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Bewegung derselben, also gewissermaßen bei einem concentrischen Angriff zu erwarten steht.

So wird auf eine Anzeige, daß A. den B. im Streite lebensgefährlich verlegt und sodann die Flucht ergriffen hat, zu verfügen sein:

1. Telegramm an

a) Amtsgericht N.

Sogleich!

Sofortige Zeugenvernehmung des gestochenen, schwerverleßten Ar-
beiters B. zu X. sowie Haftbefehl gegen den flüchtigen Thäter A.
beantragt
Erster Staatsanwalt.

b) Gensdarmeriestation (Amtsvorsteher, Bürgermeister) zu 2c.

A. 23 Jahr alt, mittelgroß, blonder Schnurrbart, grauer Anzug, hat
B gestern Abend lebensgefährlich gestochen, ist nach dort geflohen.
Um Recherchen, Festnahme, Drahtnachricht ersucht

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Erster Staatsanwalt.

In dem Vorverf. wider den 2c. A. wegen lebensgefährlicher Körperverlegung des 2c. B. ersuche ich hierdurch:

a) den Arzt, welcher B. behandelt, zur Einsendung eines Attestes über die Art und Folgen der eingetretenen Verlegung unverzüglich veranlassen,

b) die dort wohnhaften Personen, welche bei dem Vorfalle zugegen waren, ermitteln und über ihre Wahrnehmungen bezüglich des Vorfalls als Zeugen vernehmen,

c) das Messer, mittelst dessen die That ausgeführt ist, beschlagnahmen und einsenden zu wollen.

5. Scrib. an die Polizei-Verwaltung zu 2c.

In dem Vorverfahren 2c. ersuche ich hierdurch den Drechsler Carl S., welcher unmittelbar Augenzeuge der That gewesen ist, und heute morgen dorthin sich begeben hat, als Zeugen baldgefl. vernehmen und das Protokoll schleunigst hierher übersenden zu wollen.

6. Nach 3 Tagen.

S. den 2c.

Der Erste Staatsanwalt.

Dritter Abschnitt.

Die Organe des vorbereitenden Verfahrens.

§ 36.

Grundsäße über Inanspruchnahme des Gerichts, der Hülfsbeamten der StAschaft und der Polizeibehörden.

Die Befugniß zur Vornahme selbständiger Erhebungen liegt in der Stellung der StAschaft begründet. So sagen die Motive S. 104:

Es ist einer der wesentlichsten Vortheile, welchen die Einrichtung der StAschaft bietet, gerade in der Möglichkeit, ohne gerichtliches Verfahren die Grundlosigkeit einer Denunziation oder eines angeregten Verdachtes zu erkennen und also ergebnißlose Untersuchungen zu vermeiden."

und ferner die Allgem. Verfüg. v. 4. April 1854 (JMBI. S. 147) III Abs. 3:

,,Es folgt ferner daraus (aus dem Hauptgewichte des Hauptverfahrens gegenüber dem Vorverfahren), daß die StAschaft sich die Materialien für ihre Beschlußnahme über Erhebung oder Abstandnahme der Anklage auf jedem ihr zuverlässig scheinenden Wege verschaffen darf und auf dem wenigst kostspieligen Wege verschaffen soll.“

Hiernach_empfiehlt sich sofortige selbständige Ermittelung der StAschaft zur Aufklärung und objectiven Feststellung bei Sachen, in welchen das Vorliegen eines Verbrechens überhaupt ungewiß ist, 3. B. beim auffälligen Abbrennen eines Gebäudes oder bei Auffindung einer Wasserleiche. Auch unmittelbar nach Entdeckung eines Verbrechens, z. B. Raubmords wird die StAschaft durch Vernehmung von Verdächtigen, Zeugen und Sachverständigen, sowie durch Nach= forschungen an Ort und Stelle (Haussuchung nach geeigneten Mordwaffen, blutbesprißten Kleidern) Anhaltspunkte für die Thäterschaft zu gewinnen suchen, um den Antrag auf Eröffnung einer Voruntersuchung richtig zu formuliren.

Personen, welche diese Amtshandlung vorsäßlich stören oder sich den zuständigen Anordnungen widersezen, kann der leitende Beamte, also auch der Staatsanwalt, festnehmen und bis zur Beendigung der Amtshandlung festhalten lassen.

Löwe, Note 2 zu § 162 StrPrOrdg.

2. Anträge an das Amtsgericht, wie sie § 160 a. a. D. „erforderlichen Falls" zuläßt, sind nicht ohne Weiteres zu stellen:

„Der Weg gerichtlicher Erhebungen, den viele Staatsanwälte als die Regel betrachten, wird meistentheils der kostspieligere sein, während polizeiliche Recherchen, Erkundigungen bei betheiligten Privatpersonen und Requisitionen. nicht gerichtlicher Behörden um Auskunft mit ungleich geringerem Kostenaufwande meistentheils zu gleichem Ziele führen werden."

Allgem. Verfüg. v. 4. April 1854, Abs. 4 (JMBI. S. 148).

Namentlich mit Anträgen auf Einnahme des gerichtlichen Augenscheins oder Anberaumung von Localterminen soll die StAschaft vorsichtig sein:

,,Bei Abhaltung von Localterminen wird nicht überall mit der wünschenswerthen Vorsicht verfahren, vielmehr werden nicht selten Localtermine angesezt, welche durch eine weniger kostspielige Requisition anderer Gerichte oder Behörden vermieden werden könnten. Bei der großen Kostspieligkeit solcher Localtermine wird immer im Auge zu behalten sein, daß man nur da zu ihnen schreite, wo sie geseßlich vorgeschrieben oder zur Aufklärung der Sache, insbesondere zur Feststellung des objectiven Thatbestandes, unumgäng

lich nothwendig erscheinen, oder wo ohne sie die Weitläufigkeiten und Kosten sich mehren würden."

Nr. 6 Allgem. Verfüg. v. 25. Novbr. 1850 (JMBI. S. 398).

3. Aus diesen Hinweisen ergiebt sich der Grundsay, die Erforschung des Sachverhalts möglichst durch Requisition der Polizeibehörden und Hülfsbeamten der StAschaft (vgl. § 48) eintreten zu lassen, die Thätigkeit des Gerichts aber nur da in Anspruch zu nehmen, wo dies in ganz bestimmten Fällen geboten erscheint, nämlich: 1. bei Capital- und Aufsehen erregenden Verbrechen:

a) zur Feststellung der Todesursache durch Leichenöffnung, b) zur Sicherung der Spuren der That, namentlich in verdächtigen Brandsachen durch Einnahme des Augenscheins; 2. zur Sicherung der Aussage eines schwerverlegten Zeugen; 3. bei drohender Verjährung;

4. bei gewissen Strafsachen, wenn sie juristische Schwierigkeiten bieten, wie Meineid, Betrug, Urkundenfälschung;

5. bei der Nothwendigkeit von Beeidigungen, namentlich in Majestätsbeleidigungs-Sachen;

6. bei Anträgen auf Durchsuchung und Beschlagnahme, namentlich wenn die Einsicht von Papieren in Frage kommt; 7. bei Anträgen auf Erlaß eines Haftbefehls, Verlängerung der Haftfrist um eine Woche oder Ausstellung eines Haftbefehls zum Zweck der Auslieferung.

Zeugenvernehmungen in Haftsachen, namentlich wenn Gegenüberstellungen erforderlich sind, werden gleichfalls beim Amtsgericht zu beantragen sein.

Den von der StAschaft oder auf deren Veranlassung durch die Polizeibehörde vernommenen Zeugen und Sachverständigen ist eine angemessene Vergütung aus Justizfonds zu gewähren.

Allgem. Verfüg. v. 16. Juni 1894, I, 2692 u. v. 10. Mai 1895, I, 4822.

Zwangsweise Gestellung des zu vernehmenden Zeugen ist nicht

gestattet.

ReichsG. 22. Novbr. 1883, Entsch. Bd. 9 S. 433 u. v. 27. April 1891, Entsch. Bd. 22 S. 5.
Vgl. auch § 41.

Vierter Abschnitt.
Mittheilungen.
§ 37.

Mittheilungen bei Einleitung eines Vorverfahrens.

Hinsichtlich der Mittheilungen, welche von den Beamten der StAschaft bei Einleitung eines Verfahrens zu machen sind, bestehen folgende Vorschriften:

1. Sobald gegen einen vorläufig entlassenen Strafgefangenen (§ 23 RStrGB.) vor Ablauf der Strafzeit wegen einer nach der vorläufigen Ent

lassung begangenen strafbaren Handlung ein Vorbereitungsverfahren . . . eingeleitet wird, so ist hiervon dem für die Herbeiführung des Widerrufs der Entlassung zuständigen Oberstaatsanwalt unter Darlegung des Sachverhalts unverzüglich Anzeige zu machen.

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Art. I, A, I, 2. Allgem. Verfüg. vom 25. August 1879 betr. die von den Beamten der StAschaft an andere Behörden zu machenden Mittheilungen (JMBI. S. 251).

Beispiel:

Euer Hochwohlgeboren

1. Bericht an den Kön. Herrn Oberstaatsanwalt, Hochwohlgeboren, zu N. Bericht des Ersten Staatsanwalts, betr. Einleitung eines Verfahrens gegen den vorläufig entlassenen Strafgefangenen N. N.

beehre ich mich hierdurch geh. anzuzeigen, daß ich gegen den nebenstehend bezeichneten Strafgefangenen heute ein Verfahren wegen Diebstahls eingeleitet habe.

Derselbe, am 5. d. M. durch die Verfügung des Herrn Justizministers aus der Strafanstalt zu 2c. vorläufig entlassen, hat sich sodann nach 2c. begeben und ist dort bei Verübung eines wohlüberlegten Einbruchs in dieser Nacht mit einem Genossen abgefaßt, dem Amts1 gericht zu 2c. vorgeführt und sofort verhaftet worden.

2. Nach 10 Tagen.

Sobald hinreichende Grundlage zur Erhebung der öffentlichen Klage gegeben ist, werde ich nicht verfehlen, weitere Anzeige geh. zu erstatten.

Der Erste Staatsanwalt.

2. Im Falle einer Beleidigung oder Körperverletzung einer Militärperson ist sofern der Militärbehörde (bezw. dem Vorgesetzten des Verletzten) ein Strafantragsrecht zusteht, die Untersuchung aber ausschliesslich auf Grund des Antrages des Verletzten anhängig gemacht ist, der vorgesetzten Militärbehörde des Verletzten rechtzeitig von dessen Strafantrag in Kenntniss zu setzen.

Art. I, A, III, 6 a. a. O.

Vergleiche hierzu §§ 196 u. 232 Abs. 2 RStrGB., ferner oben § 29. Beispiel:

1. Scrib. an das Kön. Commando der X. Gensdarmerie-Brigade zu N. Dem 2c. theile ich hierdurch ergeb. mit, daß der in 2c. stationirte Gensdarm N. N. einen schriftlichen Antrag gegen den 2c. wegen Beleidigung heute hier eingesandt hat, und daß daraufhin das Verfahren sogleich eingeleitet ist.

2. J.Reg.

3. Pers. Att.

4. Urschr. an die Polizei-Verwaltung (Amtsvorsteher, Bürgermeister-Amt) zu N. zur gefälligen verantworlichen Vernehmung des Handelsmanns

Friedrich S. zu 2c. aus § 185 (186) RStrGB. in Gemäßheit der Anzeige; falls derselbe die ihm zur Last gelegte Aeußerung bestreitet, so ersuche ich zugleich um Vernehmung des als Zeugen benannten Ackerers N. N.

5. Nach 1 Woche.

S. den 2c.

3. Wenn gegen einen Schüler einer öffentlichen Lehranstalt wegen eines Verbrechens, eines Vergehens oder einer Uebertretung das Vorverfahren eröffnet wird, so ist sofort dem zuständigen Schulvorstand unter kurzer Angabe der Veranlassung Nachricht zu geben.

Beispiel:

Allgem. Verfüg. v. 19. März 1891, I, 1157.

1. Scrib. an den Vorstand des Kön. Gymnasiums zu N.

Dem Vorstande theile ich hierdurch ergeb. mit, daß gegen den Schüler der dortigen Ober-Secunda, Wilhelm Uebermuth, geb. am 2c. ein Vorverfahren heute hier eingeleitet ist, weil er nach der soeben eingegangenen Anzeige verdächtigt wird, am 2. auf dem Feldwege nach 2c. drei junge Obstbäume umgebrochen zu haben.

Sollten die weiteren Ermittelungen Anlaß bieten zur Erhebung der öffentlichen Klage, so werde ich nicht verfehlen, weitere Mittheilung ergebenst ergehen zu lassen.

2. J-Reg.

3. Pers. Att.

4. Urschr. an die Polizei-Verwaltung zu 2c. mit dem Ersuchen, die drei bezeichneten Zeugen über ihre Wissenschaft zu vernehmen und namentlich auch danach zu fragen, woran sie den Beschuldigten erkannt haben. 5. Not. 1 Woche.

Fünfter Abschnitt.

Mittel zur Erforschung des Sachverhalts.

I. Im Allgemeinen.

§ 38.

Die verantwortliche Bernehmung.

Löwe, Commentar, S. 402 u. Not. 3, 5 zu § 136 StrPrOrdg. - v. Marck, Staatsanwalt

schaft, § 127.

Die verantwortliche Vernehmung des Beschuldigten kann eintreten durch die StAfchaft selbst, die Polizeibehörde, einen Hilfsbeamten oder durch das Gericht, je nachdem die behauptete Strafthat, der Wohnort oder der vorübergehende Aufenthaltsort des Beschuldigten die eine oder andere Art als angebracht erscheinen lassen. (Vgl. auch §§ 35 u. 36).

Der Zweck und die Richtung dieser Vernehmung besteht nicht in der Erzielung eines Geständnisses, sondern vielmehr darin, dem Beschuldigten Gelegenheit zur Beseitigung der gegen ihn vorliegenden

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