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fein Landgut, und erzog mich bis in mein fech zehntes Jahr. Ich habe die Worte nicht ver geffen können, die er einmal zu feiner Gemahlinn fagte, als fie ihn fragte, wie er es künftig mit meiner Erziehung wollte gehalten wiffen. Vormittag, fieng er an, foll das Fräulein als ein Mann, und Nachmittags als eine Frau erzogen werden. Meine Mulme hatte mich fehr lieb, zumal weil fie keine Tochter hatte, und fie fah es gar nicht gern, dafs ich, wie ihre jungen Herren, die Sprachen und andere Pedantereyen, wie fie zu reden pflegte, erlernen follte. Sie hätte mich diefer Mühe gern überhoben; allein ihr Gemahl wollte nicht. Fürchten fie fich nicht, fprach er zu ihr, das Fräulein lernt gewifs nicht zu viel. Sie foll nur klug, und går nicht gelehrt werden. Reich ist fie nicht, alfo wird fie niemand, als ein vernünftiger Mann nehmen. Und wenn sie diesem ges fallen, und das Leben leicht machen helfen foll; fo mufs fie klug, gefittet und gefchickt werden. Diefer rechtfchaffene Mann hat keine Koften an mir gefpart; und ich würde gewifs noch etliche Jahre eher vernünftig geworden feyn, wenn feine Frau einige Jahre eher geftorben wäre. Sie hat mich zwar in Wirthschaftsfachen gar nicht unwiffend gelaffen; allein fie fetzte mir zu gleicher Zeit eine Liebe zu einer

fol

folchen Galanterie in den Kopf, bey der man fehr glücklich eine ftolze Närrinn werden kann. Ich war freylich damals noch nicht alt; allein ich war alt genug, eine Eitelkeit an mich zu nehmen, zu der unfer Gefchlecht recht verfehn zu feyn fcheint. Aber zu meinem Glück ftarb meine Frau Baafe, ehe ich noch das zehnte Jahr erreicht hatte, und gab meinem Vetter durch ihren Tod die Freyheit, mich defto forgfältiger zu erziehen, und die übeln Eindrücke wieder auszulöschen, welche ihr Umgang und ihr Beyspiel in mir gemacht hatten. Ich hatte von Natur ein gutes Herz, und er durfte alfo nicht fowohl wider meine Neigungen ftreiten, als fie nur ermuntern. Er lieh mir feinen Verftand, mein Herz recht in Ordnung zu bringen, und lenkte meine Begierde zu gefallen nach und nach von folchen Dingen, die das Aug einnehmen, auf diejenigen, welche die Hoheit der Seele ausmachen. Er fah, dafs ich wufste wie fchön ich war; um desto mehr lehrte er mich den wahren Werth eines Menfchen kennen, und an folchen Eigenfchaften einen Gefchmack finden, die mehr durch einen geheimen Beyfall der Vernunft und des Gewiffens, als durch eine allgemeine Bewundrung belohnet werden. Man glaube ja nicht, dafs er eine hohe und tieffinnige Philofophie mit mir durchgieng.

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(o nein,

gieng. er brachte mir die Religion auf eine vernünftige Art bey, und überführte mich von den groffen Vortheilen der Tugend, welche fie uns in jedem Stande, im Glück und Unglück, im Tode, und nach diefem Leben bringt. Er hatte die Gefchicklichkeit, mir alle diefe Wahrheiten nicht fowohl in das Gedächtnifs, als in den Verstand zu prägen. Und diefen Begriffen, die er mir beybrachte, habe ichs bey reifern Jahren zu verdanken gehabt, dafs ich die Tugend nie als eine befchwerliche Bürde, fondern als die angenehmfte Gefährtinn betrachtet habe, die uns die Reife durch die Welt erleichtern hilft. Ich glaube auch gewiss, dafs die Religion, wenn fie uns vernünftig und gründlich beygebracht wird, unfern Verftand eben fo vortreflich aufklären kann, als fie unfer Herz verbeffert. Und viele Leute würden mehr Verftand zu den ordentlichen Gefchaften des Berufs und zu einer guten Lebensart haben, wenn er durch den Unterricht der Religion wäre gefchärft worden. Ich durfte meinem Vetter nichts auf fein Wort glauben, ja er befahl mir in Dingen, die noch über meinen Verftand waren, fo lange zu zweifeln, bis ich mehr Einficht bekommen würde. Mit einem Worte, mein Vetter lehrte mich nicht die Weisheit, mit der wir in Gesellschaft prahlen, oder wenn

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es hoch kömmt, unfere Ehrbegierde einige Zeit ftillen, fondern die von dem Verftande in das Herz dringt, und uns gefittet, liebreich, grossmüthig, gelaffen, und im Stillen ruhig macht. Ich würde nichts anders thun, als beweifen, dafs mein Vetter feine guten Abfichten sehr fchlecht bey mir erreicht hätte, wenn ich mir alle diefe fchönen Eigenschaften beylegen, und fie als meinen Character den Lefern aufdringen wollte. Es wird am beften feyn, wenn ich mich weder lobe noch tadle, und es auf die Gerechtigkeit der Lefer ankommen laffe, was fie fich aus meiner Gefchichte für einen Begriff von meiner Gemüthsart machen wollen. Ich fürchte, wenn ich meine Tugenden und Schwachheiten noch fo aufrichtig bestimmte, dass ich doch dem Verdachte der Eigenliebe, oder dem Vorwurfe einer ftolzen Demuth, nicht würde entgehen können.

Ich war fechzehn Jahr alt, da ich an den Schwedischen Grafen von G. verheyrathet wurde. Mit dieser Heyrath gieng es folgendermaffen zu: Der Graf hatte in dem Liefländifchen Güter, und zwar lagen fie nahe an meines Vetters Ritterfitze. Das Jahr vor meiner Heyrath hatte. der Graf nebft seinem Vater eine Reife auf diese Güter gethan. Er hatte mich etliche male bey AS mei

meinem Vetter gefehen und gefprochen.

Ich hatte ihm gefallen, ohne mich darum zu beftreben. Ich war ein armes Fräulein; wie konnte ich alfo auf die Gedanken kommen, einen Gra fen zu feffeln, der fehr reich, fehr wohlgebil det, angefehen bey Hofe, schon ein Obrifter über ein Régiment, und vielleicht bey einer Prinzeffinn willkommen war? Doch dass ich ihm nicht habe gefallen wollen, ift unstreitig mein Glück gewefen. Ich that gelaffen und frey gegen ihn, weil ich mir keine Rechnung auf fein Herz machte, anftatt dafs ich vielleicht ein ge zwungenes und ängftliches Wefen an mich genommen haben würde, wenn ich ihm hatte koftbar vorkommen wollen. In der That gefiel ér mir im Herzen fehr wohl;

allein fo fehr ich

mir ihn heimlich wünschen möchte: fo hielt ichs doch für unmöglich ihn zu befitzen.

Nach einem Jahre fchrieb er an mich, und der ganze Innhalt feines Briefs befund darinne: ob ich mich entfchlieffen könnte, feine' Gemahlinn zu werden, und ihm nach Schweden zu folgen. Sein Herz war mir unbefchreiblich angenehm, und die grofsmüthige Art, mit der er mirs anbot, machte mirs noch angenehmer. Es giebt eine gewiffe Art, einem zu fagen, dafs man ihn Hebt, welche ganz bezaubernd it.

Der

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