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los in V. umhergetrieben hatte, begab er sich in die Nähe des benachbarten sogen. Heidenstocks, auf welchem der 16 jährige Peter S. seit Wochen als Handlanger beschäftigt war. Dort suchte er zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags den ihm bekannten S. auf, mit welchem er eine kurze Unterredung anknüpfte, und entfernte sich auf der an dem Neubau vorüberführenden Gerhardstraße in der Richtung nach P. zu. Kurze Zeit darauf verließ auch S., welcher an jenem Nachmittage seine Löhnung im Betrage von ca. 14 Mark, bestehend in einzelnen Markstücken, in Empfang genommen hatte, seine Arbeitsstelle und trat in derselben Richtung den Heimweg an. Bald nach 4 Uhr sah der Bl. 119. Steinhauer Anton F. G. in Begleitung des S. in der Nähe der sogen. Stammeltschächte kurz vor dem Punkte, wo der an dem von Hasselbruch vorbei nach P. führende Weg von der Gerhardstraße abzweigt, in der Richtung nach P. zu gehen.

Bl. 116.

BL. 69 ff.

Kurz nach 5 Uhr trafen die Handlanger Peter B., Peter L. und Johann F. dicht vor P. mit G. zusammen. Derselbe kam allein hinter ihnen hergeeilt, war im Gesicht hochroth und wies kleine Kragwunden an der Nase auf. Auf Befragen über die Herkunft dieser Verlegungen machte G. Ausflüchte, indem er behauptete, gefallen zu sein. Derselbe hielt hierbei seine Hände unausgesezt in seiner Hosentasche, verrieth aber sonst keine auffällige Erregung, sondern sprach ziemlich gleichmüthig von den Vergnügungen, welche er sich am folgenden Sonntage verschaffen würde.

In P. angelangt, wechselte G. zunächst seine Kleider und suchte dann nacheinander mehrere Wirthschaften auf, in welchen er reichliche Mengen Bier und Schnaps consumirte, auch Kameraden unaufgefordert damit tractirte und bei der Bezahlung einzelne Markstücke wechselte. Als G. am späten Abend mit dem ihm befreundeten Bergmann Johann G. Bl. 70 ff. allein war, erzählte er diesem plößlich in prahlerischem Tone, „daß er eine Mordthat begangen habe". Auf Befragen gestand er dem G. weiter, „daß er den S. im Hasselbruch ermordet habe" und seßte hinzu: „Lieber als daß ich zwei Jahre in Ketten liege, habe ich den S. den Hals abgeschnitten“, erwähnte aber nichts von dem abge= nommenen Gelde. Aehnliche Andeutungen hatte er bereits zuvor dem Bl. 72. Bergmann Johann S. gemacht.

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Diese verdächtigen Aeußerungen des G., sowie sein verschwenderisches Auftreten, welche den Verdacht gegen ihn gelenkt hatten, daß er an dem seit dem Abend des 17. Juni vermißten S. ein Verbrechen verübt habe, führten am 18. Juni 1893 zu seiner polizeilichen Festnahme und demnächst am Abend dieses Tages zur Auffindung der Leiche des Bl. 4 v. ff. Ermordeten im Hafselbruche. Nachdem G. bei seiner polizeilichen Vernehmung zunächst jede Schuld bestritten hatte, ließ er sich am folgenBl. 22 ff. den Tage vor dem Amtsgericht V., welchem er vorgeführt worden war, zu folgendem Geständniß der That herbei:

„Ich gestehe zu, den Peter S. am lezten Samstag den 17. d. M. ermordet zu haben. Ich bin am Samstag des Morgens von P. fortgegangen und zwar hierher nach V., um Arbeit zu suchen. An ver

schiedenen Stellen habe ich vergeblich um Arbeit nachgefragt. Dann bin ich des Nachmittags den Heidestock in die Höhe gegangen und habe dort an einem Neubau den Peter S. schaffen gesehen. Er rief mich an, und als er mir dann auf die Frage, ob er dort schaffen würde, eine bejahende Antwort gab, sagte ich ihm noch, daß er den nächsten Weg hätte, um heim zu kommen. Ich bin weiter die Straße hinauf gegangen, habe einmal nach dem Brande in Fürstenhausen ausgeschaut, dann habe ich mich hingeseßt und bin eingeschlafen. Ich hatte aber den ganzen Tag über schon ziemlich viel getrunken.

Ich wurde von dem Peter S., der mich jedenfalls dort liegen gesehen hatte, geweckt. Wir sind dann nach P. hinaufgegangen. Bisweilen waren wir zusammen, bisweilen ging jeder für sich allein. Der Peter S. fing mit mir von der Streikzeit an zu sprechen. Er sagte, er wüßte so Manches vom „Verglasen“ und vom „Schießen“. Ich antwortete ihm darauf: „An solchen Zeiten sollte man nicht davon schwäßen, dann könnte es kommen, daß mancher unschuldig sizen könnte".

Als wir in die Nähe des Waldes kamen, ging der S. in das Wäldchen hinein, um nach einem Hasennest zu sehen, von dem er mir schon vorher gesprochen hatte. Ich ging mit. S. ging vor und, als ich etwas rascheln hörte, warf ich mit einem schweren Stein danach. Der S. wurde durch den Steinwurf getroffen und stürzte nieder und rief: „So nun hast Du etwas gemacht, wofür Du 2 Jahre büßen kannst".

Da gerieth ich in die Wuth und in die Angst und stieß dem S. mit meinem gerade geöffneten Taschenmesser, welches ich auch in der Hand hatte, in den Hals. Wir haben jezt noch mit einander gerungen, ich habe ihn untergekriegt, habe mich auf ihn gekniet und habe ihm mit dem Messer die Kehle abgeschnitten. Der S. hat nicht mehr können schreien; er hat noch etwas mit den Gliedern gezappelt, bevor er todt war. Ich habe mir an der mir vorgewiesenen Tasche die Hände abgewischt. Am Wams habe ich mir die Blutflecken im Bach abgewaschen.

Mein Meffer habe ich fortgeworfen. Ich habe zufällig mit der Hand an dem Körper des S. herumgetastet und fühlte dann in ein Tuch eingebunden Geld. Ich nahm das Geld an mich, warf es fort und nahm es dann wieder auf, und behielt es. Es waren 12 oder 13 Mark in einzelnen Markstücken. Ich habe meiner Mutter von dem Gelde 6 Mark gegeben. Den Rest habe ich mit Ausnahme von einer Mark, die ich verloren habe, und einer Mark, die ich noch im Geldbeutel habe, nach und nach ausgegeben."

Nachdem dem G. später in der gegen ihn eröffneten Voruntersuchung die vielfachen inneren Unwahrscheinlichkeiten und WiderBl. 44. sprüche seiner Darstellung seitens des Untersuchungsrichters vorges

halten worden waren, änderte er dieselbe nach hartnäckigen Versuchen, dabei zu beharren, hinsichtlich der Art der Ausführung der That dahin ab:

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Am Samstag, den 17. Juni, ging ich gegen 6 Uhr Morgens von Hause fort und begab mich durch den P.'er Wald zuerst nach R. Der Tagelöhner G. ging vor mir auf dem Wege und wird mich wohl gesehen haben, ich nahm 40 Pfennige von meinem Gelde mit. Nachdem ich in R. bei mehreren des Weges kommenden Arbeitern nach Arbeitsgelegenheit mich erkundigt hatte, ging ich nach L. und sah dort bis gegen 10 Uhr dem Kohlenbeförderungsbetriebe an der Saar zu. Um 11 Uhr war ich in V. angekommen; ich benußte die Chaussee. Mein früherer Arbeitgeber S. führte in der Nähe der Bürgermeisterei einen Neubau auf; ich wollte mich demselben als Handlanger anbieten. Als er gegen 12 Uhr noch nicht auf der Baustelle erschienen war, ging ich von dort weg, ohne mit Jemandem gesprochen zu haben. Bei einem in der Lazarethstraße wohnenden Wirthe, dessen Namen ich nicht kenne, ließ ich mir meine Schnaps-Bouteille, welche ich Morgens zugesteckt hatte, mit 11⁄2 Schoppen Schnaps füllen; ich zahlte 20 Pfennige dafür. Dann kaufte ich bei dem Metzger Schwarz für 10 Pfennige Wurst und bei einem Bäcker nebenan ein Brödchen für 5 Pfennige. Ich verzehrte dies auf einer Wiese an der Saar, den Schnaps trank ich ungefähr zur Hälfte aus. Ich schlief ein und wurde gegen 123 Uhr wach; ich trat nunmehr den Heimweg an; derselbe führte mich über den sogen. Heidenstock bei V. in der Nähe der St.'er Schächte. An einem der beiden dort im Bau befindlichen Häuser sah ich den Peter S. aus P. als Handlanger thätig. Ich sprach ihn an und äußerte zu ihm, daß er von seiner Arbeitsstelle nicht weit nach Hause habe; ich hätte immer viel weitere Wege zurückzulegen gehabt. Ein Handlanger im Alter von 26 bis 30 Jahren stand bei ihm, als ich mit ihm sprach. S. pflichtete mir bei. Dies war Alles, was wir miteinander gesprochen haben. Ich ging weiter auf die St.'er Schächte zu und sah, daß in F. ein Gebäude in Flammen stand, es mag dies um 3 Uhr gewesen sein. Nachdem ich dem Feuer einige Zeit zugeschaut, schlug ich einen der über den sogen. Diskenberg nach P. führenden Wege ein. Ganz in der Nähe der Stelle, wo dieser Weg von dem Hauptwege abführt, seßte ich mich am Rande nieder und schlief, nachdem ich die Schnapsflasche geleert, ein. Ich mag etwas länger als eine Stunde geschlafen haben, als mich Jemand durch Zupfen am Rockärmel weckte; es war dies Peter S. Er forderte mich auf, mit ihm nach Hause zu gehen, der betreffende Weg ist wenig begangen. Ich sprach davon, daß ich keine Arbeit finden könne und lenkte sich unsere Unterhaltung auf den Streik. S. hatte mich während der Streifzeit an einem Abende gesehen, wie ich an dem Hause des nicht ausständigen Bergmannes Nicolaus S. am Weiherberg auf einer Fensterbank eine mit Pulver gefüllte Flasche zum Explodiren gebracht habe; er war der einzige Augenzeuge davon. Es wurden mehrere Fensterscheiben zertrümmert. In unserer Unterhaltung sprachen wir auch hiervon; ich äußerte, daß ich, wenn es herauskäme, wohl 2 Jahre zu erwarten habe und vielleicht in meinem ganzen Leben nicht mehr angelegt werden würde. S. sagte hierauf: „Es kommt noch Alles

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heraus". Dies brachte mich in Wuth; ich warf ihm aus einer Entfernung von etwa 3 Schritt den mir vorgezeigten Stein, welchen ich schon einige Zeit zum Spielen in der Hand hatte, um damit nach anderen Steinen, die im Wege lagen, zu schieben, mit großer Wucht an den Kopf; er stürzte zu Boden; raffte sich jedoch gleich wieder auf und sagte stehend zu mir: „Sepp, Sepp!" Um ihn als den einzigen Zeugen der an dem Strauß'schen Hause von mir verübten Beschädigung zu beseitigen, entschloß ich mich, ihn zu tödten und stieß ihm mein scharfes Messer in den Hals; er stürzte sofort nieder und schrie zweimal um Hülfe. Mittelst eines zweiten Schnittes schnitt ich ihm den Hals durch; er war sofort todt. Meine Hände waren voll Blut geworden; ich nahm sein Taschentuch, welches er, wie die Arbeiter zu thun pflegen, unter dem Hemde auf der Brust trug und ziemlich weit herausschaute, ganz heraus und wischte mit demselben das Blut von meinen Fingern. Als ich es von mir warf, spürte ich, daß etwas darin eingewickelt war; ich hob es wieder auf und eignete mir das eingeknüpfte Geld, bestehend aus 12 oder 13 einzelnen Markstücken, an; das Taschentuch warf ich wieder von mir. Ich wußte nichts da= von, daß S. seine Löhnung erhalten hatte. Als ich ihn tödtete, dachte ich nicht entfernt daran, ihn zu berauben. Mein Entschluß entstieg einzig und allein dem obenerwähnten Gedanken. In demselben Augenblicke, als ich ihn faßte, schritt ich auch schon zur That. Durch den Schnapsgenuß war ich angetrunken und deshalb leicht erregbar. Vor diesem Augenblicke ist es mir nie in den Sinn gekommen, daß ich durch den S. verrathen werden könnte; ich hatte nie daran gedacht, ihn unschädlich zu machen. Wir hatten kurz vorher den Weg verlaffen und wollten quer durch den Wald zu dem Bahnwärterhaus auf der Strecke von V. nach P., in der Nähe des letteren Ortes gehen, wo ich bei dem Sohn des Bahnwärters K., Namens Jacob, mich befragen wollte, ob ich nicht als Tagelöhner auf der Bahn beschäftigt werden könnte; derselbe ist mit mir befreundet und arbeitet gleichfalls dort. S. hatte sich mir, ohne daß ich ihm zuzureden brauchte, nach dem Verlaffen des Weges, und nachdem ich ihm meine Absicht mitgetheilt, angeschlossen.

Wie es gekommen ist, daß der Verstorbene außer den Schnittwunden am Halse und der Wurfverlegung am Kopfe, noch kleinere Verwundungen an den Händen und im Gesicht hat, weiß ich nicht. Ein Ringen hat zwischen uns Beiden nicht stattgefunden.

Das Messer, mit welchem ich den S. tödtete, warf ich nach der That von mir, ebenso die mir vorgezeigte Hosentasche, welche ich in der Tasche der Hose, die ich am Leibe trug, hatte und aus einer anderen Hose von mir herausgeriffen war; ich verwahrte in derselben mein Geld auf; auch diese hatte ich zum Reinigen meiner Finger vom Blute benut.

Das Meffer gehörte meinem Vater; ich fand es vor etwa 14 Tagen in unserer Wohnung unter Gerümpel. In der Werkstätte des Stuhlmachers Carl Br. ließ ich es durch denselben schleifen; er brachte es

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nicht scharf. Die Spike war abgebrochen; ich gab es deshalb, als ich eines Tages auf dem Heimwege von der Arbeit in V. an der Bruser Chauffee einem mir unbekannten Scheerenschleifer sah, diesem zum Schleifen; ich zahlte ihm 10 Pfennige dafür. Es war dies 2 bis 3 Tage vor meiner Verurtheilung in V. Ich hatte noch ein zweites Meffer, welches ich jedoch nicht nachtrug. Johann Gr. und Johann L. haben das von meinem Vater herrührende Messer, als es bereits ge= schärft war, in meinen Händen gesehen.“

Nachdem G. auch in der Hauptverhandlung sein früheres Geständniß der That im Wesentlichen aufrecht erhalten, die begleitenden Umstände derselben aber wiederum abweichend von seinen bisherigen Darstellungen angegeben hat, ist er bei seinem Leugnen bezüglich des erschwerenden Momentes der Ueberlegung verblieben. Seine diesbe= zügliche Auslaffung lautet:

„Er gestehe die That ein. Er sei mit S. in Streit gerathen. Derselbe habe ihn während der Streifzeit beobachtet, wie er an dem Hause des nichtstreikenden Bergmannes S. auf eine Fensterbank eine mit Pulver gefüllte Flasche zum Explodiren gebracht habe. Als er geäußert, wenn dies herauskomme, könne er wohl 2 Jahre bekommen, habe S. erwidert, „es käme doch Alles heraus“. Hierüber erbost, habe er mit einem Steine, welchen er in der Hand gehabt, nach S. ges worfen und habe ihn am Kopfe getroffen, er sei zu Boden gestürzt, dann wieder aufgestanden und auf ihn losgekommen; er, G., habe nun mit dem Messer, welches er vorher zum Brodschneiden benußt und noch in der Hand gehabt, dem S. einen Stich in den Hals versezt; S. habe um Hülfe gerufen und habe er nun mit seinem Meffer dem S. den Hals abgeschnitten. Er gebe auch zu, dem Getödteten bald darauf das Geld, welches in ein Taschentuch eingewickelt gewesen, genommen, und habe sich mit demselben entfernt. Bestreiten müsse er aber, den S. in den Walddistrikt gelockt zu haben, auch habe er die Tödtung nicht mit Vorbedacht vorgenommen; er könne nur sagen, als S. nach dem Steinwurfe auf ihn eingedrungen sei, habe er den Stich versett."

Nach den Ergebnissen der stattgehabten Beweisaufnahme können die von G. abgelegten Geständnisse, abgesehen von den vielfachen Widersprüchen, in welche er sich bei denselben verwickelt hat, nicht als erschöpfend angesehen werden.

Widerlegt erscheint darnach zunächst seine Angabe, daß er nach seiner Trennung von S. auf deffen Arbeitsstelle dadurch zufällig wieder mit ihm zusammengetroffen sei, daß dieser ihn dicht vor dem HaffelBI. 119. bruche aus dem Schlafe geweckt habe; dem stehen die Vernehmungen Bl. 121. des Steinhauers F. entgegen, welcher ihn bereits vor dem von G. bezeichneten Punkte zusammen mit S. auf der Gerhardstraße gehend angetroffen hat, ferner aber auch der Umstand, daß Letterer bei seinen Bl. 73. Heimwegen niemals den Weg an dem Hasselbruche vorbei zu nehmen pflegte. In mehrfacher Hinsicht unhaltbar erscheinen ferner die AnBl. 47 ff. gaben des G. über die Umstände, unter welchen er mit S. in den zum

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