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Den Militärbehörden wird durch diese Mittheilung Gelegenheit gegeben, die Einstellung solcher in einer Untersuchung befindlicher Personen vor deren Beendigung zu verhindern und sie bis zum fünften Dienstpflichtjahre zurückzustellen.

Dgl. § 18 des Reichs-Militärges. v. 2. Mai 1874.

2. In der Praxis ereignen sich übrigens, troß aller Vorsicht, nicht selten folgende Fälle:

1. Seitens der StAschaft wird Anklage erhoben oder gar das Hauptverfahren seitens des Civilgerichts gegen eine Person eröffnet, welche inzwischen beim aktiven Heere eingestellt ist. In einem solchen Falle ist, sobald der Eintritt feststeht und namentlich auch der Truppentheil zuverlässig ermittelt ist, zunächst bei der Militärbehörde anzufragen, ob diese

annimmt, daß die voraussichtliche Strafe weniger als 6 Wochen Gefängniß betragen würde, und demgemäß von einer Entlassung des Beschuldigten aus dem Militärdienste absehen will. Bejaht die Militärbehörde dies, so hat die StAschaft, bevor sie die Acten an dieselbe abgiebt, bei dem Civilgericht die Unzuständigkeitserklärung zu beantragen.

Verfüg. des Oberstaatsanwalts zu Töln v. 9. Januar 1884, Nr. 8423.

2. Ein Urtheil des Civilgerichts ist bereits vor dem Eintritt in das Heer ergangen, ohne zu der Zeit, wo die Militärbehörde Kenntniß erhält, Rechtskraft erlangt zu haben. In einem solchen Falle verbleibt die fernere Verhandlung und Entscheidung dem Civilgericht,

§ 11 Strafger.Ordg.

mag nun der Verurtheilte Beschwerde, Berufung oder Revision eingelegt haben. Selbst nach Rechtskraft des Urtheils bleibt das Civilgericht zur Entscheidung des Antrages eines Soldaten auf Wiederaufnahme des Verfahrens zuständig.

Wenn eine Person nach rechtskräftiger Berurtheilung in den Militärdienst eintritt, und nunmehr während der Dienstzeit einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellt, so ist nicht das Militär-, sondern das Civilgericht zuständig.

Beschl. des OLG. Königsberg v. 23. Oct. 1886, Goltd. Arch. Bd. 37 S. 81.

Die Höhe der erkannten Strafe wird schließlich entscheidend dafür sein, ob die Militärbehörde die Strafe selbst vollstreckt oder die Entlaffung des Verurtheilten zur Disposition der Civilbehörden selbst herbeiführt.

§ 12 Strafger.Ordg.

b) Kommt eine während des Dienststandes begangene Strafthat erst nach dem Uebertritt des Thäters in den Beurlaubtenstand bei der Militärbehörde zur Sprache, so steht deren Untersuchung und Bestrafung nur dann den Civilgerichten zu, wenn „die Strafthat zu den gemeinen gehört", also nach den bürgerlichen Geseßen zu ahnden ist und mit keinem gerichtlich zu bestrafenden militärischen Verbrechen oder Vergehen zusammentrifft.

§ 15 a. a. O.

1. Unter gleicher Vorausseßung kann die Fortseßung einer Untersuchung, welche beim Eintritt des Termins der Entlassung aus dem Dienststande noch schwebt, den Civilgerichten überlassen werden, insofern der Angeschuldigte nicht verhaftet ist.

§ 14 a. a. O.

2. Zur Ueberweisung einer solchen Sache an das Civilgericht ist auch das Bezirkscommando zuständig.

Urth. des OLG. Stettin v. 22. Sept. 1893, Goltd. Arch. Bd. 41 S. 303.

c) Auch auf Requisition kann ein Civilgericht (vgl. § 57) zur Vornahme einer Leichenschau oder Deffnung der Leiche einer Militärperson thätig werden:

Die Obduction der Leichname von Militär- oder Civilpersonen gehört vor die Militärgerichte, wenn Verdacht vorhanden ist, dass eine Militärperson an dem Tode des Entleibten Schuld ist. Die äussere Besichtigung des Leichnams einer Militärperson, welche durch Selbstmord oder einen Unglücksfall ums Leben gekommen ist, sowie die Ermittelung der Todesursache und der Veranlassung zum Selbstmorde, gebührt den Militärgerichten. Befindet sich kein Militärgericht am Orte, so ist das Civilgericht um Aufnahme der Verhandlungen zu requiriren.

§ 41 Strafger.Ordg.

§ 26.

d. Zuständigkeit des Militärgerichts nach der Dienstzeit. Bestimmte Personen des Beurlaubtenstandes und bestimmte Strafthaten derselben stehen stets unter der Militärgerichtsbarkeit: 1. Herausforderungen und Zweikämpfe beurlaubter Reserve- und Landwehr-Offiziere gehören stets vor die Militärgerichte.

Ziff. 5 des § 6 Strafger.Ordg. v. 3. April 1845.

2. Auch dem Assistenzarzt der Reserve kommt bei Herausforderungen und Zweikämpfen der Militärgerichtsstand zu.

Urth. des II. Straff. ReichsG. v. 23. Mai 1885, Rechtspr. Bd. 7 S. 326.

Dagegen unterliegt die Theilnahme an einem Zweikampfe (oder an einer Herausforderung dazu) als Cartellträger oder Secundant selbst dann der Entscheidung des Civilgerichts, wenn der Thäter ein Offizier des Beurlaubtenstandes ist.

Urth. des II. Straff. ReichsG. v. 20. März 1888, Rechtspr. Bd. 10 S. 258. Cirkularschreiben d. GeneralAuditoriats v. 25. Sept. 1872 und Allgem. Verfüg. des General-Auditoriats v. 6. Novbr. 1874 (vgl. fled, Mil.StrØB. I S. 57 u. 224).

3. Die vor erfüllter Dienstpflicht zur Disposition der Truppentheile beurlaubten Mannschaften sind in Beziehung auf unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht den Personen des activen Dienststandes gleichgestellt.

§ 60 Nr. 3 u. Nr. 5 Mil.StrGB. v. 20. Juni 1872, Urth. II. Straff. ReichsG. v. 9. Juni 1882, Rechtspr. Bd. 4 S. 553.

4. Die Personen des Beurlaubtenstandes in der Zeit, in welcher sie sich in Dienst befinden.

Die zum Dienst einberufenen Landwehrmannschaften stehen, gleichviel, ob der Dienst längere oder kürzere Zeit gedauert hat, also auch bei bloßen Controllversammlungen, bis zum Ablaufe des Tages, an welchem ihre Entlaffung aus dem Dienste erfolgt, unter den Militärgeseßen.

Urth. II. Straff. ReichsG. v. 30. Juni 1885, Rechtspr. Bd. 7 S. 441.

Zu den Mannschaften des Beurlaubtenstandes gehören nach § 11 des Ges. v. 11. Februar 1888, betr. Aenderung der Wehrpflicht, auch die der Ersazreserve überwiesenen Personen; insbesondere können sie alljährlich einmal — und zwar zu den im Frühjahre stattfindenden Controllversammlungen nach § 12 a. a. D. herangezogen werden.

Auch diejenigen Personen, deren Einstellung in das Heer zum Herbst bestimmt ist, gehören zu den vorläufig in die Heimath beurlaubten Rekruten und damit zu den Personen des Soldatenstandes im Sinne des § 112 RStrGB.

Urth. II. Straff. ReichsG. v. 8. Novbr. 1895, Entsch. Bd. 27 S. 407.

§ 27.

e. Begriff der Militärpersonen in der Kriegszeit.

§§ 155 bis 166 des MilStrafgesetzbuchs für das Deutsche Reich v. 20. Juni 1872 (RGBl. S. 174, 204). - Solms, Text-Ausgabe mit Anmerkungen, Berlin 1893.

In Kriegszeiten erstreckt sich die Militärgerichtsbarkeit, außer auf die in §§ 23 ff. bezeichneten Personen, noch:

1. auf alle Personen, welche sich in irgend einem Dienst- oder Vertragsverhältnisse bei dem kriegführenden Heere befinden oder sich sonst bei demselben aufhalten oder ihm folgen;

z. B. Marketender, Fuhrwerks- und Colonnenkutscher, freiwillige Krankenpfleger, Zeitungs-Correspondenten.

2. auf die zu dem kriegführenden Heere zugelassenen ausländischen Offiziere und deren Gefolge;

3. auf alle Kriegsgefangenen;

4. auf alle Ausländer oder Deutsche, welche während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges auf dem Kriegsschauplaße sich einer der in den §§ 57, 58, 59 u. 134 des Militär-Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich vorgesehenen Handlungen schuldig machen.

Die bezeichneten Bestimmungen lauten:

§ 57. Wer im Felde einen Landesverrath begeht, wird wegen Kriegsverraths mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.

§ 58 Wegen Kriegsverraths (§ 57) wird mit dem Tode bestraft, wer mit dem Vorsage, einer feindlichen Macht Vorschub zu leisten oder den deutschen oder verbündeten Truppen Nachtheile zuzufügen,

1. eine der im § 90 des Deutschen Strafgesetzbuches bezeichneten strafbaren Handlungen begeht,

2. Wege oder Telegraphenanstalten zerstört oder unbrauchbar macht,
3. das Geheimniß des Postens, das Feldgeschrei oder die Losung verräth,
4. von dem Feinde Meldungen oder dienstliche Mittheilungen falsch macht,
oder richtige zu machen unterläßt,

5. dem Feinde als Wegweiser zu einer militärischen Unternehmung gegen
deutsche oder verbündete Truppen dient, oder als Wegweiser krieg-
führende deutsche oder verbündete Truppen irre leitet,

6. vor dem Feinde in einer Weise, welche geeignet ist, die Truppen zu beunruhigen oder irre zu leiten, militärische Signale oder andere Zeichen giebt, zur Flucht auffordert oder das Sammeln zerstreuter Mannschaften verhindert,

7. einen Dienstbefehl ganz oder theilweise unausgeführt läßt oder eigenmächtig abändert,

8. es unternimmt, mit Personen im feindlichen Heer, in der feindlichen Marine oder im feindlichen Lande über Dinge, welche die Kriegführung betreffen, mündlich oder schriftlich Verkehr zu pflegen oder einen solchen Verkehr zu vermitteln,

9. feindliche Aufrufe oder Bekanntmachungen im Heer verbreitet,

10. die pflichtmäßige Fürsorge für die Verpflegung der Truppen unterläßt, 11. feindliche Kriegsgefangene freiläßt, oder

12. dem Feinde ein Signalbuch oder einen Auszug aus einem solchen mittheilt.

In minder schweren Fällen tritt Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus ein.

§ 59. Haben Mehrere einen Kriegsrath verabredet, ohne daß es zur Ausführung oder zu einem strafbaren Versuche desselben gekommen ist, so tritt Zuchthaus nicht unter fünf Jahren ein.

5. auf alle Ausländer oder Deutsche, welche in einem von deutschen Truppen beseßten ausländischen Gebiete gegen deutsche Truppen oder Angehörige derselben oder gegen eine auf Anordnung des Kaisers eingesezte Behörde eine nach den Gesezen des Deutschen Reichs strafbare Handlung verüben;

6. auf Personen, welche dienstlich an Bord eines Kaiserlichen Kriegs= schiffes eingeschifft sind.

§ 28.

f. Das sog. gemischte Gericht.

Hücking, Sind die Bestimmungen der preuss. Criminal-Ordg. v. 11. Dezbr. 1805 und der MilitärStraf-Gerichts-Ordnung v. 3. April 1845 über die sog. gemischten Untersuchungen gegen Militär- und Civilpersonen noch in Kraft? Goltd. Arch. Bd. 37 S. 97--117. Jahrbuch der preuss. Gerichtsverfassung, Jahrgang 1894 S. 89. — Herbst,,,Der Umfang der militärgerichtlichen Zuständigkeit." Goltd. Arch. Bd. 38 S. 309. Solms, Militär-Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, Berlin 1893, S. 188.

- Löwe, Commentar zu § 7 EinfGes. zum deutschen GerVerfGes. S. 10. Daude, Die bürgerlichen Rechtsverhältnisse der Militärpersonen, S. 27.

Das sogenannte gemischte Gericht gründet sich auf § 52 Mil.Strafgerichts-Ordnung vom 3. April 1845, welcher lautet:

„Wenn zwischen Militär- und Civilpersonen Beleidigungen oder Thätlichkeiten wechselseitig vorfallen, oder wenn ein Verbrechen von Militär

und Civilpersonen gemeinschaftlich verübt wird, so muss die Untersuchung von einem aus Militär- und Civilgerichtspersonen zusammengesetzten Gericht geführt werden.

Der competente Gerichtsherr ernennt die Militärmitglieder. Der höchste commandirte Offizier hat in diesem gemeinschaftlichen Untersuchungsgericht den Vorrang.

Die Verhandlungen, welche die Mitangeschuldigten des Militärstandes betreffen, sind zu besonderen Acten zu nehmen.

Auf Grund dieser Bestimmung sind in geeigneten Fällen auf Antrag der Militärbehörde bei der Staatsanwaltschaft wiederholt ge= mischte Gerichte gebildet, bei welchen der Militär-Inquirent die Militärpersonen (Beschuldigte und Zeugen), der Civil-Inquirent die Civilpersonen (Beschuldigte und Zeugen) in bestimmten, vorher vereinbarten Sigungen vernahm. Nach Schluß der Untersuchung wurden zuerst die Militärpersonen von ihrem zuständigen Militärgericht, sodann die Civilpersonen von dem bürgerlichen Strafgericht abgeurtheilt.

Seit Einführung der Reichsstrafprozeß-Ordnung kann diese Bestimmung kaum noch Geltung beanspruchen.

Die Meinungen gehen zwar in dieser Frage auch heute noch auseinander. Während z. B. Löwe bei § 7 a. a. D. sich für Bejahung derselben ausspricht, will Daude die Bildung des gemischten Gerichts nur in dem vorbereitenden Verfahren für zulässig erachten. Das Jahrbuch „Die preußische Gerichtsverfassung“, Jahrgang 1894, sagt in Not. 3 S. 89:

,,Die practische Bedeutung dieser Bestimmung ist wesentlich herabgedrückt durch die Vorschrift des § 65 StrPrOrdg., wonach die Beeidigung der Zeugen regelmäßig erst in der Hauptverhandlung eintreten soll."

Hücking a. a. D. ist namentlich S. 109 (vgl. Beispiele daselbst!) entschieden dafür eingetreten, daß die Bestimmung des § 52 als aufgehoben angesehen ist, da Civilrichter und Militär-Inquirent nicht mehr erfolgreich zusammen arbeiten können. Für diese Auffassung sprechen überwiegende Gründe.

Der § 52 beruht ohne Zweifel auf der für das Jahr 1845 auch zutreffenden Vorausseßung, daß das Civil- und Militär-Strafverfahren gleichmäßig in den Formen des schriftlichen Inquisitionsprozesses sich abspielt und durch wesentlich übereinstimmende Vorschriften geregelt wird. Diese Vorausseßung ist aber, wenn nicht schon früher, so doch jedenfalls mit der Einführung der Reichsstrafprozeß-Ordnung hinfällig geworden. Seitdem bestehen die erheblichsten Differenzen, sowohl was den Umfang und Zweck der Voruntersuchung, als auch die Vorschriften über die einzelnen Acte der Beweiserhebung in derselben anbelangt, zwischen dem Militär- und dem Civil-Strafprozeß.

Die Vorschrift der Reichsstrafprozeß-Ordnung, daß die Voruntersuchung den Sachverhalt nur soweit aufklären soll, als zur Beurthei= lung der Frage, ob hinreichender Verdacht zur Eröffnung des Haupt

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