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Am folgenden Tage debouchierte das III. Korps bei Leobersdorf und Baden in die Ebene, seine Spitzen erblickten die Türme von Wien. Es breitete sich nun auf größerem Raume aus. Die Division Gudin wurde am 15. November nach Wiener-Neustadt und Neunkirchen verlegt, klärte über den Semmering auf und stellte die Verbindung mit Marmont her, der am 16. in Graz einrückte; die 2. Division Friant nahm hinter der donauabwärts aufklärenden Kavallerie des Korps Stellung bei Schwechat-Fischamend, die 1. Division Caffarelli folgte schon am 14. November dem Gros des Heeres über die Donau, erreichte an dem Tage Stammersdorf, am 16. Stockerau. Am 16. wurde auch die 2. Division Friant auf das Nordufer der Donau gezogen, Gudin besetzte am 18. November Wien.

Das III. Korps hatte zur Hinterlegung des beschwerlichen Marsches von Steyr über Waidhofen-Gaming-Mariazell bis Lilienfeld, eine Wegstrecke von 150 km, nur 6 Tage benötigt, was einer Durchschnittsleistung von 25 km täglich entspricht. Weder die rauhe Jahreszeit, weder Schnee und Eis auf den durch durch das Gebirge führenden steilen. und schlechten Wegen, noch der Widerstand des allerdings selbst bereits arg erschöpften und deroutierten Gegners hatten es vermocht, die Franzosen aufzuhalten. Mit eiserner Zähigkeit verfolgte der Marschall Davout die ihm befohlene Direktion gegen den Südflügel des in den Stellungen östlich der Traisen vermuteten Gegners.

Dieser aber war schon am 8. November abends, als das III. Korps erst Mariazell erreichte, von St. Pölten nach Mautern abmarschiert und hatte dort in der Nacht, die Brücke hinter sich abbrennend, die Donau überschritten. Die nach Wien weichende Kavallerie des FML. Kienmayer passierte am 9. November Sieghartskirchen, am 10. Purkersdorf, am 11. Wien.

An diesem Tage, an dem Davout seine Truppen bei Lilienfeld rasten ließ, traf Napoleon von Melk in St. Pölten ein, erreichte Murat die Vorstädte von Wien; am selben Tage fiel aber auch Kutusow bei Dürenstein über die Tetedivision des Korps Mortier her und schlug sie.

Schiedsrichterdienst.

Von Major des Generalstabskorps Oskar Slameczka.

Seit der Einführung kriegsmäßiger Manöver besteht als ihr integrierender, unentbehrlicher Bestandteil die Institution der Schiedsrichter.

Ihre Bedeutung für den kriegsmäßigen, instruktiven Verlauf der Übungen ist wesentlich gestiegen, seit zuerst in Österreich-Ungarn die heutige Manöverpraxis angewendet wurde, deren Hauptstreben darauf gerichtet ist, den Führern - ob hoch, ob niedrig, dem obersten Führer, wie allen seinen Unterführern vollständige Entschluß- und Handlungsfreiheit zu wahren und nur jene Einflüsse zur Geltung kommen zu lassen, welche auch im Kriege auf den Führer und seine Dispositionen einzuwirken vermögen. Damit wird bekanntlich bezweckt, Selbständigkeit, Entschlußfähigkeit, Verantwortungsmut und Verantwortungsfreudigkeit der Führer zu fördern, ihnen Gelegenheit zu geben, die Einflüsse des Ernstfalles soweit im Frieden möglich kennen zu lernen, sie richtig zu bewerten und in Einklang mit der Aufgabe und den Kräften der Truppe zu bringen.

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Fast alle diese Einflüsse: Kraft, Raum, Zeit, Terrain, moralische und physische Verfassung der Truppe etc. kommen wenn auch nicht immer mit der gleichen Intensität und Raschheit wie im Kriege schon im Frieden von selbst zur Geltung, bedürfen daher keiner besonderen Mittel zu ihrer sinnfälligen Darstellung. Nur ein, u. zw. der wichtigste Regulator jeder kriegerischen Aktion fehlt im Frieden: die Feuerwirkung und ihr Einfluß auf den Gang aller Gefechtshandlungen und damit auf die Entschließungen der Kommandanten aller Grade.

Diesen Einfluß bei Friedensübungen zur Darstellung zu bringen und die Konsequenzen daraus abzuleiten, ist daher eine Grundbedingung für die lehrreiche Durchführung aller Übungen und bedarf schon von Übungen der kleinsten Verbände an größter Sorgfalt seitens des Übungsleiters. Da die Feuerwirkung - ideal gedacht nicht nur allen Kommandanten, sondern womöglich auch jedem einzelnen Kämpfer in einer solchen Weise vor Augen geführt werden soll, daß er von selbst zu ihrem Bewußtsein gelange und seine Handlungsweise

selbständig danach richte, bedingt eine ständige Einwirkung von Seite des Übungsleiters, welche schon bei den kleinsten Verbänden eine Person allein im erwünschten Maße nicht auszuüben vermag. Der Übungsleiter braucht daher für diesen Zweck Organe und diese sind eben die Schiedsrichter.

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Diese Institution besteht wie schon gesagt seit es feldmäßige Übungen überhaupt gibt. Es genügt aber heute nicht mehr, wenn der Schiedsrichter im Verlaufe einer Gefechtshandlung mehr oder weniger untätig bleibt und erst bei ihrem Abschluß in Form seiner Entscheidung über den Erfolg zum Eingreifen kommt. Man muß heute vom Gefechtsbeginne an intensivste Tätigkeit der Schiedsrichter fordern, weniger im Sinne von Entscheidungen, sondern in Form fortlaufenden Information der Kommandanten über alle jene Einflüsse, die im Frieden nicht zum Ausdruck kommen, vor allem also über die beiderseitige Feuerwirkung.

Unsere Truppenübungsvorschrift stellt wohl im Punkt 211 die Forderung, daß jede Übung ein möglichst getreues Bild des Ernstfalles liefern, daß Führer und Truppe auch ohne Einflußnahme des Übungsleiters und der Schiedsrichter jeder feindlichen Einwirkung Rechnung tragen sollen und hiedurch oft selbst in der Lage sein werden, über den Erfolg ihrer Maßnahmen zutreffend zu urteilen und hieraus die Konsequenzen selbst zu ziehen«. Dies wird gewiß oft der Fall sein und jeder ernste Kommandant wird dieser Bestimmung sicher nach Kräften zu entsprechen bemüht sein. Unter den heutigen Gefechtsverhältnissen große Wirkungsdistanzen, indirektes Artilleriefeuer u. s. w. beim Mangel einer sichtbaren oder fühlbaren Feuerwirkung und bei dem begreiflichen Ehrgeiz aller Kommandanten nach dem Erfolge für ihre Truppe, ist es aber unvermeidlich, daß sich der Kommandant namentlich in größeren Verbänden nicht Rechenschaft gibt oder zu geben vermag, ob das Feuer, welches er hört, auch wirklich seiner Truppe gilt.

Hier beginnt die Wirksamkeit des Übungsleiters und der Schiedsrichter. P. 213 der TÜV. sagt denn auch, daß im Frieden Anhaltspunkte über Richtung, Intensität und Wirkung des feindlichen, sowie über den Erfolg des eigenen Feuers in Form von Mitteilungen und Entscheidungen des Übungsleiters und der Schiedsrichter notwendig sind; Punkt 214 hebt die Wichtigkeit derselben hervor, indem er sagt, daß rechtzeitige schiedsrichterliche Mitteilungen Verstößen vorzubeugen haben, welche einen nutzbringenden Fortgang der Übung ausschließen.

Alle vorstehenden Ausführungen über Zweck und Bedeutung des Schiedsrichterdienstes resumiert P. 222 der TÜV. dahin, daß Übungsleiter und Schiedsrichter dahin zu wirken haben, daß jene Eindrücke

und Einflüsse des Kampfes zur Geltung kommen, welche im Kriege über den Erfolg entscheiden, bei Friedensübungen aber gar nicht oder nur in beschränktem Maße fühlbar werden. Von dieser Tätigkeit hängt der kriegsmäßige Verlauf und damit auch der Nutzen jeder Übung wesentlich abe.

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Die unendliche Mannigfaltigkeit der Kriegshandlungen im operativen und namentlich im taktischen Sinne läßt auf den ersten Blick erkennen, wie schwierig schon vom rein theoretischen Standpunkte genommen der Schiedsrichterdienst ist und welche Sorgfalt daher die Auswahl der dafür verwendeten Offiziere erfordert. Der eben zitierte P. 222 der TÜV. verlangt vom Schiedsrichter Umsicht, reifes taktisches Verständnis, sicheres Urteil und energisches Eingreifen, also umfassende, gediegene militärische Bildung und in ebenso hohem Maße wie vom Kommandanten auch Entschlußfähigkeit.

Zu diesen hohen Anforderungen gesellen sich die Schwierigkeiten des Friedensverhältnisses. Der Mangel einer effektiven Feuerwirkung involviert vor allem den bei allen Übungen zutage tretenden unkriegsmäßig raschen Verlauf aller Gefechtshandlungen, dem die Schiedsrichter entgegenzuwirken haben. Hiedurch setzt sich aber der Schiedsrichter konstant in einen gewissen Gegensatz zu der Truppe, welche einen tätigen Schiedsrichter immer eine als lästige Hemmung zu betrachten geneigt ist und damit bei vielen Schiedsrichtern ein mehr oder weniger großes Widerstreben erzeugt, in die Handlungen eines Kommandanten, namentlich wenn er der Charge nach dem Schiedsrichter gleichgestellt oder gar höher als dieser selbst ist, autoritativ einzugreifen.

Auch andere, rein menschliche Momente kommen oft im Sinne einer Erschwerung des schiedsrichterlichen Dienstes in Betracht; ich führe beispielsweise an: Persönliche Beziehungen des Schiedsrichters zum betroffenen Kommandanten oder zur betroffenen Truppe, die speziell in größeren Verhältnissen nie ganz zu vermeidende dauernde Zuteilung der Schiedsrichter zu einem Kommando und die daraus resultierenden engeren Beziehungen zu dessen Personale, die bei mehrtägigen größeren Übungen ebenfalls nie ganz zu umgehende materielle Abhängigkeit des Schiedsrichters von einem Kommando, über dessen Tätigkeit ihm ein Urteil zusteht, aus welchem oft recht unangenehme, taktische Konsequenzen seitens des Kommandanten und der Truppe. gezogen werden müssen.

Zu diesen Forderungen, die eine konstante, rege Geistestätigkeit und ununterbrochene Anspannung aller geistigen Kräfte und strengste Objektivität erheischen, treten schließlich auch namhafte physische Ansprüche an den Schiedsrichter heran, will er seinen Platz voll ausStreffleur 1912, I

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füllen. Insbesondere große Beweglichkeit zu Pferde und zu Fuß ist hiefür Grundbedingung.

Die in den bisherigen Ausführungen kurz angedeuteten Schwierigkeiten des Schiedsrichterdienstes bedingen daher vor allem eine intensive Vorbereitung unseres Offizierskorps für diese eminent wichtige Verwendung, zu welcher schon bei Übungen von der Kompagnie aufwärts Gelegenheit gegeben ist. Damit wird schon der junge Offizier für diesen Dienst vorbereitet, sein militärisches Urteil wird vielmehr angeregt und gefestigt, als wenn er einer Übung, bei der er nicht Kommandant ist, als untätiger Zuseher folgt. Durch Verwendung von Schiedsrichtern bei Übungen aller Verbände wird aber auch in den Truppen jenes gegenseitige Verständnis zwischen Truppe und Schiedsrichtern geweckt und gefördert werden, ohne welches der Schiedsrichterdienst nie gedeihlich und nutzbringend gehandhabt, sondern von der Truppe stets als lästige Bevormundung, von den Schiedsrichtern selbst nur als eine undankbare Aufgabe betrachtet werden wird, der man sich bei jeder möglichen Gelegenheit nach Kräften zu entziehen sucht.

Zur Förderung dieses unentbehrlichen Verständnisses beizutragen, soll der Zweck der folgenden Besprechung sein, in welcher ich mich in erster Linie auf die Bestimmungen unserer Truppenübungsvorschrift stütze, dann Erfahrungen aus den größeren Manövern der letzten Jahre, sowie auch einiges aus der einschlägigen Literatur der jüngsten Zeit zu verwerten bestrebt war.

Ehe ich zur eigentlichen Besprechung der Schiedsrichtertätigkeit selbst übergehe, seien mir einige kurze Bemerkungen über die Organisierung des Schiedsrichterdienstes gestattet.

P. 225 der TÜV. verlangt, daß die Zahl der Schiedsrichter so ausreichend bemessen werden solle, daß nicht durch das Ausbleiben rechtzeitiger Mitteilungen und Entscheidungen der Übungsverlauf beeinträchtigt werde.

In dieser Hinsicht kann man wohl, ohne in ein Extrem zu verfallen, den Grundsatz aufstellen, daß im Interesse des instruktiven Übungsverlaufes möglichst viele Schiedsrichter verwendet werden sollen. Je kleiner die Abteilung ist, bei welcher ein Schiedsrichter zu fungieren hat, desto leichter ist seine Orientierung über die für diese Abteilung oder für den betreffenden Abschnitt der Gefechtsfront in Betracht kommenden Verhältnisse, desto eingehender kann er seine Mitteilungen gestalten, desto mehr Kommandanten werden in der Lage sein, zur direkten Kenntnis dieser Mitteilungen zu gelangen und ihnen selbsttätig Rechnung zu tragen. Die dadurch bedingte Vermehrung der Detailentscheidungen im Gefechte ist durchaus kein Nachteil, sondern

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