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und zwar nur in Bezug auf die Grafschaft Vinschgau berührt ist. Meinhard hatte doch, abgesehen von den anderweitigen Lehenverpflichtungen gegen deutsche Kirchenfürsten, auch Lehen von Chur selbst und Brixen. 3 Weshalb wurden diese verschwiegen, die doch Meinhards Heerschild nicht schädigten? Brixen und Chur, ebenso den anderen deutschen Fürstbischöfen war doch nie ihr Heerschild bestritten worden. Und wenn man schon aus irgendeinem Grunde diese Lehen aus dem Spiele lassen wollte, so entsteht die weitere Frage: Warum überging man auch bei Nennung Trients alle übrigen Hochstiftslehen, die Meinhard besaß, wie die Grafschaften Eppan und Ulten, die Blutbannrechte in der Grafschaft Bozen usw.?

Endlich ist nicht einzusehen, was die Heranziehung der staatsrechtlichen Zugehörigkeit Trients hier soll. Auch wenn Trient zu Deutschland gehörte, war daraus nicht der Schatten einer Möglichkeit zu folgern, ihm den Heerschild eines Pfaffenfürstentums abzustreiten. 5

Leitet BR 1661 die Aufmerksamkeit auf die landrechtlichen Fragen, die damals aufgerollt wurden, so lohnt es sich der Mühe, auch BR 1617 daraufhin anzusehen, ob nicht auch hier landrechtliche Momente hineinspielen. Lesen wir diese Urkunde daraufhin durch, ohne an die Kärntner Frage zu denken, so bemerken wir zu unserer Überraschung, daß sie, die doch ein Zeugnis über die lehenrechtliche Stellung des Grafen von Tirol sein soll, überhaupt nur landrechtliche Gesichtspunkte betont. Was hatte in einem Lehnrechtsweistum der Nachweis des Wohnsitzes und des Ahnengerichtsstandes, also rein landrechtlicher Momente, zu schaffen? Eine Kundschaft, die auf die Frage antworten wollte, ob der Betreffende die Fähigkeit zum

1 So gegen Augsburg. Belehnung am 19. Juni 1263 Polling. Vgl. Jäger, Landständische Verfassung I 146. Weitere augsburgische Lehen erhielt er durch den Vertrag vom 26. Mai 1282 Ulm mit dem Grafen Gebhard von Hirschberg, vgl. BR 1662.

2 Lehenbrief Bischof Heinrichs von Chur für Gräfin Adelheid von Tirol und ihre Söhne vom 12. September 1258 Zenoburg; Egger, Geschichte Tirols I 297.

3 Betreffs der Brixner Grafschaftslehen vgl. Stolz im Archiv für österr. Geschichte 102, 93 ff.

Betreffs dieser Lehen vgl. Stolz a. a. O. 105 ff. Lehenbrief von 1250
Februar 19 Trient. Hormayr, Geschichte Tirols I 2, 374 n. 172.

5 Betreffs v. Voltelinis Erklärung dieses Punktes s. u. 136.

Eintreten in den dritten Heerschild habe, mußte ganz anders lauten; sie mußte zum mindesten in klaren Worten aussprechen, daß der Betreffende keine Lehen von einem Weltlichen trage. Sie mußte auch die Lehensherren des Betreffenden annähernd vollständig aufzählen. Davon ist aber in BR 1617 nichts zu lesen. Von Lehensverhältnis ist nur am Schlusse des Stückes die Rede, nur von einem einzigen Lehen, das sich von den anderen Grafschaftslehen rechtlich nicht unterschied, und zwar wird es sichtlich nicht vom lehenrechtlichen Standpunkt aus hereingezogen, der eine Betonung der Eigenschaft des bischöflichen Lehensherrn als eines Pfaffenfürsten gefordert hätte und für den die Zugehörigkeit Trients zu Italien gleichgiltig war.

Der churisch-etschländische Standpunkt des Bischofs kann nicht allein der Grund dafür sein; denn auch in Chur und im Etschland mußte man wissen, daß der Graf von Tirol auch andere Grafschaften zu Lehen trug als die comitia, que in diocesi Curiensi usque ad Pontem Altum in Engdina protenditur, d. h. die Grafschaft Vinschgau. Faßt man aber BR 1617 als Landrechtsweisung, so erklärt sich alles vollkommen. Im 13. Jahrhundert hat bekanntlich in Deutschland das Territorialprinzip völlig das alte Prinzip der persönlichen Rechte verdrängt; nur bei deutschen Herrengeschlechtern findet sich auch im 13. Jahrhundert die Anschauung, daß der Stammsitz des Hauses, das Handgemal, die Heimat, sein Recht ihr Stammesrecht sei. Der Bischof von Chur setzte nun sein Weistum für den deutschen König auf, richtete sich also nach deutschem Brauch. Deshalb griff er von allen Lehen Meinhards nur die Grafschaft Vinschgau heraus. Denn nur hier hatte Meinhard sein Handgemal. Sein görzisches Stammgut hatte Meinhard durch die Teilung von 1271 verloren. Daher ist er in BR 1617 lediglich als Graf von Tirol betrachtet, es ist nur von seinen tirolischen Vorfahren die Rede. Als Graf von Tirol war aber Schloß Tirol sein Stammsitz, die Grafschaft Vinschgau seine Stammgrafschaft.2 Somit war es selbstverständlich, daß BR 1617

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1 Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte 664 f.

Vgl. Mayr-Adlwang in der Zeitschrift des Ferdinandeums III 43, 219 ff. Ist meine oben ausgesprochene Ansicht richtig, so bildet BR 1617 eine neue starke Stütze der herrschenden Lehre über den Ursprung der Grafen von Tirol gegenüber Eggers Behauptungen (Archiv für österr. Geschichte 83, 452 ff.); s. u. die Nachträge.

nur auf diese, nicht auf die anderen, später erworbenen Grafschaften einging.

Überdenkt man unter diesen Umständen BR 1617, so erkennt man zweifellos, daß dieses Dokument nichts anderes enthält als ein Zeugnis über Meinhards Landrecht und Landeszugehörigkeit; sie enthält alle Angaben, die zum Nachweis des Landrechtes erforderlich waren: Zeugnisse über Wohnsitz, Gerichtsstand der Vorfahren und Lage und Zugehörigkeit des Stammgutes des Betreffenden.

Nur unter einer Annahme ließe sich BR 1617 als Lehenrechtsweisung deuten, nämlich wenn man vermuten wollte, daß der für Meinhard Zeugnis ablegende Bischof genötigt war, einen dem Grafen ungünstigeren Tatbestand durch unklare Wendungen zu verschleiern. Dies war aber nicht der Fall. Ursprünglich trugen freilich die Grafen von Görz Lehen von Kärnten,1 wo auch die Grafen von Tirol eine Grafschaft und anderweitigen Besitz innehatten; dies verwies beide Geschlechter in den vierten Heerschild. Durch die Teilung von 1271 waren aber die Kärntner Besitzungen an Albert, Meinhards Bruder, gefallen; dadurch war Meinhard tatsächlich nicht mehr Lehensmann eines weltlichen Fürsten. Es änderte dies freilich seinen Heerschild nicht, aber es räumte ein Hindernis aus dem Wege, welches der Verleihung eines fürstlichen Fahnlehens entgegengestanden wäre. Außer jenen Kärntner Besitzungen hatte das görzisch-tirolische Geschlecht meines Wissens keine irgendwie bedeutenderen Lehen von einem Laienfürsten. Eine genaue Feststellung des Rechtsbestandes um 1282 stieße auf große Schwierigkeiten und ergäbe trotzdem kein sicheres Resultat. Denn wenn wir auch nachweisen könnten, daß unter den zahlreichen Erwerbungen, die Meinhard besonders im Oberinntal machte, Lehen weltlicher Fürsten und Herren waren, so wäre ein sicherer Schluß auf Meinhards lehensrechtliche Stellung bei

1 Vgl. die Weigerung Graf Alberts, seinem Bruder Meinhard Mannschaft für seine Kärntner Lehen zu leisten, als dieser 1286 Herzog wurde (Johann von Viktring, Liber certarum historiarum hg. von Fedor Schneider in M. G. SS. [Schulausgabe] I 253 Rec. A, 293–294 Rec. B).

* Vgl. v. Oefele, Geschichte der Grafen von Andechs 67 A. 15; Krainer Urkundenbuch I 96 A. 1; Egger im Archiv für österr. Geschichte 83, 461 3 Ficker, Vom Heerschilde 201 ff.

4 Ficker, a. a. O. 121 ff., 204 f.

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der Unvollständigkeit unserer Quellen doch unzulässig. Jedenfalls ist ein Lehenbrief eines weltlichen Fürsten oder Herrn auf Meinhard nicht bekannt und ebensowenig läßt sich nachweisen, daß Meinhard bei seiner tatsächlichen Erhebung in den Reichsfürstenstand (1286) irgendwelche Lehen aufgelassen oder an Dritte abgegeben hatte, wie es das Reichslehnrecht bei Vorhandensein weltlicher Lehen in solchem Falle erfordert hätte. Im Gegenteil ist allerdings erst aus Meinhards Herzogszeit - ein Fall bekannt, in welchem von Meinhard ein Scheinleiheverhältnis vorgeschoben wurde, um die Knüpfung eines Lehenbandes mit einem Magnaten zu vermeiden. Dieser Tatbestand genügt für unsere Zwecke. Denn wenn auch Meinhard für irgendwelche kleine Lehen im Inntal eine Lehenverpflichtung hatte, so ist doch nicht anzunehmen, daß der nach seiner eigenen Aussage nur auf Grund churisch-etschländischer Quellen urteilende Bischof von Chur darüber näher unterrichtet war. Wenn er somit hätte bezeugen wollen, daß Meinhard kein Lehen von einem Laienfürsten trug, so hätte er dies wahrheitsgemäß tun können, ohne zu dunklen Ausdrücken zu greifen. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als in BR 1617 eine Landrechtsweisung zu sehen, wie es schon Schwalm getan hat, indem er in der oben erwähnten Ausgabe der beiden Urkunden BR 1617 und BR 1661 in den Mon. Germ. dieselben mit der gemeinsamen Überschrift,Sententia de pro

batione terrae' versah.

Es fragt sich nun, was sich aus dieser Erkenntnis für die geschichtliche Bedeutung von BR 1617 und BR 1661 folgern läßt. Daß sie sich gegen Bayern richteten, ist unter dem neu gewonnenen Gesichtspunkt noch gewisser als früher. Denn niemand anderer als Bayern konnte derartige Forderungen erheben, niemandem anderen konnte ihre Erfüllung Vorteil bringen. Mit einem lehnrechtlichen Bedenken konnte man etwa Meinhards Kärntner Pläne hindern. Mit einem landrechtlichen nicht; von einem solchen konnte kein unbeteiligter Dritter, sondern nur der betreffende Herzog sich einen Vorteil versprechen. Somit fällt die Möglichkeit, daß ein Unbeteiligter mit diesen Bedenken aufgetreten sei, fort. Schwaben konnte auch nicht dahinter stecken, da es hier keinen Herzog gab. Die Nennung

1 Ficker, Vom Heerschilde 227.

dieses Herzogtums geschah wohl nur der Vollständigkeit halber von Seite des alamannisch-rätischen Churer Bischofs.

Anders als nach der bisherigen Ansicht zu bewerten wird nur der Inhalt und das Ziel der bayrischen Ansprüche sein. Nicht als seinen Lehensmann, sondern als seinen landrechtlich Untergeordneten beanspruchte Bayern den Grafen von Tirol. Mit dieser Forderung konnte es nur landrechtliche Zwecke anstreben. Und schon Ficker hat mit Recht darauf verwiesen, daß sich BR 1617 und BR 1661 auf eine bestimmte Stelle des 1275 entstandenen schwäbischen Landrechts (Schwabenspiegel, herausg. von Laßberg, Landrecht 139) beziehen, welche den Fürsten im allgemeinen das Recht zuspricht, Grafen, freien Herren und Dienstmannen, die in seinem Lande sitzen oder Burgen oder Städte daselbst haben, seinen Hof zu gebieten; diesem Begehren, wenigstens soweit es die persönliche Erfüllung der Hoffahrtspflicht forderte, habe Meinhard durch BR 1617 und BR 1661 begegnen wollen, indem er sich auf den im Schwabenspiegel folgenden Satz stützte: und sint si in tiuscher sprache niut gesezzen, oder daz si in ahte tagen niut dar gelangen miugen, si sint des hoves mit rehte ledic; sie suln aber dar senden ir bornen dienstman, der dann in ihrem Namen Befolgung der Hoftagssatzungen zu geloben hat. Das Ansinnen Bayerns konnte demnach nur den praktischen Zweck verfolgen, den Grafen von Tirol zur Anerkennung seiner landrechtlichen Zugehörigkeit zu Bayern und in der Folge seiner Hoffahrtspflicht zu veranlassen.

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Nun erhebt sich aber die weitere Frage, ob die beiden in Rede stehenden Stücke überhaupt, wie man bisher angenommen hat, mit der Kärnten-Krainer Angelegenheit in Verbindung stehen.

Daß Meinhard bereits in jener Zeit seine Kärntner Pläne offenkundig bei König Rudolf betrieben hat, darf wohl als sicher angenommen werden, wenn auch abgesehen von unseren Urkunden ein direktes Zeugnis dafür nicht vorhanden ist; die Tatsache ergibt sich aus inneren Gründen und aus mannigfachen

1 Wiener Sitzungsberichte 77, 856 f. Bester Druck der betreffenden Stelle des Schwabenspiegels bei Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung 2 113 nach den Ausgaben Daniels' und von Laßbergs. Ficker gibt a. a. O. den Nachsatz nicht wieder, so daß es aussieht, als ob es sich um volle Befreiung von der Hoffahrtspflicht handelte.

Archiv. 106. Bd. I. Hälfte.

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