Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

In jedem Falle wusste das Armee-Commando genau die Zahl der feindlichen Corps, die sich seit dem 20. Juni in Ober-Schlesien westwärts bewegten, und es ist schwer aufzuklären, warum es auf diese Kenntniss, allem Anscheine nach, wenig Gewicht legte.

Es beliess die Armee auch am 26. in den Marschrichtungen, die ihr am 20. vorgezeichnet worden waren, und so marschirten an jenem Tage, von den den Anmarschlinien des Gegners zunächststehenden Corps das 4. (von Opočno) gegen Königinhof und das 3. (von Tyništ) nach Königgrätz weiter.

1

Es scheint, dass das Armee-Commando noch am 25. Juni der Meinung war, die aus Ober-Schlesien heranmarschirende feindliche Armee, würde nicht so bald die Grenze überschreiten und die eigene Armee würde Zeit finden, sich in der ihr durch die Marsch-Disposition vom 20. zugewiesenen Position Josefstadt-Königinhof-Hořic zu etabliren.

Bei consequenter Durchführung und einiger Beschleunigung des Marsches über die Elbe, bei welchem kein Armee-Corps einem Echec auf dem linken Flussufer ausgesetzt werden durfte, hätte auch das kaiserliche Heer bis zum 29. und 30. vollzählig die erwähnte Position erreichen und in ihr, wenn dem 1. und sächsischen Corps rechtzeitig der Rückzug befohlen ward, unter nicht ungünstigen Bedingungen die Schlacht annehmen können.

Gedeckt in der rechten Flanke durch die Festungen Josefstadt und Königgrätz, hätte die starke Position an der Elbe von Jaroměř bis Königinhof mit 2 bis 3 Corps gegen die schlesische Armee gehalten, und 5 bis 6 Corps mit 3 oder 4 Cavallerie-Divisionen hätten gegen die Armee des Prinzen Friedrich Carl verwendet werden können.

Doch die in der Folge getroffenen Dispositionen waren nicht darnach, die Ausführung dieses Planes zu sichern.

Indem das Armee-Commando in den nächsten, entscheidenden Tagen einerseits dem Kronprinzen von Sachsen das Ausharren an der Iser gegen bedeutend überlegene Kräfte befahl, und andererseits doch auch einzelne Corps am linken Elbeufer der feindlichen II. Armee entgegenstellte, kam es überall zu äusserst mörderischen Detailkämpfen, welche die Armee ruinirten, bevor sie die ihr zugedachte Stellung erreichte.

Unter den Verhältnissen, in denen sich das kaiserliche Heer am 25. befand, wäre es unstreitig das Einfachste und Zweckmässigste gewesen, sich zuerst gegen die in nächster Nähe befindliche schlesische Armee zu wenden. Dabei wäre nicht ein einziges Corps über die Elbe zu senden gewesen, und das 1. und sächsische Corps hätten von der Iser zurückberufen werden müssen.

Sobald das Königreich Sachsen occupirt war, hatte das preussische Armee-Ober-Commando, welches Seine Majestät der König, zur Zeit noch in Berlin, selbst führte, den Entschluss gefasst, ohne Zeitverlust die Operationen gegen Böhmen beginnen zu lassen.

Es ergingen daher schon am 19. die Befehle, nach welchen sich die Armeetheile an der Grenze zu concentriren hatten.

Die Elbe-Armee, welche unter die Befehle des Prinzen Friedrich Carl gestellt ward, versammelte sich am 20. und 21. über Stolpen bei Burkersdorf auf der Strasse nach Rumburg.

Die I. Armee concentrirte sich bis zum 22. mit der 8. und 7. Division bei Zittau, der 4. bei Hirschfelde, der 3. bei Herrenhut, der 5. bei Seidenberg, der 6. bei Marklissa und dem Cavallerie-Corps hinter Marklissa, auf den Strassen nach Reichenberg.

Prinz Friedrich Carl nahm sein Hauptquartier in Hirschfelde.

[ocr errors]

Bezüglich der II. Armee war, da die damals noch in Mähren stehende kaiserliche Hauptmacht scheinbar noch immer Schlesien bedrohte, ein bestimmter Operations-Plan nicht gefasst; dieselbe sollte vorläufig eine Aufstellung nehmen, um gleichmässig sowohl zum Einmarsche in Böhmen, wie zur Vertheidigung der Neisse-Linie bereit zu sein.

Der Kronprinz, dessen Corps eben die früher beschriebenen Stellungen an der Neisse erreicht hatten, erhielt, gleichfalls am 19. Abends, die Weisung: „Nur Ein Corps an diesem Flusse zu belassen, das I. Corps (von „Münsterberg) auf Landshut zu dirigiren '), und die beiden anderen Corps „derartig aufzustellen, dass sie bereit wären, entweder inclusive des I. ArmeeCorps die Offensive gegen Böhmen gemeinschaftlich mit der I. Armee zu „ergreifen, oder wenn nöthig, das Corps an der Neisse zu verstärken."

Am 20. Juni erhielten die Armee-Commandanten den Text der KriegsErklärung, welche sie ganz gegen alles Herkommen, erst beim Überschreiten der Grenze, an die österreichischen Vorposten abzugeben hatten.

Diese Erklärung lautete:

„Der kaiserlich österreichische Bevollmächtigte hat aus Anlass cines ,, von dem königlich sächsischen Gesandten gestellten Antrages in der Sitzung „des in Frankfurt tagenden Bundes v. 16. d. Mts. im Auftrage der kaiser,,lichen Regierung amtlich erklärt:

,,Seine Majestät der Kaiser werde mit seiner vollen Macht den Mass

1) Nach der früher citirten telegraphischen Depesche des Prinzen Friedrich Carl war das I. Corps auf Landshut, eventuell auf Hirschberg zu dirigiren.

„regeln entgegentreten, welche die königlich preussische Regierung gegen „die mit ihr im Kriege begriffenen Regierungen von Sachsen, Hannover und „Hessen genommen hat, und werde demgemäss mit Aufbietung aller militä"rischen Kräfte unverzüglich handeln.

"In dieser Erklärung Österreichs ist die amtliche Verkündigung des Kriegszustandes zwischen Preussen und Österreich enthalten und hat der „Unterzeichnete die Ehre dem dortseitig commandirenden k. k. General zu „eröffnen, dass die königlichen Streitkräfte Befehl haben, demgemäss zu ,,verfahren").

Am 22. erging endlich an beide königliche Prinzen das folgende Telegramm:

77

[ocr errors]

Seine Majestät befehlen, dass beide Armeen in Böhmen einrücken und die Vereinigung in der Richtung auf Jiein aufsuchen."

Ein Schreiben des G. d. I. Freiherrn von Moltke vom selben Datum enthielt folgende nähere Erklärungen:

[ocr errors]

„In dem soeben abgesandten Chiffre-Telegramme von heute ist mit Rücksicht auf Entfernungen, Strassenverbindungen und Eisenbahnen die „Richtung auf Jičin behufs Vereinigung beider Armeen bezeichnet worden. Es ist damit natürlich nicht gemeint, dass dieser Punkt unter allen Umstän,,den erreicht werden müsste; vielmehr hängt die Vereinigung ganz von dem „Gange der Begebenheiten ab. Nach allen hier vorhandenen Nachrichten ist „es durchaus unwahrscheinlich, dass die Hauptmacht der Österreicher in den „allernächsten Tagen schon im nördlichen Böhmen concentrirt stehen könnte. „Die von uns ergriffene Initiative dürfte leicht Gelegenheit geben, den Geg,,ner in getheiltem Zustande mit überlegenen Kräften anzugreifen und den „Sieg in anderer Richtung zu verfolgen.

„Die Armee-Commandos haben von dem Augenblicke an, wo sie dem ,,Feinde gegenübertreten, nach eigenem Ermessen und nach Erforderniss „zu handeln, dabei aber stets die Verhältnisse der Nebenarmee zu berück„sichtigen. Durch fortgesetztes Vernehmen untereinander wird die gegenseilige Unterstützung ermöglicht sein."

Prinz Friedrich Carl ward noch angewiesen, die Krisis, welche die Armee des Kronprinzen zu bestehen habe, durch rasches Vorgehen abzukürzen.

Da die Elbe- und I. Armee schon dicht an der böhmischen Grenze standen, konnten dieselben sofort auf österreichischen Boden einbrechen.

1) Diese Erklärung wurde überreicht:

Bei Oświęcim und Zuckmantel am 21., bei Zwickau am 22. Juni Nachmittag.

Die Vortruppen der Elbe-Armee überschritten auch in der That noch am 22. Nachmittags die Grenze und am nächsten Tage marschirte das Gros beider Armeen in Böhmen ein.

Anders war dies bei der II. Armee, welche, obgleich Seine königliche Hoheit der Kronprinz nach Empfang des Befehles vom 19. keine Zeit verlor, seine Armee-Corps in der ihm vorgezeichneten Weise in Bewegung zu setzen, noch mehrerer Märsche bedurfte, um auch ihrerseits die Grenze überschreiten zu können.

So getrennt nach Raum und Zeit der Einmarsch des preussischen Heeres in Böhmen erfolgte, so war dessen Anordnung doch das einzige richtige Mittel, das Heer aus der gefährlichen Lage zu führen, in welche dasselbe durch die Art seines ersten Aufmarsches versetzt worden war.

In der weiten Linie von der Elbe bei Dresden bis an die Neisse konnte das preussische Heer, gegenüber der concentrirten österreichischen Armee nicht bleiben und musste daher, wollte es sich nicht zu einer Concentrirung nach rückwärts gezwungen sehen, die Initiative rasch ergreifend, bei Zeiten sich nach vorwärts vereinigen; der Punkt hiezu war bei der momentanen Stellung der einzelnen Armeetheile die Gegend von Jičin.

Diese Operation hatte jedoch gleichwohl ihre grossen Gefahren. Standen der Elbe- und I. Armee für den Beginn des Krieges voraussichtlich nur Erfolge in Aussicht, so war dafür die Armee des Kronprinzen sehr gefährdet. Man wusste im Hauptquartier des preussischen Ober-Commandos zur Zeit, als dieses den Einmarsch in Böhmen anordnete, dass auch die k. k. Nord-Armee bereits im Marsche dahin sei, und dass somit die Armee des Kronprinzen eine Operation durchzuführen habe, die während vieler Märsche von der bei weitem stärkeren, kaiserlichen Hauptmacht cotoyirt ward.

Gelang es der letzteren, mit Macht an die Pässe zu gelangen, aus denen der Kronprinz nothwendig zu debouchiren hatte, so war ein ernster Echee für diesen mehr als wahrscheinlich, und der Erfolg des ganzen Feldzuges konnte dadurch in Frage kommen.

Die Operation dieses preussischen Heerestheiles gelang auch wider alle Wahrscheinlichkeit nur, weil das österreichische Hauptquartier nicht die Absicht hatte, an den Gebirgs-Defiléen energischen Widerstand zu leisten.

Der Kronprinz von Preussen führte die ihm am 19. zugekommenen Befehle in folgender Weise aus:

Zum Verbleiben an der Neisse ward das nur aus 3 Infanterie-Brigaden und 2 Cavallerie-Regimentern bestehende VI. Corps bestimmt und beordert, über Neustadt und Ziegenhals gegen und über die österreichische Grenze zu demonstriren.

Von den übrigen Armeetheilen wurden: das I. Corps gegen Landshut, das Garde- und V. Corps, dann die Cavallerie - Division vorerst nur bis Silberberg und Camenz, und in der Folge gegen die westlichen Pässe der Grafschaft Glatz in Bewegung gesetzt.

Demnach marschirte am 20. Juni das I. Corps von Münsterberg nach Nimptsch; die Cavallerie-Division blieb in Strehlen; das GardeCorps scheint bei Brieg geblieben, das V. Corps von Grotikau bis in die Nähe von Münsterberg marschirt zu sein 1).

Am 21. Juni rückten:

Das I. Corps nach Faulbrück (zwischen Reichenbach und Schweidnitz), die Cavallerie-Division nach Nimptsch-Heidersdorf, das GardeCorps nach Strehlen-Heinrichau, das V. Corps vielleicht bis Camenz, (die 10. Infanterie-Division in die Gegend von Münsterberg.)

Am 22. und 23. Juni erreichten wahrscheinlich:

Das I. Corps über Waldenburg, Landshut; die Cavallerie Division über Schweidnitz, Waldenburg; das Garde-Corps über Frankenstein, Silberberg; das V. Corps Glatz und Umgebung, (die 10. InfanterieDivision Camenz und Reichenstein.)

Am 24. Juni wurde dem grössten Theile dieser seit 12. in continuirlicher Bewegung begriffenen Truppen ein denselben dringend nothwendiger Rasttag bewilligt; nur das V. Corps blieb in Marsch; die 9. Division bezog ein Biwak bei Neuländel südlich von Glatz; ein Theil der 10. Division nahm auf die Nachricht, dass österreichische Truppen bei Mittelwalde die Grenze überschritten hätten, nach einem beschwerlichen Nachtmarsche, Cantonnements in Ullersdorf, Kunzendorf und Eisersdorf, ging aber nach OberSchwedelsdorf zurück, als die Gewissheit erlangt war, dass nur österreichische Patrullen über die Grenze gekommen waren.

Am 25. erreichte:

Das I. Corps Liebau an der Grenze und der Strasse nach Trautenau ; die Cavallerie-Division blieb in Waldenburg (oder kam erst da an); das Garde-Corps kam mit der 1. Division nach Neurode (Schlegel), mit der 2. Division nach Wünschelburg; das V. Corps hatte Ruhetag.

Das Hauptquartier des Kronprinzen kam von Camenz nach Eckersdorf (zwischen Glatz und Neurode).

Noch vor dem Rechtsabmarsche dieser Corps waren zur Sicherung der linken Flanke der Armee die Brücken bei Oderberg, Neu-Berun und Myslowitz gesprengt, die Neisse-Brücken und jene über die Klodnitz bei Kosel zur Zerstörung vorbereitet worden.

1) Über diese Märsche fehlen bestimmte Daten selbst in dem Werke des preussischen Generalstabes.

« ZurückWeiter »