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I. Buch.

Die Strafverfolgung.

Erster Theil.

Die Organisation der preußischen Staatsanwaltschaft.
Erster Abschnitt.

Der Geschäftskreis der Staatsanwaltschaft.

§ 1.

Straf- und Civil-Sachen.

Jahrbuch

Müller, Die Preussische Justizverwaltung, Berlin 1892. S. 41, 61, 67–75. der preuss. Gerichtsverfassung. Berlin 1894. S. 43 ff. - Löwe, Kommentar zum Tit. 10 Gerichtsverfassungsgesetz, § 142 ff. S. 119 f. Fritze, Zusammenstellung der Behörden, welche den preuss. Landes- und Reichs-Fiskus im Prozess zu vertreten befugt sind. Berlin 1891. Cretschmar, Rheinisches Civilrecht, Düsseldorf 1892. Art. 2-6 Geschäftsanweisung für die AmtsAnwälte v. 28. Aug. 1879 (JMBI. S. 260).

1. Die Thätigkeit der Staatsanwaltschaft bezieht sich vor Allem auf Strafsachen. Während dem Gericht die beschließende und erkennende Thätigkeit anvertraut ist, bildet die StAschaft eine selbst= ständige, neben dem Gericht stehende und von diesem unabhängige Behörde, welche insbesondere zur Strafverfolgung berufen ist.

§ 151 Gerichtsverfass.Gef. v. 27. Januar 1877 (RGBI. S. 31). §§ 152, 158 Strafproz.Ordg. v. 1. februar 1877 (RGBI. S. 253).

2. Auch ist sie zur Vollstreckung der vom Landgericht erkannten Strafen bestimmt. Sie entscheidet dabei über Strafaufschub, Straftheilung und Strafunterbrechung; auch bearbeitet sie sämmtliche Be= gnadigungsfachen.

Nr. II u. III der Allgem. Verfüg. v. 14. Aug. 1879 (JMBI. S. 239).

Bei der vorläufigen Entlassung von Strafgefangenen hat auch die StAschaft des Oberlandesgerichts mitzuwirken.

§ 23 Reichsstrafges.B.

-

Min.Instr. v. 21. Januar 1891 (JMBI. S. 35) und Allgem.
Verfüg. v. 23. Dezbr. 1871 (JMBI. S. 294).

3. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten beschränkt sich die Mitwirkung der StAschaft im Allgemeinen auf Ehefachen,

§§ 569 ff. Civilproz.Ordg. v. 30. Januar 1877 (RGBI. S. 83).

und auf Entmündigungssachen im Falle der Entmündigung wegen Geisteskrankheit.

Krobitsch.

§§ 595 ff. a. a. C.

1

Die Vertretung des Fiskus in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche Angelegenheiten der Justizverwaltung betreffen, erfolgt regelmäßig durch die StAfchaft des Oberlandesgerichts.

Allgem. Verfüg. v. 23. März 1885 (JMBI. S. 119).

In gleicher Weise erfolgt die Vertretung des Fiskus in dem Verfahren über Beschwerden, welche den Kostenansaß oder die Fest= sehung der Gebühren der Zeugen und Sachverständigen betreffen. § 17 der Gebührenordg. v. 30. Juni 1878 (RGBl. S. 173) und § 42 Ausführ.Ges.

v. 10. März 1879 (GS. S. 145).

Beschwerden gegen Festseßungen der Amtsgerichte sind von der StAschaft beim Landgericht wahrzunehmen.

§ 14 Allgem. Derfüg. v. 28. febr. 1885 (JMBI. S. 90),

Allg. Verfüg. v. 27. März 1885 (JMBI. S. 128).

Bei Ermittlung von Handlungen, für welche die Gerichte nach dem Handelsgesetzbuch Ordnungsstrafen zu verhängen haben, sind die Beamten der StAschaft zur Unterstüßung der Gerichte verpflichtet.

Art. 7 Einführungsges. zum Handelsgesetzbuch v. 24. Juni 1861 (GS. S. 449).

4. Jm Departement Cöln tritt im Geltungsbereiche des code civil eine Mitwirkung der StAschaft in Civilsachen gegenwärtig noch in Fällen ein, in welchen Rechte von Abwesenden oder von VerLassenschaften wahrzunehmen sind, ingleichen bei Legitimationsgesuchen, Adoptionen, Substitutionen, Berichtigungen der Civilstandsurkunden, Anfechtung bestimmter Ehen, Einräumung gefeßlicher Hypotheken für die Ehefrau u. A. m.

Vergl. Art. 116-119, 812 code civil, Art. 859, 860, 219, 861-864 code de proc., Art. 331 u. Allerh. Tab.Ordre v. 6. Novbr. 1827, betr. die Legitimation unehelicher Kinder, Allgem. Verfüg. v. 1. febr. 1828, § 58 Ausführ.Ges. zum Gerichtsverfass.Ges., Art. 353–360, 377; 184, 190, 191; 267, 302 Civilproz.Ordg., §§ 584, 815-822, 569 Abs. 3, § 16 Nr. 4 Einführ.Ges. zur Civilproz.Ordg., Art. 856, 858 code de proc., Art. 1057, 489 ff. u. 2138.

§ 2.

Berwaltung, allgemeine Aufsicht.

§§ 77 ff. Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz v. 24. April 1878 (GS. S. 230). An der Justizverwaltung ist die StAschaft gleichfalls betheiligt. An der Spite der gesammten Justizverwaltung steht der Justizminister. Die Vorstände der Gerichte und StAschaften sind nach seiner näheren Bestimmung seine Organe bei den Geschäften der Justizverwaltung; auch sind sie verpflichtet, auf Verlangen der Aufsichtsbehörde über Angelegenheiten der Gesetzgebung und Justizver= waltung Gutachten abzugeben.

§ 84 a. a. O.

1. Die Vorstandsbeamten können auch bei Erledigung dieser Geschäfte die Mitwirkung der ihrer Aufsicht unterstellten Beamten in Anspruch nehmen.

§ 77 a. a. .

2. An der Verwaltung der Gefängnisse der Justizverwaltung ist die StAschaft gleichfalls betheiligt, indem der Erste Staats

anwalt regelmäßig an denjenigen Orten, welche Siß eines Landgerichts find, als Vorsteher des Gefängnisses fungirt.

§ 3 Nr. 1 Reglement für die Gefängnisse der Justizverwaltung v. 16. März 1881 (JMBI. S. 50).

Dem Oberstaatsanwalt gebührt unter der Aufsicht des Justizministers die obere Leitung der Verwaltung der sämmtlichen Gefängnisse des Oberlandesgerichtsbezirks.

§ 23 Regl.

3. In dem Recht der Leitung liegt das Recht der Aufsicht. Dasselbe steht zu:

1. dem Justizminister hinsichtlich sämmtlicher StAschaften;

2. dem Oberstaatsanwalt und Ersten Staatsanwalt hinsichtlich der StAschaften ihres Bezirks;

3. dem ersten Beamten einer StAschaft bei einem Amtsgericht hinsichtlich der Beamten dieser StAschaft.

§ 78 a. a. .

Das Recht der Aufsicht erstreckt sich auf alle bei den bezeichneten Behörden angestellten oder beschäftigten Beamten, also Staatsanwälte, Gerichtsassessoren,

Der einer preußischen StAschaft zur Beschäftigung oder als Hilfsarbeiter überwiesene Gerichtsassessor ist während der Dauer dieses Verhältnisses Beamter der StAschaft; demgemäß ist er auch nicht befugt, richterliche Geschäfte mit richterlicher Wirkung wahrzunehmen.

Urth. d. ReichsG. v. 19. Oktober 1886, Rechtspr. Bd. 8 S. 634.

Referendarien, Amtsanwälte, Sekretäre, Kanzleibeamte, Lohnschreiber und Gerichtsdiener, nicht minder auf diejenigen Beamten des Polizeiund Sicherheitsdienstes, welche Hilfsbeamte der StAschaft sind und ihr Amt nicht als Ehrenamt versehen.

§§ 80, 81 Ausführungsges. zum Gerichtsverfass.Ges. v. 24. April 1878 (GS. S. 230). 4. Beschwerden über Afte der Hilfsbeamten der StAschaft sind demgemäß auch bei der Justiz-Aufsichtsbehörde (Erster Staatsan= walt, Oberstaatsanwalt) anzubringen.

Erk. des Oberverwaltungs-Gerichts v. 3. febr. 1892 (I, 124), Goltd. Arch. Bd. 40 S. 377
und v. 8. Mai 1894, Entsch. Bd. 26 S. 386.

Runderlaß an sämmtl. Kön. Regier.Präs. v. 9. Mai 1896, Min.Bl. f. d. i. Verw. 1896 S. 79.

5. Fungirt der Erste Staatsanwalt zugleich als Vorsteher eines Gefängnisses, so unterstehen die Beamten, welche ausschließlich als Gefängnißbeamte angestellt sind, in gleicher Weise seiner Aufsicht.

§ 24 Reglement für die Gefängnisse der Justizverwaltung v. 16. März 1881 (JMBI. S. 50 ff.).

6. In dem Rechte der Aufsicht liegt die Befugniß, die ordnungswidrige Ausführung eines Amtsgeschäftes durch Ordnungsstrafen bis zum Gesammtbetrage von 100 Mark zu erzwingen. Es können verhängen:

a) der Oberstaatsanwalt gegen alle im Bezirk des Oberlandesgerichts angestellte Beamte der StAschaft Warnungen und Verweise; gegen die Amtsanwälte und die Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes, welche Hilfsbeamte der StAschaft sind und ihr Amt nicht als Ehrenamt versehen, Warnungen, Verweise und Geldstrafe bis zu 30 Mark;

§ 57 Ges. betr. die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, die Verseßung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand, v. 21. Juli 1852 (GS. S. 465) und § 16 Ges. betr. die Abänderung von Bestimmungen der Disziplinargeseße, v. 9. April 1879 (GS. S. 345). ferner gegen Büreau- und Unterbeamte, welche unter der alleinigen Aufsicht der StAschaft stehen, Geldstrafen bis zu 90 Mark;

§ 19 a. a. C. v. 9. April 1879.

b) der Erste Staatsanwalt gegen die im Bezirk des Landgerichts angestellten Beamten der StAschaft, Amtsanwälte und die vorbezeichneten Hilfsbeamten Warnungen,

§ 58 a. a. C. v. 21. Juli 1852 u. § 15 a. a. O. v. 9. April 1879.

sowie gegen die vorbezeichneten Büreau- und Unterbeamten Geldstrafen bis zu 30 Mark.

§ 18 Nr. 2 a. a. O. v. 9. April 1879.

7. Von der Befugniß zur Festseßung der Ordnungsstrafe bezw. der Disziplinarstrafe gegen die Hilfsbeamten ist jedoch erst dann Gebrauch zu machen, wenn die denselben im Hauptamte vorgeseßten Be= hörden vergeblich um Abhilfe ersucht worden sind.

Allgem. Verfüg. v. 7. Oktober 1879, 1, 6305.

8. Gegenüber diesen disziplinaren Maßregeln giebt es nur Beschwerde im Aufsichtswege.

§ 62 a. a. O. v. 21. Juli 1852 u, § 20 a. a. O. v. 9. April 1879.

9. Ein fernerer Ausfluß des Rechts der Aufsicht äußert sich in der Befugniß der Aufsichtsbehörde zur Entscheidung von Beschwerden, welche Angelegenheiten der Justizverwaltung, insbesondere den Geschäftsbetrieb und Verzögerung betreffen.

§ 85 des cit. Ausführ.Gef. zum Gerichtsverfass.Ges.

§ 3.

Abweichungen im Departement Cöln.

Im Departement Cöln steht der StAschaft das Recht der Aufsicht ferner zu über die Amtsführung:

1. der Notare;

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,die Landgerichte haben auf Betreiben des Oberprocurators (Ersten Staatsanwalts) die im Art. 45 festgesetzten Strafen auszusprechen."

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Art. 47 der Rheinischen Notariatsordnung vom 25. April 1822.

Die Suspensionen und Dienstentsetzungen der Notarien, sowie die demselben zu ertheilenden Ermahnungen und Verweise werden von dem Civilsenat (I. Civilkammer) des Landgerichts ihres Wohnorts erkannt, nachdem sie den auf Betreiben des Oberprocurators vorzuladenden Notar in seiner Vertheidigung gehört haben werden.“

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Art. 53 code civ., § 11 Ges. über die Beurkundung des Personenstandes v. 6. februar 1875 (RGBI. S. 23); § 154 Abs. 2 des Ges. über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden v. 1. August 1883 (GS. S. 237); §§ 58, 107 Abs. 2 preuß, Ausführ.Ges. zum Gerichtsverfass.Ges. vom 24. April 1878 (GS. S. 230); und Rescript des Ministers des Innern und der Justiz v. 1. Juli 1879 (JMBI. S. 154), betr. die Ausführung des Ges. v. 6. februar 1875.

1. Als ein Ausfluß dieses Aufsichtsrechtes tritt in der Praris namentlich die Ermächtigung zum Dispens vom Aufgebot in dringenden Fällen hervor.

,,Eine Befreiung vom Aufgebote kann in allen Fällen durch den Minister des Innern erfolgen; in dringenden Fällen kann der Vorsitzende der Aufsichtsbehörde eine Abkürzung der für die Bekanntmachung bestimmten Fristen (§§ 46, 47 ReichsGes. v. 6. Febr. 1875) gestatten und bei vorhandener Lebensgefahr von dem Aufgebot ganz entbinden."

§ 1 Verordg. vom 8. Januar 1876 (GS. S. 3).

In den übrigen Provinzen fungiren Verwaltungsbeamte als Aufsichtsbehörde, und zwar in den Landgemeinden und Gutsbezirken der Landrath, in den Stadtgemeinden der Regierungs-Präsident und im Stadtkreise Berlin der Ober-Präsident.

§ 154 Abs. 1 a. a. Ö. v. 1. Aug. 1883.

Gerichtliche Entscheidungen, welche die Berichtigung von Eintragungen in dem Standesregister betreffen, sind der nächsten Aufsichtsbehörde vorzulegen.

Just.Min.Verfüg. v. 7. April 1896, Min.Bl. f. d. ges. i. Derwalt. 1896 S. 77.

2. Endlich liegt der StAschaft in der Rheinprovinz noch ob die Berichterstattung über Gesuche um:

a) Dispensation von den Erfordernissen der Ehemündigkeit und der Wartezeit, und

b) Dispensation von dem Verbote der Ehe des wegen Ehebruchs Geschiedenen mit seinem Mitschuldigen.

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§§ 28, 35, 33 ReichsGes. v. 6. febr. 1875. Allgem. Derf. v. 20. März u. 6. Novbr. 1875, betr. die bei Eheschließungen erforderlichen Dispensationen (JMBI. S. 63 u. 234).

§ 4.

Verfahren beim Kompetenz-Konflikt.

Ges, über das Verfahren bei Kompetenzkonflikten zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden, v. 8. April 1847 (GS. S. 170). Ges. betr. die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen Amts- und Diensthandlungen, v. 13. Februar 1854 (GS. S. 86). — Verordg., betr. die Zulässigkeit des Rechtsweges und die Anwendung der Gesetze v. 8. April 1847 u. v. 16. Sept. 1867 (GS. S. 1515) Verordg., betr. die Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden v. 1. Aug. 1879 (GS. S. 573). Ueber das bei Kompetenzkonflikten von den Gerichten zu beobachtende Verfahren (JMB1. 1888, S. 4 ff.) Art. 21 No. 1 Geschäftsanweisung für die Amtsanwälte v. 28. Aug. 1879 (JMBI. S. 260).

1. Auch bei Kompetenz-Konflikten hat die StAschaft mitzuwirken. Ist solcher in einem Verfahren in einer Straffache gegen einen Beamten nach § 1 Gesez vom 13. Febr. 1854 erhoben worden, so hat im Allgemeinen sich nur der Oberstaatsanwalt über die Sache zu äußern, bevor das Oberlandesgericht die Akten, unter Beifügung feines Gutachtens, dem Justizminister überreicht.

Dgl. Nt. III, 4b des Aufsatzes im JMBI., S. 7.

2. Abweichende Vorschriften bestehen für den Bezirk des Departe= ments Cöln und für die Provinz Hannover, und zwar ohne Unter

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