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Strategischer Aufmarsch der deutschen und französischen

Armee.

(Hierzu Karte 1 der Beilage.)

Deutscherseits wollte man jedes vereinzelte Engagement vermeiden, bis sich die verschiedenen Armeen konzentrirt und formirt haben würden, mau also mit vollständig geordneten Kräften die Offensive ergreifen konnte. Die I. Armee sollte sich in der Gegend von Trier, die II. Armee auf der Linie Bingen-Alzey-Mannheim, die III. Armee bei Landau und Germersheim versammeln.

Von der I. Armee wurde das VII. Armee - Korps auf der Eisenbahn über Köln und Düren bis Kall, dem Endpunkte der noch nicht vollendeten Eifelbahn, befördert und hatte von hier bis Trier einen Fußmarsch von 12 Meilen zurückzugelegen. Das am Rhein garnisonirende VIII. Armee - Korps war, da die längst projektirte Moselbahn noch nicht existirt, fast ausschließlich auf den Fußmarsch angewiesen, der von Koblenz bis in die Gegend von Trier 17 Meilen betragt. Von Trier bis Saarbrücken, der nächsten Bestimmung der I. Armee, waren noch 9 Meilen zurückzulegen. Jedenfalls hätten beide Korps um mehrere Tage früher an der Saar eintreffen können, wenn ihnen die ausgiebige Benutzung von Eisenbahnen möglich gewesen wäre; die Lücken des Eisenbahnnezes auf dem linksrheinischen Ufer der Rheinproving machten sich daher sehr fühlbar und wären noch nachtheiliger geworden, wenn die Franzosen bald nach Beginn des Krieges einen Vorstoß gegen Trier hätten machen können.

Die II. Armee hätte die ihr zu Gebote stehenden Eisenbahnen, die Nahebahn und die Bahn über Homburg, welche sich bei Neuenkirchen mit der ersteren vereinigt, an und für sich bis nahe an die französische Grenze benutzen können. Die Möglichkeit eines inzwischen aber etwa erfolgenden Vorstoßes der Franzosen mit den an der Grenze versammelten Korps gebot aber die Vorsicht, in der ersten Zeit die auf den deutschen Eisenbahnen eintreffenden Korps schon am

Rhein auszuschiffen, um die so weit vorpoussirten Truppen nicht etwa Echecs im Einzelnen auszusetzen oder gleich bei Beginn des Feldzuges mit den vordersten Truppen zu rückgängigen Bewegungen gezwungen zu werden. Erst nach und nach, nach Maßgabe des Vorrückens der zuerst konzentrirten Truppen konnte man die Ausschiffungspunkte ohne Gefahr weiter hinausschieben. Am 30. Juli verlegte Prinz Friedrich Karl sein Hauptquartier von Mainz nach Alzey, 4 Meilen vorwärts. Auf dieser Linie sammelte sich zu Ende Juli und Anfangs August die verschiedenen Korps der II. Armee und zwar: das III. Armee-Korps westlich von Alzey, dahinter auf dem rechten Flügel das X. und XII. Armee - Korps, auf dem linken Flügel das IV. und IX. Armee - Korps, auf dem äußersten linken Flügel das Garde-Korps bei Mannheim. Die 5. und 6. Kavallerie - Division waren bis in die Gegend von Kaiserslautern vorpoussirt. Am 2. August rückte in erster Linie das III. ArmeeKorps nach Meisenheim, das IV. Armee-Korps nach Winnweiler vor, während die übrigen Korps noch in ihren Kantonnements verblieben und sich formirten. Die 5. und 6. Kavallerie Brigade marschirten bis in die Gegend von Homburg.

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Die III. Armee sammelte sich Anfangs August in der Rheinpfalz zwischen Landau und Germersheim, mit dem 2. Bayerischen Korps auf dem rechten, dem 1. Bayerischen Korps auf dem linken Flügel, in der Mitte und dahinter das V. und XI. Armee-Korps, sowie die Württembergische Division. Die Badensche Feld-Division blieb vorläufig noch auf dem rechten Rheinufer zwischen Rastatt und Karlsruhe stehen.

Seitdem sich also Anfangs August die drei deutschen Armeen in drei konzentrirten Massen auf dem linken Rheinufer vereinigten, war die Absicht offenbar, daß man fern davon, Deutschland am Rhein vertheidigen zu wollen, sie zu einer kräftigen Offensive und zur Invasion in Feindesland bereit stellte. Eine zuwartende defensive Haltung mußte nur so lange angenommen und festgehalten werden, bis die Konzentration und der Aufmarsch der Armeen in sich vollendet

waren.

Die II. Armee hatte bis zur französischen Grenze den weitesten. Weg (13 Meilen) zurückzulegen und zwar in einem befreundeten, aber an Subsistenzmitteln nicht reichen Lande. Die Verpflegung der südwestlich von Mainz angesammelten großen Truppenmassen machte große Schwierigkeiten, da aus Deutschland keine Vorräthe herange

Borbstaedt. Der deutsch-franz. Krieg.

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schafft werden konnten, so lange noch die Eisenbahnen ausschließlich für den Truppentransport beansprucht werden mußten. Dem Mangel einer geregelten Magazinverpflegung wurde aber dadurch abgeholfen, daß die einzelnen Korps, ja einzelne Truppentheile ermächtigt wurden, die erforderlichen Verpflegungsbedürfnisse aus freier Hand in ihren Kantonnirungsrayons zu beschaffen. Es gelang auf diese Weise, nicht nur den Lebensunterhalt der Truppen während der Zeit des Kantonnirens zu decken, sondern auch Wagenzüge mit Proviant zusammenzustellen, welche den durch die Rheinpfalz vorrückenden Korps und Divisionen unmittelbar folgen sollten.

Die französische Armee schien Ende Juli bereits jeden Gedanken. an Offensive, Einfall in deutsches Gebiet oder wohl gar Rheinübergang aufgegeben zu haben, als sie sich Anfangs August zu einer Of fensivbewegung aufraffte, die sie jedoch nur bis an die Saar brachte. Sie nahm zu dieser Zeit, dem Bogen der Grenzlinie folgend, eine Art Defensivstellung dicht an derselben ein. Auf dem linken Flügel war das IV. Korps bei Thionville stehen geblieben, poussirte aber nach Sierck vor, das III. Korps wurde von Metz nach Boulay und das II. Korps von St. Avold nach Benningen vorgeschickt, so daß für diese drei Korps als Reserven nur noch das Garde-Korps bei Meß verblieb. Auf dem rechten Flügel und im Centrum hatten Marschall Mac Mahon und General Failly eine in Divisionen zersplitterte Stellung längst der französisch - pfälzischen Grenze angenommen, wodurch sie ihre Truppen mehr oder minder ganz aus der Hand gaben, was sich in den nächsten Tagen bitter rächen sollte. General Failly war zwar mit 212 Division (die 1. Division General Goze, die 3. Division General Guyot de Lespart und die 2. Brigade der 2. Division, General Maussion) östlich und westlich von Bitsch stehen ge blieben, hatte aber eine Infanterie- Brigade (die 1. Brigade der 2. Division, General Lapasset) 4 Meilen weiter westlich nach Saargemünd zur Verbindung mit dem II. Korps und zur Sicherstellung des dortigen wichtigen Eisenbahnknotens detachirt. Noch mehr hatte Marschall Mac Mahon das I. Korps fordonartig versplittert, nachdem er, beunruhigt durch die starken feindlichen Truppenansammlungen bei Landau, sich von Straßburg nordwärts nach der Grenze gewandt hatte und hier aufmarschirt war. Am weitesten, bis hart an die Grenze vorgeschoben, stand die 2. Division Douay, etwas zurückgehalten, rechts bei Seltz am Rhein die 2. Kavallerie Brigade Nansouth mit 2 Infanterie-Bataillonen, links bei Sulz die 1. Kavallerie

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Brigade Septeuil, gleichfalls mit 2 beigegebenen Infanteriebataillonen. Bei Wörth zur Deckung der Grenz Eisenbahn Hagenau-BitschSaargemünd war die 1. Division Ducrot und an dem Eisenbahnknotenpunkt Hagenau die 3. Division Raoul aufgestellt. Bei Straßburg waren die 4. Division Lartigue, die Reserve-Kavallerie-Division Bonnemain und die 3. (Kürassier-) Brigade Michel als Reserve verblieben.

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Weiter südlich in Colmar stand die 1. Division des VII. ArmeeKorps General Conseil - Dumesnil, während die 2. Division dieses Korps General Liébert noch in Belfort verblieben war. Die 3. Division General Dumont und die Kavallerie Division Ameil wurden noch in Lyon als Schutz gegen die aufgeregte Bevölkerung der VorStädte zurückgehalten, trotz aller Remonstrationen des General Douay, der mit Recht das VII. Armee-Korps vereinigt sehen wollte, um aus dem Zustande der Unthätigkeit heraustreten zu können. *)

Bei der französischen Armee waren den Infanterie - Divisionen keine einzelnen Kavallerie-Regimenter als Divisions - Kavallerie zugewiesen worden, wie sich dies bei der deutschen Armee trefflich bewährt hat. Die Kavallerie verblieb, in Brigaden und Divisionen geschlossen zur Disposition der Korps - Kommandeure. Marschall Mac Mahon hatte im Elsaß, da ihm außer der Kavallerie-Division des I. ArmeeKorps noch die ganze 2. Reserve-Kavallerie-Division, General Bonnemain, zugewiesen war, über eine zahlreiche Reiterei zu gebieten, ohne jedoch davon Gebrauch zu machen. Nur zwei Kavallerie - Brigaden hatte er gegen die Grenze vorgeschoben, jeder dieser Brigaden aber zwei Bataillone Infanterie zugetheilt, um sie für das Gefecht im koupirten Terrain geeigneter zu machen. Diese eigenthümliche, erst jezt improvisirte Maßregel hat sich, französischen Berichten zufolge

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*) Bei dem VII. Korps traten die Uebelstände einer erst bei der Mobilmachung stattfindenden Formation größerer Truppenkörper am grellsten hervor. Bei Beginn der Formation war das Korps acht volle Tage ohne Kommando und ohne Intendanten, da General Douay in Paris zurückgehalten wurde und der neu ernannte Korps Intendant sich noch in Oran befand. Dadurch kam sowohl die Formation der Truppen, als die Korpsverwaltung derart in's Stocken, daß spätere verdoppelte Thätigkeit dies nicht mehr auszugleichen vermochte. Als das VII. Korps nach der Schlacht von Wörth seinen übereilten Rückzug nach Chalons antreten mußte, war Alles in demselben noch so wenig fest gegliedert, daß das Korps, obschon nur eine Division desselben im Gefecht gewesen war, in faft aufgelöstem Zustande in Chalons anlangte.

nicht bewährt, da diese Art der Mischung der Waffen den Haupttheil, die Kavallerie, nur an schnellerer Bewegung verhinderte, die Infanterie-Brigaden aber um mehrere Bataillone dauernd schwächte.

Die französische Heerleitung befand sich in vollständiger Unkenntniß von der Aufstellung, der Formation und den Plänen ihrer Gegner. Nur übertriebene verworrene Gerüchte drangen in das französische Hauptquartier. *) Allerdings hielt es schwer, aus der Massenbeförderung der deutschen Truppen auf den verschiedenen Eisenbahnen sich ein Bild der Formation der einzelnen Armeen zu verschaffen, da nach den überaus komplizirten Fahrplänen anscheinend ein wirres Durcheinander herrschte, Truppen der verschiedenen Armeen mitunter dieselben Eisenbahnen nacheinander zum Theil benutzten, und die Ausschiffungspunkte sich fortwährend änderten. Die gesammte deutsche Presse, aufmerksam gemacht auf die Wichtigkeit der Geheimhaltung aller dieser Truppenbeförderungen, verhielt sich in anerkennungswerther Weise schweigsam, während die französische Presse selbst durch Verbote nicht zu zügeln war und nach wie vor alle militairischen Neuigkeiten ausplauderte. Da überdies die deutschen Vorposten auf der ganzen Grenze eine große Thätigkeit entwickelten und die französischen Korps meist längere Zeit in den zuerst bezogenen Lagern verblieben, war man deutscherseits über Aufstellung und Vertheilung der französischen Streitkräfte bei weitem besser orientirt.

Bis Anfangs August war Seitens der an der Grenze aufgestellten französischen Korps nichts Ernstliches geschehen, um sich durch stärkere Rekognoscirungen zu überzeugen, was man unmittelbar vor sich habe. Noch immer glaubte man, daß bei Saarbrücken mindestens eine preußische Division sich befände, so sehr hatte die kecke Haltung des Oberstlieutenants Pestel mit nur einem Bataillon und drei Esfadrons zu imponiren verstanden. Am 2. August sollte dieses Räthsel zur Beschämung der Franzosen gelöst werden.

Vorrücken des 2. französischen Korps. Gefecht bei Saarbrüden am 2. August.

Ende Juli hatte der Kaiser Napoleon beschlossen, mit dem linken Flügel seiner Armee eine allgemeine Vorwärtsbewegung gegen Saar

*) Marschall Bazaine meldete am 20. Juli aus Metz nach Paris, die Preußen schienen bei Mainz eine Schlacht erwarten zu wollen, die Ernährung der Truppenmassen wäre aber sehr erschwert. Ein nur 2 oder 3 Monate geführter Krieg müsse Preußen ruiniren oder desorganisiren.

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