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Entwickelung der feindlichen Absichten abzuwarten und der Armee einige Ruhe in Kantonnements zu gewähren.

In der Nacht zum 21. Auguft erfolgte der Befehl zur Räumung des Lagers von Chalons und am 21. früh traten die daselbst versammelten Truppen ihren Marsch nach Reims an. Die Räumung des Lagers kam so unerwartet, daß nichts vorbereitet war, die dort angehäuften Massen von Lebensmitteln, Fourage, Bekleidungsstücken nach Paris zurückzuschaffen. Die als Arrieregarde zurückgelassene Kavallerie-Division erhielt den Auftrag, alle diese Gegenstände zu vernichten und das Lager selbst abzubrennen. Auch wurden die noch nicht eingetroffene Division Goze und eine Brigade der Division L'Abadie des V. Korps, sowie das ganze VII. Korps nicht abgewartet; vielmehr mußten diese Truppen, ohne im Lager anzuhalten und für ihre höchst nothwendige Retablirung auch nur das geringste thun zu können, auf der Eisenbahn nach Reims nachbefördert werden.

Am 20. Abends waren aber die deutschen, in westlicher Richtung vorrückenden Armeen noch weit entfernt, die Maas-Armee erst bis zur Linie Fléville—Jean de Lize—Hannonville, die III. Armee erft bis an den Ornain gelangt, befanden sich mithin noch in einer Entfernung von 15 resp. 13 Meilen von Chalons. Eine zwingende Nothwendigkeit zu der mit so großen Verlusten an Material ver bundenen übereilten Räumung des Lagers von Chalons lag daher durchaus nicht vor. Offenbar hatten also die französischen Befehlshaber von unsern Heeren so gut wie keine Nachrichten.

Bei Reims verharrte die Armee des Marschalls Mac Mahon zwei Tage, den 21. und 22., die allerdings erforderlich waren, die zum Theil erst am 22. früh dort eintreffenden Truppen des VII. Korps für Fortsetzung der Operationen nothdürftig in Stand zu setzen.

Auch in Paris war der plößlich gefaßte Beschluß Mac Mahon's, das Lager von Chalons zu verlassen, so wenig bekannt, daß der Präsident des Senats, Rouher, welcher sich den 20. Abends nach Chalons begab, um den Kaiser von der Idee eines Rückzugs auf Paris abzubringen, erst im Lager erfuhr, daß die Armee bereits nach Reims abmarschirt sei und daher derselben dahin nacheilen mußte.

Nach langem Schwanken entschied sich Marschall Mac Mahon am 22. August früh dahin, seine militairischen Bedenken gegen eine Operation zur Befreiung der Rhein-Armee aufzugeben. Großen Einfluß auf diesen Entschluß mag ein Telegramm des Kriegsministers

an den Kaiser vom 22. gehabt haben, in welchem Graf Palikao sagt: „Kommen wir Bazaine nicht zur Hülfe, haben wir in Paris das Schlimmste zu erwarten. Man müßte voraussetzen, daß im Hinblick auf dieses Unglück die Hauptstadt sich nicht vertheidigen wird." Er meldete telegraphisch nach Paris, daß er am 23. den Marsch auf Montmédy antreten würde. Mit diesem Telegramm freuzte sich eine vom Ministerrath in Paris an den Marschall ab= gesandte telegraphische Depesche, in welcher diesem die Operation zur Befreiung des Marschalls Bazaine aus politischen Gründen nochmals dringend anempfohlen wurde.*)

Zwei kostbare Tage waren aber bereits zum Beginn dieser Operation verloren gegangen, die überhaupt nur einige Aussicht auf Erfolg hätte haben können, wenn sie mit rastloser Energie und Schnelligkeit durch die Argonnen in der Richtung auf Verdun durchgeführt worden wäre, um die Maas-Armee mit überlegenen Kräften anzugreifen und zurück zu schlagen, bevor die entfernte III. Armee zu ihrer Unterstüßung herbeizueilen im Stande war. Durch den Marsch nach Reims hatte sich der Marschall von der direkten Richtung über Verdun nach Mez um einen vollen Marschtag entfernt; er entschloß sich daher, die Argonnen nur zu beobachten, mit der Armee aber nördlich derselben in der Richtung auf Montmedy vorzudringen.

Durch die Wahl dieser Operationslinie wurde zwar die Besorgniß, auf dem Marsch durch die III. Armee in der Flanke angegriffen zu werden, bevor es gelang, die Maas-Armee zurückzuwerfen, etwas weiter hinausgerückt, dagegen die weit größere Gefahr heraufbeschworen, im Falle des Mißlingens gegen die belgische Grenze zurückgedrängt zu werden.

Bei Beginn der Operationen der Armee von Chalons hatten die einzelnen Korps derselben folgende Stärke:

*) Marschall Mac Mahon forderte am 22. gleichzeitig die Kommandanten von Verdun und Montmédy, sowie den Maire von Longyon auf, eine Depesche an Marschall Bazaine weiter zu befördern, in welcher er denselben benachrichtigte, daß er in Reims wäre, den Marsch auf Montmédy antreten würde, am 24. die Aisne zu erreichen hoffe, und von da aus den Umständen gemäß operiren wolle, um Bazaine zu Hilfe zu kommen. Diese Depesche scheint jedoch nicht in die Hände des Marschalls Bazaine gelangt zu sein, obschon Marschall Mac Mahon anempfahl 5 oder 6 Emissaire mit derselben abzuschicken und ihnen jede geforderte Summe dafür zu zahlen.

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Außer den beiden Reserve - Kavallerie-Divisionen befanden sich noch folgende, den einzelnen Korps zugetheilte Kavallerie - Divisionen bei der Armee, die Division Duhesne (I. Korps), die Division Brahaut, jedoch nur 14 Eskadrons stark, (V. Korps), die halbe Division Ameil (die 1. Kavallerie-Brigade Cambriel) (VII. Korps) und die Division Salignac-Fénelon (XII. Korps). Der Marschall besaß daher eine zahlreiche Kavallerie, die ihn in Stand gesetzt haben würde, die einzelnen Kavallerie-Divisionen nach allen Richtungen weit vorzupoussiren, um die Bewegungen seiner Armee dem Feinde zu verschleiern und sich dagegen genaue Kunde von den Gegenmaßregeln der Deutschen zu verschaffen. Es geschah dies aber nicht; nur die beiden Reserve-Kavallerie-Divisionen wurden anfangs zu diesem Zweck auf den Flügeln verwandt, die andern Kavallerie-Divisionen verblieben nach wie vor den einzelnen Korps - Kommandeuren zur Verfügung, so daß sich auf keinem Punkt des Operationsfeldes die große numerische Ueberlegenheit der französischen Kavallerie geltend machen fonnte.

Um der Operation der Armee von Chalons zwei Stützpunkte zu geben, ordnete der Kriegsminister Palikao an, daß von dem in Paris neuformirten XIII. Korps (General Vinoy) die Division Créa (10,000 Mann) nach Reims, der Rest des Korps (22,000 Mann) nach Mézieres auf der Eisenbahn transportirt werden sollte.

Am 23. August rückte die Armee von Chalons in 4 Kolonnen von Reims bis an die Suippe vor (3 Meilen), auf dem rechten Flügel das VII. Korps nach St. Martin und Dontrien, in der Mitte das I. Korps nach St. Hilaire le Petit und Bétigniville und das V. Korps nach Pont Faverget und Selles, auf dem linken Flügel das XII. Korps nach St. Masme und Heutrégeville. Als Avantgarde wurde die Kavallerie-Division Margueritte nach Monthois vorgeschoben, um die Defileen der Argonnen zu beobachten.

Die

Deckung auf dem rechten Flügel übernahm die Kavallerie - Divifion Bonnemain in Auberive.*)

Gleich bei diesem ersten Vormarsch zeigte sich die Unzulänglichfeit und Schwerfälligkeit der französischen Intendanz hinsichts der Verpflegung in so hohem Maaße, daß Marschall Mac Mahon sich veranlaßt sah, um sich den Hilfsmitteln der Eisenbahn zu nähern, noch weiter nördlich nach Rethel auszubiegen, wodurch abermals ein Tag des eigentlichen Vorrückens nach Nordosten verloren ging.**) Die beiden Korps des linken Flügels (das XII. und V. Korps) marschirten am 24. August nach Rethel, während auf dem rechten Flügel das I. Korps nach Juniville, das VII. Korps nach Contreuve vorrückte. Die Kavallerie - Division Margueritte blieb bei Monthois stehen, wogegen die Kavallerie-Division Bonnemain vom rechten nach dem linken Flügel gezogen wurde und am 24. nach Pont-Faverget an der Suippe rückte.***)

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Bei Rethel blieben am 25. August das V. und XII. Korps stehen; ebendahin wurde die Reserve-Kavallerie-Division Bonnemain dirigirt. Die beiden rechten Flügel-Korps wurden bis zur Aisne vorgeschoben, das I. Korps nach Attigny, das VII. Korps nach Bouziers, die Kavallerie Division Margueritte nach le Chêne. Es war daher an diesem Tage die Armee von Chalons in zwei Linien in der Richtung auf Montmédy formirt, in der ersten das I. und VII. Korps mit der als Avantgarde vorausgeschickten Kavallerie Division Margueritte, in der zweiten Linie, zwei Meilen hinter dem linken Flügel, das V., XII. Korps und die KavallerieDivision Bonnemain.

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*) Bisher hatte die Kavallerie-Division Fénelon des XII. Korps die Aufgabe gehabt die Gegend zwischen den Straßen von Chalons nach Vitry und nach St. Menehould aufzuklären. Am 23. wurde diese Division auf den rechten Flügel zusammengezogen und stieß wieder zum XII. Armee-Korps auf dem äußersten linken Flügel.

**) Die Militair-Intendanz hatte alle Vorräthe in Reims angehäuft, ohne im mindesten etwas für die Etablirung kleiner Magazine auf den Marschlinien der Truppen zu thun.

***) Aus Rethel tetegraphirte der Marschall an den Kriegs-Minister zu Paris, am 24, daß es bei den vorauszusehenden großen Schwierigkeiten hinsichts der Verpflegung nothwendig sei, Fourage und Brod, in der Höhe von ungefähr 2 Millionen Rationen nach Mézières zu dirigiren.

Dadurch, daß auch die Kavallerie-Division Margueritte vom rechten Flügel fortgezogen worden, war die rechte Flanke des VII. Korps, in der gerade die wichtigen Argonnenpässe lagen, entblößt und mußte durch die Kavallerie dieses Korps, welche nur eine einzige Kavallerie-Brigade zählte, gedeckt werden. Dagegen befand sich die andere Reserve-Kavallerie-Division auf dem linken Flügel der 2. Linie ohne alle momentane Verwendung.

Das Schwanken in den Entschlüssen der Oberleitung, die dadurch verschuldeten ermüdenden Märsche und Kontremärsche konnten das ohnehin erschütterte Vertrauen der Soldaten der Armee von Chalons zu ihren Vorgesetzten nicht wieder herstellen; Mißmuth und Insubordination machten sich in bedenklichster Weise geltend*), zumal für die Verpflegung so mangelhaft gesorgt worden war, daß die Soldaten zu eigenmächtigen Requisitionen schreiten mußten. In großen Haufen sonderten sich Nachzügler von ihren Truppenkorps ab und durchstreiften die Gegend im Rücken der Armee, ein Schrecken der Landbewohner und ein gefahrdrohendes Symptom der überhand nehmenden Indisciplin.

Damit schwanden, immer mehr die Aussichten einer erfolgreichen Durchführung des dem Marschall Mac Mahon von Paris aus aufgebürdeten überkühnen Operationsplans, und zwar um so mehr, als die Oberleitung der deutschen Armeen rechtzeitig, energisch und mit strategischem Scharfblick die Gegenmaßregeln traf, um diesem kecken feindlichen Unternehmen mit aller Macht entgegenzutreten.

Der am 25. Auguft im großen Hauptquartier der deutschen Armeen entworfene neue Operationsplan.

Das Hauptquartier des Königs befand sich am 25. in Bar le Duc. Verschiedene Anzeichen deuteten darauf hin, daß die Armee des Marschalls Mac Mahon bei Chalons nicht Stand zu halten beabsichtige. Die Pariser Zeitungen brachten die Nachricht, daß in der gesetzgebenden Versammlung in leidenschaftlichen Reden darauf

*) Schon bei Antritt des Marsches von Reims zeigte sich die Zügellosigkeit einzelner Truppentheile. Fast unter den Augen ihrer höchsten Vorgesetzten plünderten die Soldaten in großen Schaaren einen zur Abfahrt bereiten Eisenbahnzug und schonten dabei auch nicht das Eigenthum ihres Kaisers.

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