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Friedensgewohnheiten und Friedensrücksichten werden uns hindern, unsere Übungen so kriegsgemäß zu gestalten, als sie das Reglement und unsere auf Selbststudium gegründete Erkenntnis verlangen. Wir müssen uns jedoch vor Augen halten, daß wie das Deutsche Reglement sagt, die Ausbildung erst dann nach richtigen Gesichtspunkten erfolgt ist, wenn sie das kann, was der Krieg erfordert und wenn sie auf dem Gefechtsfelde nichts davon abzustreifen hat, was sie im Frieden erlernte.

Wir müssen aber auch die körperliche und moralische Widerstandsfähigkeit der Mannschaft durch Friedensgewöhnung an Strapazen steigern, durch unablässige Fürsorge und Teilnahme ihr Vertrauen gewinnen, ihr Selbstbewußtsein durch Anerkennung guter Leistungen heben und durch Anschauungsunterricht und packende Belehrung das Verständnis für das Warum?« unserer elementaren Forderungen wecken. Die Psyche spielt eine ebenso große Rolle wie der Geist. Der Mensch als Waffenträger bleibt sich immer gleich.

Was für den Mann gilt, gilt in erhöhtem und verfeinertem Maße für den Offizier. Wir brauchen nicht nur Köpfe mit reichem Wissen, wir brauchen auch Führer von Herz und Charakter.

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Die Macht der Persönlichkeit. muß sich durchsetzen können; von ihr muß der Geist in die Truppe überströmen, der innerhalb der Grenzen der Unterordnung Raum gewährt für die freie Entfaltung der Individualität des Denkens und Handelns, anfangend vom jungen Offizier, der entlastet von abstumpfender Bevormundung im ewigen Einerlei des Kleindienstes durch sein Beispiel die Mannschaft fortreißt zu unzertrennbarer Gefolgschaft, bis zum gottbegnadeten Feldherrntalent.

Die geistige und moralische Kraft des einzelnen ist im heutigen nervenzerrüttenden Gefecht trotz aller Fortschritte der Technik die beste und erfolgreichste Waffe; nur derjenige wird den außerordentlichen Anforderungen des modernen Krieges gewachsen sein, der sich in ernster Friedensarbeit gründlich darauf vorbereitet hat und sich voll bewußt ist der ungeheuren Verantwortung, andere durch seinen Befehl in den Tod zu führen.

Die Armee ist die Ultima ratio, an die jeder lebenskräftige Staat appelliert, wenn ein anderer Ausweg verschlossen ist. Möge der Appell unsere Infanterie materiell, geistig und moralisch gewappnet und gerüstet finden!

Sowie aber Graf Montecucculi im XVII. Jahrhundert zum Kriegführen Geld, Geld und wieder Geld verlangte, so erheben wir Infanterieoffiziere dreimal den mahnenden Kassandra-Ruf: »Gebt der Königin der Waffen die ihr heute fehlenden Soldaten, wenn sie leisten. soll, was man von ihr erwarten muß«.

Streffleur 1912, I.

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Aviso der Redaktion.

Nachdem sich im Laufe des Monates Februar auf dem italienischtürkischen Kriegsschauplatze keine nennenswerten militärischen Ereignisse zugetragen haben, entfällt im vorliegenden Heft der periodische Aufsatz Italien und Tripolis. Der nächste gelangt im Aprilheft zur Veröffentlichung.

Küstenbefestigung.

Mit 2 Tabellen und 1 Textfigur.

Von Hptm. Berger.

I. Einleitung.

Der beste Schutz der heimatlichen Küste ist eine offensiv geführte Kriegsflotte hinreichender Stärke. Deshalb streben alle seefahrenden Staaten die Hebung ihrer Seemacht an und bauen ihre Flotten nach Maßgabe der verfügbaren Mittel aus. Eine ganz allgemeine Betrachtung der Einheiten einer modernen Kriegsflotte zeigt, daß es sich durchwegs um Schiffe und Boote komplizierter Konstruktion handelt, die nur durch sorgfäitige Behandlung kriegsbereit erhalten werden können. Hat ein Kampf stattgefunden, so treten zu diesen Instandhaltungsnoch die Wiederherstellungsarbeiten am Flottenmaterial. Für beide sind Etablissements am Lande, d. i. Werften und Docks, unentbehrlich. Außerdem müssen die Verbrauchsmaterialien, als Kohle, Munition und Proviant ersetzt, Kranke und Verwundete an Land gebracht und durch kriegsdienstfähiges Personal ersetzt werden. Jede moderne Flotte braucht somit mindestens einen Stützpunkt am Land, der seiner Unentbehrlichkeit wegen ein natürliches Angriffsobjekt für den Gegner bildet. Der Verlust dieses Punktes bedeutet für die Flotte eine größere Einbuße, als der Verlust einiger Einheiten, denn der Möglichkeit sich zu retablieren beraubt, muß eine solche Flotte früher oder später untergehen. Es liegt somit im eigensten Interesse einer jeden Flotte, ihre Stützpunkte zu befestigen und so vor der Wegnahme zu schützen.

Weil die Angriffe sowohl von der See-, wie von der Landseite aus erfolgen können, muß jeder Flottenstützpunkt nach allen Seiten. hin fortifikatorisch geschützt sein. Er bildet demnach eine Gürtelfestung, von welcher ein Teil an der Küste gelegen und zum Kampf gegen die feindliche Flotte bestimmt ist. Dieser Teil wird Seefront genannt und aus Küstenbefestigungen, von denen nachstehend ausschließlich die Rede sein soll, gebildet. Es ist üblich, einen durch Land- und Küstenbefestigungen geschützten Flottenstützpunkt als Kriegshafen zu bezeichnen, woran hier festgehalten werden möge.

An einen guten Kriegshafen sind folgende Forderungen zu stellen: 1.) Eine möglichst zentrale Lage, so daß ihn die eigene Flotte unter allen Umständen in verhältnismäßig kurzer Zeit erreichen kann; 2) Schutz der im Hafen liegenden Schiffe sowohl vor feindlicher Einwirkung wie den Unbilden der Witterung; 3.) Schutz der aus- und einlaufenden Schiffe vor einem übermächtigen Angreifer durch Vorhandensein mehrerer, nicht zu nahe beieinander liegender Einfahrten; endlich 4.) Schutz gegen das Abschneiden vom Reichsinneren durch die Herstellung mehrerer Eisenbahnverbindungen.

Die eigene Flotte soll allerdings den Schutz des Kriegshafens nur im Falle dringendsten Bedarfes beanspruchen. Wie sich ein Kleben. am Stützpunkt rächt, zeigte uns das Schicksal der russischen Port Arthur-Flotte. In dieser Beziehung herrscht mit der Feldarmee vollkommen Gleichheit. Auch diese darf nicht an den Gürtelfestungen hängen.

Weil es ziemlich schwierig ist, einen allen früher genannten Bedingungen entsprechenden Kriegshafen zu finden und weil die Befestigungsanlagen viel Geld verschlingen, wird man die Zahl der Flottenstützpunkte tunlichst vermindern. Wenig aber gut! soll der leitende Gedanke sein.

Unter den oben aufgezählten Anforderungen an einen guten Kriegshafen fehlt gänzlich die Rücksicht auf die Hafenstädte und die Handelsflotte. Nun ist es unstreitig, daß auch diese des Schutzes bedürfen, um nicht einem feindlichen Kreuzer zum Opfer zu fallen. Bei den Stützpunkten der Kriegsflotte wurden diese Hafenorte absichtlich nicht genannt, weil sie, aus ganz anderen Vorbedingungen herausgewachsen, nicht immer, meist sogar nur ausnahmsweise zu kriegsmaritimen Zwecken geeignet scheinen.

Den Schutz dieser Punkte besorgt die Küstenflotte unter ausgiebiger Verwendung von Torpedo- und Flankierbatterien, wie auch Minenlinien. Fortifikatorische Anlagen sollen nur für Handelsemporien errichtet werden, und zwar so, daß deren Weiterentwicklung und räumliche Ausbreitung nicht beeinträchtigt werde. Deshalb wird man sich begnügen müssen, an den Zufahrten Befestigungsobjekte zu errichten und auf diese Weise den Zugang zum betreffenden Handelsplatz zu sperren. Die zweite Gruppe von Küstenbefestigungen soll demgemäß als »Küstensperren« bezeichnet werden.

Die beiden Arten von Küstenbefestigungen: Kriegshäfen und Küstensperren, unterscheiden sich allein dem Zwecke nach voneinander. Bildet bei ersteren der Ortsbesitz die Hauptsache, so kommt es bei letzteren nur darauf an, dem Gegner die Benützung bestimmter Seestraßen zu verwehren. Bezüglich der Anlage, Armierung und Verwendung herrscht jedoch kein Unterschied.

Ebenso sparsam wie mit Kriegshäfen, soll man auch mit Küstensperren sein, denn auch diese sind kostspielig. Ganz verzichten soll man auf sie jedoch nicht, weil man sonst die eigene Flotte zwingt, auf den Schutz von Handelshäfen allzuviel Rücksicht zu nehmen, wodurch man das Flottenkommando der Möglichkeit einer energischen, rücksichtslosen und durch keine Nebenzwecke behinderten Verwendung der Seestreitkräfte beraubt.

Nicht zu zahlreiche, dafür aber gut angelegte, armierte und organisierte Küstenbefestigungen dürfen demnach nicht als unnützer Ballast und zwecklose Geldverschwendung bezeichnet werden. Bringt ihnen. die Flottenführung das richtige Verständnis entgegen, so wird sie viel Nutzen aus ihnen ziehen.

Die Behauptung, daß Küstenbefestigungen die Aktionen der operativen Flotte ungünstig oder gar lähmend beeinflussen, ist daher unrichtig. Im Gegenteil haben diese Anlagen nur den Zweck, der Flotte die Durchführung ihrer Aufgaben zu erleichtern.

Ohne richtiges gegenseitiges Verständnis zwischen der Flotte und den Befestigungen wird allerdings der Nutzen letzterer nicht genügend deutlich zutage treten. Mit vorliegenden Zeilen soll deshalb der Versuch, ein solches Verständnis anzubahnen, unternommen werden.

Wie in der Seeschlacht, spielt auch beim Kampf an der Küste das Geschütz die Hauptrolle. Die Ableitung des Erfordernisses an Küstengeschützen soll demnach den Beginn der Abhandlung bilden. Daran wird sich die vom Kaliber und der Gattung der einzelnen Geschütze abhängige Wahl der Stellung schließen, worauf das ebenfalls mit der Artilleriewirkung im engsten Zusammenhang stehende Einrichten der Stellungen besprochen werden soll, während die Organisation der Küstenverteidigung und deren Führung im Kampfe den Schluß bilden mögen.

II. Küstengeschütze.

Meine Ansichten über die Kaliberwahl für Küstengeschütze habe ich in der XVI. Fußartilleristischen Betrachtung in Nr. 28 der Artilleristischen Monatshefte", April 1909, niedergelegt. Ich kam daselbst zum Schlusse, daß drei Gattungen von Küstengeschützen nötig seien, u. zw.:

1.) Panzerbrechende Artillerie, bestehend aus

a) 30.5 cm-Kanonen L/50, welche ca. 500 kg schwere Geschosse mit ungefähr 900 m/Sek. Anfangsgeschwindigkeit verfeuern sollen,

b) 305 cm-Mörsern Z/10 bis L/14, welche ebenfalls 500 kg schwere Geschosse unter hohen Winkeln, d. i. von 45° aufwärts, verwenden.

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