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Hiernach wird ein offenes, selbst nachträglich abgelegtes Geständniß, ernste und aufrichtige Reue als eine genügende Grundlage für den Antrag auf vorläufige Entlassung in der Regel anzusehen sein. 3. 3weckmäßiges Unterkommen.

In dieser Richtung bestimmt § 4 der genannten gemeinschaftLichen Verfügung:

Insbesondere ist zu prüfen, ob und in welcher Art derselbe an dem Orte, nach welchem die Entlassung erfolgen soll (Entlassungsort), Unterkommen und Gelegenheit zu ehrlichem Erwerbe zu finden Aussicht hat.

Die Gefängnißvorstände sind verpflichtet, in dieser Beziehung eine specielle Erörterung resp. soweit erforderlich, ihre Vermittelung eintreten zu lassen, und sich zu diesem Zwecke mit den betreffenden Polizei- und Gemeindebehörden, sowie nach Ermessen mit achtbaren Privatpersonen an dem Entlaffungsorte oder in der Nähe desselben, bezw. mit den Gefängnißvereinen,

"

welche gegenwärtig, insbesondere seit Mittheilung der Bestimmungen über Fürsorge für entlassene Gefangene“ durch die gemeinschaftliche Verfügung der Herren Minister des Innern und der Justiz vom 13. Juni 1895 Min. d. Jnn. S. 723 I Anh. eine mehr centralisirte, umfang- und erfolgreiche JustM. I 3576

Thätigkeit entfalten,

in Verbindung zu setzen.

Die Entlassung ist nicht in Antrag zu bringen, wenn die Verhältnisse, in welche der Gefangene an dem Entlassungsorte eintreten würde, zu der Besorgniß Anlaß geben, daß derselbe dadurch in ein ungeordnetes oder verz brecherisches Leben werde zurückgeführt werden.

C. Ueber die praktische Handhabung der vorläufigen EntLassung bestimmt die gemeinschaftliche Verfügung weiter:

Unter Beifügung der Personalacten des Sträflings und einer motivirten Erklärung der Konferenz der Anstaltsoberbeamten oder wenigstens des Geistlichen, sowie unter eingehender Begründung und Darlegung der nothwendigen Voraussegungen legt der Gefängnißvorstand den Antrag auf vorläufige Entlassung beim Oberstaatsanwalt des Departements vor, welcher unter Beifügung einer kurzen gutachtlichen Aeußerung die Entscheidung des Justizministers einholt.

Genehmigt Letterer die vorläufige Entlassung, so tritt sie durch den Gefängnißvorstand unverzüglich ein, wobei nur die Vorschriften in § 10 (Eröffnung zu Protokoll, Behändigung eines Entlassungsnachweises, Abrechnung wegen des Arbeitsverdienstes und mehrfache Benachrichtigung) zu berücksichtigen sind. Demnächst unterliegt der Entlassene einer besonderen ortspolizeilichen Controlle.

Auf die Entlassungsanzeige wird Bericht an den Oberstaatsanwalt verfügt, ferner Mittheilung an die Polizeibehörde des Entlassungsorts und Notiz zum Strafregister, daß über jede aus dem Register verlangte Auskunft oder zu demselben mitgetheilte Verurtheilung Mittheilung zu machen ist. Endlich ist Reproduction auf den 2c. (ursprüngliches Strafende) zu verfügen. D. Ueber die Folgen der vorläufigen Entlassung bestimmt das Reichsstrafgesetzbuch in

§ 26: Ist die festgesetzte Strafzeit abgelaufen, ohne dass ein Widerruf der vorläufigen Entlassung eingelaufen ist, so gilt die Freiheitsstrafe als verbüsst.

§ 24: Die vorläufige Entlassung kann bei schlechter Führung des Entlassenen, oder, wenn derselbe den ihm bei der Entlassung auferlegten Verpflichtungen zuwiderhandelt, jederzeit widerrufen werden.

Der Widerruf hat die Wirkung, dass die seit der vorläufigen Entlassung bis zur Wiedereinlieferung verflossene Zeit auf die festgesetzte Strafdauer nicht angerechnet wird.

E. Ueber die Anzeigepflicht, welche der StAschaft auch in dieser Beziehung obliegt, bestimmen die Allgem. Verfüg. vom 23. Dezember 1871 (MBl. S. 224) und vom 25. August 1879 (JMBL. S. 251):

Sobald gegen einen vorläufig entlassenen Strafgefangenen (§ 23 RStrGB.) vor Ablauf der Strafzeit wegen einer nach der vorläufigen Entlassung begangenen strafbaren Handlung ein Vorbereitungsverfahren oder eine Voruntersuchung eingeleitet wird, so ist hiervon dem für die Herbeiführung des Widerrufes der Entlassung zuständigen Oberstaatsanwalte unter Darlegung des Sachverhaltes unverzüglich Anzeige zu machen. Der Oberstaatsanwalt hat die ihm zugegangene Anzeige sofort mit seiner gutachtlichen Aeußerung an den Justizminister einzureichen.

Ist gegen einen vorläufig Entlassenen nach Ablauf der Strafzeit wegen eines nach der vorläufigen Entlassung begangenen Verbrechens oder Vergehens oder wegen einer Uebertretung aus § 361 Nr. 1 bis 8 RStrGB. rechtskräftig Strafe festgesezt, so ist hiervon demjenigen Oberstaatsanwalt, welcher auf Anordnung des Justizministers die vorläufige Entlassung hatte eintreten lassen, Mittheilung zu machen.

II. Definitive Entlassung aus der Anstalt erfolgt, nachdem die im gerichtlichen Urtheile erkannte oder im Gnadenwege ermäßigte Strafe verbüßt ist.

Der Vorsteher des Gefängnisses ist dafür verantwortlich, daß kein Gefangener länger als die durch das Urtheil bestimmte Zeit in der Anstalt zurückgehalten wird. Fällt das Ende der Strafe in die Zeit von 7 Uhr Abends bis 7 Uhr Morgens, so ist die Entlassung des Gefangenen schon am Abend um 7 Uhr zu bewirken. Auf seinen Wunsch ist dem Gefangenen das Verbleiben in der Anstalt bis zum nächsten Morgen zu gestatten . . . Die Anzeige über die Entlassung eines . . . Strafgefangenen ist schriftlich zu erstatten.

Abs. 6 u. 7 § 85 GefRegl. vom 16. März 1881, JMBI. S. 50.

a. Bei vorzeitiger Entlassung des Gefangenen sind für den Tag der Entlassung die vollen Verpflegungskosten in Ansaß zu bringen.

Allgem. Verfüg. des Justizministers vom 22. März 1882, I, 4716.

b. In gleicher Weise bestimmt der Minister des Innern für die ihm unterstellten Anstalten:

...

In Gemäßheit des Strafgeseßbuches und der Strafprozeßordnung hat die Entlassung zu derselben Stunde stattzufinden, welche die StAschaft in

ihrer Requisition um Strafvollstreckung oder nachträglich, auf zuvorige Anfrage des Gefängnißvorstandes, als Beginn der Strafzeit bezeichnet.

Fällt die Stunde der Entlassung in die Zeit vom Einschluß bis 12 Uhr Nachts einschließlich, so ist der Gefangene um 7 Uhr Abends zu entlassen oder sofern er darum nachsucht, bis zum folgenden Morgen in der Anstalt zu belassen. Fällt die Stunde der Entlassung in die Zeit von 12 Uhr Nachts bis zum Aufschluß, so ist der Gefangene nach Verabfolgung des Frühstücks oder, sofern er auf dasselbe verzichtet, sofort nach dem Aufschluß zu entlassen. Die Abrechnung hat im Falle dieser Art am Tage vor der Entlassung stattzufinden.

Derfüg. vom 4. Januar 1881 an die Königl. Regierung zu Trier, II, S J. 3477.

c. Bei der Entlassung von Ausländern ist zu berücksichtigen: Es liegt im Interesse der Polizeibehörden, hinsichtlich solcher Ausländer, welche sich im Inlande in gerichtlicher Untersuchungs- oder Strafhaft befinden, von der bevorstehenden Entlassung rechtzeitig Kenntniß zu erhalten, um nöthigeufalls deren Beobachtung oder Ausweisung veranlassen zu können. Ich bestimme daher, daß in Zukunft an jeder bevorstehenden Entlassung von Personen der bezeichneten Kategorie der Ortspolizeibehörde so zeitig Nachricht zu geben ist, daß diese Behörde spätestens zur Stunde der Entlassung von leßterer unterrichtet ist. Die Verpflichtung zur Ertheilung dieser Nachricht liegt im Falle der Strafhaft der Vollstreckungsbehörde, im Falle der Untersuchungshaft der StAschaft und bei Gefahr im Verzuge demjenigen Richter ob, der die Aufhebung des Haftbefehls anordnet. Angehörige eines anderen zum Deutschen Reiche gehörigen Bundesstaates werden selbstverständlich von dieser Verfügung nicht betroffen, da dieselben nach Artikel 3 der Reichsverfassung nicht „Ausländer“ sind.

Allgem. Verfüg. des Justizministers vom 5. April 1894, I, 1717.

III. Beim Tode des Gefangenen ist die Mittheilung an das Königl. Standesamt durch den Gefängnißvorsteher zu bewirken. § 84 GefRegl. vom 16. März 1881, JMBI. S. 50.

Die Form hat den §§ 20 und 58 des Geseßes über die Beurkundung des Personenstandes 2c. vom 6. Februar 1875 (RGBI. S. 23) und der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juli 1876 (JMBI. S. 141) zu entsprechen.

Die Mittheilung an die Angehörigen, auch wegen Verabfolgung der Leiche, regelt

CirkVerfüg, vom 4. Juli 1889, I, 2048 und vom 13. November 1889, I, 3209.

Der Registerbehörde hat der Bureaubeamte der StAschaft Anzeige zu
CirkVerfüg. vom 4. April 1887, oben § 15.

erstatten.

Fünfter Abschnitt.
Gnadengefuche.
§ 113.

Behandlung der Gnadengefuche.

v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 541 ff. — Dalcke, Handbuch der Strafvollstreckung und Gefängnissverwaltung S. 15, 30. — Müller, Die preussische Justizverwaltung, Berlin 1892, S. 1383 f.

Nach Art. 49 der VerfassUrk. für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850 hat der König das Recht der Begnadigung und Strafmilderung.

1. In bestimmten Sachen ist die Ausübung dieses Begnadigungsrechtes den Ministerien übertragen, und zwar:

a) Dem Justizminister:

Die gegen muthwillige Quärulanten festgeseßten Strafen (vgl. § 69) können von dem Justizminister gemildert und nach Bewandtniß der Umstände erlaffen werden.

Allerh. TabOrd. v. 6. Sept. 1815 u. 16. Aug. 1834, GS. S. 198 u. Jahrb. Bd. 44 S. 102.

Ferner ist derselbe zur Entscheidung ermächtigt auf Gesuche um gänzlichen oder theilweisen Erlaß von Strafen bis 10 Thlr. einschl. in den neuen Landestheilen Hannover, Hessen-Nassau und Frankfurt a. M.,

Allerh. Erlaß v. 19. Dezbr. 1866, JMBI. 1867 S. 6.

ausgedehnt auf Strafen im gleichen Betrage in Schleswig-Holstein. Allerh. Erlaß v. 16. febr. 1867, JMBI. S. 67.

b) Dem Finanzminister:

Es steht jedoch dem Finanzminister, nach dem Strafedict v. 26. März 1787 § 37 und einer Allerh. CabOrd. v. 4. Sept. 1798, die Befugniß zu, die wegen Steuervergehen erkannten Strafen aus erheblichen Ursachen ganz oder zum Theil zu erlassen.

Rescr. v. 15. April 1834, Jahrb. Bd. 43 S. 647.

Alle wegen Zuwiderhandlungen gegen die Französische Forstordnung vom August 1669 und die Verordnung der Kais. Kön. Desterreich. u. Kön. Bair. gemeinschaftlichen Landes-Administrations-Kommission v. 30. Juli 1814 und 21. Januar 1815 von den Gerichten des Appellationsgerichtshofes zu Cöln rechtskräftig festgeseßten Strafen, soweit solche im Niederreißen vorschriftswidrig aufgeführter Gebäude und in Confiscation des dazu benußten Grund und Bodens, sowie der dazu angewendeten oder angefahrenen Baumaterialien bestehen, ganz oder theilweise zu erlassen.

Allerh. Erlaß v. 4. Mai 1868 u. Bekanntmachung des Justizmin. v. 17. Januar 1870, JMBI. 1870
S. 15, betr. die Befugniß des Herrn Finanzministers zur selbständigen Entscheidung 2c.
Die Allerhöchst verliehene Befugniß bezieht sich aber nicht auf den Erlaß
der Gewerbe- oder sonstiger directer Steuern.

Schreiben des finanzmin. v. 27. Juni 1834, Jahrb. Bd. 43 S. 649.

c) Dem Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten:

in allen Forstcontraventionsfällen, einschl. der Forstdiebstähle, Geldstrafen, welche den Betrag von 30 Mark nicht übersteigen, ganz oder theilweise zu erLassen.

Allerh. Erlaß v. 15. Dezbr. 1880, JMBI. 1881 S. 31; vgl. auch § 110 Ziff. 4 b. d) Dem Generalpostmeister:

Derselbe ist befugt, Strafen, welche wegen nicht gelöster Post- oder Lohnfuhrzettel, sowie in Postcontraventions- oder Postdefraudationsfällen bis incl. 10 Thlr. gerichtlich erkannt sind, nach Befinden der Umstände zu ermäßigen oder ganz zu erlaffen.

TabOrd. v. 3. Dezbr. 1828 u. 22. Januar 1849, Jahrb. Bd. 50 S. 230

2. Die Befugniß zur Einreichung eines Begnadigungsgesuches hat jeder Unterthan, also auch jeder Verurtheilte. Die weitere Behandlung bei der StAschaft regelt sich, wie folgt:

a) Die Begnadigungsgesuche in solchen Zoll- und Steuercontraventionssachen, rücksichtlich welcher nach dem Strafedict v. 26. März 1787 und der Allerh. TabOrd. v. 4. Sept. 1798 dem Finanzminister (oben sub b) die Befug= niß zum Erlaß erkannter Strafen zusteht, können . . . mit Gutachten . . unmittelbar an den Provinzialsteuerdirector zur weiteren Veranlassung abgegeben werden.

Rescr. v. 18. Aug. 1837, Jahrb. Bd. 50 S. 233.

b) Immediatgesuche um Erlaß oder Milderung polizeilicher Strafen, so: fern sie durch vollstreckbar gewordene Verfügung der Polizei festgesezt sind, sind an die Kön. Regierung, in Berlin an den Polizei-Präsidenten abzugeben. Sollte über ein derartiges Gesuch von dem Justizminister Bericht erfordert sein, so ist darüber, daß das Gesuch an die Verwaltungsbehörde abgegeben wurde, Anzeige zu erstatten.

Allgem. Verfüg. v. 8. febr. 1854, JMBI. S. 62. c) Begnadigungsgesuche der im Zuchthause Detinirten gehen weder an des Königs Majestät, noch an des Justizministers Excellenz, sondern mit Bericht über die Führung an den Ersten Staatsanwalt zur weiteren Prüfung. Allgem. Verfüg. v. 6. Mai 1836, Jahrb. Bd. 47 S. 615.

Erscheint dasselbe nicht geeignet zur Befürwortung, so geht dasselbe mit bloßem Umschlag und dem Zusaß:

An das Geheime Civilcabinet Sr. Majestät des Kaisers und Königs.
N., den 2c.

X.

Erster Staatsanwalt.

unter Couvert an das Geheime Civilcabinet ab.

Erscheint dasselbe zur Befürwortung geeignet, so ist dasselbe unter Beifügung der Acten und eines Actenauszugs mittelst gutachtlichen Berichts durch den Oberstaatsanwalt dem Justizminister vorzulegen.

Refer. v. 21. Januar 1882, 1, 53.

d) Wenn ein Verurtheilter um die Aufnahme eines Immediat-Begnadigungsgesuches bittet, so ist ein besonderes Protokoll aufzunehmen, welches das Sachverhältniß, die Strafe und Begnadigungs- oder Milderungsgründe enthält. Das Protokoll ist sodann mittelst Berichts dem Justizminister vorzulegen. Rescr. v. 31. October 1834, Jahrb. Bd. 44 S. 442. e) Das bei der StAschaft eingereichte Begnadigungsgesuch eines nicht verhafteten Verurtheilten, welches zur Befürwortung geeignet erscheint, ist mit Acten, Actenauszug und gutachtlichem Bericht dem Justizminister vorzulegen; erscheint es dazu nicht geeignet, so ist es dem Bittsteller mit dem Eröffnen zurückzugeben, daß ihm die unmittelbare Einreichung bei des Königs Majestät überlassen werden müsse.

Reser. v. 21. Januar 1882, 1, 53.

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