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Zur Vervollständigung von Mayrhofer's Charakteristik möge noch Folgendes dienen. Sogenannte Litteraten vermied er auf's ängstlichste. Der unbefangene, gesunde, kräftige Naturmensch war ihm der liebste. Die Späße eines derartigen witzigen. Menschen, der einer lustigen Abendgesellschaft angehörte, trug er des Morgens darauf in sein Tagebuch ein, wo sie unter Young's „Nachtgedanken“ uud Herme's „Trismegistos“ ihren Platz fanden. Seine Haushaltung war höchst einfach, an Mäßigkeit und Entsagung glich er einem Stoiker. Einige

Stieg er nach den obern Räumen.

Steht, und stiert durchs offne Fenster.
Draußen wehen Frühlingslüfte,
Doch den Mann, der finster brütet,
Haucht es an, wie Grabesdüfte.
An dem offnen Fenster kreiselt
Sonnenstaub im Morgenschein,

Und der Mann lag auf der Straße
Mit zerschmettertem Gebein.

(Rusticocampius.)

Nach einer Mittheilung von M's. damaligem Amtsvorstand (dem derzeit pens. Herrn Regierungsrath Hölzl), hatte sich M. schon früher einmal in einem Anfall von Schwermuth in die Donau gestürzt, war aber herausgezogen und dem Leben wiedergegeben worden. Den Freunden, die ihm Vorwürfe machten, antwortete er apathisch: er hätte nicht gedacht, daß das Donauwasser so wenig kalt sei. Unmittelbar vor der lezten Katastrofe kam er frühzeitig in das Amt, trat sodann zu einem Beamten, den er um eine Prise Tabak ersuchte, und begab sich in das obere Stockwerk des Amtsgebäudes (am Laurenzerbergl), von wo er sich herabstürzte. Er brach das Genick, lebte aber noch 40 Stunden. Uebrigens hat ihn damals nicht Lebensüberdruß, sondern die fortwährende Angst vor der Cholera zu dem verzweifelten Schritt getrieben. So wenigstens behaupten Herr Hölzi und der Kunsthändler Herr M. Beermann in Wien.

Bücher, eine Guitarre und die Pfeife bildeten seinen Hausschmuck, ein kurzer Schlaf nach Tisch und ein Spaziergang seine Genüsse. Einfach bis zur Vernachlässigung war sein Anzug. Seine Beschäftigungen kehrten Tag für Tag in derselben Ordnung und mit derselben Pünktlichkeit wieder. Seine äußere Repräsentation hatte etwas Starres, wie dies Einsamen oft eigen ist. Unbeugsamer Ernst wurde von grellem Lachen unterbrochen. Sein Gang war fest, seine Handschrift stellte in jedem Buchstaben einen Lanzenschaft vor. Sein Körperbau war gedrungen, mittelgroß, seine Gesichtsformen wenig bedeutend, eher gemein; nur der Mund verzog sich gerne zu einem bedeutenden farkastischen Lächeln; das Auge blitte scharf und weitaus mit Adlerblick. Stolz hegte er nur in seinem Innern, andere Menschen überschäßte er. Beifall war ihm gleichgültig, und wer ihm über seine Gedichte Schönheiten sagte, beleidigte ihn.

Nach diesem, von einer gütigen Freundeshand1) ent= worfenen Bild war Mayrhofer eine ernste, tüchtige, durch und durch sittliche Natur, welche aber von einer nicht geringen Dosis von Pedantismus und Schwerfälligkeit eingeschränkt und niedergehalten wurde. Ein Vergleich mit dem Naturell Schubert's, welches im Verlauf dieser Darstellung geschildert werden wird, läßt auf den ersten Blick die Eigenschaften erkennen, welche sie gemeinschaftlich hatten, sowie auch die gegenseitigen Kanten, die sich bei ihrer Berührung reiben und abstoßen mußten. Wie sehr sich Schubert von den poetischen Gebilden Mayrhofer's angezogen fühlte, bezeugen die vielen

') Feuchtersleben. Vorrede zur neuen Ausgabe von Mayrhofer's Gedichten.

und größtentheils bedeutenden Lieder, die er auf dessen Gedichte componirt hat. Darüber, daß sich beide werthschäßten, kann kein Zweifel sein; ebenso verbürgt ist es aber auch, daß Franz nicht gerne längere Zeit hindurch mit Mayrhofer allein zu sein liebte, weil dieser, mit heiteren Neckereien beginnend, im weiteren Verlauf zu Reibungen Anlaß gab, welche Schubert belästigten.

Mayrhofer hat seinen Gefühlen für den zu früh ihm Entrissenen in mehreren Gedichten Ausdruck gegeben '); diesem aber war es beschieden, so manches poetische Gebilde des Freundes in Tönen zu verklären, und das vergänglichere Wort des Dichters in festem Bund mit seinem unvergänglichen Lied der fernen Nachwelt zu überliefern.

1) „Geheimniß“, „Nachgefühl an Franz Sch.“ (19. Nov. 1828) und „An Franz“, von welchen das erste und die zweite Strofe des zulegt genannten, dieses unter dem Titel: „Heliopolis“, von Sch. componirt, im Stich erschienen ist.

III.

(1815.)

Wir treten in das Jahr 1815, Schubert's achtzehntes Lebensjahr. Dasselbe erscheint, was die Zahl der in diesem Zeitraum entstandenen Compositionen anbelangt, als das reichste. Ueber hundert Lieder, ein halbes Dußend Opern und Singspiele, Sinfonien, Kirchen-, Kammer- und Claviermusik drängen sich da zusammen, und es ist geradezu unbegreiflich, woher der in der Schule und bei Salieri Vielbeschäftigte die fisische Zeit genommen hat, eine solche Masse von Notenzeichen auf das Papier hinzuzaubern.

Unbekümmert um Form, inneren Gehalt, Länge oder Kürze der Gedichte griff er für seine Lieder und Gefänge bald nach umfangreichen Balladen von Goethe, Schiller, Hölth, Bertrand, Körner, bald nach kurzen Strofenliedern der damals beliebten Dichter Schulze, Kosegarten, Mathisson, Klopstock, Fellinger, Stollberg u. s. f., oder nach den Gefängen Ossian's, nie verlegen um das musikalische Gewand, in welches er dieselben kleiden wollte. Einige von den in diese Zeit fallenden Liedern reihen sich schon dem Besten an, was Schubert auf diesem Gebiet geschaffen; dagegen finden sich unter der großen Masse auch solche, die einen verhält

nißmäßig geringen Werth haben ). Mit besonderer Vorliebe wendete er sich damals der Composition großer Balladen zu, und „Emma und Adelwold" — von Bertrand 2) ist wohl das umfangreichste Gesangstück, das Schubert je niedergeschrieben hat.

Der Zeitfolge nach ist die Ballade „Minona“ von Bertrand (componirt am 8. Februar) die erste. Diese Composition ist schon unverkennbar von Schubert'schem Geist burchweht und erinnert, namentlich in der Clavierbegleitung, an die Ossian'schen Gefänge, von welchen einige zu eben dieser Zeit entstanden sind. Noch mehr ist dies der Fall mit „Amphharaos" von Theodor Körner, welches große Gedicht er in der unglaublich kurzen Zeit von fünf Stunden (wie auf dem Original bemerkt ist) in Musik sette. Die Composition ist bedeutend und verfehlt nicht des Eindruckes, wenn sie von einem tüchtigen Sänger ausdrucksvoll vorgetragen wird.

Am 7. Juni nahm er Bertrand's Ballade: „Emma und Adelwold" in Angriff. Die zu diesem Gedicht geschriebene

') Herr Spina besitzt die Autografe von sieben Liedern, die an ein und demselben Tag (15. Oct. 1815) componirt wurden; am 19. Oct. folgten abermals vier Lieder.

2) Wer der Verfasser der obengenannten Balladen (Bertrand) seinem Stande nach gewesen, und wie Schubert auf diese, wie es scheint, nie im Druck erschienenen Gedichte verfallen sein mochte, darüber ist mir keine Sicherheit geworden. Möglich, daß es Anton Franz Bertrand war, der das Duodrama: „Pyramus und Thesbe“ (Halle 1787) für den Componisten Benda schrieb. Die Autografe der Balladen: „Emma und Adelwold“, „Minona“, „die Nonne“, und „Amphiaraos" besitzt die Verlagshandlung Spina.

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