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Größere Manöver fremder Armeen 1911.

Mit 2 Beilagen (Nr. 6 und 7) und 1 Textskizze.

A. Deutschland: Kaisermanöver in Norddeutschland. Hiezu 4 Skizzen (Beilage 6).

Die Kaisermanöver 1911 fanden vom 11. bis 13. September im östlichen Teile des Großherzogtums Mecklenburg und in den angrenzenden Gebieten der preußischen Provinzen Brandenburg (Ukermark) und Pommern. statt. Es kämpfte eine rote Armee (Kommandant Generaloberst Friedrich Leopold Prinz von Preußen): II., IX. Armeekorps, verstärkte 18. Kavalleriebrigade, gegen eine blaue Armee (Kommandant GFM. Freiherr von der Goltz): Garde, XX. Armeekorps, Gardekavallerie division.

Die Armeekorps bestanden aus je 2 Infanteriedivisionen; das im Frieden nicht existierende XX. Armeekorps war aus der aus überzähligen Truppenkörpern des Gardekorps formierten 3. Gardedivision. und der aus überzähligen Truppenkörpern des II. und IX. Korps gebildeten 41. Infanterie division kombiniert. Die Infanterie divisionen

waren im allgemeinen gleichartig zusammengesetzt, u. zw. aus 2 Infanteriebrigaden zu je 2 Regimentern (à 3 Bataillone) und 1 Maschinengewehrkompagnie, 1 Kavallerieregiment à 5 Eskadronen (bei der 1., 2. und 3. Gardedivision waren nur je 3 Eskadronen eingeteilt), 1 Feldartilleriebrigade zu 2 Regimentern à 6 Batterien (bei der 3. Garde- und der 41. Infanterie division war nur je 1 Feldartillerieregiment eingeteilt) und 1-2 Pionierkompagnien (bei der blauen Partei je 1, bei der roten je 2 Kompagnien). Weiters befand sich bei einer Division jedes Korps ein Divisionsbrückentrain. Die Gardekavallerie division bestand aus 3 Kavalleriebrigaden zu je 2 Regimentern à 5 (bei einer Brigade à 4) Eskadronen, 1 reitenden Abteilung zu 2 Batterien, 1 Maschinengewehr-, 1 Kavalleriepionier- und 1 Feldsignalabteilung. Die verstärkte 18. Kavalleriebrigade war aus 3 Kavallerieregimentern à 5 Eskadronen, 1 reitenden Batterie, 1 Maschinengewehr-, 1 Kavalleriepionier- und 1 Funkentelegraphenabteilung zusammengesetzt. Insgesamt zählte die rote (blaue) Armee: 491⁄2 (49) Bataillone, 8 (10) Maschinengewehrkompagnien, 35 (42) Eskadronen, 1 (1) Ma

schinengewehrabteilung, 49 (38) Batterien der Feldartillerie, 8 (6) Batterien der Fußartillerie, 8 (4) Pionierkompagnien, 1 (1) Kavalleriepionierabteilung, 2 (2) Divisionsbrückentrains, 2 2 (0) Korpstelegraphenabteilungen, 3 (3) Fernsprechabteilungen, 2 (1) Funkentelegraphenabteilungen, 0 (1) Feldsignalabteilung, 1 (1) Fliegerabteilung, 1 (1) Lenkluftschiff. Bei den Infanterieregimentern mit nur 2 Kaderbataillonen waren dritte Bataillone aus Stammannschaften und Reservisten gebildet, sämtliche Bataillone außerdem durch Einziehung von Reservisten auf700 Mann gebracht. Nur das im Verbande der blauen Partei befindliche »zusammengesetzte« Infanterieregiment (aus dem Lehrinfanteriebataillon, der halben Unteroffiziersschule Potsdam und der Infanterieschießschule formiert) zählte 2 Bataillone. Die Unteroffiziersschule Treptow a. R., in ein Halbbataillon formiert, war der roten Partei zugewiesen.

Der Manöverraum, einen Teil der mecklenburgisch-pommerschen Seenplatte umfassend, charakterisiert sich als ein reich kultiviertes Hügelland, das sich in den Helpter Bergen bis zu einer absoluten Höhe von 150 m erhebt. Mehrere Seenketten sowie die Flußläufe der Peene, Tollense, Datze, Uecker und des Landgrabens bilden militärisch wichtige Abschnitte, die Flüsse mehr der steilen Ufer als der Wassermasse wegen. Sonst stößt das Fortkommen der einzelnen Waffengattungen nirgends auf nennenswerte Schwierigkeiten. Eine große Zahl verstreuter Waldparzellen sowie zahlreiche größere und kleinere Ortschaften beeinträchtigen vielfach die Übersichtlichkeit. Straßen und Wege befanden sich zwar in gutem Zustand, erschwerten aber durch starke Staubentwicklung die Märsche der Fußtruppen erheblich. Eine weitere Folge der langanhaltenden Trockenheit war der empfindliche Wassermangel, welcher zu besonderen Maßregeln zwecks Versorgung der Truppen mit Trinkwasser nötigte.

Die den Manövern zu grunde gelegte Annahme besagt, daß zwei rote Armeen aus der Linie Bremervörde-Hamburg-Lübeck (Beilage 6, Skizze 1) einer beiderseits der Elbe zurück weichenden blauen Elbe-Armee folgen und am 10. September die aus Skizze 1 ersichtliche Situation erreichen. Die im Greifswalder Bodden gelandete rote 3. Armee hat im Vorrücken gegen Süden die blauen Küstenschutztruppen (41. Infanterie division) zurückgedrängt; letztere besetzen nach kurzem Widerstand an der Peene die Übergänge über den Landgraben. Inzwischen zieht Blau in Süddeutschland freigewordene Kräfte (3. Armee) in den Raum Hannover-Gifhorn heran, während die in Schlesien freigewordene blaue 1. Armee bis zum 11. September früh um Prenzlau auswaggoniert wird. Die von der roten 2. Armee entsendete verstärkte 18. Kavalleriebrigade hat östlich des Müritz-Sees gegen die untere Oder aufzuklären und mit der roten 3. Armee Verbindung zu nehmen.

Ein am 10. September abends eingelangter telegraphischer Befehl der roten Heeresleitung weist die rote 3. Armee an, den Vormarsch

in der bisherigen Richtung fortzusetzen; die in Waren eingetroffene verstärkte 18. Kavalleriebrigade wird der 3. Armee unterstellt. Auf Grund dieses Befehles ordnet das Armeekommando an, daß am 11. September das IX. Korps (Skizze 2) von Treptow über Neubrandenburg gegen Stargard, 1 Detachement dieses Korps westlich der Tollense, das II. Korps über Friedland gegen Golm vorzurücken haben. Beide Korps sind angewiesen, starke Vorhuten zum Öffnen der Übergänge über den Landgraben zu bilden. Die verstärkte 18. Kavalleriebrigade erhält den Auftrag, südlich des Tollense-Sees vorzugehen, um den zurückweichenden Gegner aufzuhalten und festzustellen, ob neue von Süden kommende blaue Kräfte die Linie Gransee-Templin-Angermünde erreicht haben.

Die auf Grund dieser Weisungen vom IX. Korps erlassene Disposition besagt, daß die 17. Division die Übergänge über den Landgraben bei Neddemin und Brunn in Besitz zu nehmen und dann die Vorrückung gegen Neubrandenburg fortzusetzen habe. Die 18. Division hat mit dem Gros der 17. zu folgen und ein Detachement (3 Bataillone, 12 Eskadron, 3 Batterien) von Gültz über Teetzleben gegen Neubrandenburg zu dirigieren. Das II. Korps disponiert die 3. Infanteriedivision von Sarnow zunächst bis Friedland, die 4. Division hinter der 3. vorläufig bis Sarnow. Die verstärkte 18. Kavalleriebrigade, südlich des Tollense-Sees in zwei Kolonnen vorgehend, beabsichtigt, um 12h mittags den Raum Usadel-Blumenholz zu erreichen.

Ein am 10. September abends beim blauen 1. Armeekommando eingetroffener Befehl der blauen Heeresleitung ordnet an, daß die 1. Armee im Verein mit der ihr unterstellten 41. Infanteriedivision den im Greifswalder Bodden gelandeten Gegner anzugreifen habe. Die daraufhin vom blauen 1. Armeekommando erlassenen Weisungen gehen dahin, daß die 41. Division am 11. September unter Vermeidung entscheidender Kämpfe möglichst starke rote Kräfte auf sich zu ziehen und westlich der Linie Woldegk-Fürstenwerder zurückzugehen, die Gardekavalleriedivision gegen Friedland vorzurücken und im Verein mit der 41. Infanterie division die feindliche Vorrückung zu verzögern habe; das XX. Korps (ohne 41. Division) wird beauftragt, mit den Vortruppen die Linie Schleppkow-Ottenhagen zu erreichen und die Seengen bei Hildebrandshagen und Fürstenwerder zu besetzen. Das Gardekorps wird angewiesen, mit den Vortruppen Blindow-Ellingen zu erreichen.

Dem Auftrag des Armeekommandos entsprechend befiehlt das XX. Korps, daß die 3. Garde division mit der Tete um 11h vormittags Kraatz zu erreichen habe; 41. Division wie in der Armeedisposition angeordnet. Das Gardekorps disponiert die 2. Gardedivision von Bietikow gegen Blindow, die 1. Garde division von Potzlow gegen

Ellingen; falls es nach Erreichen dieser Marschziele zu keinem Zusammenstoß mit dem Gegner kommt, sind bei Prenzlau Alarmquartiere zu beziehen. Die Gardekavalleriedivision ist angewiesen, von Straßburg gegen Lübbersdorf vorzugehen.

D

In Ausführung obiger Anordnungen überschritt Rot am 11. September 7 301 früh die Vorpostenlinie und ging, mit beiden Korps in je einer Kolonne, gegen den Landgraben vor. Den Vortruppen der blauen 41. Division, die südlich des Landgrabens eine Scheinstellung (Frontausdehnung mehr als 40 km) bezogen hatten, gelang es, die rote 17. Division zur Entwicklung zu veranlassen, worauf sie die Scheinstellung räumten und in eine inzwischen vorbereitete stärkere Stellung hinter der Datze zurückgingen. Mittlerweile hatten bei der blauen Partei die Fliegeroffiziere den Vormarsch des roten IX., das blaue Lenkluftschiff jenen des roten II. Korps richtig erkannt und gemeldet, während Rot durch seine Flugmaschinen ebenso rasch benachrichtigt war, daß die Linie Brunn-Neddemin nur schwach besetzt, der Raum dahinter ganz frei vom Feinde sei.

Um 11h 30 vormittags entwickelte sich die Vorhut der roten 3. Division nach einer einstündigen Rast beiderseits der Straße südlich Friedland zum Angriff gegen die Höhe nördlich Heinrichswalde; die unterdes herangekommene blaue Gardekavalleriedivision fand hiebei Gelegenheit, aus der Richtung von Lübbersdorf her einzugreifen und der blauen 41. Division das Loslösen vom Gegner zu erleichtern. Letztgenannte Division räumte ihre Stellung hinter der Datze, ging in den Raum Ballin Teschendorf zurück und nächtigte schließlich bei Bredenfelde. Das rote II. Korps, bei der weiteren Vorrückung wiederholt von der blauen Gardekavalleriedivision belästigt, folgte zunächst der 41. Division, stellte aber dann über Weisung des Armeekommandos mit der 3. Division bei Heinrichswalde, mit der 4. Division südlich Friedland die Bewegung ein. (Skizze 3.) Das rote IX. Korps wurde angewiesen, mit der 17. Infanteriedivision im Raume Warlin - PragsdorfKüssow, mit der 18. bei Neubrandenburg Biwaks zu beziehen. Die blaue Gardekavalleriedivision nächtigte bei Strasburg.

Das blaue Gardekorps hatte Prenzlau erreicht und bezog beiderseits der Uecker Alarmquartiere; die blaue 3. Gardedivision schloß zwischen Kraatz und Schleppkow auf.

Die rote verstärkte 18. Kavalleriebrigade hatte mittags dispositionsgemäß Usadel erreicht und nach zweistündiger Rast die Vorrückung wieder aufgenommen, um über Cammin gegen die linke Flanke der blauen 41. Division vorzustoßen; doch kam es an diesem Tage zu keinem Zusammenstoß mehr mit dem Gegner. Die Brigade nächtigte bei Rollenhagen. Für den 12. September 12. September dirigiert Rot das IX. Korps (unter Ausscheidung einer starken westlichen Seitenhut über Carlshöhe

Hinrichshagen) gegen Woldegk, das II. Korps gegen Strasburg, beide Korps in je einer Kolonne. Die verstärkte 18. Kavalleriebrigade hat am westlichen Flügel zu folgen.

Blau beabsichtigt, mit dem XX. Korps starke feindliche Kräfte auf sich zu ziehen und das Gardekorps zum Angriff bereitzuhalten. Hiezu hat die 41. Division des XX. Korps ihren rechten Flügel bis Hinrichshagen auszudehnen, die 3. Gardedivision Vortruppen bis Woldegk-Carlslust vorzuschieben und sich mit dem Gros hinter dem rechten Flügel bereitzustellen; vor überlegenem Feind ist kämpfend in die Linie Kutzerower Heide-Fürstenwerder-Breiter Lucin-See zurückzugehen. Das Gardekorps wird angewiesen, über Niden-Bandelow vorzurücken und mit den Teten um 8h früh die Linie WerbelowKarlstein zu erreichen. Die Gardekavalleriedivision hat am rechten Flügel zu verbleiben. Ein in Ferdinandshof befindliches Detachement (1 Bataillon, 1 Eskadron) der blauen 41. Division wird zur Verfügung der Gardekavalleriedivision nach Strasburg dirigiert.

Beide Armeen begannen am 12. September, 5h früh, die Vorrückung. Das rote IX. Korps stieß bei Woldegk auf Vortruppen der blauen 3. Gardedivision und entwickelte die 17. Division auf den Höhen östlich des genannten Ortes, während die 18. Division rechts abbog und Direktion auf die Höhen südwestlich Woldegk nahm. Das rote II. Korps stellte nach Erreichen von Strasburg die 3. Division südlich dieses Ortes, die 4. Division bei Lauenhagen bereit.

Blau hatte inzwischen erkannt, daß das rote IX. Korps nicht in südlicher, sondern in südöstlicher Richtung vorgegangen war und beschloß, den Gegner doppelt umfassend anzugreifen. Dementsprechend ging die blaue 41. Division, in der linken Flanke allerdings wiederholt von der roten 18. Kavalleriebrigade beunruhigt, von Bredenfelde aus gegen die Vorrückungslinie des roten IX. Korps vor, warf dessen schwache Flankendeckung bei Plath und setzte die Angriffsbewegung erfolgreich gegen die rote 18. Division fort. Der drohenden Umfassung Rechnung tragend, nahm Rot die 18. Division in die Linie Petersdorf-Hinrichshagen zurück, während es der roten 17. Division mittlerweile gelang, die blaue 3. Gardedivision allmählich gegen Schleppkow zurückzudrängen.

Am östlichen Flügel hatte die blane Gardekavalleriedivision. die Wichtigkeit des Pappelberges (bei Güterberg) für die späteren Aktionen richtig erkannt und war bestrebt, im Feuergefecht zu Fuß diese Höhe bis zum Eintreffen der blauen 1. Gardedivision zu halten. Bevor jedoch stärkere blaue Kräfte den Pappelberg erreicht hatten, schritt die rote 3. Infanterie division zum Angriff, nahm die genannte Höhe und drängte die unterdes herangekommenen Teile der blauen 1. Gardedivision zurück. Inzwischen hatte die blaue 2. Gardedivision ihre Umfassungsbewegung über Milow gegen Strasburg fortgesetzt und

Streffleur 1912, I.

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