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ste polizeiliche Überwachung als dringendes Gebot staatlicher Sicherheit erschien. Nach dem Wartburgfeste befürchteten Metternich und der Präsident der Polizeihofstelle Graf Sodnitzky, daß der dort zutage getretene Geist auch nach Österreich Eingang finden könnte. Deshalb trat auch seit 1817 das Streben Metternichs besonders in Erscheinung, seinen Einfluß in Angelegenheiten der außerösterreichischen deutschen Universitäten geltend zu machen. So entsprach es nur seinen Wünschen, als der preußische Staatskanzler Fürst Hardenberg ihm mitteilte, daß er im Namen seines Königs beim Großherzog von Sachsen-Weimar Vorstellungen erheben werde und um die Ermächtigung für den österreichischen Gesandten in Berlin Grafen Zichy ersuchte, sich namens des Kaisers diesem Schritte anzuschließen. Der Gesandte wurde angewiesen, Sicherheit für die Zukunft und die Verhinderung einer Wiederholung derartiger Vorfälle zu verlangen, doch vermochte er keinen greifbaren Erfolg zu erzielen. Auf Ersuchen Metternichs entsandte überdies Sedlnitzky den Polizeioberkommissär Sicard zu Erkundigungen nach Jena und Eisenach, obwohl in Jena nur 26 ungarische und siebenbürgische Theologen studierten. Von ihnen konnte Sicard berichten, daß keiner an dem Feste teilgenommen habe. Auch war er in der Lage, das Gerücht von einer Verbrennung der Wiener Kongreßakte und jener der heiligen Allianz als unbegründet zu erklären." Alsbald meinte jedoch Sed1nitzky das Bestreben der auswärtigen Universitäten wahrzunehmen, den Geist der Burschenschaft und des demagogischen Unwesens nach Österreich zu verpflanzen. Dies er

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29 Brief an Metternich Vom 15. November 1817. Staatsarchiv, Akten der Staatskanzlei, Preußen-Korrespondenzen, Fasz. 101. Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 2. Bd., S. 430. 30 Weisung vom 20. November 1817. Staasarchiv a. a. 0.

31 Wentzek e, Geschichte der Deutschen Burschenschaft, 1. Bd., in den Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegungʻ, 6. Bd., S. 229. Stern, Geschichte Europas seit den Verträgen von 1815 bis zum Frankfurter Frieden von 1871, 1. Bd., S. 453.

Ebendort, Polizeiarchiv, Z. 1243/387 aus 1818.

öffnete ein ansehnliches Tätigkeitsgebiet insbesondere für die Polizei. Mit großem Argwohn überwachte sie das Ankommen von Studenten aus dem übrigen Deutschland sowie das Abgehen österreichischer dorthin, mochte beides auch nur in geringem Maße der Fall sein. Für die Sucht, anerkennenswertem Streben verwerfliche Absichten zu unterschieben, liefert ein an den Kaiser erstatteter Polizeivortrag vom 12. Januar 1818 einen bezeichnenden Beleg. Dort mußten zwar die Wirkungen der Hauptpartei' in Deutschland,33 die Zucht und Ordnung in das Studentenleben brachte, als an sich heilsam und wohlthätig' anerkannt werden, doch wurde sogleich hinzugefügt, allein als Wirkungen einer Parthei betrachtet, welche auf Umwälzungen und Unordnungen hinzuzielen scheint, stellen sich dieselben um so bedenklicher dar, als sie durch ihre schmeichelhafte Außenseite täuschen', 34

Bei seiner Überwachungstätigkeit war Sedlnitzky auch darauf bedacht, den Briefwechsel der Studenten einer besonderen Aufsicht zu unterziehen. Dadurch gelangte im August 1819 zu seiner Kenntnis, daß in Wien zwei Jahre vorher im burgundischen Kreuz in der Bräunerstraße eine ,Colonie der Schweizer Studenten bestanden hatte.35 Doch scheint sie mit den Bestrebungen der deutschen Burschenschaft nichts gemeinsam gehabt zu haben, zumal auch der Kriminalsenat des Wiener Magistrats nur die Revolutionierung des Kantons Freiburg als ihren Zweck bezeichnete.36 Ansätze zu burschenschaftlichen Vereinigungen traten zunächst in Prag in Erscheinung. Zwar rühmte die dortige Polizeidirektion in ihrem Stimmungsberichte für den Januar 1818, daß die Studenten an Ereignissen wie dem Wartburgfeste keinen politischen Anteil nehmen und sich bei ihnen auch nicht die leiseste Spur der etwa geheim stattgefundenen.

33 Als solche wurde die Turnerpartei' mit Jahn und Arndt als Häuptern angesehen, an die sich die Schar der Schriftsteller, Journalisten und Professoren geschlossen habe.

Staatsarchiv, Kabinettsakten, Z. 263 aus 1818.

35 Ebendort, Z. 144 aus 1819. - Vgl. auch Springer, a. a. O., 1. Teil,

S. 302.

35 Ebendort, Z. 61 aus 1820.

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Einwirkung der Teutonia' bemerkbar mache. Später aber änderten sich die Verhältnisse. Zu Ostern 1819 wurden Zusammenkünfte von etwa 100 Studenten entdeckt, die unter dem Einflusse zweier Jenaer Studenten die Errichtung eines Bundes nach dem Muster der Burschenschaft zum Ziele hatten. Gleichzeitig war die Polizei auch einem in Bildung begriffenen geheimen Vereine der Philosophen auf die Spur gekommen. Bei den Wiener Studenten wollte Sedlnitzky schon 1818,dunkle Begriffe von Kommersen oder Burschenvereinen wahrgenommen haben. Indessen gelangte die Polizei erst zu Beginn des Studienjahres 1819/20 zu bestimmten Spuren, wesentlich unterstützt durch die sodann mit 100 Gulden belohnten Angeberdienste eines Studenten." Besonders bedauerlich fand dabei Sedlnitzky, daß die in Prag getroffenen Strafmaßregeln nicht abschreckend gewirkt hatten. Bei den Zusammenkünften in Wien, die beim ,Schwan' und den sieben Krügeln auf der Landstraße oder beim Strobelkopf in der inneren Stadt stattfanden, wurden Burschenlieder gesungen und unter den Teilnehmern, die sich in Burschen und Füchse gliederten, scheinen die Ideen ,des Teutschthums, der Volksfreiheit, der NazionalRepräsentazion und andere exzentrische Gegenstände geherrscht zu haben. Senn, Karl Stegmayer u. a. gehörten der Runde an." Nachrichten ähnlicher Art liegen

57 Polizeiarchiv, Z. 1553 bei 417 aus 1820.

38 Schindler, Aus dem vormärzlichen Österreich in der Monatsschrift Deutsche Arbeit (Prag), 10. Jahrg., S. 392 ff.

39 Ebendort.

40 Polizeiarchiv, Z. 2261/64 aus 1820.

41 Vortrag Sedlnitzky s an den Kaiser vom 29. März 1820. Polizeiarchiv, Z. 2700/64 aus 1820. Vgl. ferner Aus den Memoiren eines alten Studenten in der Neuen Freien Presse vom 29. Juli 1865, dann Bauernfeld über eine Studentenverschwörung' in Aus Altund Neu-Wien' sowie die Artikel über Senn und Karl Stegmayer in Wurzbachs Biographischem Lexikon für das Kaiserthum Oesterreich. Der Aufsatz von A. O. v. Terzi: Eine Wiener Burschenschaft anno 1819!' in der Akademischen Rundschau', 3. Jahrg., Leipzig 1914-1915, S. 438 ff., bringt hierüber kaum mehr als eine bloße Wiederholung aus den genannten Veröffentlichungen. Die Bezeichnung des von ihm Gebotenen als bisnun gänzlich unbekannt ist

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vor. In

auch aus Graz, Linz und Innsbruck Olmütz erregte es Mißbilligung, daß der Professor Knoll Turnübungen unter den Studenten einzuführen sich bemühte. Doch meinte der Brünner Polizeidirektor, die Bildung der meisten von ihnen sei auf einer so niederen Stufe, daß sie von der Handlungsweise der auswärtigen Studenten und ihren burschikosen Ausartungen weder einen wahren Begriff, noch viel weniger einen Sinn hätten. Die Sachlage schien zwar der Polizei noch nicht besonders gefährlich, doch war sie immerhin mit strengen Maßnahmen entgegengetreten und auch der Kaiser befahl eine genaue Überwachung der Studenten und Professoren." Andererseits aber meinte Metternich am 16. Juli 1820, daß die vorgekommenen,Exzesse als bloße Übertretungen der österreichischen Disziplinarvorschriften angesehen werden könnten. Denn es habe sich bisher nirgends ein Zusammenhang oder Verband der Lehrer und Zöglinge mit den Universitäten der deutschen Bundesstaaten oder mit den dortigen Häuptern,revolutionärer Meutereien gezeigt. Tatsächlich hat auch Österreich die Akten dieser Untersuchungen der Mainzer ZentralUntersuchungskommission nicht vorgelegt.

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Mit den Fortschritten, die im übrigen Deutschland die burschenschaftliche Bewegung gemacht hatte, war auch die Aufmerksamkeit gewachsen, die ihr von den Behörden gewidmet wurde. Metternich, dem Hardenbergs Verhalten gegen die Umtriebe überhaupt zu lau war, fand hiebei in dem preußischen Staats- und Polizeiminister Fürsten Wittgenstein eine gleichgestimmte Seele. Dieser for

daher ebenso unzutreffend wie seine Berufung auf die genauen Polizeirapporte, die dabei überhaupt nicht benützt sind.

42 Staatsarchiv, K. A. Z. 170 aus 1820.

43 Polizeiarchiv, Z. 5227 aus 1819.

44 Polizeiarchiv, Z. 2700/64 aus 1820.

Für Prag scheint das allerdings nicht ganz zu stimmen. Siehe hiezu
Schindler, a. a. O., S. 393.

48 Schreiben an den österreichischen Kommissär bei der Zentral-Untersuchungskommission in Mainz von Rath. Staatsarchiv, Deutsche Akten der Staatskanzlei, Fasz. 41.

Archiv. 110. Band, 1. Hälfte.

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derte ihn auf, dem preußischen Staatskanzler auch weiterhin im Sinne seiner bisherigen sehr wohltätig wirkenden Eröffnungen zu schreiben. Das konnte kaum auf einen fruchtbareren Boden fallen als am Ballplatze, und jeder Mitteilung Wittgensteins, besonders über die Burschenschaft, war das größte Interesse Metternichs sicher. Sucht man nun gegenüber den meist phrasenhaft gehaltenen Äußerungen der Österreichischen Akten über sie, wie Universitätsunfug'. ,Schwindelgeist', verderbliche Ideen-Tendenz nach Freyheit und Teutschthümlichkeit, nach bestimmten sachlichen Vorwürfen, so zeigt sich zunächst, daß die alte deutsche Kleinstaaterei durch den in der Burschenschaft herrschenden deutschen Einheitsgedanken als gefährdet angesehen wurde. Die eigentliche Vaterlandsliebe zu schwächen, ja zu tödten, um der Liebe zu dem einen und untheilbaren Deutschland zu fröhnen', bezeichnete Wittgenstein im Oktober 1818 als Zweck der Verbrüderung. Die verschiedenen deutschen Staaten sollten verschwinden und in einem revolutionären Chaos untergehen. Nicht minder gefährlich wie der Zweck sei auch das vorgeschlagene Mittel. Man denke sich ein festes Zusammenhalten von zehn- bis zwölftausend Jünglingen, die sich alle zwei Jahre erneuern, deren Bund ihre akademische Jahre überleben wird, und die in kurzem alle Stellen im Staate bekleiden werden. Der österreichische Staatskanzler stimmte dieser Beurteilung und der grellen Ausmalung der vermeintlich drohenden Gefahren dieses riesenhaften Vorhabens' völlig zu. So mochte er wohl gerade in der richtigen

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47 Brief an Metternich vom 6. Februar 1818. Staatsarchiv, Akten der Staatskanzlei, ‚Preußen', Fasz. 104.

48 Ein Niederschlag eben dieser Besorgnis ist auch späterhin in dem Bundesbeschlusse vom 20. September 1819 zu finden. Dort wird bemerkenswerterweise zur besonderen Begründung des Verbotes der Burschenschaft nur hervorgehoben, daß ihr die schlechterdings unzulässige Voraussetzung einer fortdauernden Gemeinschaft und Korrespondenz zwischen den verschiedenen Universitäten zugrunde liegt. 49 Vortrag Metternichs an den Kaiser vom 13. Oktober 1818. Staatsarchiv, Vorträge, Fasz. 315. Dortselbst als ununterfertigte Beilage die Mitteilungen Wittgensteins.

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