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Das Urtheil ist am 28. Januar d. J. rechtskräftig geworden, BI. 57. da ein Rechtsmittel gegen dasselbe nicht eingelegt wurde.

Die Vollstreckung der Strafe ist bis zur Entscheidung über das vom Verurtheilten angebrachte Gnadengesuch ausgesezt worden.

Der Sachverhalt, auf welchem das Urtheil beruht, ist folgender: Die Eisenbahnstrecke von St. J. nach S. ist eingeleisig. Bei der Haltestelle S., welche sich auf der genannten Strecke befindet, liegen jedoch zwei Geleise, das sogenannte Hauptgeleise I und das sogenannte Hauptgeleise II. Züge oder Wagen, welche von St. J. kommen, laufen in dem Geleise I ein. Dieselben können vermittelst einer Weiche in das Geleise II geleitet und von lezterem unterhalb der Haltestelle, woselbst das Geleise II in das Geleise I einmündet, wieder in das Geleise I hinübergeführt werden. Die Weiche wird bedient von einem etwa 146 Schritt von dem Stations-Gebäude entfernt in der Richtung nach der Station zu liegenden Hebel. In einem Abstand von etwa 5 Schritten von dem Hebel befindet sich ein mit einer Schranke verschließbarer Weg-Uebergang.

Am Nachmittag des 2. September 1895 lief der Güterzug 758 von St. J. kommend auf dem Bahnhof S. ein. Zu dieser Zeit war die Schranke geschlossen. Jenseits derselben warteten mehrere FuhrWerke darauf, daß die Schranke wieder geöffnet werde. H. beauftragte den Stationsarbeiter Leopold H., an der Schranke stehen zu bleiben, die leştere zu öffnen, sobald der Zug an ihm vorbei-, und die Weiche umzulegen, wenn der Zug durch dieselbe hindurch gefahren set. H. beabsichtigte mit Ertheilung dieses Auftrages, etwaige unangemeldet von St. J. kommende Wagen in das Geleise II zu führen und so ein Zusammenstoßen derselben mit dem in dem Hauptgeleise rangirenden Zug zu vermeiden. H. ging nach Ertheilung des Auftrages in der Richtung nach S. zu zu dem Zugführer, um diesem zwei Wagen zu zeigen, welche von demselben mitzunehmen waren. Als erst zum Theil der Zug an K. vorbei- und über die Weiche hinausgefahren war, und etwa 17 Wagen die Weiche noch nicht passirt hatten, legte K., welcher glaubte, der Zug sei schon vollständig durch die Weiche hindurch gefahren, die lettere um. Dies hatte zur Folge, daß die letten Wagen des Zuges in das Geleise II liefen, während die erften 40 Wagen im Geleise I weiter fuhren, und daß zwei Wagen aus dem Geleise herausgeriffen wurden. H. merkte sofort den Unfall und gab dem sehr langsam fahrenden Zug sogleich das Zeichen zum Halten. Letterer wurde denn auch alsbald zum Stehen gebracht. So kam es, daß lediglich mehrere an dem Wagen befindliche Zugstangen und eine Achse verbogen wurden, sowie, daß außerdem nur noch eine Verkuppelung der Wagen zerrissen wurde. Diese Schäden wurden später mit einem Kostenaufwand von 75,00 Mark wieder beseitigt.

Nach den Ergebnissen der Untersuchung bezw. der Hauptverhandlung ist der Unfall durch folgenden Verstoß des H. gegen seine Dienst-Instructionen herbeigeführt worden.

BI. 7.

BI. 53 v, 54.

Gemäß § 3 Abs. 2 der Dienstanweisung für die Stationsbeamten auf den preußischen Staatsbahnen „dürfen die Stationsbeamten keinen Beamten oder Arbeiter eine Dienstverrichtung übertragen, zu welcher dieser nicht seine Befähigung zuvor nachgewiesen hat." K. ist einfacher Stationsarbeiter und als Weichensteller weder geprüft, noch in Pflicht genommen, daher zur Bedienung einer Weiche nicht befähigt. Mithin war H., welchem dieser Umstand bekannt war, nicht berechtigt, den K. mit der Bedienung der Weiche zu beauftragen H. mußte daher, da ein geeigneter Vertreter nicht zur Stelle war, die Bedienung der Weiche selbst übernehmen. Er konnte dies auch um so so mehr thun, als seine Besprechung mit dem Zugführer keineswegs so dringende Angelegenheiten betraf, daß dieselbe nicht zur Bedienung der Weiche durch H. selbst hätte aufgeschoben werden können. H. hat sich sonach durch Ertheilung des Auftrages an K. einer Vernachlässigung der ihm obliegenden Pflichten schuldig gemacht. Unmittelbar in Folge der Bedienung der Weiche durch K., mittelbar demnach durch die Handlungsweise des H. ist der Unfall, somit die Gefährdung des 3uges 758 herbeigeführt worden.

Auf Grund dieses nicht nur durch das glaubhafte Geständniß des H., sondern auch durch die glaubwürdigen Aussagen der Zeugen und Bl. 55, 56. des Sachverständigen als erwiesen erachteten Thatbestandes hat die Strafkammer in S. den H. des Vergehens gegen § 316 Abs. 2 StrGB. schuldig erklärt und denselben zu einer Gefängnißstrafe von einem Lage Bl. 60. und in die Kosten des Verfahrens, welche 104,08 Mark betragen, verurtheilt.

Bei Abmessung der Strafe hat das Gericht berücksichtigt, daß H. glaubte, im Interesse einer möglichst schleunigen Abfertigung des Zuges und zum Zwecke der Aufrechterhaltung des pünktlichen Betriebes der Bahn von seiner Dienstvorschrift abweichen zu dürfen. Es wurde ferner als strafmildernd erwogen, die geringe Höhe des angerichteten Schadens, sowie der Umstand, daß weiterer Schaden durch das alsbaldige Eingreifen des H. vermieden worden ist.

In dem mir nunmehr zum Bericht überwiesenen Gesuche hat H. um Erlaß von Strafe und Kosten gebeten.

Zur Begründung seines Gesuches beruft sich H. zunächst darauf, daß er den Krieg von 1870/71 mitgemacht, und daß er sich ausweislich seiner Militärpapiere während seiner ganzen Militärzeit „sehr gut“ geführt habe, daß auch die Kön. Eisenbahn-Direction N. N. über seine langjährige Thätigkeit im Eisenbahndienst und insbesondere als Haltestellen-Aufseher in S. nichts ungünstiges berichten könne. Er weist ferner auf die geringe Höhe des angerichteten Schadens, sowie darauf hin, daß sein Vergehen nicht auf Nachlässigkeit, sondern auf übertriebenem Diensteifer und auf Mangel an Ueberlegung zurückzuführen sei.

Was zunächst den ersten vom Verurtheilten vorgebrachten Grund angeht, so ist es durch den anliegenden Militär-Paß und das beiliegende Führungs-Attest nachgewiesen, daß H. an dem Feldzug von 1870/71 Theil genommen und sich während seiner activen Dienstzeit

„sehr gut“ geführt hat. Auch die fernere Behauptung des H., daß seine That, welche sich am 2. September, dem Tage von Sedan, zugetragen hat, eine Folge von Uebereifer und Mangel an Ueberlegung sei, hat in dem Urtheile ihre Bestätigung gefunden.

Diese Umstände, sowie die fernere Thatsache, daß der erwachsene Schaden als ein verhältnißmäßig unbedeutender bezeichnet werden muß, lassen den H., welcher durch die Verbüßung der Gefängnißstrafe in seiner Eigenschaft als Bahnpolizeibeamter besonders hart getroffen werden würde, als der Allerhöchsten Gnade wohl würdig erscheinen. Ein vollständiger Erlaß der Strafe dürfte jedoch im Hinblick auf die von H. wegen eines Vergehens in seinem Amte als HaltestellenAufseher erlittenen Vorbestrafung nicht angebracht erscheinen.

Ebensowenig erscheint ein Erlaß der Kosten angezeigt.

Unter diesen Umständen und mit Rücksicht auf die Vermögenslosigkeit des H. glaube Euer Excellenz ich ehrerbietigst anheimgeben zu dürfen, hochgeneigtest eine Befürwortung des vorliegenden Gnadengesuches dahin eintreten lassen zu wollen,

daß die erkannte Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe von 20 Mark, für welche im Falle der Nicht-Erlegung derselben die ursprünglich festgesette Strafe wieder eintritt, umgewandelt werde.

Der Erste Staatsanwalt.

Beispiel B:

III, 456.

Cilt!

N., den 2c.

1. Uebers. der Act. II M 109/96 an den Herrn Justiz-Minister mit folgendem

Bericht:

Bericht des Ersten Staats

anwalts, betr. das Begnadi

gungsgesuch des Kaufmanns
2c. zu 2c.

Auftrag: 12. März 1896,
IV a (Nr.)

Verfasser: Staatsanwalt
(Gerichtsaffeffor) N. N.

Krobitsch.

Euer Excellenz

verfehle ich nicht, in Befolgung und unter Wiederanschluß der nebenstehend bezeichneten hohen Verfüg., durch welche mir das Begnadigungsgesuch des Kaufmanns 2c. zur Prüfung und weiteren Veranlassung zugefertigt ist, unter Beifügung der wider ihn ergangenen Strafacten II M 109/96 (1 vol.) beifolg. zur hochgen. Einsichtnahme und mit nachstehendem Berichte ehrerbietigst vorzulegen. Der Kaufmann Friedrich August M. zu 2c. Kreis 2c. und Reg.Bez. 2c. wohnhaft, geb. zu K. am 1. Dezbr. 185., evangelischen Glaubens, verheirathet, Vater von sechs Kindern, nicht mehr in Militärverhältnissen, zuleßt Premierlieutenant der Landwehr-Infanterie

21

-

II. Aufgebots, Inhaber der Landwehr-Dienstauszeichnung II. Klaffe, ohne Vermögen, unbestraft,

Fol. 31.

ist durch das rechtskräftige Urtheil der Strafk. hies. Landgerichts vom 2. wegen einfachen Bankerutts unter Anwendung des § 210 3iff. 3 der Reichs-Konkordg. zu einer Gefängnißstrafe von einer Woche und in die Kosten verurtheilt worden.

Das Erkenntniß hat am 2c. die Rechtskraft beschritten. Die Vollstreckung ist indeß noch nicht erfolgt, vielmehr nach Einreichung des BeFol. 34. gnadigungsgesuches bis zum Eingange der angerufenen Allerh. Entscheidung ausgesetzt worden.

Dieses Urtheil beruht auf folgendem, in der Hauptverhandlung erwiesenem Sachverhalt:

M. betrieb zu 2c. seit dem Jahre 1886 ein Manufacturwaarengeschäft und daneben eine mechanische Weberei. Das Anfangs blühende Geschäft ging bald zurück. Auf seinen Antrag wurde durch Beschluß des Kön. Amtsgerichts zu 2c. vom 2c. das Konkursverfahren über sein Vermögen eröffnet; im Laufe des Konkurses ergab sich, daß M. seine Bücher sonst richtig geführt, aber unterlassen hatte, jährlich Inventur zu machen und vorschriftsmäßig Bilanz zu ziehen. Die nachgewiesene Ueberschuldung betrug etwa 70 000 Mark.

Bet Prüfung des vom Verurtheilten eingereichten Begnadigungsgesuches darf ich zunächst davon ausgehen, daß die Verurtheilung und erkannte Strafe in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung keinerlei Bedenken unterliegen. Alz strafschärfend hat das Gericht die hohe Ueberschuldung in Betracht gezogen, während die bisherige Straflosigkeit und gute Führung des M., namentlich auch der Umstand, daß ein Verschulden desselben an dem Rückgange des Geschäftes nicht nachgewiesen ist, als strafmildernd berücksichtigt worden sind.

Wenn das gegenwärtige Gesuch noch anführt, daß dem Cridar bei dem Mangel jeder kaufmännischen Vorbildung die Kenntniß von seiner geseßlichen Verpflichtung zur regelmäßigen jährlichen Bilanzziehung bezw. Inventarisation gefehlt habe, so dürfte diesem Umstande durch die Strafzumeffung schon genügend Rechnung getragen sein.

Dagegen dürfte zu seinen Gunsten noch sprechen, daß zu der Ueberschuldung, durch welche der Konkurs herbeigeführt worden ist, im Wesentlichen eine Reihe ungünstiger Umstände, welche außerhalb des Bereiches seines Verschuldens liegen, zusammengewirkt hat. Wie in dieser Beziehung M. glaubhaft versichert, ist er bei ungenügendem Betriebscapital durch den schlechten Gang der von ihm eingerichteten mechanischen Weberei zunächst in Geldverlegenheit gerathen und einer Schwindelfirma in 2c. in die Hände gefallen, welche, im Besize seines vollen Vertrauens, ihm durch Austausch von Wechselaccepten schweren materiellen Schaden zugefügt und ihn seinem Ruine weiter entgegengeführt hat.

Auch der Umstand dürfte ferner zu seinen Gunsten sehr ins Gewicht fallen, daß er sich als Vorsitzender des Kriegervereins zu 2c. und als erster Schriftführer des KreisKrieger-Verbandes nach dem Zeugnisse des dortigen Landraths nicht unerhebliche Verdienste um Belebung und Förderung des Kriegervereinswesens erworben hat.

Endlich wird auch der Umstand nicht unbeachtet bleiben dürfen, daß nach der gegenwärtigen Auskunft des Konkursverwalters die Gläubiger etwa 15 pCt. ihrer Forderung ausgezahlt erhalten werden.

Unter diesen Umständen wird nicht zu verkennen sein, daß die Verbüßung der erkannten, wenn auch kurzen Gefängnißstrafe den bislang nicht bestraften. M. besonders hart treffen wird.

Euer Excellenz hochgeneigte Aufmerksamkeit glaube ich deshalb auf den vorliegenden Fall mit der ehrerbietigsten Anheimgabe lenken zu dürfen: eine Befürwortung des vorliegenden Gnadengesuches dahin eintreten lassen zu wollen,

daß die erkannte Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe von 50 Mark, wofür im Nichtbeitreibungsfalle die ursprünglich erkannte Strafe wieder eintritt, umgewandelt werde.

Ein Erlaß der Kosten erscheint nicht angezeigt.

2. Nach 1 Mon.

Der Erste Staatsanwalt.

Sechster Abschnitt.
Asservate.

§ 116.

v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 251 ff. und Gefängnissverwaltung, S. 96-100.

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- Verfüg. des Ersten Staatsanwalts beim Landgericht I zu Berlin, betr. die Annahme und Fortschaffung von Asservaten in Strafsachen, vom 29. März 1888. — CirkVerfüg. v. 15. Dezbr. 1881, I, 4877. Bozi, Die Zwangsvollstreckung der auf Einziehung lautenden Strafurtheile gegenüber dritten Personen. Dalcke, Die Wegschaffung der Asservate in Strafsachen, Goltd. Arch. Bd. 39 S. 405.

Hinsichtlich der Asservate (Ueberführungsstücke) sind verschiedene Momente zu beachten:

I. Verzeichnung derselben.

a) Bei Eingang von Ueberführungsstücken ist den Verhandlungen sofort ein formularmäßiges Verzeichniß der Ueberführungsstücke vorzuheften. In dem selben ist der Gegenstand, der Tag der Annahme, das Blatt der Acten und die Nummer der Liste der Ueberführungsstücke zu verzeichnen.

b) § 109 StrPrOrdg.: Die in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände sind genau zu verzeichnen und zur Verhütung von Verwechslungen durch amtliche Siegel oder in sonst geeigneter Weise kenntlich zu machen.

c) Die Liste der Ueberführungsstücke führt nach § 23 Geschäfts-Ordg. für die Secret. v. 2. Aug. 1879 (JMBI. S. 230) der Secretär der StAschaft nach der Vorschrift des § 38 Geschäftsordnung für die Gerichtsschreibereien der Amtsgerichte.

II. Aufbewahrung.

a) Geld, Werthpapiere und Kostbarkeiten sind, sofern es sich um höhere Werthbeträge handelt, und es irgend angängig ist, bei der Hinterlegungsstelle zu hinterlegen oder bei dem Amtsgericht in vorläufige Verwahrung zu geben. Bleiben sie bei der StAschaft, so sind sie in besonderen verschlossenen Bes hältnissen aufzubewahren.

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