine unwiderstehlich gewordene Macht unmittelbar ein auf die Dauer des Machtverhältnisses berechnetes, zum Gehorsam verpflichtendes und gleichzeitig zwingendes Unterwerfungsverhältniß. Auf die innere Gerechtig keit solcher Kriegsmaßregeln kann nichts ankommen. Selbst diejenigen, welche ganz äußerlich das Recht aus der mechanisch Gehorsam erzeugenden Macht eines Gesetzgebers ableiten, würden von ihrem Standpunkte aus nicht bestreiten können, daß während des Krieges internationales Machtrecht durch Militärgewalt gesetzt werden kann.

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1) Acte Public, relatif à la navigation des embouchures du Danube; signé à Galatz le 2 novembre 1865. Im préambule heißt es: Les puissances qui ont signé le Traité, conclu à Paris le 30 Mars 1856 voulant déterminer par un Acte Public les droits et obligations, que le nouvel état des choses établi sur le Bas-Danube à crées pour les différents interessés et notamment pour tous les pavillons, qui pratiquent la navigation du fleuve etc. Dazu der Acte additionel à l'Acte Public du 2 novembre vom 28. Mai 1881. S. den Tert auch abgedruckt bei v. Holzendorff, Rumäniens Uferrechte an der Donau (Leipzig 1883) S. 150 ff.

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Die von der Londoner Conferenz in Gemäßheit des Vertrages vom 10. März 1883 für die Stromstrecke von Braila bis zum Eisernen Thore beabsichtigte Ge mischte Donau schiffahrtskommission" würde innerhalb der ihr beigelegten Attributionen gleichfalls als eine mit internationalem Verordnungsrecht ausgestattete Behörde anzusehen sein.

2) Englische Schriftsteller bezeichnen diese Art der Rechtsquelle abwechselnd als Manifesto, Ordinances, Proclamation.

§ 30. Quellenverbindungen.

Schon Savigny hat darauf aufmerksam gemacht, daß bei der Erzeugung des objectiven Rechts mehrere Rechtsquellen mit einander concurriren können, weil die einzelnen Rechtsquellen in Staaten, wo sie Eingang finden, kein von einander völlig unabhängiges Dasein zu haben pflegen. 1) Wie mehrere ursprünglich selbständige Staaten sich zu einem Gesammtstaate auf die Dauer vereinigen können, so ist es auch möglich, daß mehrere unmittelbar in der Nähe gelegene Quellen von vornherein ihr Wasser mischen, ohne daß es möglich wäre, die in dieser Mischung enthaltenen mineralischen Bestandtheile auf ihren Ursprung genau zurückzuführen.

Die Betrachtung solcher Quellenverbindungen ist nicht nur für die historische Würdigung der Rechtsverhältnisse von Belang. Sie ist außerdem geeignet solche Streitfragen zum Austrag zu bringen, die sich lediglich auf die

formale Natur der Rechtsquellen stüßen, zumal diese einander innerlich mannigfach verwandt sind, und es z. B. im Einzelnen zweifelhaft sein kann, ob eine Rechtsvorschrift als eine aus Gefeßen, aus Staatsverträgen oder aus allgemeiner Anerkennung herzuleitende aufzufassen sein würde. Insbesondere find die Gränzlinien zwischen Gewohnheiten und stillschweigend von den Völkern vereinbarten Verträgen in der Theorie stets schwankende und schon die Römischen Juristen im Zweifel darüber gewesen, ob Gewohnheiten durch Anerkennung und richterliche Bestätigung zur Rechtsquelle werden oder als Beweismittel für vorangegangene Willensübereinstimmung der Staatsgenossen aufzufassen seien. 2)

Für die Behandlung völkerrechtlicher Angelegenheiten ist die richtige Würdigung solcher Quellenverbindungen in noch viel höherem Grade zu verwerthen. Der Zweifel an der Positivität völkerrechtlicher Normen wurzelt oft genug in der Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, eine einheitliche, sämmtliche Culturstaaten durchströmende Rechtsquelle als Grund internationaler Berechtigungen und Verpflichtungen mit derselben Sicherheit nachzuweisen, womit der ächte Tert eines einfachen Gesetzgebungsactes gegenwärtig ermittelt werden kann.

In Wirklichkeit beruhen aber die wenigsten Vorschriften des Völkerrechts auf einer einfachen Rechtsquelle in der Weise, daß man zu ihrem Nachweise entweder ausschließlich auf Gewohnheiten oder auf Staatsverträge zurückzugehen hätte, vielmehr ergiebt sich der allmälig eintretende Prozeß der Verallgemeinerung solcher Normen, die auf einem Anfangs beschränkteren Gebiet oder nur unter wenigen Staaten angewendet wurden, aus successiver Vereinigung mehrerer Quellen. So geschieht es denn häufig, daß ein und derselbe Rechtssatz für manche Staaten aus einer Mehrheit formal verschie dener Rechtsquellen hergeleitet werden muß. Einzelne Staaten können zu den= selben Leistungen oder Verpflichtungen durch Staatsvertrag gehalten sein, zu welchen andere sich durch Gewohnheit oder Anerkennung schon früher verbunden erachtet haben. In Beziehung auf die Gewißheit und Sicherheit eines Sages kann die im Resultat hervortretende Uebereinstimmung mehrerer Rechtsquellen nicht anders wirken, als die Uebereinstimmung mehrerer Aussagen glaubwürdiger Zeugen in Beziehung auf die von ihnen gleichmäßig bekundete Thatsache.

Die Vernachlässigung dieser bei der Würdigung der Völkerrechtsverhältnisse gebotenen Auffassungsweise hat es vornehmlich verschuldet, daß nicht blos Theoretiker, sondern auch Gerichtshöfe und Richter der Schwierigkeit einheitlicher Quellennachweisungen sich zu entziehen suchten, indem sie sich auf Naturrecht, Angemessenheit der Verhältnisse, Zweckmäßigkeitsregeln oder gar auf philosophische Speculation, wie auf eine subsidiäre Quelle beriefen, ohne vor= her zu fragen, ob nicht eine Mehrheit von Quellen bei mehreren selbständigen Staaten in Verbindung zu einander gesetzt werden könne. Der große Stromlauf des internationalen Rechtes verdankt seine Wassermassen dem Zusammen. treffen mehrerer Quellen, der Vereinigung zahlreicher Nebenflüsse.

Handbuch des Völkerrechts I.

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Mit dieser Auffassung der Quellenverbindungen als einer wichtigen Grundlage der die einheitlichen und allgemeinen internationalen Verhältnisse beherrschenden Rechtsordnung darf der Fall nicht verwechselt werden, wo ein und dasselbe Rechtsinstitut theilweise nach den Normen einer Rechtsquelle und theilweise nach den Normen einer davon verschiedenen anderen Rechtsquelle beurtheilt werden muß. Das Recht des Deutschen Zollvereins war und ist zum Beispiel theilweise in Deutschen Reichsgesetzen, theilweise in Staatsverträgen zwischen Deutschen und nicht Deutschen Staaten (wie Luxemburg) enthalten.

Die wichtigsten der bei internationaler Quellenverbindung möglichen Combinationen sind folgende:

1. Gewohnheit und Anerkennung als Rechtsquellen für einen Staat in Verbindung mit den Landesgesehen eines anderen entweder bereits untergegangenen oder noch fortbestehenden Staates. Was die Geschichte des Römischen Rechtes im Mittelalter an= belangt, so hat zuerst Savigny den Prozeß geschildert, wodurch das geschriebene Gesetz Justinians, nachdem es seinerseits das gewohnheitsrechtlich vererbte Juristenrecht der klassischen Zeit gesammelt und durch Kaiserliche Verordnungen ergänzt hat, in einer durch rechtshistorische Irrthümer getragenen Dogmatik der Glossatoren anerkannt und dann in das Gewohnheitsrecht der Europäischen Continentalstaaten hinübergeleitet worden ist (quod non agnoscit glossa, nec agnoscit curia).3)

2. Nicht anders liegen die Verhältnisse, wenn umgekehrt ursprüngs lich ausländische Rechtsgewohnheiten in einem anderen Staate den Gesezgebern Veranlassung bieten, schwankend gewordene Gebräuche durch schriftliche Beurkundung zu befestigen, um auf diese Weise die Aneignung eines fremden Rechtsstoffes zu erleichtern. Englische Juristen erkennen an, daß ein erheblicher Theil des heute in Parlamentsstatuten verzeichneten Seerechts nach seinem Entstehungsgrunde als mittelalterliches Gewohnheitsrecht der hauptsächlich seefahrenden Nationen aufzufassen ist. 4)

Ob bei der Anwendung solcher später entstandener schriftlich gewordener Rechtsquellen auf ältere bei fremden Nationen noch geübte Rechtsgewohnheiten zur Entscheidung einzelner Streitfälle zurückgegangen werden könne, dürfte freilich fraglich sein. Handelt es sich dabei um eine durch geseßgebende Organe vermittelte Aufzeichnung einheimischer oder fremder Rechtsgebräuche lediglich zum Zwecke größerer formaler Klarheit und Bestimmtheit, so wird die fehlerhafte schriftliche Redaktion fremder mißverstandener Gewohnheiten, die man materiell zu ändern erweislich nicht gesonnen war, durch richterliche Restitution der früheren Rechtsgewohnheiten corrigirt werden dürfen. Andererseits muß, wo die Gesetzgebung nicht blos (durch Anerkennung) ein sog. Rechtsbuch herstellen, sondern selbständig im Ganzen oder theilweise disponiren wollte, das spätere geschriebene Recht in zweifelhaften Fällen für den Richter trok des vom Gesetzgeber anerkannten und gleichzeitig mißverstandenen Ursprungs

verhältnisses wenigstens dann den Vorzug behalten, wenn die eigenen Unterthanen des Gesetzgebers mit einander im Rechtsstreit befangen sind und wenn einer älteren Völkerrechtsgewohnheit durch Geseze überhaupt derogirt werden konnte, was bei blos erlaubenden oder gestattenden Rechtsfäßen (z. B. bezüg lich der Kaperei im Seekriege) nicht verwehrt sein kann.

3. Der zweifelhaft gewordene Text der in Gefeßen oder Staatsverträgen niedergelegten Völkerrechtsnormen kann durch Gerichtsgebrauch für die Zwecke der Anwendung firirt werden. Die Feststellung der (Griechischen) Justinianischen Novellenterte durch den mittelalterlichen (Lateinischen) Gerichtsgebrauch und die Gestaltung der Vulgata würde einen historischen Präcedenzfall liefern. Aehnliches könnte sich wiederholen, wenn minder civilifirte Staaten Europäische Staatsverträge in der Abficht der Nachahmung oder Befolgung in ihre Sprachen übertragen lassen und der Gerichtsgebrauch oder die Behörden solcher Länder hinterher zu einer usuellen Anwendung fehlerhaft übersetzter Gesezesstellen gelangen: eine Erwägung, die nahe liegt, wenn man bedenkt, mit welchen Schwierigkeiten Europäische Rechtsbegriffe in Ostasiatische Sprachen übertragen werden.

4. Fremde Staatsverträge können durch Gesezgebungsacte auch von solchen Staaten sanctionirt werden, die an der Vertragsschließung selbst nicht betheiligt waren. Man stelle sich vor, daß die Bestimmungen der Genfer Convention zum Schuße verwundeter Krieger in Militärstrafgesetzen einzelner Staaten reproducirt werden. Soweit dabei die Absicht vorwaltet, eine völkerrechtliche Norm unter der Bedingung der Gegenseitigkeit durch Strafgefeße zu sichern, würde es sich bei der Beurtheilung der darunter fallenden Verletzungen oder Zuwiderhandlungen um die Beachtung einer Quellenverbindung handeln. Jeder aus derartiger Absicht entsprungene Act der Strafgesetzgebung einzelner Länder würde mit vorangegangenen Staatsverträgen gleichartigen Inhalts durch den vermittelnden Act stillschweigender Anerkennung in Berührung gesezt sein.

5. Aehnliches kann geschehen, wenn die von den leitenden Mächten abgeschlossenen Collectiv-Verträge ohne förmliche Beitrittserklärung in die Staatspraxis nicht vertreten gewesener dritter Staaten übergehen. Das Resultat wäre alsdann eine Völkerrechtsnorm, die für einen Theil der Staaten auf Verträgen, für andere Staaten dagegen auf Uebung und dadurch bethätigter Anerkennung beruhen würde. Die sachliche und normative Bedeutung der von den Europäischen Großmächten befolgten Verkehrsgrundsäße reicht in manchen Fällen über den Kreis der Contrahenten hinaus. Dies geschieht zumal dann, wenn die Rationalität der von den Mächten getroffenen Vereinbarungen so einleuchtend ist, daß sie sich nachweisbar Anerkennung auch anderwärts zu erwirken vermögen. In dieser Hinficht darf daran erinnert werden, daß die Nordamerikanische Union in ihrem diplomatischen Verkehr mit England sich auf die vom Wiener Congreß an= genommenen Grundsäße der internationalen Flußschiffahrt berief.

Endlich können völkerrechtliche Zustände von allgemeiner Bedeutung in der Weise entstehen, daß durch die Landesgefeßgebung einzelner Staaten die eigenen internationalen Beziehungen mit dem Bewußtsein geordnet werden, daß auch die Rechtsverhältnisse dritter Staaten gleichzeitig berührt werden müssen, wofern dann hinterher die so erfolgte Regelung durch andere Betheiligte anerkannt oder ohne Widerspruch hingenommen und durch Uebung bestätigt wird. Den bedeutsamsten Präcedenzfall dieser Art liefert das Italienische Garantiegesetz vom 13. Mai 1871, durch welches die Beziehungen nicht nur des Königs von Italien zu einem depossedirten, ehemals auch weltlichen Fürsten, sondern auch indirect die Beziehungen des Oberhauptes der katholischen Kirche zu anderen weltlichen Mächten formell geordnet werden sollten. Es handelte sich bei diesem Gesetzgebungsacte nicht um ein der völlig freien Verfügung Italiens unterliegendes Gesetzgebungsobject, sondern um eine von Italien in Form der Landesgesetzgebung zu übernehmende Bürgschaft internationalen Charakters, wodurch die Möglichkeit gewährleistet werden sollte, die völkerrechtlich überlieferten Beziehungen weltlicher Mächte zur Curie in einer die Selbständigkeit des diplomatischen Verkehrs sichernden Weise fortzuführen. Der internationale Rechtszustand des Papst thums beruht gegenwärtig, wenn man von dem grundsätzlichen Widerspruch der Römischen Curie absieht, auf der Quellenverbindung, welche durch das Zusammenwirken Italienischer Landesgesetzgebung und außeritalienischer Anerkennungspraxis der Staaten erzeugt wird. Ist dies der Fall, so würde sich die völkerrechtliche Qualität dieses Zustandes auch darin bewähren müssen, daß die gegenwärtig bestehenden Verhältnisse durch weitere Gesetzgebungsacte von Seiten einzelner Länder willkürlich nicht abgeändert werden dürfen. 5) Die Italienische Gesetzgebung würde ohne weiteres nicht berechtigt sein, einseitig und ohne zwingende Umstände einen von den Mächten anerkannten, die persönliche Unverleglichkeit des katholischen Kirchenhauptes verbürgenden Zustand zu verändern.

1) Savigny, Heutiges Römisches Recht I, § 21.

2) Ueber die älteren Theorien des Gewohnheitsrechts s. auch Westlake, Internationales Privatrecht (Deutsche Ausgabe, 1884) S. 9-14.

3) Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter 1, 67.

4) Westlake, Internationales Privatrecht (Deutsche Ausgabe) § 195.

5) Ein im Prinzip mannigfach ähnliches Verhältniß bietet sich für Desterreich in Beziehung zu Bosnien und zur Herzegowina.

Nach Art. 25 des Berliner Tractats vom 13. Juli 1878 hat Desterreich-Ungarn nur die Autorisation zur (militärischen) Occupation und Administration. Desterreich hat dann, über diese Gränzlinien hinausgehend, auch Gerichtsbehörden und sogar Wehrpflichtigkeit eingeführt, denen die völkerrechtliche Vertragsbasis zu fehlen scheint. Diese Zustände haben dann wiederum als rechtliche im Ausland soweit Anerkennung gefunden, als beispielsweise die auf Türkische Kapitulation beruhende Consularjustiz von privilegirt gewesenen Mächten zurückgezogen wurde.

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