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entlassen, so ist Nachfrage wegen der Genesung und Weiterverbüßung des Strafrestes zu halten.

Bei Schwangerschaft vgl. § 95 B 3iff. 2.

Ergiebt sich dagegen die Nothwendigkeit (Schwere der Krankheit, sofortige Operation) die Unterbringung in eine geeignete Anstalt, so sind besondere Vorsichtsmaßregeln Seitens der Strafvollstreckungsbehörde zu beachten:

a) In mehreren neuerlich vorgekommenen Fällen sind der fiskalischen Kasse bedeutende Kosten dadurch erwachsen, daß gerichtliche Gefangene wegen Körper- oder Geisteskrankheit in Kranken- oder Pflege-Anstalten untergebracht und längere Zeit auf fiskalische Kosten verpflegt sind. In einzelnen Fällen mag dies unvermeidlich sein, meistens aber wird die Bes lastung der fiskalischen Kasse dadurch vermieden werden können, daß die Gefangenen, sobald sich die Nothwendigkeit ihrer Unterbringung in eine Anstalt der gedachten Art herausstellt, einstweilen aus der gerichtlichen Haft entlassen und der betr. Polizei-Obrigkeit überwiesen werden, damit nach Maßgabe des § 28 des Reichsgesetzes über den Unterstüßungswohnsig vom 6. Juni 1870 für sie gesorgt werde, soweit nicht eigene Mittel der Gefangenen oder alimentationspflichtige Angehörige derselben heranzuziehen sind.

Die Kronanwaltschaft hat daher in Fällen der gedachten Art stets zu erwägen:

bei Untersuchungsgefangenen, ob die Aufhebung des Haftbefehls zu beantragen,

bei Strafgefangenen, ob deren Entlassung aus der Haft thunlich sei. Die als Gefängnißverwaltungs-Vorstände fungirenden Amtsrichter haben von Fällen der gedachten Art, unter vollständiger Darlegung der Verhältnisse, der Kronanwaltschaft schleunigst zu berichten, wenn es sich aber um solche Strafgefangene handelt, gegen welche die Strafvollstreckung vom Polizeianwalt geleitet wird, dem Lehteren behufs eigener Verfügung oder Berichterstattung an die Kronanwaltschaft Anzeige zu machen. CirkVerfüg. der Königl. Kron-Öberanwaltschaft zu Telle vom 25. März 1873, III, 1451, an sämmtliche Kron-Anwaltschaften, Amtsgerichte und regelmäßige Polizeiverwalter. b) In gleicher Weise haben sich die Vorstandsbeamten des Königl. Oberlandesgericht zu Cöln ausgesprochen, aber hinzugefügt:

Stets muß jedoch die Entlassung aus der Haft, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen, nicht blos einstweilen, sondern vorbehaltlos ausgesprochen werden . . .

Verfüg. vom 5. September 1881 Nr. 5710.

c. Einheitliche Regelung bezweckt die Allgem. Verfüg. des Justizministers vom 21. Dezember 1881, I, 4498.

Es sind in neuerer Zeit wiederholt Meinungsverschiedenheiten zwischen Justizbehörden und Gemeindevorständen oder anderen Vorständen von Kommunalkrankenanstalten darüber entstanden, in welchem Umfange lettere berechtigt sind, Kur- und Verpflegungskosten für erkrankte Gefangene, die ihnen von Gefängnißverwaltungen zur Verpflegung überwiesen werden, aus Justizfonds erstattet zu verlangen.

Der Bundesrath für das Heimathwesen hat sich in wiederholten Entscheidungen dahin ausgesprochen, daß Gerichtsgefangene, welche krankheitshalber von den Justizbehörden aus der Haft entlassen und Kommunalanstalten zur Verpflegung übergeben worden sind, gleichwohl nach wie vor als Gefangene, welche zur Verfügung der Justizbehörden bleiben und auf Kosten der Justizverwaltung zu verpflegen find, anzusehen seien, sobald bei ihrer Entlassung aus der Haft vorbehalten worden war, denselben nach be= endigter Kur in das Gefängniß zurückzunehmen. Die Justizverwaltung wird nicht umhin können, sich dieser constant festgehaltenen Auffassung der obersten Reichsbehörde zu accomodiren und ich erkläre mich deshalb damit einverstanden, daß in Fällen der gedachten Art die Kosten der Krankenpflege den Krankenanstalten aus dem Justizfonds erstattet werden.

Dee Justizbehörden haben demzufolge jedesmal, wenn die Entfernung eines Gefangenen aus dem Gefängniß in Folge seiner Erkrankung angezeigt erscheint, zu erwägen, ob die Untersuchungshaft aufzuheben resp. die Strafhaft zu unterbrechen, oder ob der Gefangene nur vorübergehend behufs seiner Verpflegung einer von dem Gerichtsgefängniß getrennten Krankenanstalt zu überweisen ist. Die Entschließung der Behörde wird nach der Gesammtheit der obwaltenden Umstände, nicht lediglich unter dem Gesichtspunkte möglichster Entlastung des Kriminalfonds getroffen werden müssen. Im Gegentheil wird dann, wenn es sich um hilfsbedürftige Strafgefangene handelt, welche nur in Ermangelung der geeigneten Einrichtungen zur ärztlichen Behandlung innerhalb des Gefängnisses aus letterem entfernt werden, anzunehmen sein, daß dieselben in der Regel nicht mit unter: brechung der Strafvollstreckung förmlich entlassen werden sollen, sondern der Krankenanstalt zur Verpflegung auf Kosten der Justizverwaltung, unter Anrechnung der Dauer ihres Aufenthalts in der Krankenanstalt auf die Strafzeit zu übergeben sind. In solchen Fällen ist aber dem Vorstande der Anstalt oder je nach der Lage des einzelnen Falles der zuständigen Kommunalbehörde gleichzeitig ausdrücklich die Dauer der von dem Erkrankten noch zu verbüßenden Freiheitsstrafe mitzutheilen, da mit dem Ende der Strafzeit der Gefangene aufhört, Gerichtsgefangener zu sein und die Justizverwaltung dann keine gefeßliche Verpflichtung, noch auch sonstige Veranlassung mehr hat, für seine Verpflegung zu sorgen.

Ich ersuche Euer Hochwohlgeboren, die betreffenden Ihnen unterstellten Behörden und Beamten demgemäß mit geeigneter Verständigung zu versehen 2c.

An den

Herrn Präsidenten des Kön. Oberlandesgerichts

und an den

Kön. Herrn Oberstaatsanwalt, I, 4498.

Diese Verfügung bezieht sich auf alle gerichtlichen Gefangenen, also auch auf Detinirte in Kantongefängnissen oder in Anstalten, die unter der Regierung stehen.

Rescr. v. 2. April 1884, IV a, 201.

d) Die Dauer des Aufenthalts in der Anstalt ist regelmäßig als Strafverbüßung anzurechnen:

Krobitsch.

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§ 493 StrPrOrdg.: Ist der Verurtheilte nach Beginn der Strafvollstreckung wegen Krankheit in eine von der Strafanstalt getrennte Krankenanstalt gebracht worden, so ist die Dauer des Aufenthalts in der Krankenanstalt in die Strafzeit einzurechnen, wenn nicht der Verurtheilte mit der Absicht, die Strafvollstreckung zu unterbrechen, die Krankheit herbeigeführt hat.

Die Staatsanwaltschaft hat im letzteren Falle eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

e) Folgende Mittheilung ist geboten:

Bei Ueberführung eines erkrankten Strafgefangenen in eine von dem Gefängniss getrennte Krankenanstalt ist dem Vorstande derselben der Zeitpunkt, an welchem der Erkrankte zur Entlassung kommt (§ 85 Abs. 3 GefRegl.), unter dem Bemerken mitzutheilen, dass mit dem Eintritte dieses Zeitpunktes der Erkrankte ohne Weiteres aufhört, Gerichtsgefangener zu sein. Von der Ueberführung eines Strafgefangenen in eine Krankenanstalt ist die Strafvollstreckungsbehörde unter Mittheilung des Entlassungstermins (Seitens des Gefängnisses) in Kenntniss zu setzen.

Allgem. Verfüg. v. 19. October 1891, betr. die Abänderung des Reglements für die Gefängnisse der Justizverwaltung v. 16. März 1881, JMBI. S. 264.

2. Bei Geisteskrankheit kommt in Betracht:

§ 487 StrPrOrdg.: Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist aufzuschieben (zu unterbrechen!), wenn der Verurtheilte in Geisteskrankheit verfällt.

a) Dieser Entlassungsgrund ist Seitens der Strafvollstreckungsbehörde ausdrücklich anzugeben. Der Gefängnißvorsteher hat den Gefangenen der Polizeibehörde des Entlassungsortes zu überweisen. Hiervon wird nur dann abgesehen werden dürfen, wenn der Geisteskranke bei der Entlassung seinen Angehörigen oder seinem Vormunde übergeben wird und hierdurch nach dem pflichtmäßigen Ermessen des Gefängnißvorstehers eine Gefahr für den Entlassenen selbst, wie für dritte Personen ausgeschlossen erscheint.

Allgem. Derfüg. v. 25. October 1882, betr. die Entlassung geisteskranker Gefangener,
JMBI. S. 325.

b) Wird ein Gefangener geisteskrank und in eine Irrenanstalt überführt, so scheidet er von selbst als Gefangener aus, weil ein Geisteskranker niemals Gegenstand eines Strafvollzugs sein kann.

Erk. d. Bundesamts f. d. Heim. v. 10. April 1880 u. v. 8. Januar 1881, bei Müller a. a. O. S. 1569.

c) Da die Heilung von Geisteskranken übrigens erfahrungsmäßig in den meisten Fällen davon abhängt, daß die Kranken möglichst bald einer Irrenheilanstalt überwiesen werden, so veranlasse ich die 2c., für die Folge in den Fällen, wo Strafgefangene von Geisteskrankheit befallen werden und ihre Abliefe= rung in eine Heilanstalt nach dem Gutachten des Anstaltsarztes nothwendig erscheint, wegen der Aufnahme in eine solche Anstalt unverzüglich das Erforderliche zu veranlassen.

Erlaß des Min. des Innern v. 2. febr. 1879, Min.Bl. f. d. inn. Verw. S. 57. d) Im Hinblick auf die bedeutenden Kosten und die vielfachen Schwierigkeiten, welche der Strafanstaltsverwaltung durch die Heilversuche und durch die Detention von geisteskranken Gefangenen während der Dauer des oft sehr

Langwierigen Entmündigungsverfahrens erwachsen, ist es wünschenswerth, die Entlassung von solchen Gefangenen aus der Haft nicht von dem Abschluß des nach §§ 593 ff. CivPrOrdg. vorgeschriebenen Verfahrens abhängig zu machen, sondern dieselbe in die Wege zu leiten, sobald die Vorausseßungen für die Entmündigung nach irrenärztlichen Gutachten vorliegen. Demzufolge bestimme ich, im Einverständniß mit dem Herrn Justizminister, hinsichtlich derjenigen Gefangenen aus Anstalten meines Refforts, welche wegen Geisteskrankheit in öffentlichen Jrrenanstalten untergebracht sind, daß, wenn nach der gutachtlichen Aeußerung der Direction der betr. Irrenanstalt Aussicht auf Heilung oder auch nur erhebliche Besserung nicht vorhanden ist, die Gefängnißvorstände fernerhin nicht mehr auf Einleitung des Entmündigungsverfahrens anzutragen, sondern das irrenärztliche Gutachten der vorgeseßten Behörde einzureichen haben, welcher dann obliegt, mit möglichster Beschleuni gung, nach vorherigem Benehmen mit dem betr. Oberstaatsanwalt und unter Beifügung der gutachtlichen Aeußerung desselben, die Entlassung des irren Gefangenen bei mir zu beantragen. Bei der Einlieferung von geisteskranken Gefangenen in Irrenanstalten sind die Directionen derselben in Zukunft jedesmal zu ersuchen, der einliefernden Behörde unter näherer Darlegung des Krankheitsfalles Mittheilung zu machen, sobald sich bei dem angestellten Heilversuche ergiebt, daß der Kranke an Geistesstörung ohne Aussicht auf Heilung oder auch nur erhebliche Besserung leidet.

Erlaß des Min. des Innern v. 3. Aug. 1886, MinBl. f. d. inn. Verw. S. 185. e) Ueber die Haftung für die Verpflegungskosten eines in Geisteskrankheit verfallenen Strafgefangenen, welcher unter Vorbehalt der Wiederein ziehung im Falle der Genesung aus der Haft entlaffen ist, vgl. Entscheid. des Bundesamts für das Heimathwesen vom 21. November 1891 (IMBI. 1893 S. 167).

3. Strafunterbrechung durch

a) Transport tritt nur dann ein, wenn ein gerichtlicher Haftbefehl erlaffen und vollstreckt isi.

Allgem. Verfüg. des Oberstaatsanwalts beim KammerG. v. 24. Novbr. 1881, I, A 10883. Wird dagegen das Gesuch eines Gefangenen um Vorführung behufs Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins am Orte (Civilprozeß) genehmigt, so ist die dazu gebrauchte Zeit nicht als verbüßt anzurechnen, weil ein Vertreter angenommen werden kann; zur Vermeidung einer gerichtlichen Entscheidung ist dies dem Gefangenen vorher zu eröffnen.

Die Gefahr der Entweichung eines Gefangenen ist auch zu groß, deshalb wird in der Regel von der Genehmigung solcher Vorführung abzusehen sein.

b) Entweichung schiebt den Entlassungstermin um die Dauer der Entfernung entsprechend hinaus.

§ 112.

Vorläufige und definitive Entlassung.

§§ 23 ff. RStrGB. — v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 581.

S. 1557 ff.

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Dalcke, Handbuch

der Strafvollstreckung und Gefängnissverwaltung, S. 85 ff. Müller, Die Preuss. Justizverwaltung, Gemeinschaftliche Verfüg. des Ministers des Innern und des Justizministers v. 21. Januar 1871 (JMBL. S. 34). Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch 4. Aufl. § 23.

I. Das Institut der vorläufigen Entlassung beruht auf der Bestimmung des § 23 RStrGB.:

Die zu einer längeren Zuchthaus- oder Gefängnissstrafe Verurtheilten können, wenn sie drei Viertheile, mindestens aber ein Jahr der ihnen auferlegten Strafe verbüsst, sich auch während dieser Zeit gut geführt haben, mit ihrer Zustimmung vorläufig entlassen werden.

A. Nach dieser geseßlichen Bestimmung kann, wie auch Dalcke Not. 1 S. 85 hervorhebt, eine vorläufige Entlassung der zu Festungshaft verurtheilten Personen nicht eintreten; nur zu Gefängniß- oder Zuchthausstrafe Verurtheilte können der vorläufigen Entlassung theilhaftig werden, vorausgesezt, daß sie es selbst wünschen oder damit einverstanden sind. Olshausen a. a. D. Not. 2d zu § 23.

B. Weitere Vorausseßungen sind:

1. Verbüßung einer bestimmten Zeit. Für die Berechnung derselben ist lediglich die Verbüßung in der Anstalt maßgebend:

In den Fällen, in denen nach § 60 RStrGB. oder nach § 482 StrPrOrdg. eine erlittene Untersuchungshaft auf die erkannte Strafe zur Anrechnung kommt, ist, wenn es sich demnächst um die vorläufige Entlassung des Gefangenen hans delt, die Strafzeit, welche derselbe nach § 23 RStrGB. verbüßt haben muß, lediglich nach demjenigen Zeitraume zu berechnen, welchen der Verurtheilte nach Anrechnung der Untersuchungshaft in der zur eigentlichen Strafverbüßung bestimmten Anstalt zuzubringen hat.

Da dieser Grundsatz bei den Anträgen auf vorläufige Entlassung von Gefangenen nicht immer beachtet worden ist, so nehme ich Veranlassung, die Beachtung desselben hierdurch in Erinnerung zu bringen.

Allgem. Verfüg. v. 28. Oct. 1882, I, 3828.

2. Gute Führung.

Einfache ordnungsmäßige und vorwurfsfreie Führung des Verurtheilten in der Anstalt begründen indeß einen Antrag auf vorläufige Entlassung nicht, während andererseits vereinzelte leichtere Verstöße gegen die Hausordnung, falls dieselben nicht auf üblen Willen zurückzuführen sind, bei sonst zufriedenstellendem Gesammtverhalten den Antrag nicht unbedingt ausschließen dürfen.“ Vgl. die angeführte gemeinschaftliche Verfüg., insbesondere §§ 2 und 3:

§ 2. Die vorläufige Entlassung kann von den Gefangenen niemals als ein Recht in Anspruch genommen werden. Sie hat vielmehr den Charakter einer Vergünstigung, welche von den betreffenden Gefängnißvorständen (beim Oberstaatsanwalt) nur dann zu beantragen ist, wenn bei ihnen die Ueberzeugung besteht, daß der Gefangene sich gebeffert habe und die ihm durch die vorläufige Entlassung gebotene Gelegenheit zum Wiederbeginn eines ehrenhaften und geseßmäßigen Lebenswandels nicht mißbrauchen werde.

§ 3. Der Gefangene, welchem hiernach die vorläufige Entlassung zu Theil werden soll, muß sich während der vorangegangenen Haft der Anstaltsordnung entsprechend betragen und zugleich in seinem Gesammtverhalten denjenigen Ernst an den Tag gelegt haben, welcher als eine Gewähr dafür angesehen werden kann.

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