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Disponierung der Artillerie im Gefecht.

Von Obstl. Karl Hroch.

Die Frage, wer über die Artillerie im Gefechte zu disponieren habe, ist von elementarer Bedeutung und wird dermalen verschieden. beantwortet. Auf einer Seite heißt es: der höchste Artilleriekommandant bei der Infanterietruppen division beispielsweise der Artilleriebrigadier -; von anderen hört man: grundsätzlich der Kommandant der Gefechtsgruppe, welcher die Artillerie zugewiesen worden ist.

Die letztere Auffassung ist zweifellos die richtige, wenn dieser Gefechtsgruppe eine Geschützabteilung zur Lösung einer bestimmten Aufgabe zugewiesen wurde. Niemand könnte den. Kommandanten dann für ein Mißlingen seiner Aktion verantwortlich machen, wenn ihm vor Beendigung derselben ein Teil seiner Kraft entzogen würde, ganz gleich, ob es Infanterie oder Artillerie ist.

Sehr oft wird jedoch in eine Kolonne Artillerie ohne bestimmte Absicht eingeteilt, über welche sich der Kommandant des Ganzen stillschweigend das Verfügungsrecht wahrt und es im gegebenen Augenblick an den höchsten Artilleriekommandanten überträgt. In diesem Falle darf der Kolonnenkommandant über eine solche Artillerie nicht disponieren.

Es wird nach beiden Richtungen hin gefehlt. Über den Kopf des Gefechtsgruppenkommandanten hinweg wird mitunter seiner Artillerie befohlen, zwecks »Vereinigung des Feuers. Ziele zu beschießen, die mit der Aufgabe dieser Gefechtsgruppe nichts zu tun haben, anderseits spielt häufig der Kolonnenkommandant die bei ihm eingeteilte Artillerie ohne zwingenden Grund, nur um sie in Stellung zu bringen, in einer Art aus, welche der Gesamtaktion nicht dient und die Absicht des Truppenführers durchkreuzt.

Diese Unklarheit, welche naturgemäß von dem das strittige Objekt bildenden Artillerieunterkommandanten am peinlichsten empfunden wird, kommt bei Manövern selten, bei Kriegsspielen fast nie zur Diskussion, wiewohl sich namentlich bei größeren Übungen durch den nicht genügend präzisierten Wirkungskreis der maßgebenden Kommando

stellen recht kritische Momente ergeben. Wird darüber gesprochen und irgend eine Entscheidung gefällt, so hat diese doch nur eine lokale Bedeutung, weil die Reglements keine präzise Bestimmung enthalten, auf welche sich eine derartige Entscheidung stützen könnte.

In der Artillerie selbst herrscht bezüglich ihrer Zugehörigkeit das Empfinden, daß der höhere Artilleriekommandant jederzeit und unter allen Umständen das Recht habe, im Interesse der einheitlichen Feuerleitung alle ihm unterstehenden Batterien in seinen Befehlsbereich zu ziehen. Diese Anschauung kommt auch in verschiedenen, in letzter Zeit erschienenen Abhandlungen über Artillerieverwendung zum Ausdruck und stützt sich auf die im Punkte 80 des Entwurfes zum Exerzierreglement für die k. und k. Artillerie, III. Teil, 4. Heft, niedergelegten Grundsätze für die taktische Feuerleitung der Feldartillerie beim Angriff. An dieser Stelle wird das rechtzeitige Erfassen, beziehungsweise die richtige Verteilung der den einzelnen (Artillerie) Gruppen beim Infanterie angriffe zufallenden Aufgaben und die zweckmäßige Disponierung mit der zur Verfügung stehenden Munition als eine der wichtigsten Obliegenheiten der höheren Artilleriekommandanten« bezeichnet.

Da an einer anderen Stelle im Punkte 21 dem Artilleriekommandanten selbständiges Handeln unter Umständen zur Pflicht gemacht wird, so erscheint die Auffassung, daß der höhere Artilleriekommandant jederzeit das Dispositionsrecht über die in seinem Griffbereiche befindliche Artillerie habe, durch das Reglement vollkommen gerechtfertigt.

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Dagegen heißt es an einer anderen Stelle des Reglements Punkt 19 — daß der jeweilig höchste (rangälteste) Artilleriekommandant bei Beginn eines Gefechtes vom Kolonnenkommandanten den Befehl für die Verwendung der Artillerie, bzw. Anordnungen für die Verteilung derselben an die Gefechtsgruppen« erhalte. Tritt der letztere Fall ein Verteilung an Gefechtsgruppen - so würde der Punkt 65 anzuwenden sein, welcher den jeweilig rangältesten Artilleriekommandanten anweist, »für die Erhaltung des steten Einklanges zwischen den Absichten des Kommandanten der Gefechtsgruppe und der Tätigkeit der Artillerie zu sorgen«.

Diese Bestimmung gibt wieder Jenen Recht, die sagen, daß eine dem Gefechtsgruppenkommandanten zugewiesene Artillerie ihm ganz gehören müsse, da andernfalls deren Kommandant zwei Herren zu gehorchen hätte.

Welche Folgen diese, auf verschiedene Art auslegbaren Bestimmungen des heute noch gültigen Exerzierreglements zeitigen, möge an einem Beispiel aus der Praxis ersehen werden:

Die eigene, aus 6 Infanteriebataillonen und 2 Artilleriedivisionen mit 5 Batterien zusammengesetzte Kraftgruppe war in 2 Gefechtsgruppen zu 3 und 3 Bataillonen geteilt, wobei die gesamte Artillerie bei einer Gefechtsgruppe eingeteilt wurde.

Diese Gefechtsgruppe wird zum Rückzuge gedrängt, bevor die andere eingreifen kann. Der höchste Artilleriekommandant disponiert. im Sinne des Brigadiers, jedoch eigenmächtig, 3 Batterien zur Deckung des Rückzuges in eine durch die andere Gefechtsgruppe vorläufig gesicherte Flankenstellung. Der Befehl ist kaum vollzogen, erhält der Kommandant dieser Batterien von seinem Gefechtsgruppenkommandanten den Auftrag, nicht diese, sondern eine an der Rückzugslinie einen Abschnitt bildende Stellung zu beziehen. Der abermalige, durch eine Schlucht zu bewirkende Stellungswechsel, führte die Batterien in die Schwarmlinien des mittlerweile herangekommenen Gegners und wäre zweifellos gescheitert.

Durch die bisherigen Darlegungen glaubt der Verfasser nachgewiesen zu haben, daß die in den gegenwärtigen reglementarischen Bestimmungen wurzelnden Verschiedenheiten der Anschauungen über die Zugehörigkeit der Artillerie behoben werden müßten. Wie dies geschehen soll, ohne auf die volle und den jeweiligen Gefechtsphasen entsprechendste Ausnützung der Artillerie lähmend einzuwirken, das ist allerdings nicht leicht zu beantworten, umsomehr als wir bestrebt sein müssen, die numerische Rückständigkeit unserer Feldartillerie durch tunlichst vielseitige Verwendung wettzumachen. Die nachfolgenden Erwägungen mögen als bescheidener Beitrag zur Lösung dieser Frage beurteilt werden.

Der Entwurf zum Exerzierreglement für die k. und k. Fußtruppen faßt die in den Punkten 588, 611, 648, 652, 676, 686, 690, 697 und 741 berührten Aufgaben der Artillerie im Punkte 702 in die Worte zusammen: Die Feuertätigkeit der Artillerie muß mit dem Gefecht der Infanterie Hand in Hand gehen. Hand in Hand ist nur im engsten Anschluß möglich. Es darf daher der Kontakt zwischen der einer Gefechtsgruppe zugewiesenen Artillerie und dem Kommandanten dieser Gefechtsgruppe unter keinen Umständen und durch keinen Zweifel in Frage gestellt sein. Soll seine Artillerie andere als die für ihn selbst in Betracht kommenden Ziele beschießen, so darf dies nur mit seiner Zustimmung geschehen. Die an die Gefechtsgruppen aufgeteilte Artillerie ist demnach, ebenso wie die übrigen Truppen, als ausgespielt zu betrachten.

Um der Artillerie dennoch an entscheidender Stelle die Überlegenheit zu wahren, müssen wir mit der Aufteilung auf die Gefechtsgruppen sparsam sein und dem Truppenführer das Verfügungsrecht über eine hinreichende Artillerie vorbehalten. Diese Artillerie ist jener

Kolonne, der sie zu folgen hat, nicht zuzuweisen, sondern an z ugliedern. Tritt sie in Aktion, so kann sie entweder unter dem direkten Befehle des Truppenführers verbleiben, oder zeitweise - unter Umständen auch ganz einer Gefechtsgruppe zugewiesen werden. Diese Artillerie wird sich so lange als möglich ihre Aktionsfreiheit wahren, daher tunlichst aus verdeckten oder zumindest maskierten Stellungen wirken müssen.

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Bei Festhaltung dieses Grundsatzes werden sich für Angriff und Verteidigung, für Renkontre und für vorbereitete Kämpfe die den jeweiligen Verhältnissen entsprechenden Maßnahmen unschwer ableiten lassen und die Artillerieverwendung wird an Einfachheit wesentlich gewinnen.

Dabei mag nicht unerwähnt bleiben, daß die Erfahrungen bei den Truppenübungen einen auf ausgedehnte telephonische, bzw. optische Verbindungen aufgebauten Befehlsapparat im Renkontre nicht ratsam erscheinen lassen und die etwa angestrebte Feuerüberlegenheit an irgend einer Stelle nicht durch Vereinigung des Feuers, sondern nur durch Beisammenhalten der Artillerie im verläßlichen Befehlsbereiche zu erzielen sein wird.

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Was unter dem Ausdrucke »verläßlicher Befehlsbereich zu verstehen sei, hängt nicht allein von den Distanzen und Terrainverhältnissen ab, sondern auch von dem zur Verfügung stehenden Apparate und der Gefechtslage. Selbst wenn man das Telephon allein in Betracht zieht, so werden die Grenzen des verläßlichen Befehlsbereiches mitunter sehr eng, kaum einige hundert Meter weit zu ziehen sein, da durchmarschierende Truppen, Reiter, feindliche Geschosse u. s. w. alle Augenblicke Störungen gewärtigen lassen, namentlich wenn die Leitungen tief liegen.

Dabei soll aber dem bei der Truppe mitunter drastisch zum Ausdrucke gebrachten Mißtrauen gegen dieses Verständigungsmittel ebensowenig das Wort gesprochen werden, als der aus diesem Mißtrauen entspringenden zu engen Aufstellung der Artillerie, wie sie bei Friedensmanövern häufig zu beobachten ist.

Daß bei vorbereitetem Kampfe durch eine sorgfältige Anordnung der Telephonleitung der verläßliche Befehlsbereich wesentlich erweitert und der Raum für die Artillerie besser ausgenützt werden kann, unterliegt keinem Zweifel.

Durch die grundsätzliche Unterstellung der Artillerie unter den Befehl des Gefechtsgruppenkommandanten ist jedoch deren Mitwirkung an anderen Stellen durchaus nicht ausgeschlossen, da jeder Gruppenkommandant die Pflicht hat, in den Kampf der anderen Gruppen helfend einzugreifen, wo dies notwendig und mit der eigenen Aufgabe vereinbar ist (Dienstreglement II. Teil, Punkt 338).

Dieses Eingreifen kann selbstredend auch mit Geschützfeuer erfolgen und ist sicherer zu erwarten, wenn es im Sinne der allgemeinen Grundsätze für das Gefecht erfolgt, als wenn es von der Funktionierung eines nicht durchaus verläßlichen Befehlsapparates abhängig gemacht wird.

Daß diese Unterstützung durch das Artilleriefeuer der Nachbargruppen von einer Zentralstelle aus einheitlich geregelt werden kann falls es die Gefechtsverhältnisse überhaupt zulassen ist ebenso selbstverständlich, als das Recht des Truppenkommandanten, in der Gruppierung seiner Kräfte Änderungen auch bezüglich der Artillerie vorzunehmen; dies muß sich aber alles sozusagen im Dienstwege vollziehen, sonst sind Störungen unvermeidlich.

Der Schlußsatz des Punktes 634 des Entwurfes zum Exerzierreglement für die k. und k. Fußtruppen, welcher besagt, daß es sich in der Regel empfehlen wird, den Gruppenkommandanten die etwa bei ihnen eingeteilte Artillerie zu freier Verfügung direkt unterstellt zu lassen, wäre im Sinne der vorstehenden Ausführungen bei der endgültigen Fassung des Reglements präziser zu fassen oder ganz auszuschalten; in letzterem Falle würden für die einer Gefechtsgruppe zugewiesene Artillerie bezüglich der Befehlgebung die gleichen Grundsätze Geltung haben, die auch für die anderen Waffen maßgebend sind.

Erscheinen Ausnahmen notwendig, dann wären sie zu befehlen, aber die Grundsätze für die Unterstellung der Artillerie müssen in den Reglements derart gefaßt sein, daß der Artillerist in allen Fällen weiß, von wem er Befehle zu empfangen habe.

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