Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Zu u den meistbesprochenen Urkunden des ausgehenden 13. Jahrhunderts gehören das Weistum Bischof Konrads von Chur vom 20. Jänner 12821 und der vor König Rudolf beurkundete Rechtsspruch vom 25. Mai des gleichen Jahres. 2

In dem erstgenannten, an König Rudolf gerichteten, auf dem bischöflich churischen Schloß Fürstenau im Domleschg ausgestellten Schreiben bezeugt bekanntlich Bischof Konrad von Chur quod nobis bene constat, illustrem virum dominum Meinhardum) comitem Tirolensem, qui est de nostra diocesi, habere domicilium et residere inras montana et quod nunquam audivimus nec unquam in ecclesie nostre privilegiis antiquis vel noris invenimus, ipsum comitem ad ducatus Bawarie vel Suevie pertinere nec etiam eum vel aliquem progenitorum suorum de dominio Tyrolensi iuri extra montana extitisse, immo certo certius intelleximus et hominibus circa aquam Athasis constitutis bene constat, quod dicti comitis progenitores, specialiter avus suus comes Albertus, in foro inframontanorum in loco, qui dicitur Verona, coram imperatore Fridrico iuditio sunt conventi et quod

1 Or. Perg. Siegel (hing an Pergamentstreif) fehlt. Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Drucke: Hormayr, Beiträge zur Geschichte Tirols II 258; Mohr, Codex diplomaticus Rhaetiae II 9 (Nachtrag II, III); Thommen, Schweizer Urkunden aus österr. Archiven I 57. Mon. Germ. LL. S. IV tom. III 299-300 n. 304. Regest: Böhmer-Redlich, Regesta imperii VI/1 361 n. 1617. Im folgenden wird dieses sowie die übrigen diesem Bande der Kaiserregesten entnommenen Stücke mit der Sigle BR und der jeweiligen Nummer angeführt.

Or. Perg. Beschädigtes Siegel hängt; Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv.
Drucke: Hormayr a. a. O. II 259; Mohr a. a. O. II 25. Mon. Germ. LL.
II 439 und LL. S. IV tom. III 300 n. 305. Regest: Böhmer-Redlich
a. a. O. 368 n. 1661.

3 Das spätere Vorkommen des Wortes inframontanorum in BR 1607 und die Anwendung des Ausdruckes infra montes in BR 1752 zeigt, daß inra ein Schreibfehler für infra, nicht für intra ist.

predictus comes comitiam, que in diocesi Curiensi usque ad Pontem Altum in Engdina protenditur, ab episcopatu Tridentinensi habet, qui ad Ytaliam dinoscitur pertinere.

In der zweiten, auf dem Ulmer Hoftag ausgestellten Urkunde bestätigt und publiziert König Rudolf einen auf Ansuchen Graf Meinhards von Tirol vor ihm ergangenen Spruch des Inhalts quod idem comes cum duobus principibus vel nobilibus de terra montium probare possit et legitime obtinere, cui terre attinere debeat vel cuius terre iure gaudere. Et illorum duorum principum sive nobilium dicto stabitur in hac parte.

Es waren hauptsächlich zwei Gesichtspunkte, von denen aus diese Urkunden die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Einerseits erschienen sie nach der geltenden Anschauung als wichtige Aktenstücke für die Entwicklung der Kärnten-Krainer Frage, als Beweisstücke dafür, daß Meinhards Bewerbungen um den Herzogstuhl von Kärnten schon Ende 1281 so greifbare Formen angenommen hatten, daß sich eine ihm feindliche Partei mit formellen Bedenken diesen Bestrebungen in den Weg zu stellen suchte. Andererseits erregte die Behauptung des Bischofs von Chur, Trient gehöre zu Italien, Aufsehen, da dies im Widerspruch mit dem geltenden Reichsrecht zu stehen schien. In den Auseinandersetzungen über diese Urkunde wurde dieselbe von italienischen Forschern als vollgültiges Beweisstück genommen, während man von deutscher Seite versuchte, den Widerspruch zu erklären, der zwischen diesem und anderen Quellenzeugnissen besteht, und daraus die Unglaubwürdigkeit jener Angabe zu folgern.

Wenn ich nun trotz jener reichen Literatur nochmals auf diese beiden Stücke zu sprechen kommen möchte, so liegt der Grund nicht darin, daß ich neues Material in der fraglichen Sache beibringen könnte, sondern ich möchte auf einige Schwierigkeiten aufmerksam machen, die sich bei der Beurteilung dieser Stücke ergeben, die meines Wissens noch nicht genauer ins Auge gefaßt worden sind und deren eingehendere Untersuchung manches zutage fördert, das geeignet ist, die bisherige Anschauung über die geschichtliche Bedeutung dieser Urkunden wesentlich zu verändern. Die Wichtigkeit der Sache möge mein Eingehen auf altbekannte Dinge rechtfertigen.

Wenn wir einstweilen von der Frage absehen, ob die Kundschaft Bischof Konrads Wahres oder Falsches behauptete,

so faßt die derzeit geltende Anschauung1 die Entstehungsverhältnisse und die Bedeutung jener beiden Urkunden etwa folgendermaßen auf: Im Jahre 1281 war die endgültige Entscheidung über die dem Böhmenkönig abgerungenen Alpenländer nahegerückt. Daß die Hauptmasse derselben an die Söhne des deutschen Königs fallen sollte, war beschlossene Sache. Doch daneben hatte Graf Meinhard II. von Tirol seine Ansprüche auf Kärnten bei dem ihm befreundeten und vielfach verpflichteten König Rudolf durchgesetzt. Zugleich aber erhoben sich gegen die Belehnung des Tiroler Grafen mit Kärnten Schwierigkeiten, welche dieselbe volle vier Jahre verzögerten.

Zunächst wurden verfassungsrechtliche Bedenken laut, indem vermutlich von Seite Bayerns oder nur des einen oppositionell gesinnten Herzogs, Heinrichs, die Behauptung aufgestellt wurde, Meinhard trage Lehen von einem Laienfürsten (Schwaben oder Bayern) und sei daher der Heerschildordnung gemäß nicht fähig, in den Reichsfürstenstand einzurücken. Möglich ist es auch, daß ein anderer Gegner Meinhards oder ein Unbeteiligter dessen Fähigkeit, in den dritten Heerschild aufzusteigen, anzweifelte; darauf ließe sich die Nennung des herzoglosen Schwaben deuten. Diese Schwierigkeiten beseitigte Meinhard, indem er sich das Zeugnis des Churer Bischofs verschaffte, er trage nur Lehen eines Pfaffenfürsten, der nicht einmal ein deutscher Fürst sei (BR 1617), und indem er sich die Weisung seines Landrechtes auftragen ließ (BR 1661). Dieser von ihm veranlaßten Aufforderung dürfte er bald nachgekommen sein und somit die verfassungsrechtlichen Einwände unschädlich ge

1 Redlich, Zur Geschichte der österreichischen Frage unter König Rudolf I. in den Mitteilungen des Instituts, 4. Ergbd. 133-165 und Rudolf von Habsburg 378 ff., Dopsch, Die Kärnten-Krainer Frage und die Territorialpolitik der ersten Habsburger in Österreich im Archiv für österreichische Geschichte 87, 41 ff.

2 Ficker, Vom Heerschilde 122; Über die Entstehungszeit des Schwabenspiegels in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie 77, 856 f.; Egger, Geschichte Tirols I 315-316; Redlich a. a. O. und in den Bemerkungen zu BR 1617; Dopsch a. a. O. Jägers Behauptung (Geschichte der landständischen Verfassung Tirols II 5), die Akte BR 1617 und BR 1661 bedeuteten die Anerkennung der staatsrechtlichen Selbständigkeit Tirols Bayern gegenüber, ist nur eine mißverstandene Wiedergabe der Darlegung Fickers. Unklar ist auch Lorenz' Auffassung, Deutsche Geschichte II 464 A. 1.

macht haben. Die weiteren Hindernisse der Belehnung, die hauptsächlich in der Krainer Frage lagen, brauchen uns hier weiter nicht zu beschäftigen.

2

Soviel Überzeugendes nun aber auch diese Darstellung hat, einige Punkte erklärt sie doch nicht: Erstens bleibt die Form unklar, in der man angeblich den Heerschild Meinhards anzweifelte. Laut BR 1617 kann die Behauptung nur gelautet haben, der Graf von Tirol trage Lehen von Schwaben oder Bayern. Im ersteren Falle war die Tatsache gegenstandslos, da eine etwaige Huldeid verpflichtung durch den Tod des letzten Herzogs von Schwaben gelöst war;1 das Vorhandensein bayrischer Lehen konnte aber der Herzog von Bayern als Lehensherr selbst am besten bezeugen, zum mindesten besser als der Churer Bischof, dem die einschlägigen Tatsachen-es konnte sich nur um kleine inntalische Lehen handeln - auch wenn solche vorlagen, kaum bekannt sein konnten. Warum beschränkte sich jener Angreifer auf die Nennung der zwei Stammesherzogtümer und stellte nicht einfach im allgemeinen die Behauptung auf, Meinhard sei Lehensmann weltlicher Fürsten? Dann ist rätselhaft, weshalb überhaupt (BR 1661) die Frage nach Meinhards Landrecht im Zusammenhang mit der Kärntner Angelegenheit aufgeworfen wurde. Denn diese Frage war für Meinhards Heerschild belanglos. Auch wenn das geforderte Zeugnis dahin gelautet hätte, Meinhard lebe nach bayrischem Recht und gehöre zum Herzogtum Bayern, wäre damit noch nichts gegen Meinhards lehenrechtliche Stellung gesagt gewesen. Denn im Fürstenamte eines Fürsten konnten Fürstengenossen, ja sogar andere Fürsten selbst ihren Sitz haben. Gerade in Bayern traf das zu. 3 Vom lehenrechtlichen Standpunkt ließen sich Meinhards Absichten auf Kärnten mit diesem landrechtlichen Bedenken nicht durchkreuzen.

Ferner erklärt jene Auffassung nicht, weshalb in Bischof Konrads Aussage nur das Lehenverhältnis Meinhards zu Trient,

1 Es besserte dies freilich Meinhards Heerschild nicht, beseitigte aber das entscheidende Hindernis (s. u. 127 und dazu die Ausführungen Fickers, Vom Reichsfürstenstande II 34 f. § 267 über die analoge lehensrechtliche Stellung Rudolfs von Habsburg).

2 S. u. 127-128.

Über den

3 Vgl. Ficker in den Wiener Sitzungsberichten 77, 854 ff. Heerschild der Fürstengenossen vgl. Ficker, Vom Heerschilde 126 ff.

« ZurückWeiter »