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preußischem Boden seinen vorübersprengenden hohen Führer, den Prinzen Friedrich Karl begrüßen.

An der Grenze hielt, nachdem Halt gemacht worden war, der Regimentskommandeur eine kurze, fernige Ansprache über die Bedeutung der Grenzüberschreitung. Unter den Klängen des Preußenmarsches setzte sich das Regiment sodann wieder in Bewegung und im strammen, vom Grafen v. Waldersee abgenommenen Parademarsch rückten die Bataillone in Frankreich ein. Am Abend bezog das Regiment beim Dorfe Groß-Rederchingen Biwak, das erste in Feindesland. Hier wurde nachstehender Tagesbefehl des Oberkommandirenden der Zweiten Armee bekannt gemacht:

„H. C. Homburg, den 6. August 1870.

Soldaten der Zweiten Armee!

Ihr betretet den französischen Boden.

Der Kaiser Napoleon hat ohne allen Grund an Deutschland den Krieg erklärt, er und seine Armee sind unsere Feinde. Das französische Volk ist nicht gefragt worden, ob es mit seinen deutschen Nachbarn einen blutigen Krieg führen wollte, ein Grund zur Feindschaft ist nicht vorhanden.

Seid dessen eingedenk den friedlichen Bewohnern Frankreichs gegenüber, zeigt ihnen, daß in unserem Jahrhundert zwei Kulturvölker selbst im Kriege miteinander die Gebote der Menschlichkeit nicht vergessen.

Denkt stets daran, wie Eure Eltern in der Heimath es empfinden würden, wenn ein Feind, was Gott verhüte, unsere Provinzen überschwemmte.

Zeigt den Franzosen, daß das deutsche Volk nicht nur groß und tapfer, sondern auch gesittet und edelmüthig dem Feinde gegenüber ist.

gez. Friedrich Karl, Prinz von Preußen."

Die Nacht gestaltete sich dadurch zu einer äußerst unangenehmen, daß gegen 9. August 1870. Mitternacht ein wolkenbruchartiger Regen die Thalschlucht, in welcher das Regiment lag, überschwemmte, sodaß die Mannschaften schlaflos, bis auf die Haut durchnäßt, die mit Mühe unterhaltenen Wachtfeuer umstanden. Als der Morgen graute, ließ der Regen etwas nach, und es traf der Befehl ein, daß der kommende Tag ein Ruhetag sein sollte. Angenehm war ein solcher auf aufgeweichtem Wiesengrund und in durchnäßter Kleidung nicht zu nennen, doch verscheuchte der Soldatenhumor und die inzwischen eingetroffenen Lebensmittel wie der vorhandene Wein bald die schlechte Stimmung. Nachdem die Sachen in Stand gesetzt waren, fand für beide Konfessionen ein Feldgottesdienst statt. Bei nebligem Wetter celebrirte der Regimentsgeistliche Pfarrer Heinen in der Frühe des 9. August auf einer Anhöhe die Messe, bei welcher der von Ihrer Majestät dem Regiment gestiftete Feldaltar zum ersten Male Verwendung fand. Diesem Feldgottesdienst wohnten Tausende von Mannschaften, auch anderer in der Nähe liegender Regimenter, sowie eine Anzahl Landleute andächtig bei.

Beim Abkochen erschien der Korpskommandeur, Prinz August von Württemberg, im Lager und erkundigte sich väterlich nach dem Ergehen der Truppen.

5. August 1870.

6. August 1870.

7. August 1870.

8 August 1870.

An die Armee!

Ganz Deutschland steht einmüthig in den Waffen gegen einen staat, der uns überraschend und ohne Grund den Krieg erklärt hat die Vertheidigung des bedrohten Vaterlandes, unserer Ehre, des eigen Ich übernehme heute das Kommando über die gesammten Armeen getrost in einen Kampf, den unsere Väter einst ruhmvoll bestanden. Mit Mir blickt das ganze Vaterland vertrauensvoll auf Euch. Gott der Herr wird mit unserer gerechten Sache sein. H. D. Mainz, den 2. August 1870.

gez. Wilhel

Am Morgen des 5. August marschirte das Regiment auf der S Kaiserslautern weiter. Während dieses Mariches traf die Nachricht glänzenden Siege des Kronprinzen bei Weißenburg ein und erregte lan Nachmittags wurde der Marsch durch das festlich geschmückte Kar fortgeseßt. Hier ließ Prinz Friedrich Karl, dem zur Seite de Kommandeur des Regiments und jetzige Generalstabschef Generalmajor hielt, das Regiment an sich vorbeimarschiren. 81/2 Uhr abends Kindsbach an der Straße nach Homburg Biwak bezogen. In der der Regen in Strömen, der sich um so empfindlicher bemerkbar macht. ohne Stroh und auf einem Wiesengrunde das Lager bezogen worden war. überdies noch die Lebensmittel karg bemessen waren, herrschte troßdem ü Stimmung und frischer Soldatenhumor.

Tags darauf sette das Regiment seinen Marsch fort und errei.. halten durch die unvermeidlichen Marschstockungen größerer Truppenver! 3 Uhr nachmittags das nur 2 Meilen entfernte Bruchmühlbach, bei wel hochstämmigen Kiefern gelagert wurde.

Ein sehr beschwerlicher Marsch führte am 7. August das Reg: Webenheim südlich Homburg. Beim ersten Rendezvous gelangte Mund des Brigadekommandeurs die Kunde von dem zweiten größeren Kronprinzen bei Wörth zu den Truppen und wurde mit dreifachem Huri Mit frischem Muth ging es von Neuem an die Gewehre und unter Sang in froher Siegeszuversicht weiter. Augesichts des Ortes Blies: die ganze Division Biwak bei Webenheim.

Prinz Friedrich Karl hatte unter der Voraussetzung, daß der geschlagene Marschall Mac Mahon den Rückzug auf der Straße Bi gemünd bewerkstelligen würde, den Entschluß gefaßt, der feindlichen Ar zu verlegen und dieselbe womöglich zu vernichten. Es waren dazu dos und zu seiner Unterstützung Theile des Gardekorps bestimmt. Dieser jedoch nicht, da die französischen Kolonnen eine weiter südlich liegende geschlagen hatten.

Nach anstrengendem Marsch in dem bergigen Gelände leuchteten gegen 2 Uhr die grellfarbigen franzöfifchen Grenzpfähle entgegen. Augenblick durfte das Regiment mit einem kräftigen Hurrah noch

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10. August 1870.

Laubzelte wurden zum Schutze gegen die Witterung gebaut, so daß in der folgenden
Nacht besser als in der vorhergehenden geruht werden konnte.

Im Laufe des Tages erging folgender Armeebefehl:

„Der Feind soll in beträchtlicher Stärke bei St. Avold stehen. Das Gardekorps bleibt vorläufig stehen, hält sich jedoch bereit, weiter vorrücken zu können." Da der Feind inzwischen St. Avold geräumt hatte, wurde am 10. der Vormarsch wieder angetreten und um 12 Uhr mittags bei Saaralbe auf einer Wiese Biwak bezogen. Gegen Abend und in der Nacht fiel wiederum ein schwerer Plazregen, und es erhob sich ein orkanartiger Sturm, der die bereits aufgebauten Hütten wieder zerstörte, Gewehrpyramiden umwarf, Helme, Mügen und Brotbeutel fortfegte. Die Lagerstätten wurden so zugerichtet, daß die Mannschaften zum Ver11. August 1870. lassen derselben gezwungen waren. Bei Tagesanbruch erschien im Lager der Divisionskommandeur und gab den Befehl: „Graf v. Waldersee, rücken Sie in das nächste Dorf und bringen Sie die Leute, unter Dach und Fach, selbst wenn der Feind am anderen Ende des Dorfes liegen sollte." Infolgedessen wurden Nothquartiere in und um Salzbronn bezogen, in denen sich Gelegenheit bot, die durchnäßten Kleider zu trocknen und die Mannschaften marschfähig zu machen. Bald mußte jedoch aus den Quartieren wieder aufgebrochen werden, und nach beschwerlichem Marsche bezog das Regiment die ersten Quartiere auf französischem Boden in Gueblange und Ueberkingen. Hier gelangte nachstehender Armeebefehl zur Kenntniß der Truppen:

12. August 1870.

Soldaten!

Die Verfolgung des nach blutigen Kämpfen zurückgedrängten Feindes hat bereits einen großen Theil unserer Armee über die Grenze geführt. Mehrere Korps werden heute oder morgen den französischen Boden betreten. Ich erwarte, daß die Mannszucht, durch welche Ihr Euch bisher ausgezeichnet habt, sich auch besonders auf feindlichem Gebiet bewähren werde.

Wir führen keinen Krieg gegen die friedlichen Bewohner des Landes; es ist vielmehr die Pflicht jedes ehrliebenden Soldaten, das Privateigenthum zu schüßen und nicht zu dulden, daß der gute Ruf unseres Heeres auch nur durch einzelne Beispiele von Zuchtlosigkeit angetastet werde.

Ich baue auf den guten Geist, der die Armee beseelt, zugleich aber auch auf die Strenge und Umsicht aller Führer.

H. Q. Homburg, den 8. August 1870.

gez. Wilhelm."

Die Grenadier-Bataillone erreichten am nächsten Tage, den 12. August, Racrange und bezogen dort Quartiere, während die Füsiliere bei Morhange (jezt Mörchingen) biwakirten. Die dortigen Landeseinwohner verstanden bereits fein Deutsch mehr, sondern sprachen nur Französisch. Mit verbissenem Ingrimm umstanden die Bauern einen alten mit Medaillen geschmückten Invaliden, welcher, auf einer großen Trommel wirbelnd, in den Dorfstraßen die deutschen Requisitionen fund that.

Der Vormarsch gegen die Mosel-Linie wurde am 13. August um 51⁄2 Uhr 13. August 1870. morgens über Destrich – Marthille-Oron—Fare fortgesetzt und Biwak bei Laneuveville, nordwestlich Chateau-Salins, bezogen.

Mit diesem Tage waren nach den Schlachten von Weißenburg, Wörth und Spicheren die deutschen Vorposten aller Armeen bis dicht an die Mosel vorgeschoben. Dem Marschall Bazaine blieb jezt nur noch die Wahl, entweder, gestüßt auf die Mosel und die Festung Mez, eine Schlacht anzunehmen, oder über Verdun nach Châlons abzumarschiren, um dort die Vereinigung mit der Armee Mac Mahons zu bewerkstelligen. Da er durch die in der Ausführung begriffene Rechtsschwenkung der Zweiten Armee schon bedroht war, so entschied er sich für das Lettere. Doch noch am Nachmittage des 14. August wurde die Queue seines Heeres bei Colombey von der Ersten Armee erreicht, sofort angegriffen und geschlagen. Die Folge war, daß der Rückzug Bazaines sich dadurch wesentlich verzögerte.

Als am 14. August das Regiment am späten Nachmittage die bei Dieulouard 14. August 1870. auf dem rechten Mosel-Ufer gelegenen Ortschaften St. Geneviève und Loisy sur Moselle erreicht hatte, sah man abends in weiter Ferne das Aufbligen der Geschüße bei Met. Man glaubte vielfach nicht an eine Schlacht, sondern nahm an, daß dieses Geschüßfeuer, welches thatsächlich von der Schlacht bei Colombey - Nouilly östlich von Met herrührte, Freudenschüsse zur Vorfeier des Napoleonstages wären.

Um 5 Uhr verließ das Regiment die Quartiere und marschirte auf beschwer- 15. August 1870. lichen Wegen in das Mosel-Thal hinab. Einige Stunden später wurde die Mosel auf einer vom Feinde nicht zerstörten, steinernen Brücke bei Dieulouard überschritten und mittags Biwak bei Villers en Haye bezogen.

Die Verpflegung war in der legten Zeit vorzugsweise durch Beitreibungen bewirkt worden. Das schwer zu beschaffende Brot wurde durch Bäcker der Truppe in den Dörfern gebacken. Großen Jubel verursachte eine Sendung des hohen Chefs, bestehend aus Kaffee, Cognac, Wein, Leibbinden und dem heiß ersehnten Tabak. Die beigefügten Korrespondenzkarten wanderten bald in die Heimath zurück und brachten dorthin die frohe Nachricht, daß sich beim Regiment Alles wohlauf befände.

Am Abend des 15. wurden die Rückzugsbewegungen des Feindes, der mit dem 2., 6. und Gardekorps in der Gegend von Gravelotte und Rezonville, mit dem 3. und 4. Korps noch weiter rückwärts, dicht bei Mezz stand, von der Kavallerie der Zweiten Armee scharf beobachtet.

Da am 14. August der Feind von Theilen der Ersten Armee und der 18. Division 16. August 1870. östlich Mez angegriffen und zurückgeworfen worden und nunmehr nach der Maas im Abzuge begriffen war, entschloß sich das Oberkommando der Zweiten Armee, dem Feinde sofort zu folgen, und traf die entsprechenden Anordnungen hierzu.

Demzufolge marschirte das Regiment um 6 Uhr früh gegen St. Mihiel weiter und biwakirte bei Bouconville am Etang de Maur la Chèvre, nachdem es auf Befehl des Generalfommandos 3 Unteroffiziere, 84 Mann zur Besetzung der Brücke bei Dieulouard zurückgelassen hatte.

Durch Armeebefehl war die Verpflegungsportion auf 11⁄2 Pfd. Fleisch, 111⁄2 Pfd. Brot, 14% Loth Kaffee, 225 Loth Tabak oder 5 Cigarren festgesetzt. Die Beitreibungen wurden dahin geregelt, daß solche im Allgemeinen nur durch Offiziere

Geschichte des Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiments Nr. 4.

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