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Oskulieren sich zwei Flächen 4, und 4, in einem Punkte P und legt man aus einem beliebigen Punkte L ihrer gemeinsamen Tangentialebene T die beiden Tangentialkegel an sie, so haben deren Berührungskurven b1 und b2 in P die nämliche Tangente. Stellen wir hier ganz die gleiche Betrachtung wie in Nr. 786 an und beachten, daß jetzt die Kurven C1 und Ca in C1 und C2 gleiche Krümmungsradien besitzen, so folgt aus C1B1 = C2B2, daß BB, von der 2. Ord. unendlich klein wird, daß also PB1 und PB, einen unendlich kleinen Winkel einschließen, d. h. daß sich b1 und b2 in P berühren.

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789. Nach 645 sind die Tangenten in einem Punkte einer Fläche 2. Grades einander paarweise zugeordnet, derart, daß jede von ihnen die Achse eines Büschels von Ebenen ist, deren Pole auf der anderen liegen. Diesem Satze kann man auch die folgende Form geben. In jedem Punkte einer Fläche 2. Grades sind die Tangenten einander paarweise so zugeordnet, daß jede Tangente eines Paares von den Berührungskurven aller Tangentialkegel berührt wird, deren Scheitel auf der anderen liegen; die Tangentenpaare bilden eine Involution. Mit Rücksicht auf die beiden voranstehenden Sätze läßt sich dieses Resultat auf alle Flächen ausdehnen und folgendermaßen aussprechen. Bei jeder Fläche ordnen sich die Tangenten in einem beliebigen Punkte in Paare einer Involution an; jede Gerade eines Paares tangiert die Berührungskurven aller Tangentialkegel, deren Scheitel auf der anderen liegen. Je zwei derartige Tangenten heißen konjugiert.

Nach dem soeben Gesagten schneiden sich zwei benachbarte Tangentialebenen einer Fläche in einer Tangente, die zur Verbindungslinie ihrer Berührungspunkte kongugiert ist. Zieht man also auf einer Fläche eine beliebige Kurve und legt in jedem ihrer Punkte die zugehörige Tangentialebene an die Fläche, so umhüllen dieselben eine abwickelbare Fläche, deren Erzeugende zu den Tangenten jener Kurve konjugiert sind.

790. In einem Punkte P einer Fläche bilden die konjugierten Tangenten die Strahlenpaare einer Involution, und es giebt in der zugehörigen Tangentialebene ein System ähnlicher und ähnlich liegender koncentrischer Kegelschnitte, für welche diese konjugierten Tangenten die konjugierten Durchmesser bilden (692). Durch irgend einen Kegelschnitt dieses Systems ist die Involution der konjugierten

Tangenten, welche die Fläche in seinem Mittelpunkte P berühren, bestimmt; ein solcher Kegelschnitt heißt Indikatrix1 des Punktes P, seine konjugierten Durchmesser sind zugleich konjugierte Tangenten der Fläche.

Bei einer Fläche 2. Grades sind die Paare konjugierter Tangenten in einem beliebigen Punkte P parallel zu den Paaren konjugierter Durchmesser eines jeden zur Tangentialebene von P parallelen Schnittes. Denn die Parallelschnitte einer Fläche 2. Grades sind ähnlich und ähnlich gelegen. Verschiebt man eine solche Schnittkurve parallel zu sich selbst in der Richtung des durch P gehenden Durchmessers, bis sie in die Tangentialebene von P gelangt, so wird sie eine Indikatrix des Punktes P. Die konjugierten Tangenten in einem Punkte P einer Fläche können hiernach mit Hilfe einer Fläche 2. Grades V, die jene in P oskuliert, bestimmt werden; sie sind nämlich paarweise parallel zu den konjugierten Durchmessern des zur Tangentialebene in P parallelen Diametralschnittes von Y.

Wir schneiden nun die Flächen und mit einer Ebene, die zur Tangentialebene von P parallel und von ihr nur unendlich wenig entfernt ist, die bezüglichen Schnittkurven seien und i. Von diesen Kurven fassen wir nur ihre in der Nachbarschaft von P liegenden Teile ins Auge und nehmen an, daß die Abstände der auf ihnen liegenden Punkte von P unendlich klein von der 1. Ord. seien. Dann ist das von P auf die Schnittebene gefällte Lot PP' unendlich klein von der 2. Ord. Die Strahlen durch P' treffen aber nach Früherem die Kurven und i in Punkten mit parallelen Tangenten, d. h. ¿ und i sind ähnlich und ähnlich gelegen in Bezug auf P' als Ähnlichkeitscentrum. Da aber und i mindestens zwei reelle Punkte gemein haben (die auf der Schnittkurve s von und liegen), so sind sie identisch, oder vielmehr sie unterscheiden sich in ihren, in der Nachbarschaft von P liegenden Teilen nur um unendlich kleine Größen höherer Ordnung. Legt man zur Ebene, die die Fläche in einem Punkte P berührt, eine parallele unendlich nahe Ebene, so schneidet sie die Fläche in einer Kurve, deren in der Nachbarschaft von Pliegender Teil hinsichtlich seiner Punkte und Tangenten sich mit einem Kegelschnitte deckt; er wird die Indikatrix von ❤ in P genannt, seine Achsen sind unendlich klein und sein

1 Der Begriff der Indikatrix wurde von Dupin eingeführt in seinen: Développements de géométrie, Paris 1813.

Mittelpunkt liegt in P'. Diese Kurve ist es, die von Dupin als Indikatrix eingeführt wurde; da man sie nicht darstellen kann, hat man sie durch einen ähnlichen Kegelschnitt mit endlichen Achsen ersetzt, wie das oben geschehen ist, und auch diesem den Namen Indikatrix gegeben.

791. Die Indikatrix spielt eine besondere Rolle bei der Untersuchung und Konstruktion der Krümmungsradien aller ebenen Schnitte der Fläche in einem ihrer Punkte P. Nach dem Vorausgehenden ist es klar, daß man an Stelle der Fläche

Poskulierende Fläche 2. Grades Y

zu Grunde legen kann.

Denn zu

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eine sie in

να

Sei M der Mittelpunkt

und MP die in der Normalen liegende Halbachse von V und seien

MA und MB ihre beiden anderen

ist ein

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Halbachsen. Ist Pein Punkt von elliptischer Krümmung (470), so ist die Indikatrix eine Ellipse; MA und MB sind die Halbachsen einer zur Indikatrix ähnlichen Ellipse und die Fläche Ellipsoid (Fig. 485 in schiefer Projektion). Ist Pein Punkt von hyperbolischer Krümmung, so stellen MA und MB die reelle und die imaginäre Halbachse einer Hyperbel dar und die Fläche Y ist ein einschaliges Hyperboloid. Man erhält zwei verschiedene Hyperbeln, je nachdem MA oder MB die reelle Halbachse ist (693); sie sind zu den beiden Indikatricen ähnlich, deren Ebenen zu beiden Seiten der Tangentialebene in einem unendlich kleinen Abstande von ihr liegen. Dementsprechend liegt auch M auf der einen oder anderen Seite der Tangentialebene (Fig. 486). Die Asymptoten der beiden end

BOHN u. PAPPERITZ. II.

A,

B1

Fig. 486.

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lichen Hyperbeln sind unter sich und zu den Haupttangenten im Punkte P der Fläche (oder zu den durch P gehenden Erzeugenden von ) parallel. Jedes Paar konjugierter Tangenten wird von den beiden Haupttangenten harmonisch getrennt.

Die Krümmungsradien für die Normalschnitte durch P ergeben sich nun in folgender Weise. Ist q der Kegelschnitt mit den Halbachsen MA und MB und wird er von der Ebene eines Normalschnittes cim Punkte C getroffen, so ist nach 409 im Punkte P von e der Krümmungsradius r = (MC)2: MP. Die beiden Normalschnitte a und b, deren Ebenen durch MA resp. MB gehen, haben die Krümmungsradien: r1 =(MA)2: MP, resp. ±TM1⁄2 (MB)2: MP. Dabei ist das positive oder negative Zeichen zu nehmen, je nachdem r, und r2 die gleiche oder entgegengesetzte Richtung besitzen, d. h. je nachdem die Fläche in P elliptische oder hyperbolische Krümmung aufweist. Die Gleichung von q ist (414):

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=

und die Koordinaten des Punktes C sind: = MC cos q, y=MC sin q, wenn CMA ist; demnach ergiebt sich durch Einsetzen unter Beachtung der Relation (MA)2: (MB)2: (MC)2 = r1::r die Gleichung:

=

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Diese Formel rührt von Euler her und gestattet aus r1, r2 und jeden anderen Krümmungsradius zu konstruieren.

ф

Die Größen r, und r, heißen die Hauptkrümmungsradien von P, die zugehörigen Normalschnitte heißen die Haupt

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schnitte; ihre Ebenen sind

In

R1

R

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R2

zu einander senkrecht. Je zwei Normalschnitte, die zu einem Hauptschnitt symmetrisch liegen, besitzen gleiche Krümmungsradien. Nach der Euler'schen Formel ergiebt sich für sie die folgende Konstruktion (Fig. 487). Man trage auf die Normale n die Strecken PR1 = r1 und PR2 Ꭱ =r, auf, errichte in R, und R2 die Senkrechten auf n und schneide sie mit zwei Strahlen aus P, die mit PR1 und PR2 dieselben Winkel bilden, wie der Normalschnitt mit den bezüglichen

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Fig. 487.

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Hauptschnitten. Die Verbindungslinie dieser Schnittpunkte S1 und
S, trifft die Normale im Endpunkte R des gesuchten Krümmungs-
radius r (SPR1 = 4, 4S, PS1 = R). Offenbar ist:
RR, RR, SR1: SR2,

=

oder: (r) (r— r2) = r1 tg q: r2 cotgp,

oder: (r1 − r)r, cos2 q = (r — r2) r1 sin2 9,

woraus wieder die Euler'sche Formel folgt. Die Figur giebt die Konstruktion für einen elliptisch und einen hyperbolisch gekrümmten Punkt.

792. Wir haben hier zunächst nur die elliptisch und hyperbolisch gekrümmten Teile einer Fläche in Betracht gezogen und wenden uns jetzt den Punkten mit parabolischer Krümmung zu. Diese liegen auf einer Kurve, welche die Gebiete einer Fläche mit elliptischer und die mit hyperbolischer Krümmung voneinander trennt. In einem parabolischen Punkte einer Fläche fallen die beiden Haupttangenten in eine einzige zusammen, durch sie geht der eine Hauptschnitt, sein Krümmungsradius ist unendlich groß; die Ebene des zweiten Hauptschnittes steht natürlich auf der des ersten senkrecht. Unter den Flächen 2. Grades besitzen nur die Cylinder- und Kegelflächen parabolische Punkte, bei diesen ist allerdings die Krümmung in jedem Punkte parabolisch. Als oskulierende Fläche 2. Grades in einem parabolischen Punkte einer beliebigen Fläche können wir den geraden Kreiscylinder wählen, der den Krümmungskreis des einen Hauptschnittes enthält. Er bildet den Übergang zwischen dem oskulierenden Ellipsoid in einem elliptischen Punkte und dem oskulierenden Hyperboloid in einem hyperbolischen Punkte. Wird nämlich die imaginäre Achse dieses Hyperboloides, oder die eine Achse jenes Ellipsoides unendlich groß, so gehen diese Flächen in den Cylinder über. In einem parabolischen Punkte besteht die Indikatrix aus zwei parallelen Geraden, d. h. eine zu seiner Tangentialebene unendlich nahe Ebene schneidet die Fläche in einer Kurve, deren dem parabolischen Punkte benachbarter Teil sich mit zwei unendlich nahen Geraden deckt. Zu jeder Tangente in einem parabolischen Punkte ist immer dieselbe Gerade, nämlich seine Haupttangente, konjugiert. Die Konstruktion der Krümmungsradien der Normalschnitte geschieht wie vorher, nur wird hier R1 und somit auch S1 unendlich fern, so daß SR SP wird.

793. Zur Bestimmung der Krümmungskreise der durch einen Flächenpunkt P gelegten schiefen Schnitte dient der Satz von Meusnier, wonach der Krümmungsradius eines schiefen. Schnittes der Projektion des Krümmungsradius des ihn

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