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schweigen und mit gespigten Ohren dastehen, jener durch Worte die Gemüter beherrscht und die Herzen besänftigt: so schwand alles Getöse des Meeres, nachdem der Vater über die Fluten geschaut und, unter heiterm Himmel einherfahrend, die Rosse lenkte und dahinfliegend dem eilenden Wagen die Zügel überließ.

2. Major von Tellheim.
A. Material.

Tellheim sagt: „Ich ward Soldat aus Parteilichkeit, ich weiß selbst nicht, für welche politische Grundsäge und aus der Grille, daß es für jeden ehrlichen Mann gut sei, sich in diesem Stande eine Zeitlang zu versuchen, um sich mit allem, was Gefahr heißt, vertraulich zu machen und Kälte und Entschlossenheit zu lernen. Nur die äußerste Not hätte mich zwingen können, aus diesem Versuche eine Bestimmung, aus dieser gelegentlichen Beschäftigung ein Handwerk zu machen." (Lessing, gesammelte Werke, S. 255.)

Als Tellheim hört, daß Werner nach Persien gehen und sich für den Krieg anwerben lassen will, sagt er:,,Man muß Soldat sein für sein Land oder aus Liebe zur Sache, für die gefochten wird. Ohne Absicht heute hier, morgen da dienen, heißt wie ein Fleischerknecht reisen, weiter nichts." (S. 210.)

Zu Minna sagt Tellheim: „Die Großen haben sich überzeugt, daß ein Soldat aus Neigung für sie ganz wenig, aus Pflicht nicht viel mehr, aber alles seiner eigenen Ehre wegen thut." (S. 233.)

Minna sagt in Bezug auf Tellheim: „Freund und Feind sagen, daß er der tapferste Mann von der Welt ist." (S. 172.)

Werner sagt zu Tellheim: „Habe ich Sie nicht hundertmal für den gemeinsten Soldaten, wenn er ins Gedränge gekommen war, Ihr Leben wagen sehen?" (S. 209.)

Dafür gingen aber auch die Soldaten für ihn in den Tod. Als Tellheim sagt, daß es sich für ihn nicht zieme, sein Schuldner zu werden:,,Ziemt sich nicht? Wenn an einem heißen Tage, den uns die Sonne und der Feind heiß machte, sich Ihr Reit

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knecht mit den Kantinen verloren hatte und Sie zu mir kamen und sagten: Werner, hast Du nichts zu trinken? und ich Ihnen meine Feldflasche reichte, nicht wahr, Sie nahmen und tranken?

Ziemt sich das? Bei meiner armen Seele, wenn ein Trunk faules Wasser damals nicht oft mehr wert war als aller der Quark! Nehmen Sie, lieber Major! Bilden Sie sich ein, es ist Wasser. Auch das hat Gott für alle geschaffen.“ — „Sie wollen mein Schuldner nicht sein? Wenn Sie es denn aber schon wären, Herr Major? Oder sind Sie dem Manne ́nichts schuldig, der einmal den Hieb auffing, der Ihnen den Kopf spalten sollte, und ein andermal den Arm vom Rumpfe hieb, der eben losdrücken und Ihnen die Kugel durch die Brust jagen wollte?" (S. 208.)

Minna: „Aber wer hat ihn von Tapferkeit jemals reden hören?" (S. 172.)

Tellheim: Mein Fräulein, ich bin nicht gewohnt zu klagen." Minna: „Sehr wohl. Ich wüßte auch nicht, was mir an einem Soldaten nach dem Prahlen weniger gefiele als das Klagen. Aber es giebt eine gewisse kalte, nachlässige Art, von seiner Tapferkeit und seinem Unglück zu sprechen." Tellheim: Die im Grunde doch auch geprahlt und geklagt ist." (S. 190.)

Tellheims Ritterlichkeit giebt sich kund, als Minna sich ,ein sächsisches verlaufenes Fräulein, das sich ihm an den Kopf geworfen", nennt. Auffahrend und wild um sich sehend, erwidert er:,,Wer darf so sprechen? Ah, Minna, ich erschrecke vor mir selbst, wenn ich mir vorstelle, daß jemand anders dies gesagt hätte als Sie. Meine Wut gegen ihn würde ohne. Grenzen sein." (S. 257.)

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Von der Festigkeit in seinen Grundsäßen giebt unter anderem der II. Aufzug im 8. und 9. Auftritt Kunde.

,,Nein, Franziska, ich kann nicht die Ehre haben, das Fräulein zu begleiten." (S. 237.)

„Eher soll mich hier das äußerste Elend vor den Augen meiner Verleumder verzehren." (S. 238.)

Als Tellheim das Sachverhältnis mit dem Wechsel Minna

auseinandergesezt hat, sagt er: „Hierdurch halte ich meine Ehre für gekränkt.“ (S. 236.)

,,Es ist ein nichtswürdiger Mann, der sich nicht schämt, sein ganzes Glück einem Frauenzimmer zu verdanken, dessen blinde Zärtlichkeit " (S. 238.)

„Ich brauche keine Gnade, ich will Gerechtigkeit, meine Ehre (S. 239.)

,,Nein, Fräulein, Sie werden von allen Dingen recht gut urteilen können, nur hierüber nicht. Die Ehre ist nicht die Stimme unseres Gewissens, nicht das Zeugnis weniger Rechtschaffenen" (S. 239.)

Als Franziska versuchend sagt, daß er seinem guten Geschick danken solle, daß er so von dem enterbten Fräulein loskomme, muß sie den harten Ausdruck hinnehmen: „Elende! für wen hältst Du mich?" (S. 242.)

Graf Bruchsall: „Sie sind ein ehrlicher Mann, Tellheim; und ein ehrlicher Mann mag stecken, in welchem Kleide er will, man muß ihn lieben.“ (S. 265.)

Tellheim zum Wirt: „Ich bin Ihnen schuldig, Sie räumen mir in meiner Abwesenheit das Zimmer aus, Sie müssen be zahlt werden, ich muß wo anders unterzukommen suchen. Sehr natürlich!" (S. 154.)

Minna: „Er (Tellheim) hat das rechtschaffenste Herz.“ (S. 172.)

Tellheim: Ich habe diese Bitterkeit schon vergessen." (S. 162.)

Just: Was dem Herrn Major ich schuldig: An den Feldscheer für mich bezahlt 25 Thaler. Für Wartung und Pflege während meiner Kur für mich bezahlt 39 Thaler. Meinem abgebrannten und geplünderten Vater auf meine Bitte vorgeschossen, ohne die zwei Beutepferde zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Thaler. Summa Summarum 114 Thaler.“ (S. 162.)

Tellheim hat dem Rittmeister Marloff 400 Thaler geborgt. Als dessen Witwe kommt, diese Summe zurückzuzahlen, sagt er: ,, Marloff ist mir nichts schuldig geblieben". (S. 159.) Als die Marloff ihn von neuem bittet, das Geld zu nehmen, er

widert er:,,Wollen Sie, daß ich die unerzogene Waise meines Freundes bestehlen soll? Bestehlen, Madame, das würde es im eigentlichsten Verstande sein. Ihm gehört es, für ihn legen Sie es an!" (S. 160.) Zu derselben: „Ich werde es nicht vergessen, daß ein Sohn von ihm da ist. Er wird mein Sohn sein, sobald ich sein Vater sein kann." (S. 159.)

Tellheim zu Just: „Gut, und es ist billig, daß ich diesen laufenden Monat ganz bezahle." (S. 162.)

Tellheim: „Ich wollte mir diese Strenge ersparen und schoß (den sächsischen Ständen) die fehlende Summe selbst vor." (S. 235.)

Tellheim: „Mein eigenes Unglück schlug mich nieder, machte mich ärgerlich, kurzsichtig, schüchtern, lässig; ihr Unglück hebt mich empor, ich sehe wieder frei um mich und fühle mich willig und stark, alles für sie zu unternehmen.“ (S. 245.)

Tellheim zu Minna:,,Sie konnten nicht vermuten, wie sehr mich Ihr Unglück über das meinige hinaussezen würde.“ (S. 248.)

Tellheim: Just, ich glaube Du zankst" (mit dem groben Wirte)? (S. 154.)

Tellheim zu Werner: „Um mir auf den Wirt des alten (Quartiers) die Ohren voll zu fluchen. Gedenke nur nicht daran!" (S. 205.)

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Tellheim zur Marloff: Ihr Gemahl war mein Freund! mein Freund, sage ich; ich war immer farg mit diesem Titel." Die Marloff: Wer weiß es besser als ich, wie wert Sie seiner Freundschaft waren, wie wert er der Ihrigen war?" (S. 158.) Minna: Er (Riccaut) versicherte, daß er Ihr Freund sei." Tellheim: „Ich versichere, daß ich seiner nicht bin.“ (S. 238.) Nur der Würdige konnte sein Freund sein.

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Tellheim zu Werner: „Aber, Freund, woran fehlte mir es, daß ich bei Gelegenheit nicht ebensoviel für Dich würde gethan haben?" (S. 209.)

Tellheim besitzt auch Freunde. (S. 267.)

Tellheim, um Minna seine Liebe auszudrücken: „Ihrem

Dienste allein sei mein ganzes Leben gewidmet!"

,,Morgen

verbinde uns das heiligste Band; und sodann wollen wir um uns sehen und wollen in der ganzen weiten bewohnten Welt den stillsten, heitersten, lachendsten Winkel suchen, dem zum Paradiese nichts fehlt als ein glückliches Paar." (S. 255.)

B. Charakteristik.

Tellheim stammt aus Kurland, wo die Glieder der Familie, den Vater ausgenommen, zu der Zeit noch lebten, von der hier die Rede ist. Er diente im siebenjährigen Kriege in Friedrichs II. Heere als Major in einem Kavallerie-Freibataillon und erhielt mit anderen Offizieren nach dem Friedensschluß seinen Abschied ohne Pension.

Wegen eines den sächsischen Ständen im Kriege gemachten Vorschusses von 2000 Pistolen wurde er bei seiner Entlassung in einen Prozeß verwickelt, der ihn in große Verlegenheit brachte, schließlich aber gerecht und zu seinen Gunsten entschieden wurde. Nachdem seine Ehre gerettet und sein Vorschuß ihm wieder zurückerstattet worden war, verheiratete er sich mit Minna von Barnhelm.

Tellheim ist das Bild eines edlen deutschen Mannes und musterhaften Offiziers.

Als er die gerechte Sache in Gefahr sieht, greift er freiwillig zu den Waffen und erweist sich im Kriege so mutig und tapfer, daß Freund und Feind das offen anerkennen. Aber nie prahlt er mit seinen Thaten, vermeidet jedes Gespräch darüber. Mit den Soldaten geht er kameradschaftlich um, gegen seine Diener ist er wohlwollend, gegen Unglückliche wohlthätig und edelmütig. In seinem Benehmen gegen andere waltet sittlicher Anstand, selbst dann, wenn er unwürdig behandelt wird. Seine Freundschaft kann nur der Würdige erlangen; solchen Freunden ist er aber treu im Glück und Unglück. Die Ehre ist sein. höchstes Gut; und wer sie ihm antastet, der ist sein schlimmster Feind, der erbittert ihn; selbst die Liebe muß der Ehre weichen. Die volle Anerkennung seiner makellosen Ehre durch die Gerechtigkeit des Königs ist daher der höchste Lohn für ihn. Ebenso bestrebt er sich, gegen jedermann gerecht zu sein, fordert

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