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KE 38238

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HARVARD UNIVERSITY LIBRARY NOV 11 1955

055442

Vorwort.

Nahezu sechs und dreißig Jahre

ein Menschenalter find vorübergezogen, seit Franz Schubert nach kurzem Erdenwallen aus dieser Welt geschieden ist. Während des Verlaufes dieser drei Decennien und darüber, nach seinem Tod, ganz hauptsächlich aber in neuester Zeit, war man rühmlichst darauf bedacht, den reichen Schat seines inneren Lebens, insoweit dieser in der musikalischen Kunft zur Erscheinung gelangte, allgemach aufzudecken und die volle Würdigung seiner erAtaunlichen in ihrer Vielseitigkeit noch zu wenig erfaßten künstlerischen Thätigkeit zu ermöglichen.

Die Schilderung seiner stillen anspruchslosen äußeren Existenz dagegen beschränkte sich bis zur Stunde auf ein Paar dürftige Lebensumrisse, die bald nach des Tondichters Ableben in öffentlichen Blättern dem Publikum geboten wurden, und auf die von dem Verfasser dieses Buches vor drei Jahren herausgegebene „Biographische Skizze“, welcher von wohlwollenden, den Schwierigkeiten eines erßten derartigen Verfuches Rechnung tragenden Personen, das Verdienst zugestanden wurde, eingehender, als es bis dahin der Fall war, auf die Lebensverhältnisse und die musikalische Produktivität Schubert's hingewiesen zu haben.

Jene Skizze aber, so bescheiden ausgestattet sie war, barg doch den fruchtbringenden Keim neuen Lebens in sich;

denn bald nach ihrem Erscheinen öffneten sich da und dort zwar spärlich fließende, aber dennoch höchst willkommene Quellen, deren Eristenz mir entweder gar nicht bekannt war, oder die ich für versiegt gehalten hatte. So sah ich mich denn durch Mittheilungen verschiedener Art, welche theils Neues, theils Berichtigungen thatsächlicher Irrthümer enthielten, sowie durch eigene Bemühung allmälig in dem Besitz eines verhältnißmäßig reichhaltigen Materiales, welches zu benützen und aufs neue zu verarbeiten ich mich durch mehrfache Gründe bestimmen ließ. Auch konnte ich mir nicht verhehlen, daß mein innigeres Vertrautwerden mit der Schubertschen Muse und die mir über seine äußeren Verhältnisse mittlerweile gewordenen Aufklärungen auf so manche in der „Skizze“ ausgesprochene Ansicht modificirend eingewirkt hatten. Die Schwierigkeiten, mit welchen eine Darstellung von Schubert's Leben zu kämpfen hat, find freilich in Wesenheit dieselben geblieben. Sie gipfeln in der Unmöglichkeit, ein Leben, „in welchem es nicht Berg nicht Thal, sondern nur gebahnte Fläche gab, auf der sich unser Tondichter in gleichmäßigem Rhythmus fortbewegte", als interessant und bedeutend hinzustellen, ohne dem Lefer an Stelle der Wahrheit Phantasieftücke zu bieten, die wohl für den Augenblick Anregung und Erheiterung gewähren mögen, der Sache selbst aber in keiner Weise förderlich find*). Eben aus dieser Ursache haben auch Personen, in deren Macht es geftanden, über Schubert's

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*) Derlei poetisch und gemüthlich gefärbte „Phantasien“ über Schubert sind auch im Druck erschienen. Ihr Inhalt gehört zum bei weiten größten Theil in das Reich der Fabel, und ist nur geeignet, den Tondichter in einem ganz anderen Licht erscheinen zu lassen, als dieß in Wirklichkeit der Fall war.

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