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der ihn Sire verdrängen wollte. Für das Ärar aber war offenbar Sire von der größeren Bedeutung, der denn auch die weitere Unterstützung des Staates fand, der im übrigen die Entscheidung des Streites dem Gerichte überließ. Sire allein wurde demnach im Jahre 1782 die Auszahlung der Jahrespension von 300 fl. auf weitere 4 Jahre bewilligt, wofür er für die stete Unterweisung der ihm jeweils zugeteilten 20 Landeskinder (Jungen) in allen seinen Fabrikationszweigen zu sorgen hatte.590

Der Umfang der Fabrik Sires, der auch eine Warenniederlage in Wien eröffnete, war allerdings nicht bedeutend verändert, zu Beginn des Jahres 1794 standen 22 Stühle in Betrieb und wurden 178 Arbeitspersonen gezählt, gegen Ende des Jahres 1796, nachdem die Fabrik kurz vorher von dem kleinen, südlich in der Nähe Wiens gelegenen Orte Perchtoldsdorf (Petersdorf) nach dem nordwestlich von Wien, etwas weiter entfernten Stockerau verlegt worden. war, wieder nur 16 Stühle und gegen 200 Arbeitspersonen, bei einer Jahresproduktion im Werte von ungefähr 20.000 fl. Zur selben Zeit wurden auch, nachdem neuerlich zwei Werkmeister geprüft worden waren, der letzte Rest des Vorschusses und als Zeichen besonderer Anerkennung auch die bereits fälligen Interessen abgeschrieben."

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Hiemit kam dieser merkwürdige staatliche Versuch, gleichzeitig und mit denselben Mitteln ein einzelnes privates Industrieunternehmen zu unterstützen und diesem auch Konkurrenten zu schaffen und dem speziellen Industriezweige größere Verbreitung zu geben, zum Abschlusse. Der auch aufgetauchte Plan, die Bestimmung über die Verwendung der ausgebildeten Werkleute dem Staate vorzubehalten, kam nicht zur Durchführung.

Sire, der erste Manchester fabrikant Österreichs, war ein unbedingter Gegner ausschließender Fabrikationsbefug

590 Res. vom 30. März 1782. Ibid. 89. 1782. April 50. St.-R. 896 v. 1782. 591 Schon im Jahre 1789 wünschte Sire seine Fabrik in unmittelbare Nähe des Zentrums der österreichischen Baumwollwarenfabrikation zu verlegen und die den Augustinern auf der Landstraße (in Wien) gehörige Neumühle zu Schwechat zum bloßen Schätzungswerte zu erwerben, wozu es jedoch nicht kam. (Ibid. 1789. Mart. 99.)

592 Ibid. 1796. Nov. 37.

nisse und von den Vorteilen einer freien Ausübung der Industriezweige überzeugt. Dieser Anschauung suchte er auch in seinem eigenen Betriebe Anerkennung zu verschaffen, indem er sich ein neues Arbeitsfeld eroberte. Hauptsächlich mit der Herstellung von Wintermanchester beschäftigt,

konnte er hiefür seine zwei oder drei Drucktische nicht durch das ganze Jahr verwenden und das Druckerei- wie auch das Färbereipersonale nicht ununterbrochen mit Arbeit versehen. Um dem abzuhelfen und sich günstigere Produktionsbedingungen zu schaffen, bat er im Jahre 1796 um die Erlaubnis, auch Winter- und Sommermanchester, Nanquins, Nanquinettes und Pikets (Piqué), Modeartikel fremder Erzeugung gegen ausbedungenen Lohn zu färben und zu drucken, was ihm die niederösterreichische Regierung auch, ohne den Widerstand des Stockerauer Magistrats zu berücksichtigen, gestattete. 2.593 Einer angestrebten Ausdehnung dieser Befugnis auf alle Gattungen von Kottonwaren, die er auch im folgenden Jahre neuerlich zu erreichen suchte, wurde dagegen die Zustimmung versagt, da er nicht allzusehr von seinem ursprünglichen Betriebe abgelenkt werden sollte.

Dem Beispiele Sires wollten im Jahre 1781 zwei englische, ebenfalls in der Berliner Manchester fabrik beschäftigte Fabrikanten' (Goodier und France) folgen, die auch Berlin verlassen und eine Fabrik in Österreich zu errichten gedach ten. Da jedoch aus der von ihnen vorgelegten Musterkarte zu ersehen war, daß sie keine neuen Warengattungen herzustellen versprachen und sie eine kräftige Unterstützung des Staates beanspruchten, wurden sie von der Hofkanzlei abgewiesen, die kein Interesse daran hatte, eine zweite der des Sire gleichartige Fabrik entstehen zu sehen.594

Von den Wiener Baumwollwarenfabriken erlangte die im Jahre 1785 von dem Handelsmanne Karl Leopold Ettmayr, der in der Ebreichsdorfer Kottonfabrik eine leitende Stelle 50% Der Fabrikeninspektor berichtete hiezu, daß die Zitz- und Kottonfabriken nicht für Lohn druckten und in Niederösterreich nur drei geschickte Baumwollzeugdrucker mit 22 Tischen arbeiteten, während die bürgerlichen Drucker und Landfärber nur Leinwand druckten und andere befugte Drucker nur alte Kleidungsstücke färbten. Die Baumwollzeugdruckerei unterlag übrigens nicht dem Innungszwang. Ibid. 89. 1797. Juni 4.

594 H. K. A. Komm. N.-Oe. 89. 1781. April 37.

eingenommen hatte, in der Vorstadt Gumpendorf 55 errichtete, eine etwas größere Bedeutung, für welche einige Webergesellen mit staatlicher Unterstützung 596 aus Sachsen herangezogen wurden. Neben Kotton wurde dortselbst insbesondere Musselin und Manchester hergestellt, und zum Zwecke der Erlangung der nötigen feinen Gespinste gründete Ettmayr im Jahre 1786 eine Spinnschule, für welche durch 4 Jahre eine staatliche Prime von 500 fl. zugestanden wurde.597

Als die Fabrik nach 10 Jahren, um über die schweren Kriegszeiten hinwegzukommen, um ein auf drei Fabrikshäuser sichergestelltes Ärarialdarlehen im Betrage von 25.000 fl. in Bankoobligationen bat, wurde sie abgewiesen, da, wie das Direktorium angab, von Kotton fabriken bereits eine. Menge auf eine sehr hohe Stufe der Vollkommenheit gelangt war und überdies solche bei den überschwänglichen Kriegsauslagen vom Staate nicht mit Geld unterstützt werden. konnten.598

Auch in Oberösterreich entstand noch eine etwas größere, diesem Industriezweig gewidmete Unternehmung. Anton Schaidtner und Daniel Pellet kauften das Dominikanerkloster in der Stadt Steyr und errichteten dort im Jahre 1786 eine Sommer- und Wintermanchester fabrik nebst Färberei, wo im Jahre 1788 bereits 380 Stücke von ersterem, 60 von letzterem erzeugt werden konnten; zur Verarbeitung ge

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595 Er erbat hiefür, das dortige zur Versteigerung bestimmte Münzwardeinamt käuflich erwerben zu dürfen. (H. K. A. Komm. N.-Oe. 94. 1785. Juni 67.)

596 Für zwanzig der besten Arbeiter wurde ein Prämium von je 24 fl. zugesichert.

597 Die Bedingung der Unterstützung war nach dem Vorschlage der niederösterreichischen Regierung, daß wenigstens 600 Spinnerinnen mit der Herstellung feinerer Gespinste (von 30 bis 60 und mehr Schnellern auf das Pfund) beschäftigt würden, wogegen die Fabrik die ohne Zwang eingeschriebenen Schülerinnen verpflichten durfte, sich durch zwei Jahre fleißig in der Schule einzufinden oder wenigstens nur für den Verlag Ettmayrs zu arbeiten. Diesem wurde für den Fall, als sich jemand anderwärts besseren Verdienst verschaffen könnte, billige Mäßigung empfohlen. Das Ansuchen um einen staatlichen Vorschuß und ein ärarisches Gebäude für die Schule wurde abgewiesen, (St.-R. 2115 v. 1786.) 598 St.-R. 1368 v. 1795.

599 In der Fabrik selbst standen, wie diese im Jahre 1788 angab, nur 2 Stühle in Betrieb, für diese aber noch 18 bei Webern der Stadt

langte zumeist surinamische Baumwolle. Als diese Manchesterfabrikanten um ein Privilegium, wie es Johann Ernst Klapproth in Mährisch-Schönberg besaß, gebeten hatten, sprach sich die oberösterreichische Landesregierung für die Erteilung eines Privilegium protectorium (nicht privativum) aus, für die Gestattung des Warenverkaufs auf allen erbländischen Hauptjahrmärkten, der Errichtung von Niederlagen und der Verwendung eines eigenen Fabrikszeichens.

Die Hofkanzlei verweigerte jedoch, da die Genannten die Fabrikation des Manchester noch schwach betrieben", während Klapproth mehr als 70 Stühle verlegte, die Erteilung eines förmlichen Privilegiums, immerhin wurde ihnen aber gestattet, ihr Werk fabriksmäßig zu betreiben und ein eigenes Fabrikszeichen zu verwenden. Der Verkauf auf den Jahrmärkten stand ohnehin jedem Fabrikanten frei, den Steyrer Fabrikanten wurde nun auch noch die Errichtung eines Gewölbes in Wien für die Dauer der Marktzeiten gestattet.

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Schaidtner und Pellet selbst betrachteten ihre Fabrikate als die besten 601 im Inlande hergestellten dieser Gattung. Sie litten, wie sie versicherten, sehr unter den Einschwärzungen in Böhmen und schlugen strenge Visitationen der Waren, der Stempel und auch der einzelnen Betriebe vor.

und bei Landwebern. Nach einer Erhebung des Kreisamtes des Traunviertels standen jedoch in der Fabrik gar keine, außerhalb nur 11 Stühle, angeblich wegen Mangels an Gespinsten, in Betrieb.

Das Stück Sommermanchester kostete 30 fl., Wintermanchester 50 fl. Die Waren kamen bei diesen mäßigen Preisen den englischen Mustern. wie von Sachverständigen anerkannt wurde, gleich.

eco Ibid. 89. 1789. Jan. 30., 1790. Dez. 47.

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601 Wien ist unstreitig der erste und größte Sammelplatz der Künstler und Handwerker, und hier, so viele es doch versuchten, kam uns ohne Ruhmrede noch keiner gleich. Selbst der Fürst Johann Auersperg. der einer der reichsten und stärksten Fabrikanten in k. Staaten ist. der weder Mühe noch Kosten spart, um geschückte Leite oder Maschinen herbeizuschaffen und der viele dergleichen auch besitzet. wagte sich vor ein paar Jahren auf diese Bahne der Fabrikatur; nach mehreren und übel gelungenen Versuchen fiel die Ware nicht so aus, daß selbe Abzug und Beifall fand, und er ließ davon ab. (Majestätsgesuch der Fabrikanten Schaidtner und Bellet vom 20. Juli 1790. Ibid. 89. 1790. Dez. 47.)

um diese zu verhindern. Obwohl dies unterblieb, konnte der Betrieb durch längere Zeit aufrechterhalten werden."

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8. Neue Fabriksgründungen in Steiermark
und im Küstenlande.

Einige Jahre, nachdem die beiden Baumwollfabriken in Graz, deren Schicksale wenigstens zum Teile bereits geschildert wurden, ihren Betrieb eingestellt hatten, entstand in Graz wieder eine neue der Verarbeitung der Baumwolle gewidmete Betriebsstätte, als im Jahre 1770 der Handelsmann Kaspar Weigl eine Baumwollstrumpf-, Hauben- und Kinderröckefabrik anlegte. Zunächst in kleinem Umfang unternommen, sollte der Betrieb schon im Jahre 1772 mit Hilfe einer Kompagnie erweitert werden.

Die Spinnarbeit wurde im Grazer Waisenhause geleistet, um sodann auch auf das Arbeitshaus ausgedehnt zu werden. Nachdem die Kompagnie vergeblich ein Fabriksprivilegium angestrebt hatte, begnügte sie sich mit der Versicherung, daß sie unterstützt werden würde, nachdem bereits Ziel und Maß in Ansehung des von den Arbeitern zufügenden Schadens und Untreue gesetzet worden und nachdem ihr Befreiung von der Einquartierung für ihr Fabrikshaus zugesagt worden war.

Die Frage der weiteren Behandlung dieser neuen Unternehmung führte zu einer wunderlichen, die Unklarheit der Verhältnisse deutlich zeigenden Auseinandersetzung. Nachdem der steirische Kommerzienkonseß der Kompagnie hatte gestatten wollen, ihr angekauftes Haus eine Fabrik zu nennen und der Hofkommerzienrat die Gewährung eines Fabriksprivilegiums vorgeschlagen hatte, wurden im Staatsrate verschiedene Meinungen laut. Staatsrat Kressel erklärte, daß die Kompagnie, deren Betrieb übrigens mehr Hausnahrung als Fabrik wäre, ja gar nicht um ein Privilegium gebeten hätte, daß für die Befreiung von der Einquartierung ein Privilegium nicht nötig wäre und daß ihm kein Gesetz bekannt wäre, welches die Errichtung einer Fabrik von einer kaiserlichen Einwilligung abhängig machte, worauf Staatsrat Löhr ent

602 Als Schaidtnersche Fabrik bestand sie noch 1796. Slokar, a. a. O. S. 313, erwähnt eine Weinstablische Manchester fabrik zu Steyr (1819).

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