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ASTORBENOS AND

TILDEN TOODATIONS

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Bur Nachricht.

Zunächst muß ich meine geehrten Leser um Entschuldigung bitten, daß sich das Erscheinen dieses dritten Heftes länger verzögert hat, als ich es selbst sehn lichst gewünscht und gehofft.

Bei meiner Arbeit glaubte ich mich nicht darauf beschränken zu dürfen, leicht hin zusammengefügte Schilderungen des Krieges zu liefern und in Bezug auf die Gefechte und Schlachten die bisher veröffentlichten offiziellen militairischen Be richte einfach an einander zu reihen. Meine Absicht geht vielmehr dahin den innern Zusammenhang der Kriegsereignisse Schritt vor Schritt zu verfolgen und möglichst klar und anschaulich darzulegen, was nur durch sorgfältige Sichtung und zweckmäßige Gruppirung des angehäuften und fast täglich wachsenden kriegs geschichtlichen Materials ermöglicht wird.

Es fonnte daher nicht fehlen, daß ich bei meiner Bearbeitung des Krieges in diesem Sinne vielfach auf bedeutende Lücken in den bisherigen Darstellungen und bis jetzt veröffentlichten offiziellen Aktenstücken gestoßen bin, deren Ausfüllung und Aufklärung oft viel Mühe, Arbeit und Zeit erforderte.

So wird z. B. in den mir zahlreich vorliegenden Schriften über den Krieg der Vormarsch der III. Armee durch die Vogesen nach der Schlacht bei Wörth nur ganz kurz berührt und seltsamer Weise meist so dargestellt, als ob derfelbe nur auf einer Straße stattgefunden hätte. Dieser Vormarsch in 5 gesonderten Hauptkolonnen auf verschiedenen Straßen ist aber in allen seinen Einzelheiten ein wahres Meisterstück strategischer Kombination, daher ich es für Pflicht gehalten habe, ausführlich darüber zu berichten und diesen Marsch auch auf einer Karte durch Einzeichnung der Marschlinien noch besonders anschaulich zu machen. Ebenso bin ich in Stand gesetzt worden über die Schlachten um Metz mehreres Neues zu bringen, namentlich, was den Antheil des II. Armee-Korps an der Schlacht vom 18. August betrifft.

Das dritte Heft schließt mit der Schlacht bei Verneville-St. Privat - Grave lotte; das vierte Heft, dessen Ausgabe möglichst beschleunigt werden soll, wird die Schlacht bei Sedan, die Belagerung und Kapitulation von Straßburg um fassen und außer einer Operationsfarte, Pläne zur Schlacht von Sedan und Be Lagerung von Straßburg bringen. Damit wird der I. Theil abschließen und dem II. Theil der Krieg gegen das republikanische Frankreich vorbehalten bleiben. In bereitwilligster Weise sind mir bei Bearbeitung meines Werks von hochacht barer Seite schäßenswerthe, bisher zum Theil noch nicht zur Deffentlichkeit gelangte Materialien zugegangen, wofür ich meinen aufrichtigsten Dank auszu sprechen nicht verfehle, da diese Mittheilungen meine Arbeit wesentlich gefördert haben.

Unter diesen gütigen Mittheilungen befindet sich auch eine revidirte und ver vollständigte Ordre de bataille der Königlich Bayerischen Armee, welche, da sie mehrere Abweichungen von der mit dem 1. Heft in der Beilage 3 mitgetheilten Ordre de bataille enthält, ich vollständig diesem Heft als Beilage 4 hinzuzu fügen nicht ermangele.

Auch meine Bitte um Berichtigungen einzelner Angaben in den beiden ersten Heften ist von mehreren Seiten freundlichst erfüllt worden. Indem ich für diese Unterstützung gleichfalls verbindlichst danke, bitte ich ganz ergebenst, mich in gleicher Weise auch auf etwaige Irrthümer in diesem dritten Heft gefälligst aufmerksam machen zu wollen.

Wie bisher, so werde ich auch künftighin diese Berichtigungen auf dem innern Umschlage des Heftes zur Kenntniß meiner Leser zu bringen nicht verfehlen.

Borbftaedt.

Weitere Folgen der französischen Niederlagen am 6. August bei Saarbrücken und Wörth: Zurücktritt des Ministeriums Ollivier in Paris und des Kaisers Napoleon vom OberKommando der Armee.

Die Trauerbotschaften der französischen Niederlagen am 4. und 6. August erreichten Paris spät und gleichsam nur brockenweis nach und nach. Am 6. August lebte man in der Hauptstadt noch in voller Siegeszuversicht. Eine an diesem Tage mit Ostentation an der Börse bekannt gemachte Siegesdepesche: Großer Sieg: 70,000 Franzosen gegen 120,000 Preußen, 25,000 Gefangene, darunter Prinz Friedrich Carl. Landau in unseren Händen“ fand daher leicht vollen Glauben. Die Nachricht von dem errungenen großen Siege verbreitete sich blitzschnell in der ganzen Stadt; da es bei den Franzosen in solchen Momenten der Exaltation an theatralischen Effekten nie fehlen darf, wurden auf den Straßen die beliebtesten Sänger und Sängerinnen des Theaters angehalten und aufgefordert die Marseillaise zu singen, in welchen Gesang sodann das Volk im Chor mit einstimmte. Die Regierung beeilte sich in einer Depesche an den Börsenvorstand das vermeintliche Sieges-Telegramm als das zu bezeichnen, was es in der That war, als eine Börsenspekulation, welcher nichts Thatsächliches zum Grunde lag. Dieser Widerruf veranlaßte an der Börse, wo in Folge der angeschlagenen Siegesdepesche bereits viele große Geschäfte abge= schlossen waren, die heftigsten Scenen, und führte zu so bedrohlichen Tumulten, daß die Börse, geschlossen werden mußte. In den entfernten Stadttheilen währte jedoch der Siegestaumel noch fort, bis die Abendblätter die ernüchternde, aber auch erbitternde Nachricht brachten, daß ganz Paris in schmählicher Weise von einem verschmitten Börsenspekulanten dupirt worden sei. Zahlreiche, aufgeregte Volksmassen zogen nach dem Palais des Staatsministeriums, woselbst es dem Minister Ollivier nur mit großer Mühe und nicht ohne Einschreiten der Sicherheitsbeamten gelang, die Massen zum Auseinandergehen zu bewegen, indem ihnen zugesichert wurde, daß der Schuldige streng bestraft und dafür gesorgt werden sollte, ähnliche verbrecherische Täuschungen nicht wieder vorkommen zu lassen.

Borbstaedt. Der deutsch-franz. Krieg.

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Noch am Abend dieses tumultuarischen Tages wurden die Pariser in einer Proklamation des gesammten Ministeriums aufgefordert, Ruhe und Ordnung in der Stadt aufrecht zu erhalten und ihnen zugleich das feierliche Versprechen ertheilt, daß jede der Regierung zugehende bestimmte Nachricht vom Kriegsschauplate, möge sie gut oder schlecht sein, unverzüglich veröffentlicht werden solle.

In der Nacht zum 7. August erhielt die Regierung in Paris die erste, um Mitternacht aus Metz abgesandte telegraphische Depesche des Kaisers: „Mac Mahon hat eine Schlacht verloren. Frossard ist an der Saar genöthigt worden, sich zurückzuziehen. Der Rückzug vollzog sich in guter Ordnung. Es kann noch Alles wieder in's richtige Geleise kommen," scheute sich aber unerachtet des kurz vorher bestimmt gegebenen Versprechens, sofort mit der vollen Wahrheit her vorzutreten. Das Journal officiel schwächte diese positive Nachricht in unbestimmten Phrasen ab, indem es meldete: General Frossard ist im Rückzuge begriffen. Details fehlen. Es scheint fast, der Feind will uns auf unserm Territorium eine Schlacht anbieten. Es würde dies große strategische Vortheile für uns haben." Dies war der erste bedenkliche Schritt auf dem Wege der absichtlichen Volkstäuschung; nicht nur das Ministerium Ollivier verfolgte dieses, jegliches Vertrauen zur Regierung untergrabende Täuschungssystem, sondern auch alle folgenden Ministerien und Regierungen in Frankreich griffen zu demselben, trotz aller trüben Erfahrungen ihrer unmittelbaren Vorgänger und zwar in einem sich immer steigerndem Maaße, zu ihrem eigenen und der ganzen Nation Verderben.

Jedoch schon am 7. August erkannten die Kaiserin und das Ministerium Ollivier den vollen Ernst der Lage auf dem Kriegsschauplate. Die Kaiserin-Regentin begab sich früh Morgens von St. Cloud nach den Tuilerien und erließ am Vormittage eine Proklamation an die Franzosen, in welcher sie zugestand, daß der Beginn des Krieges für Frankreich ungünstig gewesen und die französischen Waffen eine (?) Niederlage erlitten hätten. Sie forderte auf, fest zu sein, die Ordnung aufrecht zu erhalten, da „diese stören, nichts Anderes wäre, als mit unseren Feinden konspiriren." Sie beschwor alle Franzosen, sich unter der Fahne der nationalen Ehre zu sammeln und fügte die Versicherung hinzu: „Treu meiner Mission und meiner Pflicht, werdet Ihr mich als die Erste bei jeder Gefahr sehen, wo es gilt, die Fahne Frankreichs zu vertheidigen." Das Ministerium blieb den ganzen Tag in Permanenz versammelt und es wurden in einem Minister

Conseil wichtige Beschlüsse gefaßt, welche die Regentin guthieß. Der Senat und der gesetzgebende Körper sollten sofort zum 11. August einberufen, das Scine-Departement in Belagerungszustand erklärt, und eine Proklamation Seitens des Ministeriums erlassen werden. Im Laufe des Tages wurden mehrere Telegramme aus Met veröffentlicht, welche Einzelnes über die Gefechte bei Forbach und Fröschwiller mittheilten, jedoch selbst eingestanden, daß namentlich die Nachrichten über die letztere Schlacht bis dahin noch sehr unbestimmt wären. Einen thatsächlichen Belag zu dieser Versicherung lieferte das kaiserliche Telegramm vom 7. August, Morgens 6 Uhr, indem darin unter andern gesagt wurde: „auch sollen (bei Fröschwiller) die Preußen Mitrailleusen gehabt haben, mit denen sie uns vielen Schaden zufügten.“

Die in der Nacht zum 8. August publizirte Proklamation des Ministeriums begann mit den sehr anzuzweifelnden Worten: „Jezt Franzosen, haben wir Euch die volle Wahrheit gesagt, jetzt ist es an Euch, Eure Pflicht zu thun." Es wird die Erhebung des ganzen Volkes gefordert, um großen Kämpfen Stand zu halten. „Ziehen wir uns auf uns selbst zurück und mögen die Eroberer gegen einen Wall von menschlichen Leibern anstürmen!" Die Niederlagen werden zwar zwischen den Zeilen zngestanden, da es heißt: Wie es im Jahre 1792 und wie es bei Sebastopol gewesen, so mögen auch jetzt unsere Niederlagen nur eine Schule der Siege sein," andererseits aber wird das System der Täuschung fortgesetzt, indem versichert wird: Einige unserer Regimenter sind unterlegen*), unsere ganze Armee ist noch nicht besiegt."

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Am 8. August vermehrte sich die Aufregung in Paris von Stunde zu Stunde. Das Volk verlangte Waffen und eine von Deputirten der Linken verfaßte Adresse drang auf sofortige Organisirung und Bewaffnung der Nationalgarde. Das Ministerium gab dieser Forderung nach und erließ ein Dekret, durch welches alle diensttauglichen Bürger zwischen 30 und 40 Jahren, sowie alle diejenigen unter 30 Jahren, welche noch nicht der Mobilgarde angehörten, zur Nationalgarde einberufen wurden, um bei der Vertheidigung der Hauptstadt zur Verwendung zu kommen. Gleichzeitig wurden außer dem.

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*) In Wirklichkeit zählten die einige unterlegenen Regimenter" 36 Jn. fanterie-, 17 Kavallerie-Regimenter und 10 Jäger Bataillone, betrugen mithin etwa 1/4 der gesammten Armee!

Seine-Departement auch die Departements der Militair-Divisionen Lille, Chalons, Straßburg, Lyon in Belagerungszustand erklärt und die Kammern schon zum folgenden Tage, den 9., zusammenberufen.

Das am Abend des 8. August ausgegebene,,Journal officiel" ließ das Trostlose der Lage Frankreichs durchblicken und stellte dem stolzen und so übermüthigen Frankreich das Armuthszengniß aus, daß dieser erste und größte Militairstaat Europas ohne fremde Unter stützung dem Kampfe gegen das bis dahin so geringschäßig behandelte, nunmehr geeinigte Deutschland, sich nicht gewachsen fühle. In scheinheilig perfider Weise wurde den europäischen Groß- und Klein-Staaten nachgewiesen, mit welchen Gefahren sie Alle durch das Vordringen des Germanenthums bedroht würden. Ihr eigener Vortheil erheische es daher, Frankreich bei der Wahrung des europäischen Gleichgewichts durch Allianzen oder Sympathien zu unterstüßen, damit nicht ganz Europa dem preußischen Despotismus zur Beute werde. Für die leichtgläubigen Franzosen wurde die Versicherung hinzugefügt: daß in England, Dänemark, Schweden schon Anzeichen der gewünschten Wendung vorlägen, daß Oesterreich und Italien bereits rüsteten.

Die französischen Minister, welche den Frieden in Europa_muthwillig gebrochen, ohne Rücksicht auf das Europäische Gleichgewicht die Niederwerfung und Demüthigung Preußens, die Eroberung der Rheinlande als französisch-nationales Programm aufgestellt hatten, entblödeten sich nicht, sich nunmehr mit frecher Stirn als Hüter und Beschüßer europäischer Freiheit aufzuwerfen, um einen anständigen Vorwand zu haben, für Frankreich in dessen leichtfertig selbst her beigeführter ernsten Bedrängniß Beistand und Bündniß von den europäischen Mächten zu erbetteln. Alle diese, den französischen Nationalstolz schwer kompromittirenden Versuche, alle sich daran anschließenden und troß aller Abweisungen immer auf's Neue wiederholten Bemühungen französischer Diplomaten scheiterten aber bei den fremden Kabinetten allüberall, und das übermüthige, stolze, jest um Hülfe flehende Frankreich erkannte nur zu spät, daß es sich nicht nur Hinsichts seiner eigenen militairischen Streitkräfte, sondern auch hinsichts seines unwiderstehbaren Einflusses auf andere europäische Mächte, selbstgefällig trügerischen Illusionen hingegeben hatte.

Als am 9. August die Kammern in Paris ihre Sizungen eröffneten, wurden ihnen zunächst wichtige Gesetzesvorlagen der Regierung vorgelegt: Aushebung in Masse, da das Vaterland in Gefahr sei, Organisirung der Nationalgarde, Einverleibung eines Theils der

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