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§ 114.

Einfluß der Gnadengesuche auf die Strafvollstreckung.

III, Allgem. Verfüg. v. 14. August 1879, betr. Strafvollstreckung etc. (JMBL. S. 237). v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 544. — Dalcke, Handbuch der Strafvollstreckung und Gefängnissverwaltung, S. 25.

I. Die Einreichung eines Begnadigungsgesuches soll, wie die Allerh. CabOrd. vom 29. August 1838 (JMBI. 1839 S. 27) ausdrücklich bestimmt, die Strafvollstreckung in der Regel nicht aufhalten; in der Praris treten jedoch folgende Ausnahmen ein:

1. Die Hinrichtung eines zum Tode Verurtheilten darf nach Eingang der Allerh. Entschließung auf ein Begnadigungsgesuch nur dann ausgesetzt werden, wenn der Verurtheilte bisher ganz unbekannt gebliebene Umstände anführt oder dem Staate vortheilhafte Entdeckungen macht, indeß entweder bei der Publication der Allerh. Entschließung oder wenigstens noch am Tage vor der angefeßten Hinrichtung.

Allerh. Ord. v. 5. Oct. 1810, JMRescr. v. 31. Oct. 1838, Jahrb. Bd. 53 S. 637; vgl. oben
Protokoll in § 105 Ziff. 2 u. 3.

2. Wenn dem Verurtheilten, der ein Begnadigungsgesuch eingereicht hat, durch den Antritt der Strafe ein unwiderbringlicher Schaden an seiner Ehre zugefügt werden würde, so ist der Vollstreckung des Urtheils bis zum Eingange der Allerh. Entscheidung Ausstand zu geben.

Allerh. Ord. v. 29. Aug. 1838, Jahrb. Bd. 47 S. 382.

Ein unerseglicher Nachtheil wird nur bei Ehrenstrafen und Zuchthausstrafen, und auch hier nur dann angenommen, wenn der Verurtheilte solche nicht schon einmal erlitten hat. Es versteht sich dabei von selbst, daß, wenn neben einer Ehrenstrafe zugleich auf Geldbuße oder Gefängnißstrafe erkannt worden, die Vollstreckung dieser leßteren Strafe nicht auszuseßen ist. Rescr. v. 6. Sept. 1838, Jahrb. Bd. 47 S. 382.

fuches.

Von Bedeutung sind hier die Postscheine über Absendung des Ges

Ein Gesuch, welches nur die Absicht ausspricht, ein Begnadigungsgesuch einreichen zu wollen, wird ebensowenig zu berücksichtigen sein, wie ein solches, welches die Behauptung nicht bescheinigt.

Beispiel. 1. Scrib. an den 2c.

Auf das heute hier eingegangene Gesuch um Gewährung eines Strafaufschubs wird Ihnen solcher bis zum Eingange des angerufenen Allerhöchsten Bescheides hiermit gewährt.

2. Nach 3 Wochen.

Oder: Das von Ihnen heute hier angebrachte Gesuch um 2c. kann irgendwelche Berücksichtigung nicht erfahren, falls Sie nicht umgehend den Postschein über Einreichung des Gnadengesuches hier vorlegen.

Oder: Das 2c. wird hierdurch abschlägig beschieden, da Sie bereits Gefängnißstrafen wegen Diebstahls und Körperverlegung verbüßt haben, mithin durch den Antritt der Strafe einen unwiderbringlichen Schaden an Ihrer Ehre nicht erleiden werden; Sie haben sich deshalb umgehend zur Strafverbüßung zu gestellen, widrigenfalls Ihre Verhaftung eintritt.

3. Auch in anderen Sachen kann die Vollstreckung des Urtheils bis zur

Allerhöchsten Entschließung ausgesezt werden, wenn nach dem pflichtmäßigen Ermeffen der StAschaft dem Bittsteller so erhebliche Begnadigungsgründe zur Seite stehen, daß eine Ermäßigung oder ein Erlaß der Strafe zu erwarten ist. Allerh. Ord. vom 29. August 1838, Jahrb. Bd. 47 S. 382.

Hier kommen wie sub 2 in Betracht solche Personen, welche mit kurzer Freiheitsstrafe z. B. wegen einfachen Bankerotts, fahrlässiger Körperverlegung oder fahrlässiger Transportgefährdung (§§ 316, 230 RStrGB. bezw. § 210 ReichsKonkurs-Ordnung) mit 1 Tag Gefängniß bestraft sind und Umwandlung in Geldstrafe nachsuchen.

4. In denjenigen Fällen, in welchen Se. Majestät auf ein erstes Begnadigungsgesuch Bericht erfordert hat, ist die zwangsweise Strafvollstreckung, sofern dieselbe noch nicht begonnen hat, bis nach Empfang der Allerh. Entschließung auszuseßen.

Allerh. Erlaß vom 16. März 1878 und Allgem. Verfüg. vom 30. März 1878, betr. die Aussetzung des Strafvollzugs in folge von Begnadigungsgesuchen, JMBI. S. 55.

Hat daher die Strafverbüßung bei Eingang der Allerh. Verfüg. begonnen, so wird dieselbe nicht ausgesezt bezw. nicht unterbrochen; die Berichterstattung ist aber in solchem Falle vorzugsweise zu beschleunigen.

Allerh. Erlaß a. a. O.

Ist aber die Freiheitsstrafe von so kurzer Dauer, daß die Allerh. Begnadigung, falls sie einträte, wirkungslos sein könnte, weil inzwischen die Strafe vollständig oder fast vollständig verbüßt ist, so hat der Erste Staatsanwalt zu beurtheilen, ob eine Unterbrechung ausnahmsweise eintreten soll, dabei wird insbesondere darauf Gewicht zu legen sein, ob das Begnadigungsgesuch berücksichtigenswerth erscheint oder nicht.

TirkVerfüg. vom 15. October 1894, I, 5024.

II. Die Bearbeitung aller Gnadensachen liegt der StAschaft ob. 1. Abgesehen von den Fällen des § 484 StrPrOrdg. (Reichsgericht) erfolgt die Bearbeitung der Begnadigungssachen durch die StAschaft des Landgerichts und zwar auch hinsichtlich derjenigen Sachen, in welchen das Amtsgericht (Schöffengericht, Rheinschiffahrtsgericht, Elbzollgericht) erkannt hat.

2) Die Berichte werden unmittelbar an den Justizminister erstattet, auch wenn in einer höheren Instanz eine abändernde Entscheidung ergangen ist. Wo der Justizminister eine Berichterstattung durch den Oberstaatsanwalt für angezeigt erachtet, wird er dieselbe im Einzelfalle anordnen.

3. In allen Fällen, in welchen von Nebenstrafen abgesehen

nur auf Geldstrafe oder auf Haft oder auf Festungshaft oder Gefängniß bis zu einem Jahr allein oder in Verbindung mit einander erkannt worden ist, bedarf es der Beifügung eines Actenauszuges und einer Urtheilsabschrift nur dann, wenn Allerhöchsten Orts Bericht erfordert ist.

4. Todesurtheile 2c. vgl. § 104 3iff. 3.

III. Die von dem Justizminister bei der StAschaft eingehenden Gnadengesuche tragen entweder die Verfügung:

a) Zur Prüfung und weiteren Veranlassung, oder

b) zur Aeußerung, oder

c) zum Bericht, oder

d) zum Bericht (aus dem Civilcabinet).

1. Die Behandlung derselben ist eine verschiedene.

Die Verfügung sub a drückt aus, daß dem Justizminister der Inhalt des Gesuches selbst, dessen thatsächliche Richtigkeit nicht feststeht, einstweilen keinen Anlaß giebt, der Sache näher zu treten. Die StAfchaft aber hat das Gesuch nicht blos auf Grund der in diesem selbst enthaltenen Ausführungen, sondern unter gleichzeitiger Berücksichtigung aller aus den Acten sich ergebenden Momente zu prüfen, und bei dieser Prüfung werden nicht selten auch solche Gesuche sich als berücksichtigenswerth darstellen, welche dem Justizminister keinen Anlaß geboten haben, Bericht zu erforden. Die Entschließung der StAschaft darüber, ob ein Gesuch zu befürworten sei, hat daher, ganz unbeeinflußt davon, ob Bericht erfordert ist oder nicht, zu erfolgen, und der Umstand, daß eine Berichterstattung nicht angeordnet ist, darf in keinem Falle dahin führen, daß ein Gesuch unbefürwortet bleibt, welches im Falle angeordneter Berichterstattung befürwortet worden wäre.

Uebrigens sind die Begnadigungsgesuche auch nicht lediglich unter dem Gesichtspunkt der in ihnen gestellten Anträge zu prüfen; vielmehr ist stets zu erwägen, ob dieselben in irgend einer Richtung zur Befürwortung eines Allerhöchsten Gnadenactes Anlaß geben können.

Der Justizminister vertraut, daß die Beamten der StAschaft sich in allen Fällen gleichmäßig der gewissenhaften Prüfung der gedachten Gesuche unterziehen werden.

CirkVerfüg. vom 13. Mai 1885, V, 1839.

2. Bietet das Gnadengesuch nach dieser Prüfung,

zu welcher auch die Aufklärung der angeführten Verhältnisse unter Zuziehung der Ortspolizeibehörde gehört,

Rescr. vom 11. Juni 1831, Jahrb. Bd. 37 S. 419.

keinen Anlaß zur Befürwortung, so erfolgt die Verfügung: ablehnende Bescheidung nach Form.

Die Verwendung der Formulare selbst für die an die Bittsteller abzusendenden Reinschriften der Bescheide ist nicht gestattet.

CirkVerfüg. vom 9. März 1895, I, 1814 b.

und damit Ablehnung in folgender Form:

Das an Se. Majestät den Kaiser und König von Ihnen gerichtete Gesuch vom 2c., in welchem Sie um Erlaß der am 2c. vom Kön. Landgerichte hier wider Sie rechtskräftig erkannten Gefängnißstrafe von 2 Monaten (Umwandlung in eine Geldstrafe, Erlaß der Geldstrafe) bitten, ist auf Allerhöchsten Befehl an den Herrn Justizminister und von Sr. Excellenz mir zur Prüfung und weiteren Veranlassung zugefertigt worden.

Ich habe mich dieser Prüfung an der Hand der Acten und Ihres Gesuches unterzogen (auch weitere Ermittelungen eintreten lassen), indeß keinen Anlaß gefunden, das von Ihnen angebrachte Gesuch nach irgend einer Richtung zu befürworten.

Auf Grund der mir ertheilten Allerhöchsten Ermächtigung werden Sie demgemäß, wie hiermit geschieht, ablehnend beschieden.

Die dem Gesuche beigefügten Bescheinigungen des Gemeindevorstandes, (des Bürgermeisters 2c.) und der Militärpaß erfolgen gleichzeitig zurück.

N., den 2c.

3. Bietet das Gesuch dagegen Anlaß zu einer Befürwortung, so tritt Bericht mit oder ohne Acten-Auszug (vgl. oben II, 3) ein. Beispiel, wie im § 104 3iff. 4 mit Acten-Auszug, dagegen § 115 ohne Acten-Auszug (Beispiel B).

Ueber die Einrichtung der Berichte in Gnadensachen ist be= stimmt:

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1. Jeder Bericht hat am Eingange anzugeben, wie erkannt ist, und ob das Erkenntniß die Rechtskraft erlangt hat. Unmittelbar hieran ist eine Angabe über die Lage der Strafvollstreckung anzuschließen. Aus derselben muß genau zu entnehmen sein, ob und welcher Theil der Strafe bereits verbüßt bezw. ob und bis zu welchem Zeitpunkt die Strafvollstreckung aufgeschoben ist. Hierbei sind die bezüglichen Actenfolien anzuführen.

2. Wird ein Gesuch befürwortet, so hat die StAschaft in dem Bericht einen be stimmten Vorschlag zu machen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Ermäßigung oder Umwandlung der Strafe befürwortet wird. Kommt eine Geldstrafe in Frage, so sind erforderlichen Falls nach Vornahme von Ermittelungen auch die Vermögensverhältnisse des Verurtheilten anzugeben. Auch über einen etwaigen Erlaß der Kosten hat sich der Bericht auszusprechen. 3. Sind Mitverurtheilte vorhanden, von denen oder für welche ein Gnadengesuch nicht angebracht ist, so hat, gleichviel ob das vorliegende Gesuch befürwortet wird oder nicht, die StAschaft am Schlusse des Berichtes sich darüber zu äußern, ob, und in welchem Maße ein Allerh. Orts zu stellender Antrag auf Begnadigung von Amtswegen auf die Mitverurtheilten auszudehnen sein würde.

Auch hinsichtlich der Mitverurtheilten sind die unter 1 bezeichneten An= gaben aufzunehmen.

4. Jeder Bericht muß auf der ersten Seite als rubrum angeben:

a) in welchen Straffachen er erstattet wird;

b) durch welche Verfügung er veranlaßt ist bezw. ob die Berichterstattung ohne Auftrag erfolgt;

c) den Namen des Beamten, der den Bericht verfaßt hat.

CirkVerfüg. vom 13. Mai 1885, I, 1839.

Beispiel eines solchen Berichtes im § 115. Aeußerung“ gleicht dem „Bericht“.

Die erforderte

4. Die Actenauszüge sind geregelt durch die Allgem. Verfüg. vom 2. Juni 1860 (JMBI. S. 238), abgedruckt bei Müller a. a. D. S. 1389; auf sorgfältige Controlle sind die Ersten Staatsanwälte hingewiesen durch die Cirk.Verfüg. vom 21. Januar 1888, I, 154. Beispiel § 104.

5. Wegen der beleidigenden Ausfälle, welche sich nicht selten in Gnadengesuchen finden, darf

ein fiskalisches Verfahren von Amtswegen nicht eingeleitet werden,

Allerh. Ord. vom 20. August 1831, JMBI. 1842 S. 53,

ohne zuvor die Allerhöchste Genehmigung eingeholt zu haben. Se. Majestät der König wollen diese Genehmigung in Fällen böswilliger Anschuldigung nicht versagen, vertrauen aber auch, daß man solche Fälle von den Aeußerungen einer

ungeschickten Schreibart oder irrthümlicher oder befangener Ansichten zu unterscheiden wissen und bei der Kommunikation von Eingaben und Beschwerdeschriften, welche Anzüglichkeiten enthalten 2c., mit Vorsicht verfahren werde.

Allerh. Ord. vom 18. Dezember 1841, JMBI. 1842 S. 53.

Den Oberbehörden ist zur Pflicht gemacht, bei der Mittheilung der ihnen zugefertigten Immediateingaben und Beschwerden, worin verleßende Aeußerungen enthalten sind, an die betr. Unterbehörden und Beamten mit aller Vorsicht zu verfahren und dergleichen Eingaben, insofern es einer Berichterstattung bedarf, entweder gar nicht oder nur im Auszuge unter Hinweglassung der verleßenden Stellen zuzufertigen und sich nöthigenfalls durch Einfordern der Acten die nöthige Auskunft zu verschaffen.

Rescr. vom 9. februar 1842, JMBI. S. 53.

Von einem strafrechtlichen Einschreiten wegen Verlegung der Ehrfurcht gegen Se. Majestät den König und wegen Beleidigung von Behörden und Beamten auf Grund von Ausdrücken, welche in Immediatvorstellungen enthalten sind, ist ohne Allerh. Genehmigung abzusehen und geeigneten Falls vor Erhebung der Anklage behufs Einholung der Allerh. Genehmigung durch Vermittelung des Oberstaatsanwalts an den Justizminister zu berichten.

Rescr. vom 25. November 1865, IV, 12852.

6. Wird Bericht (oder Aeußerung) befohlen, so ist zunächst zu prüfen, ob es der Anfertigung eines Actenauszuges (oben II, 3, Beispiel § 104 Ziff. 4) bedarf oder nicht. Für letteren Fall vgl. Beispiel A im § 115.

Beispiel A.

Bericht

$ 115. Gnadenberichte.

S. den 2c.

II, 2016.

des Ersten Staatsanwalts,

betreffend das Begnadigungsgesuch des HaltestellenAufsehers Adam H. in S. Auftrag: 15. Februar 1896. (IV a 1101.)

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Euer Excellenz

verfehle ich nicht in Befolgung der nebenbezeichneten hohen Verfügung, unter Wiederanschluß derselben und ihrer Anlagen, die Akten II M. 134/95 (1 Band) mit nachstehendem Bericht ehrerbietigst vorzulegen.

Durch Urtheil der Strafkammer in S. vom 21. Januar 1896 ist der Haltestellen-Aufseher Adam H., geboren am 22. Mai 1848 in Gr., wohnhaft in S., evangelisch, ohne Vermögen, vorbestraft durch Urtheil desselben Ges richts vom 12. Juni 1894 wegen Körperverleßung im Sinne des § 340 StrGB. mit 100,00 Mark event. mit 20 Tagen Gefängniß,

der fahrlässigen Gefährdung eines Eisenbahntransportes schuldig erklärt und gemäß § 316 Abs. 2 StrGB. zu einer Gefängnißstrafe von einem Tage und in die Kosten des Verfahrens verurtheilt worden.

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