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5. Die Baumwollwarenfabrik zu Sassin in Ungarn.

Obwohl die zweite große Baumwollwarenindustrieunternehmung nicht in den österreichischen Alpenländern gegründet wurde, muß diese wegen ihrer eigenartigen Stellung im Rahmen der Industrie der habsburgischen Länder hier doch auch erwähnt werden, zumal sich deren Arbeitsgebiet auch in großem Maße auf Niederösterreich erstreckte. Eine von Franz Stephan von Lothringen, dem späteren Kaiser Franz I., auf der Herrschaft Holitsch in unmittelbarer Nähe der mährisch-ungarischen Grenze in Maria-Schoßberg oder Sassin (nunmehr Sasvár im Neutraer Komitat) im Herrschaftsgebäude errichtete Kotton fabrik,312 die unter schlechter Leitung nicht zu günstigen Ergebnissen zu gelangen vermochte, 313 wurde im Jahre 1752 von einer Privatgesellschaft übernommen, die, wie bereits erwähnt, derselben Begünstigungen teilhaft wurde, die der Schwechater FabriksKompagnie mit dem Privilegium vom 10. März 1753 für zehn Jahre zugestanden wurden. Obwohl in Ungarn gelegen, sollte sie demnach einer inländischen, österreichischen Fabrik 312 Im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien befinden sich nach einer Direktionsmitteilung keine Aktenstücke über diese Fabriksgründung. Daß sie erst im Jahre 1754 erfolgte, wie Hermann, Abriß der physikalischen Beschaffenheit etc., S. 285, angibt, ist nicht richtig, ebenso die nach einer irrigen Angabe des Kommerzienrates in das Jahr 1756 verlegte Gründung bei R. Sieghart, Zolltrennung und Zolleinheit. Wien 1915. S. 232. Nr. 3 Nach Slokar a. a. O.. S. 279, erfolgte die Gründung schon im Jahre 1736. In diesem Jahre fand jedoch erst der Ankauf der Stadt und Herrschaft Holitsch statt, die .durch allerhand Fabriken und Manufacturen blühend gemacht wurde. (Joh. Friedr. Seyfart, Lebens- u. Regierungsgeschichte des Allerdurchlauchtigsten Kaisers Franz des Ersten. Nürnberg 1766. S. 232 [125], 291 [261].) Unrichtigerweise bezeichnet diese angeblich 1736 entstandene Kattundruckerei als die erste eigentliche ÖsterreichUngarns Forrer a. a. O., S. 35, der überdies daneben (S. 93) auch noch eine Druckerei zu Holitsch in Ungarn erwähnt.

313 Wie Staatsrat v. Posch im Jahre 1776 erwähnte, hatte der Kaiser mehr als eine halbe Million Gulden bei der Fabrik verloren. (St.-R. 523 v. 1776.) Die Leitung lag zuletzt in den Händen des keineswegs uneigennützigen lothringischen Kammerdieners und späteren Zahlmeisters des Kaisers Franz I., Hofrats und Direktors des habsburg-lothringischen Güterbesitzes, Franz Josef Freiherrn v. Toussaint. (Siehe J. F. Seyfart a. a. O., S. 159, und A. Arneth. Briefe der Kaiserin Maria Theresia. I. Bd. LV.)

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gleichgehalten werden. Das Unternehmen wurde zumeist als k. k. priv. Sassiner Kottonfabrik, ab und zu auch als Holitscher Fabrik, dessen Waren als Holitscher Kotton bezeichnet. Die größten Besitzanteile 1 an derselben hatte neben dem als Haupt interessenten bezeichneten Wiener Großhändier Johann B. v. Puthon das angesehene v. Schullersche Wechselhaus in Wien,315 dessen Inhaber später Puthon selbst wurde, der sodann um das Jahr 1785 auch als alleiniger Besitzer die Sassiner Fabrik übernahm.

Nach dem bereits erwähnten mit der Schwechater Fabrik getroffenen Übereinkommen vom 30. Mai 1752 wurden der Sassiner Fabrik, deren Spinnereien großenteils eingegangen waren, von ersterer für ihren Betrieb die im Viertel ob dem Manhartsberge Niederösterreichs gelegenen Orte Gmünd, Weitra, Kirchberg, Vitis, Schweiggers, Schrems, Gerungs, Waidhofen a/d. Thaya und Raabs mit ihren Gezirken überlassen. Die daraufhin von der Sassiner Fabrik eingerichteten Hauptfaktoreien (Kottonweb- und Spinnfaktoreien) befanden sich in diesem Viertel in Drosendorf. Weikertschlag, Obernondorf, Karlstein, Zwettel, Allentsteig und Waidhofen,316 welch letzte jedoch sehr rasch wieder aufgelassen wurde. An einigen andern Orten dieses Viertels hatte die Fabrik bereits eigene Faktoren aufgestellt.

In den 168 Ortschaften umfassenden Spinndistrikten der Sassiner Fabrik im Viertel ob dem Manhartsberge arbeiteten im Jahre 1766 insgesamt 1427 Spinnerleute. Die größten Spinnbezirke waren die Herrschaften Drosendorf (487 Spinner in 39 Orten), Dobersberg (477 Spinner in 30 Orten) und Karlstein (259 Spinner in 14 Orten), während die Bezirke der Herrschaften von Großau, Wildberg, Greilen

314 Nach den Mitteilungen aus den Papieren des Großkanzlers von Fürst (Ranke, Historisch-politische Zeitschrift. Berlin. II. [Maria Theresia. ihr Staat und ihr Hof im Jahre 1755], S. 722) hatten 3 Wiener Häuser für die vom Kaiser Franz auf der Herrschaft Holitsch errichtete Baumwollmanufaktur ein Privilegium erlangt und zahlten sie davon 300.000 fl.

315 Einem ihrer Interessenten, Samuel Herschl, wurde der Besuch der Tyrnauer Jahrmärkte, von dem die Juden ausgeschlossen waren, im Jahre 1783 von Kaiser Josef bewilligt. (St.-R. 1177 v. 1783.) 316 Ingedenkbuch. II. 119.

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stein, Ober-Höflein, Pruzendorf und Stockern nur 3 bis 15 Orte und 5 bis 44 Spinnerleute umfaßten. Die Bezirke der Klöster Pernegg und Geras umfaßten 15 und 18 Ortschaften mit 16 und 50 Spinnerleuten.

Hiezu kamen noch die unter den Halbkotton faktoren arbeitenden, von der Fabrik nicht unmittelbar abhängigen und daher von dieser auch nicht gezählten Spinnerleute in den Faktorenbezirken von Zwettel (mit der Stadt Zwettel und 10 weiteren Ortschaften), von Schweiggers (mit 5 Orten), von Allentsteig (mit 14 Orten) und von Groß-Siegharts (mit 4 Orten).

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Außerdem wurde in den ungarischen Bergstädten," im Neutraer und Preßburger Komitat sowie auch in Mähren,319 im Iglauer und Znaimer Kreise, und in Böhmen, im Bechiner Kreise, Baumwollspinnerei für die Fabrik betrieben. Die Herstellung von Gespinsten wurde auch in Wiener Armenhäusern und Spitälern, die von rohen Webwaren in den Vorstädten Wiens besorgt. Der Betrieb in Sassin selbst war zumeist auf Zurichtung, Färberei, Druck und Appretur beschränkt, doch arbeiteten in der Umgebung von Sassin und Holitsch auch einige Fabriksweber.

Die Fabrik beschäftigte einige tausend Leute, die ausbezahlten jährlichen Arbeitslöhne beliefen sich bis auf 50.000 fl. und darüber. Sind die Angaben der Generaltabelle der Fabriken in Österreich unter der Enns 320 für 1772 nicht, wie anzunehmen ist, unvollständig, so war die Sassiner Fabriksarbeit in diesem Lande bereits sehr zurückgegangen. Es 317 Das Verzeichnis ist offenbar ungenau. Hier wurden 5 spinnende Personen an zusammen 6 Orten ausgewiesen. (H. K. A. Komm. N.-Oe. 85. 1767. Jan. 22.)

318 Im Jahre 1797 suchte sich der Fabriksinhaber die Schemnitzer Hauerschaft durch Kontrakt zur Spinnarbeit zu verpflichten. (St.-R. 4318 v. 1797.)

319 Soweit sich aus den vorliegenden nicht genauen Angaben ersehen läßt, war daselbst die Verarbeitung der Baumwolle nicht stark verbreitet. Nach einem Auszug über den Spinnerstand zu Ende des Jahres 1761 standen unter dem in Weikhartschlag befindlichen Spinnfaktor, der zugleich Hauptverleger der Fabrik war, auf den gräflichen Herrschaften Budischkovitz, Ungarschitz, Pullitz, Jamnitz, Datschitz, Althart und Teltsch mit zahlreichen dazugehörigen Ortschaften 644 Spinner mit Arbeit für die Sassiner Fabrik. (H. K. A. Komm. N.-Oe. 95. 1764. Nr. 210.)

werden daselbst nur 300 Spinner unter 13 Spinnfaktoren und Beamten ausgewiesen, daneben 24 Krampler und Sortierer. 40 Webermeister und Witwen, 50 Handlanger, 40 arbeitende Weibspersonen und 42 Lehrmägdlein werden daselbst angegeben, womit die Zahl von 255 Webstühlen (nebst 8 Maschinen und Filatorien und 5 Pressen) in offensichtlichem Mißverhältnis steht.320)

Die Fabrikskompagnie zeigte im Jahre 1764 ihre Absicht an, auf der Gräflich Zinzendorfischen Herrschaft Dornau bei Engelsfeld eine neue Kottonfabrik anzulegen und wurde dieselbe des Schutzes der Kaiserin und allen möglichen Vorschubs versichert,321 doch kam der Plan nicht zur Ausführung.

Die Kompagnie kaufte die Baumwolle größenteils von Raizen und Türken in Wien, in Zeiten nicht gestörten Betriebes jährlich 600 bis 700 Ballen. Der Warenverschleiß erfolgte zumeist bei der Hauptniederlage in Wien, 322 wo auch die Ungarn zu kaufen pflegten, da die 10 Meilen von den ordentlichen Kommerzialstraßen entfernte Fabrik selbst zu sehr entlegen war; im Jahre 1760 wurde auch eine Niederlage in Preßburg eröffnet.323 Den größten Absatz fanden die Waren außer in Niederösterreich in Mähren und auch in Böhmen.

In der Fabrik wurden zunächst nur grobe,2 später auch mehrere Gattungen mittelfeiner Baumwollgebe, auch Ganzkotton und Druckwaren hergestellt. Obwohl sie über bedeutend billigere Arbeitskräfte allerdings fehlte ihr der Wasserbetrieb verfügte als die Schwechater Fabrik, in deren Berechtigungen sie überdies mehrmals eingegriffen zu haben scheint, fiel ihr der Wettbewerb mit diesem älteren

320 Archiv d. M. d. I. V. G. 5. 2934.

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321 H. K. A. Komm. N.-Oe. 95. 1764. Nr. 1824. Es ist wohl Enzesfeld gemeint und somit Dornau bei Schönau an der Triesting in Niederösterreich.

322 Sie befand sich im Hause zur großen Weintraube' am Hof‘. 323 Ein im Jahre 1771 unternommener Versuch, in Triest 166 Kattunstücke abzusetzen, miẞlang vollständig. (St.-R. 565 v. 1775.)

324 Die Baumwolle wurde zumeist auf die Nummern 10 bis 24 versponnen, wofür der Spinnlohn im Jahre 1769 für das Pfund 7 bis 10 S betrug, der Arbeitslohn für das Werk kurzen Ganzkottons betrug 9 bis 912 fl.

Betriebe nicht leicht. Sie fand deshalb auch noch weitere Unterstützung bei der Regierung, die auch diese Industriestätte zu erhalten suchte.

Hiebei spielten die Bestimmungen über die Maut- und Zollverhältnisse die größte Rolle. In Ungarn gelegen, für den Materialeinkauf und Warenverkauf aber vorwiegend auf die Österreichischen Länder angewiesen, suchte die Sassiner Fabrik, der schon zu Anfang des Jahres 1755 die Mautfreiheit für alle aus Österreich ausgeführte, auch versponnene Baumwolle, jedoch nicht die Nachsicht der Konsumgebühr für die nach Österreich eingeführten gedruckten Kottonwaren zugestanden worden war, die vollständige Gleichstellung mit der gleichmäßig privilegierten Schwechater Fabrik auch in bezug auf die Mautbehandlung zu erreichen. Tatsächlich wurde im Einverständnis mit den Direktoren beider Fabriken von der Banko-Deputation am 19. August 1755 verfügt, daß für die nach Ungarn ausgeführten Rohmaterialien und rohen Weberwaren der Sassiner Fabrik nunmehr gleich denen der Schwechater Fabrik die ordinari Consumo-Maut zu richten kommen sollte, während hingegen der nach Österreich eingeführte, in Sassin gedruckte und fertiggestellte Kotton in jenem Maße mautfrei bleiben sollte, als an ungedrucktem Kotton ausgeführt worden war. Das Übermaß an gedrucktem Kotton sollte bei der Einfuhr wie ungedruckte Ware vermautet werden.3 Vom Jahre 1760 an wurden hierüber besondere Vormerkungen geführt und sollten 20 Stücke Kotton als einem Zentner Gespinst entsprechend betrachtet werden. Im Jahre 1767 wurde sodann die Gleichstellung der Sassiner Fabrik mit allen inländischen dadurch noch ausdrücklich anerkannt, daß sie für das gesamte Übermaß nur die erbländische Consumomaut richten brauchte.

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zu ent

Weitere Absatzbegünstigungen, die der Kommerzienrat im Zusammenhange mit der in Aussicht genommenen Aufhebung der Zwischenzölle der deutschen Provinzen auch durch das Vorgehen der ungarischen Statthalterei, die im Jahre 1771 durch Zirkularien Verleger für Fabriken zu in

325 H. K. A. Komm. N.-Oe. 95. 1755; 1774 Aug. 194.

326 11/2 fl. von Halb-, 3 fl. von Ganzkottonwaren. (Nach der Aufhebung des inländischen Zolls in Niederösterreich.)

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