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1. Wer jedoch nach Vollendung des sechsten und vor Vollendung des zwölften Lebensjahres eine strafbare Handlung begeht, kann nach Beschluß des Vormundschaftsgerichts in eine geeignete Familie oder in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt untergebracht werden. Die StAfchaft ist verpflichtet, dem zuständigen Vormundschaftsgerichte von einer derartigen strafbaren Handlung, wenn solche zu ihrer Kenntniß gelangt ist, Mittheilung zu machen.

§ 55 Abs. 2 RStrGB. u. die §§ 1, 5 des Ges. v. 13. März 1878.

2. Für diese Mittheilung, wie zur Abgabe genügt folgende Verfügung:

1. Der Beschuldigte hat zur Zeit der That erst das 10. Lebensjahr vollendet, er kann daher strafrechtlich nicht verfolgt werden (§ 55 RStrGB.). 2. Nachr. dem Antragsteller, Schuhmacher N. N. zu 2c.

3. Urschr. an das Königliche Amtsgericht,

Abtheilung für Vormundschafts-Sachen,

zu

N. N.

zur gefälligen Kenntnißnahme und weiteren zuständigen Verfügung nach § Ï des Ges. v. 13. März 1878 ergebenst

S., den 2c.

Der Erste Staatsanwalt.

3. Die vom Vormundschaftsgericht zu fassenden Beschlüsse, welche auf Zwangserziehung lauten, sollen der Verwaltungsbehörde einen „Anhalt für die zu treffenden Anordnungen gewähren und deshalb, neben sicherer Konstatirung des Alters, die zur Beurtheilung der Sachlage erforderlichen Thatsachen vollständig erörtern".

TirkVerfüg. v. 2. März 1885, I, 631, v. 17. April 1885, I, 1568, und v. 24. September 1885, I, 3719 (Müller a. a. O. S. 1417-1430).

4. Das Vormundschaftsgericht hat diese Angelegenheit als schleunige Sache und eintretenden Falls als Feriensache zu be= handeln.

Allgem. Verfüg. v. 27. April 1881 (JMBI. S. 81).

5. Bezüglich derjenigen Personen, welche das 12. Lebensjahr vollendet haben, verordnet § 56 RStrGB.:

„Ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare Handlung begangen hat, ist freizusprechen, wenn er bei Begehung derselben die zur Erkenntniss ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht besass."

Hierzu erklärt der IV. Straff. ReichsG. in seinem Urtheile vom 1. Dezbr. 1893 (Goltd. Arch. 41, 412):

Der § 56 erfordert nicht, daß der Thäter die Erkenntniß der Strafbarkeit seiner Handlung gehabt, also gewußt haben müsse, daß dieselbe vom Gesez als ein mehr oder minder schweres Delikt mit Strafe bedroht sei, sondern verlangt nur, daß er in Folge der Fortentwicklung seiner Verstandeskräfte im Stande gewesen sei, seine Handlung überhaupt als eine strafbare zu erkennen. Nur die Einsicht, also die Verstandesreife, welche eine solche Erkenntniß ermöglicht,

muß er besißen und es ist gleichgültig, ob es sich um eine nach verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten strafbare That handelt... Ob der Thäter im Einzelfalle den für die Kenntniß erforderlichen Grad seiner geistigen Entwicklung erreicht hatte, kann nur aus den Umständen des Einzelfalles gefolgert werden, und ist deshalb Sache lediglich thatsächlicher Prüfung und Feststellung. Das Gesetz schreibt nicht vor, auf welchem Wege sich das Gericht die Ueberzeugung von der geistigen Entwicklung des Angeklagten zu verschaffen hat.

§ 22.

Durch Verjährung.

Oppenhoff, Strafgesetzbuch, Berlin 1891, zu §§ 66, 67.

Olshausen, Kommentar z. Straf

gesetzbuch 4. Aufl. zu § 66 Not. 7 u. 8, § 67, insbesondere Not. 11 ff.

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anweisung für die Amtsanwälte v. 28. Aug. 1879 (JMBL. S. 260). — Dalcke, Strafrecht u. Strafprozess.

Die strafrechtliche Verfolgung ist ferner ausgeschlossen:

7. nach Ablauf der Verjährungszeit.

§§ 66-69 RStrGB.

1. Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Erfolges.

Die Strafverfolgung der Verbrechen verjährt in frühestens 10, spätestens 20 Jahren; der Vergehen dagegen in 5 Jahren, wenn sie im Höchstbetrage mit einer längeren als dreimonatlichen Gefängnißstrafe bedroht sind, sonst in drei Jahren. Die Strafverfolgung von Uebertretungen verjährt in drei Monaten. 2. Für die Ablehnung einer Strafverfolgung wegen eingetretener Verjährung würde sich z. B. folgende Verfügung empfehlen: 1. Scrib. an den Handelsmann Carl Nimmersatt

(Einf. 3ust.)

NW. Berlin,

Invalidenstr. 6, Hinterhaus, 2 Tr. rechts. Auf die heute hier eingegangene Anzeige vom 2. d. Mts., worin Sie die strafrechtliche Verfolgung Ihres früheren Reisenden Friedrich Unverzagt wegen Unterschlagung begehren, wird Ihnen hiermit eröffnet, daß jedes Einschreiten abgelehnt wird.

Nach dem Inhalte Ihrer Anzeige hat nämlich U. die eingezogenen fremden Gelder zum Ankaufe des hier belegenen Hauses verwendet; dieser Ankauf ist, wie Sie selbst angeben, am 3. März 1890 erfolgt, demgemäß ist spätestens an diesem Tage die behauptete Unterschlagung begangen. Nach § 67 RStrGB. verjährt aber die Strafverfolgung der Unterschlagung bereits in 5 Jahren, mithin ist im vorliegenden Falle mit dem 2. März 1895 Verjährung eingetreten und damit jedes strafrechtliche Einschreiten gefeßlich ausgeschlossen.

Die Geltendmachung Ihrer Ansprüche auf dem Wege des Civilprozesses wird hierdurch nicht berührt.

2. Zur Blattsamml.

N., den 2c.

Der Erste Staatsanwalt.

3. Abweichende Verjährungsfristen enthalten verschiedene Gefeße. So verjährt die Strafverfolgung

1. derjenigen Verbrechen und Vergehen, welche durch die Verbreitung von Druckschriften strafbaren Inhalts begangen werden, in 6 Monaten; § 22 Reichsges. über die Presse v. 7. Mai 1874 (RGBI. S. 65).

Ebenso derjenigen sonstigen Vergehen, welche in diesem Geseß mit Strafe bedroht sind;

2. aller Zuwiderhandlungen gegen das Geseß, betr. den Forstdiebstahl, vom 15. April 1878 in 6 Monaten, sofern nicht einer der Fälle der §§ 6 u. 8 vorliegt;

§ 18 Gej. v. 15. April 1878 (GS. S. 222).

3. der Ordnungswidrigkeiten gegen § 152 Vereinszollgesetes vom 1. Juli 1869 in einem Jahre, von dem Tage an gerechnet, an welchem sie begangen sind;

§ 164 dieses Gesetzes (BGBl. S. 317). Die Vergehen der Kontrebande und Defraudation (§§ 134, 135) verjähren dagegen in drei Jahren.

4. der Vergehen gegen die Gewerbe-Ordnung in drei Monaten;

§ 145 Abs. 2 der Gewerbe-Ordnung v. 21. Juni 1869 (BGBI. S. 245). Hiernach verjährt auch die Strafverfolgung des Vergehens gegen § 153 Gew.Ordg. in drei Monaten, während sonst § 67 RStrGB. für solche Vergehen eine Verjährungsfrist von drei Jahren bestimmt. 5. der Wechselstempel hinterziehungen in fünf Jahren, von dem Tage der Ausstellung des Wechsels an gerechnet. Die Verjährung wird durch jede auf Verfolgung der Hinterziehung gegen den Angeschuldigten gerichtete amtliche Handlung unterbrochen;

§ 17 des Ges. betr. die Wechselstempelsteuer v. 10. Juni 1869 (BGBl. S. 193). Vgl. auch Dalde a. a. O. S. 408 Note 20.

6. der Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Entrichtung der Branntweinsteuer, der Biersteuer und der Postgefälle in drei Jahren; § 7 Einführ.Ges. z. RStrGB. v. 31. Mai 1870 (RGBI. S. 195). § 40 des Ges. wegen Erhebung der Brausteuer v. 31. Mai 1872 (GS. S. 153): Die Strafverfolgung von Defraudationen gegen die Brausteuer (§§ 27—29) verjährt in 3 Jahren, die Strafverfolgung von Zuwiderhand. lungen gegen dieses Gesetz, welche mit Ordnungsstrafen bedroht find, in einem Jahre, von dem Tage an gerechnet, an welchem sie begangen sind. Ebenso das Ges. betr. die Abänderung des Branntweinsteuergesetes v. 24. Juni 1887, vom 16. Juni 1895 (RGBI. S. 265): § 35: Die Strafverfolgung von Defraudationen der Verbrauchsabgaben verjährt in drei Jahren, diejenige von Zuwiderhandlungen, welche mit Ordnungsstrafe bedroht sind, in einem Jahre. Dic Strafverfolgung auf Grund der Bestimmungen in §§ 28 u. 29 verjährt zugleich mit dem Eintritt der Verjährung gegen den eigentlichen Thäter. § 22: Liegt eine Uebertretung vor, so ist die Beihülfe und Begünstignng mit Geldstrafe bis zu 150 Mark zu strafen. 7. der Vergehen. und Uebertretungen, welche durch Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über die Entrichtung der Steuern, Zölle, Postgefälle, Kommunikationsabgaben und aller übrigen öffentlichen Abgaben und Gefälle begangen werden, in fünf Jahren;

Art. V des Ges. betr. einige Ergänzungen des EinfGes. zum RStrGB. v. 22. Mai 1852 (GS. S. 250).

§ 12 des Ges. die Besteuerung des Tabaks betreffend, v. 26. Mai 1868 (GS. S. 319).

Zu den öffentlichen Abgaben gehören auch Fährgelder, weil deren Erhebung nach § 1 des Ges. v. 4. Juli 1840 nur dem Staate oder dem besonders von ihm ermächtigten Pächter zusteht. Die Vorschrift der §§ 1, 2 u. 8 des Ges. v. 20. März 1837 ist aber eine Vorschrift über eine öffentliche und im öffentlichen Interesse getroffene Einrichtung.

Urth. des OLG. Cöln v. 12. Januar 1893 (5738/92).

Handlungen gegen die geseßlichen Bestimmungen über die Reichsstempelabgaben, welche mit Ordnungsstrafe belegt werden, verjähren in 5 Jahren.

III. Straff. ReichsG. 2. Juli 1885, Rechtspr. VII, S. 462. 8. wegen Zuwiderhandlungen, welche zur Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte gehören, in einem Jahre.

§§ 14, 7 des Gef. betr. die Rheinschiffahrtsgerichte v. 8. März 1879 (GS. S. 129). In der Praxis ist auch angenommen worden, daß Zuwiderhandlungen gegen § 66 Einkommensteuerges. vom 24. Juni 1891 erst in fünf Jahren verjähren.

Urth. KammerG. v. 31. Mai 1894 (353/94).

9. der Zuwiderhandlungen gegen das Gef. zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes in 6 Monaten, ev. 3 Jahren.

§ 11 dieses Ges. v. 27. Mai 1896 (RGBI. S. 145).

4. Jede Handlung des Richters, welche wegen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet ist, unterbricht die Verjährung. § 68 RStrGB. 3ur Unterbrechung der Verjährung bei Wechselstempelhinterziehungen genügt indeß eine sonstige gegen den Angeschuldigten gerichtete amtliche Handlung.

§ 17 Ges. betr. die Wechselstempelsteuer v. 10. Juni 1869 (BGBI. S. 193).

In geeigneten Fällen hat daher die StAschaft, falls der Eintritt der Verjährung droht, unter Hinweis auf dieselbe eine gegen den Thäter gerichtete Amtshandlung des Richters zu beantragen, z. B. verantwortliche oder Zeugenvernehmung, Ansehung eines Hauptverhandlungstermins, Heranziehung einer Auskunft über gegenwärtigen Aufenthalt.

5. Die Strafverfügung wirkt in Betreff der Unterbrechung der Verjährung wie eine richterliche Handlung.

§ 453 Abs. 4 StrPrOrdg.

Wegen Unterbrechung der Verjährung der Strafverfolgung vgl. auch Urth. des KammerG. v. 1. Mai 1890 in Goltd. Arch. Bd. 38 S. 213.

Auch der Beschluß des Gerichts auf vorläufige Einstellung des Verfahrens (vergl. § 73) wegen Abwesenheit des Angeschuldigten unterbricht die Verjährung.

I. Straff. ReichsG. 7. März 1895, Entsch. Bd. 27 S. 81.

Ueber Ruhen der Verjährung vgl. § 69 RStrGB. in der Fassung des ReichsGes. v. 26. März 1893, RGBI. S. 133; insbesondere bez. Verjährung der noch nicht begonnenen Strafverfolgung eines Mitgliedes des Reichstages vgl. Urth. ReichsG. v. 15. Febr. 1895, Entsch. Bd. 27 S. 10 u. Olshausen's Ergänzungen zum Strafgeseßbuch 4. Aufl. S. 4 Not. c, a.

§ 23.

Durch militärischen Gerichtsstand.

a. Begriff der Militärpersonen in der Friedenszeit.

Strafgerichtsordnung v. 3. April 1845. Solms, Strafrecht und Strafprozess für Heer und Marine des Deutschen Reiches. Berlin 1873. — Daude, Die bürgerlichen Rechtsverhältnisse der Militärpersonen, Berlin 1887. Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch 4. Aufl. zu § 10. Verordnung betr. die Klasseneintheilung der Militärbeamten des Reichsheeres und der Marine, v. 13. Aug. 1895 (RGBl. S. 431).

Krobiksch.

4

Die strafrechtliche Verfolgung durch die StAschaft wird ferner ausgeschlossen durch den Militärgerichtsstand: alle Militärpersonen sind der Civilgerichtsbarkeit entzogen.

§ 10 RStrGB., § 7 Einführ.Ges. zum Gerichtsverfass.Ges. und § 1 Mil.Strafger.Ordg. v. 3. April 1845. Art. 37 der Verfass.Urk. für den Preuß. Staat v. 31. Januar 1850.

Dementsprechend bestimmt auch § 39 Abs. 1 Reichs-Mil.Gef. v. 2. Mai 1874:

„Die besondere Gerichtsbarkeit über Militärpersonen beschränkt sich auf Strafsachen."

und § 2 Mil.Strafger.Ordg. v. 3. April 1845:

‚Die Militärgerichtsbarkeit, umfasst die Strafsachen mit Einschluss der Injurien. . . ."

1. Wo der Militärgerichtsstand einmal begründet ist, darf sich kein anderes Gericht mit der Sache befassen: der Militärgerichtsstand schließt eben jeden anderen Gerichtsstand aus.

Daude a. a. O. S. 4 Note 7, Jahrbuch der Preuß. Gerichtsverfassung 1894, S. 82.

Die Frage, ob die Militärgerichtsbarkeit etwa begründet sei, ist in jeder Lage des Verfahrens von Amtswegen zu prüfen.

II. Straff. ReichsG. v. 20. März 1888, Entsch. Bd. 17 S. 243. Verfüg. des Oberstaatsanwalts zu Cöln v. 4. Juli 1884, Nr. 4800.

Ist eine der Militärgerichtsbarkeit unterworfene Sache der Thäter ist z. B. Deserteur -troßdem bei einem Civilgericht anhängig geworden, so ist gleichviel in welcher Lage sich das Verfahren befindet, sogleich der Antrag zu stellen, daß das Gericht durch Beschluß seine Unzuständigkeit ausspreche.

I. Straff. ReichsG. v. 9. Juli 1888, Rechtspr. Bd. 10 S. 470.

Selbst in der Revisionsinstanz kann die Thatsache, daß der vom Civilgericht verurtheilte Angeklagte zur Zeit der That dem Soldatenstande angehörte, noch mit Erfolg geltend gemacht werden.

IV. Straff. ReichsG. v. 5. April 1895. Entsch. Bd. 27 S. 143.

2. Zu den Militärpersonen gehören nach der Mil.Strafger.Ordnung:

I. alle Offiziere und Mannschaften des stehenden Heeres oder der Kaiserlichen Marine, einschließlich der Schußtruppe für Deutsch-Ostafrika;

Vergl. bez. der Schußtruppe §§ 3 u. 4 des Ges. v. 22. März 1891 (RGBI. S. 53), § 4 Mil.StrGB. u, Kaiserl. Verordg. v. 3. Juni 1891 (RGBI. S. 34).

zu den Personen des Soldatenstandes gehören auch die ProvinzialInvaliden,

Verfüg. des Oberstaatsanwalts zu Berlin v. 27. Juni 1875, Nr. 5707, bei v. Marc S. 77.

von den Militärbeamten diejenigen, welche in der Anlage des Militärstrafgesetzbuchs für das deutsche Reich vom 20. Juni 1872 (Klasseneintheilung) verzeichnet sind.

Zum stehenden Heere gehören nach der deutschen Wehrordnung v. 22. Novbr. 1888 (§ 109) u. § 38 Reichs-Mil.Ges. v. 2. Mai 1874 (GS. S. 45):

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