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Über den Umfang der Warenerzeugung der Magistratsfabrik gibt das am 6. Februar 1750 aufgenommene Inventar, aus dem nur die unverkauften Vorräte zu ersehen sind, keinen Aufschluß. Als Waren werden angeführt: weiße, perlfarbene und blaue Manns-, 149 Frauen- und Knabenstrümpfe, ferner Kamisole, Schubhauben, glatte und rauhe Hauben,152 Kinderhäubel u. a.' 153 Zur Färbung wurde Krapp und Safflor verwendet..

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Die Handelsleute, welche erklärten, daß die übernommene, sehr schlecht fabrizierte Ware,nur vor einen Povel zu nehmen wäre', sahen sich alsbald genötigt, in der Verarbeitung der Baumwolle bereits geübte Arbeitskräfte aus dem Auslande hereinzuziehen, die sodann durch die Verbreitung ihrer Kenntnisse im Lande diesem zum Nutzen wirken sollten. Darin sah auch die Subdelegation des Kommerzienkonsesses den hauptsächlichsten Wert dieser Fabrik, deren ausländische Arbeiter zugleich auch die Zahl der Konsumenten des Landes vergrößerten. Schließlich wurde den neuen Fabriksinhabern auch das erbetene Privilegium ausgefertigt.154

Weder über die Herstellung von Barchent oder über die anderer Baumwollwaren in den vereinigten Fabriken noch über die späteren Schicksale dieser selbst konnten bisher weitere Nachrichten aufgefunden werden. Wie Graf Rudolf Chotek im Jahre 1761 ausführte, sei, man mit der in Wien und Graz versuchten Barchentfabrikation, die zwar nicht aufgegeben sei, nie ins Reine gekommen.155 Es muß wohl angenommen werden, daß der Fabriksbetrieb, ohne größere Bedeutung erlangt zu haben, schon kurze Zeit darauf eingestellt worden ist. In den längeren Verhandlungen über die im Jahre 1780 eingeleitete Errichtung einer weiteren Baumwollwarenfabrik in Graz geschieht der älteren Fabrik keine Erwähnung mehr.

149 Die Preise, nach Größe und Farbe abgestuft, standen zwischen 41/2 und 1112 fl. für das Dutzend.

150 Im Preise von 43 bis 7 fl.

152 Das Dutzend kostete 11/4 bis 51/2 fl.

151 Im Preise von 21/2 bis 511⁄2 fl.

153 Der Gesamtvorrat belief sich auf über 400 Dutzend fertiger Waren. 154 Statth.-Archiv in Graz. 16. 1751. März 226.

155 Note vom 6. April 1761. St.-R. 175, 176 v. 1761.

4. Die Baumwollwarenfabrik zu Schwechat in NiederÖsterreich.

A. Gründung und Schicksal der Fabrik im 18. Jahrhundert.

a) Die Fabrik der Orientalischen Kompagnie.

Von wesentlich größerer Bedeutung als die über einen lokal engbegrenzten und auf die Herstellung weniger Warengattungen mit geringen Mitteln beschränkten Wirkungskreis nicht vorgedrungene erste österreichische Baumwollwarenfabrik des 18. Jahrhunderts ist die wenige Jahre nach dieser in Schwechat in Niederösterreich gegründete, deren Einrichtungen und Betriebsverhältnisse auch für die später nachgefolgten weiteren industriellen Unternehmungen dieses Produktionszweiges vielfach richtunggebend waren.

Wie schon aus der Geschichte der Linzer Wollenzeugfabrik ersehen werden konnte, stand die im Jahre 1719 in Wien als Aktiengesellschaft gegründete kaiserlich privilegierte Orientalische Kompagnie mit der Entwicklung der Textilindustrie Österreichs im 18. Jahrhundert in engem, allerdings nicht durchaus vorteilhaftem Zusammenhange.

In ihrem Gründungsprivilegium wird ihr die Befugnis eingeräumt, neue, in den österreichischen Ländern noch nicht. bestehende Manufakturen und Fabriken zu errichten und bereits bestehende zu übernehmen. Sie sollte allein mit Waren, wie sie in ihren Fabriken hergestellt würden, Handel zu treiben berechtigt und auch befugt sein, in allen Erbländern. Häuser, Schlösser und Edelsitze, die sie als Betriebsstätten benötigen würde, aufzukaufen.156

Die Orientalische Kompagnie machte alsbald von diesen ihr eingeräumten Rechten auf verschiedene Arten Gebrauch, den erfolgreichsten und allein auf eine längere Reihe von Jahren wirksamen auf dem Gebiete der Textilindustrie. Mit der Erwerbung der im Jahre 1672 in Linz errichteten Wollenzeugfabrik im Jahre 1722 und mit der im Jahre 1724 erfolgten Gründung der Baumwollwarenfabrik in Schwechat trat sie an die Spitze der Schaf- und Baumwolle verarbeitenden Gewerbe.

156 Codex Austriacus. III. 939 ff.

Als Wahrzeichen längst entschwundener Zeiten und Produktionsverhältnisse ragen die Gebäude dieser beiden Fabriken, der ersten großen Versuche auf der Grundlage assoziierten Kapitals durchgeführter gewerblicher Konzentration in freilich vielfach geänderter Gestalt und dem ursprünglichen Zwecke entfremdet, bis in die heutigen Tage, geschichtliche Denkmäler österreichischer Arbeit.

Die Orientalische Kompagnie pachtete am 24. April 1724 157 die zwischen Straße und Mühlbach gelegene sogenannte Marktrichterwiese von dem Markte Schwechat (heute Groß-Schwechat) um jährlich 40 fl. rhein. auf 12 Jahre, um daselbst eine Kotton- und Leinwandbleiche zu errichten.158 In der Nähe dieser Bleiche wurde nach einigen Jahren das sogenannte mittlere Fabrikshaus erbaut.

Hier begann noch im Jahre 1724, nachdem die Kompagnie über genügende Vorräte an Baumwolle, für deren Beschaffung ihre bereits hergestellten Handelsbeziehungen von besonderem Vorteil waren, und über ausreichende, zum Teile aus dem Auslande herbeigezogene Arbeitskräfte verfügte, der Betrieb.

Zu den die große Bedeutung dieses Unternehmens begründenden Schritten kam es in den zwei folgenden Jahren.

Die Kompagnie kaufte zunächst mit Vertrag vom 26. März 1725 von dem preußischen Kriegsrat und Präsidenten der Regierung des Herzogtums Magdeburg, Nikolaus Bartholomäus Freiherrn v. Dancklmann, die zwischen KaiserEbersdorf und Schwechat ,am kalten Gang' gelegene sogenannte Parz oder Thurnmühle (früher gräflich Thurnscher Besitz 159) mit mehreren Grundstücken um den in fünf

157 Ingedenkbuch. I. S. 226. Es ist demnach nicht anzunehmen, daß die Kompagnie schon im Jahre 1723 mit der Errichtung der Fabriksgebäude begann, wie F. M. Mayer, a. a. O. S. 58 bemerkt. 158 Die Bearbeitung der Leinwand wurde von der Kompagnie jedoch in größerem Ausmaße niemals betrieben. Die Arbeitsstätte, deren Grund später käuflich erworben wurde, durfte wegen des Wildwechsels, damit die kaiserliche Jagd nicht behindert werde, nicht eingefriedet werden.

159 Deshalb und nicht vom Türmchen, das die Mühle trug, wie in Topographie von Niederösterreich, II., S. 419, zu lesen, wurde sie Thurnmühle genannt. Auch wurde sie nicht, wie ebendaselbst angegeben, von Kaiser Leopold I. der Kompagnie verkauft.

Jahren abzuzahlenden Betrag von 13.000 fl. rhein. Dieses schloßartige Gebäude (auch Thurnschloß genannt) stand unter der Grundobrigkeit der Herrschaft Ebersdorf an der Donau.

Ein weiterer Kaufvertrag kam sodann im folgenden Jahre zwischen dem Direktor der Orientalischen Kompagnie Christian Schubert und Friedrich Theodor de Mackau, dem Direktor der kaiserlichen und königlichen Akademie in Brabant, als Testamentsexekutor des Johann S. Pierre durch Bevollmächtigte des letzteren zustande, indem am 5. Juli 1726 das vormals Brentanische, damals S. Pierrsche, unter die Jurisdiktion des Deutschen Ritterordens gehörige, im Markte Schwechat (zwischen den Häusern des Michael Dir, Bürgers und Bräumeisters, und des Christian Steiner) gelegene Haus samt Hof und Garten etc., sowie 54 Joch Äcker um 6000 A. und 400 fl. Leihkauf, gleich bar zu erlegen, an die Kompagnie überging."

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Das ersteré Gebäude wurde mit seinen Zubauten als unteres Fabrikshaus bezeichnet und enthielt später nebst Bleiche und Walke auch Druckerei und Appretur.161 Der sogenannte Brentanihof wurde als oberes Fabrikshaus bezeichnet und enthielt die Räume der Fabriksleitung, Komptoir, Werkamt und Magazine.

Zwischen diesen beiden ungefähr eine halbe Gehstunde von einander entfernten Gebäuden wurde hierauf im Jahre 1732 ebenfalls am Kalten Gang, auf der sogenannten Stierwiese oder Gmeinwiese, noch eine Druckerei, die obere Druckerei nebst Farbhaus, Glanz-, Mang- und Hangräumen erbaut, welche als mittleres Fabrikshaus bezeichnet wurde. Die Grundstücke, welche die Fabrik nicht selbst benötigte, wurden größtenteils verpachtet. Erst im Jahre 1768 kaufte die Fabrik die Grundobrigkeit für ihre Schwechater Gebäude.

Das Wasser des Kalten Gangs' empfahl sich für industrielle Verwendung besonders dadurch, daß dessen Stand sich sehr wenig änderte und daß es bei einer das ganze Jahr

160 Ingedenkbuch. I. 12, 15.

161 Einer der Fabriksgesellschafter. Falquet, errichtete im Schloßgebäude der sogenannten Thurnmühle im Jahre 1745 eine Kapelle, für die eine Lizenz zum Messelesen erteilt wurde.

Archiv, 110. Band, 2. Hälfte.

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hindurch nahezu gleichen Temperatur von 7-8" R. im Winter nicht zufror.162

Zur Sicherung ihres Betriebes und in offenbar berechtigter sicherer Erwartung staatlicher Förderung ihrer industriellen Pläne hatte die Kompagnie schon im Jahre 1724 von der Regierung ein Privilegium privatum erbeten, welches ihr ein Erzeugungsmonopol für Baumwollwaren (Kotton und Barchent) in ganz Österreich neben der vorerwähnten bereits privilegierten Barchent fabrik in Graz für die Dauer von 20 Jahren gewähren sollte. Durch ein Einfuhrverbot für Baumwollwaren sollte die Konkurrenz des Auslandes abgehalten werden.

Wie der Orientalischen Kompagnie auf anderen Gebieten eine besonders bevorzugte Stellung eingeräumt wurde, geschah es auch in diesem Falle mit der Erteilung des gewünschten Privilegiums, welche am 8. Jänner 1726 erfolgte.

Wie im Eingange des Privilegiums 163 ausgeführt wird, war die Orientalische Kompagnie gesonnen, da durch die Einfuhr fremder Kottone und Barchentwaren jährlich große Summen Geldes aus dem Lande gezogen würden und sie selbst nicht nur bereits einen ansehnlichen Vorrat von Baumwolle in Händen hatte, sondern auch beständig durch Austausch gegen inländische Waren zu bekommen beflissen sein würde, zum Besten des öffentlichen Wohls die Baumwolle nunmehr selbst im Inlande verarbeiten und daraus Kottone und Barchent anfertigen zu lassen.

Mit dem Privilegium erhielt die Orientalische Kompagnie die Bewilligung ihre Cotton- und Parchent-Fabrik' nebst den dazu gehörigen Arbeitsstätten für Kartatscherei, Spinnerei, Weberei, Bleicherei, Mange, Färberei und 162 Der Kalte Gang entspringt südwestlich von Ebreichsdorf in Niederösterreich aus 13 sichtbaren Quellen und vereinigt sich nach kurzem Laufe mit dem Schwechatflusse. (Topographie von Niederösterreich. I. S. 440 a.) Übrigens erbaute einer der Vizedirektoren der Fabrik (Wolf), um von der Wasserkraft unabhängig zu werden, im Jahre 1760 eine Windmühle für den Betrieb einer Farbholzschneide• maschine. (Ingedenkbuch. II. S. 161 ff.)

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163 Abgedruckt in Supplementum Codicis Austriaci. Pars II. Wien 1752. S. 376 ff. Siehe auch F. M. Mayer a. a. O. S. 58 ff. und R. Sieghart, Die öffentlichen Glücksspiele. S. 82. 3 Orig.-Ex. des Privilegiums befinden sich im Statth.-Archiv in Graz. Hofkammer 1726. IV. 25.

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