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4. Beispiel.

Cilt!

II, 13401.

S., den 2c.

1. Uebersendung der wohlgehefteten Acten 2c. an den Kön. Herrn Oberstaatsanwalt, Hochwohlgeboren,

Bericht

des Ersten Staatsanwalts,

betreffend

die Untersuchungsfache wider
den Tagelöhner Joseph G.
aus P. wegen Raubmordes.
Nr. III der Allgem. Derfüg.
v. 14. August 1879.

Euer Hochwohlgeboren

beehre ich mich in Befolgung der nebenstehend bezeichneten hohen Verfügung:

1. die Untersuchungsacten wider den Tagelöhner Joseph G. aus P wegen Raubmordes, II K 15/93 (1 vol.);

2. einen aus denselben gefertigten Actenauszug; 3. eine beglaubigte Urtheilsabschrift;

4. einen besonderen Bericht

beifolgend zur hochgeneigten Weiterbeförderung an den Herrn Justizminister gehorsamst vorzulegen.

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verfehle ich nicht, in Befolgung der nebenstehend bezeichneten hohen Verfügung

1. die Untersuchungsacten gegen den Tagelöhner Joseph G. wegen Raubmordes II K 15/93 (1 vol.), 2. einen Auszug aus diesen Acten,

3. eine beglaubigte Abschrift des am 18. Octb. 1893 ergangenen Urtheils, beifolgend zur hochgeneigten Einsichtnahme und mit nachstehendem Berichte ehrerbietigst vorzulegen:

Durch das rechtskräftige Urtheil des Schwurgerichts S. vom 15. Octb. 1893 ist: Der Tagelöhner und frühere Bergmann Joseph G. aus P., Kreis S., geboren daselbst am 16. März 1875, katholischer Confession, ledig, ohne Vermögen, noch nicht Soldat gewesen, vorbestraft durch Urtheil des Schöffengerichts V. vom 8. Juni 1893 wegen Sachbeschädigung und groben Unfugs zu 1 Woche Gefäng= niß und 1 Woche Haft,

wegen Raubmordes unter Anwendung der §§ 211, 249, 2501-251, 73, 32 RStrGB. zum Tode und zum dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie in die Kosten des Verfahrens verurtheilt worden. Sofort nach Verkündigung dieses Urtheils ist der Vorstand des JustizArresthauses, in welchem der Verurtheilte detinirt ist, davon mit dem Ersuchen in Kenntniß gesezt worden, geeignete Vorsorge zu treffen, damit die Vollstreckung des Urtheils demnächst auch stattfinden kann.

Dagegen hat der Verurtheilte in seinem bei den Acten (BI. 241) befindlichen Gesuche die Allerhöchste Gnade mit der Bitte angerufen, die erkannte Todesstrafe umzuwandeln und ihm das Leben zu schenken, damit er durch Buße und Besserung zeitlebens sein Verbrechen fühnen könne; zugleich wird dabei die Behauptung aufgestellt, daß das schreckliche Verbrechen lediglich in jugendlichem Leichtsinn bes gangen sei.

Bei Prüfung dieses Gesuches und der darin ausgesprochenen Bitte wird allerdings die Thatsache nicht ganz unbeachtet bleiben dürfen, daß der Verbrecher am 16. März 1875 geboren zur Zeit der That erst 18 Jahr alt war, und eine sehr mangelhafte Erziehung genossen hatte. Diese Momente können aber für mich um so weniger maßgebend sein, mich dem Gesuche des Verurtheilten anzuschließen, als derselbe vor, bei und nach der That eine auffallend niedrige und gefährliche Gesinnung an den Tag gelegt hat.

Seit längerer Zeit ohne Arbeit und ohne Neigung sich solche zu verschaffen, hat er sich mit dem Gedanken an das Verbrechen getragen und durch Schleifen des Messers geeignete Vorbereitungen zur Ausführung des Verbrechens ruhig und sicher getroffen.

Bei Ausführung der That, welche ihm durch die völlige Arglosigkeit seines jugendlichen Opfers erleichtert wurde, hat er eine seltene Zähigkeit und Kaltblütigkeit gezeigt, hinterher aber nicht nur jede Spur von Reue, sondern sogar jene menschliche Empfindung vermissen lassen, welche auch den rohesten Vers brecher bei dem Anblicke seines Opfers und bei der Wahrnehmung des für die Eltern herbeigeführten unerseßlichen Verlustes zu ergreifen pflegt.

Bei einer solchen ganz unmenschlichen Gesinnung, wie sie der Verbrecher ge= zeigt hat, kann ich die bloße Jugend desselben nicht als Anlaß betrachten, ihn der Allerhöchsten Gnade zu empfehlen. Zu einem solchen Vorgehen hätte ich mich vielleicht entschließen können, wenn der Verbrecher einen unverschuldeten Anlaß zur Begehung des Verbrechens gehabt oder wenn er nicht blos in der Hauptverhandlung, sondern auch im Laufe der Untersuchung und namentllich gleich bei Entdeckung des Verbrechens ein offenes, umfassendes Geständniß abgelegt und dadurch die Vermuthung einer ernsten, aufrichtigen Reue bestätigt hätte. Hierfür ergeben aber die Acten nicht das Geringste. Vielmehr wird im Protokoll über Einnahme des gerichtlichen Augenscheins (Blatt 47 v.) bemerkt, daß der Verbrecher bei den am Thatorte an ihn gerichteten Fragen kalte Gleichgültigkeit zur Schau getragen hat. Dementsprechend ist auch der Verbrecher in der Voruntersuchung, wie in der Hauptverhandlung, troß der eindringlichsten Vorhalte, nicht zu bewegen gewesen, sein Gewissen durch ein reumüthiges Geständniß zu erleichtern.

Wenn nunmehr in dem Gnadengesuche die That offen zugestanden wird, so ist dies Geständniß gegenwärtig für mich ohne jede Bedeutung. Das Gesuch ist

augenscheinlich nicht vom Verurtheilten angefertigt, aber von ihm aus Angst vor dem drohenden Tode unterschrieben worden. Auch dem Bekenntniß, welches der Verurtheilte eigenhändig (Bl. 236) aufgefeßt hat, wird ein anderer Werth nicht beigelegt werden können. Vielleicht darf daran die überraschende Angabe hier hervorgehoben zu werden, daß der Verbrecher seinem auserwählten Opfer schon verschiedene Male aufgelauert hat, ohne indeß eine günstige Gelegenheit zur Ausführung der That zu finden.

Bei Beurtheilung des vorliegenden Gnadengesuchs wird auch das so sichtbar hervorgetretene öffentliche Rechtsbewußtsein nicht unbeachtet bleiben dürfen. Unmittelbar nach ihrem Bekanntwerden rief die blutige That eine begreifliche, weitausgedehnte Aufregung hervor, zu den Verhandlungen strömte ein selten zahlreiches Publikum und gab während der Verhandlung seinem Abscheu gegen den Mörder, bei Verkündung des Todesurtheils dagegen seiner Befriedigung offen Ausdruck. Auch später ist aus unbefangenen und besonnenen Kreisen wiederholt die Hoffnung ausgesprochen worden, daß in diesem Falle wohl der Gerechtigkeit freier Lauf gelassen werden würde. Selbstverständlich sind solche Aeußerungen ohne jeden Einfluß auf die amtliche Thätigkeit der StAschaft und namentlich den vorliegendem Bericht geblieben, immerhin habe ich mich aber für verpflichtet gehalten, sie nicht unerwähnt zu lassen.

Hierzu kommt noch das Motiv zur That, das in schnöder Geldgier besteht. Bei Prüfung aller dieser einzelnen Momente sehe ich nicht den geringsten Grund, der mich zu der Bitte veranlassen könnte, eine Ausnahme von der geseßlich angedrohten, jedem Menschen bekannten Strafe eintreten zu lassen. Auch erscheint mir der Verurtheilte nach seiner eigenen Persönlichkeit nicht würdig, für einen Allerhöchsten Gnadenact in Vorschlag gebracht zu werden.

Euer Excellenz darf ich deshalb ehrerbietigst anheimgeben:

Hochgeneigtest eine Befürwortung des vorliegenden Gnadengefuches nicht eintreten lassen zu wollen.

Auszug

aus den Untersuchungsacten wider den abgelegten Bergmann Joseph G. aus P. wegen Raubes und Mordes

II K 15/93.

Der Erste Staatsanwalt.

Am 18. Juni 1893 Abends wurde in der Nähe des von P. nach BI. 1. V. führenden Weges die Leiche des seit dem vorhergehenden Tage vermißten sechszehnjährigen Handlangers Peter Sp. aus P. mit durchBl. 15 ff. schnittenem Halse aufgefunden. Dieselbe lag etwa 120 Schritte von dem Wege entfernt inmitten des sog. Hasselbruchs, eines fast undurchdringlichen Gehölzes. Zu dem Fundort führte ein durch frühere BI. 46 ff. Anlegung eines Waffergrabens entstandener enger Einschlupf, welcher an seinem Ende in eine ca. 2 m breite Lichtung verläuft. In leßterer Bl. 53. lag die Leiche auf der rechten Seite; Jacke und Hemd, von welchen erstere zerrissen war, standen weit offen, so daß die entblößte Brust sichtbar war. Die rechte Tasche der bis unter die Hüften herunter

gezogenen Hose fehlte und war offenbar gewaltsam herausgerissen. Unweit der Leiche lagen Hut und Rock des Getödteten, welche stark mit Blut befleckt waren, sowie ein kantiger, mehrere Pfund schwerer, gleichfalls mit Blut besudelter Stein und ein aus der Jacke des Ge= tödteten herausgeriffener blutgetränkter Tuchlappen. Bei näherer Bl. 33. Absuchung des Thatortes fand sich ferner in dem denselben einschließenden Gestrüpp ein Taschenmesser vor, dessen geöffnete, frischgeschliffene Klinge stark mit Blut befleckt war.

BI. 22 ff.

Der Hals des Getödteten wies außer mehrfachen kleineren Schnitten eine große, weit klaffende Schnittwunde auf, durch welche der Kopf beinahe vom Rumpf getrennt war. Kehlkopf, Speiseröhre und RückenWirbel waren durchschnitten. In den Handflächen der Leiche zeigten sich gleichfalls Schnittverleßungen, welche namentlich die Innenflächen der Finger bis auf die Sehnen durchtrennten. Ferner fand sich in der Gegend der rechten Schläfe des Getödteten eine größere, offenbar mittels eines schweren, stumpfkantigen Gegenstandes beigebrachte Verlegung vor. Kleinere frische Abschürfungen, welche das Gesicht, insbesondere die Nase des Getödteten aufwies, rührten offenbar von der Gegenwehr desselben her. An der Leiche wurde ein Geldbetrag von 14,70 Mark, welchen der Getödtete ám Tage zuvor unmittelbar vor Bl. 116. seinem Verschwinden auf dem Glasen’schen Neubau bei V. als Löhnung erhalten hatte, vermißt.

I. 135 ff.

Der Verdacht, den Peter S. ermordet und beraubt zu haben, hatte sich bald nach dem Verschwinden deffelben sofort auf den abgelegten Bergmann Joseph G. aus P. gelenkt.

Durch die stattgehabten Beweiserhebungen in Verbindung mit den im Laufe der Voruntersuchung von dem Verurtheilten abgelegten Geständnissen hat dieser Verdacht seine volle Bestätigung gefunden.

Auf Grund der in der diesseitigen Anklage vom 9. September 1893 wider den Joseph G. erhobenen Beschuldigung:

am 17. Juni 1893 zwischen V. und P. durch eine und dieselbe Handlung

1. den Handlanger Peter S. vorsäglich getödtet und diese That mit Ueberlegung ausgeführt zn haben,

2. dem Vorgenannten vierzehn Mark baares Geld, fremde bewegliche Sachen, in der Absicht rechtswidriger Zueignung weggenommen zu haben, und zwar

a) mit Gewalt gegen die Person des S., durch welche der Tod desselben verursacht wurde,

b) indem er bei Begehung der That eine Waffe bei sich führte, Verbrechen gegen §§ 211, 249, 2501, 251, 73 RStrGB.

wurde durch Beschluß der Strafkammer des Königlichen Landgerichts Bl. 152. vom 22. September 1893 gegen denselben das Hauptverfahren vor dem Schwurgericht zu S. eröffnet.

Seitens der Geschworenen wurden in der Situng vom 18. October Bl. 223 ff. 1893 die Schuldfragen im vollen Umfange der Anklage bejaht; auf Grund dieses Wahrspruchs erging das Urtheil des Gerichtshofes dahin:

BI. 235.

BI. 246.
BI. 8.

Auf Grund des dem gegenwärtigen Urtheile in Urschrift beigefügten Spruches der Geschworenen, und

in Erwägung, daß hiernach der Angeklagte schuldig ist des Verbrechens des Mordes im Sinne des § 211 des StrGB. sowie des Verbrechens des Raubes im Sinne der §§ 249, 250 Nr. 1 und 251 des StrGB., begangen durch eine und dieselbe Handlung,

daß daher gemäß § 73 des StrGB. bezüglich der Strafe zur Anwendung kommen die §§ 211 und 32 des StrGB. und hiernach der Angeklagte mit der Strafe des Todes und unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zu bestrafen ist, wird

der Angeklagte Joseph G. auf Grund der §§ 211, 32, 249, 250 Nr. 1, 251 und 73 des StrGB. sowie 497 der StrPrOrdg. zum Tode und zum dauernden Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie in die Kosten des Verfahrens verurtheilt.

Die der Verurtheilung zu Grunde gelegten Strafrechtsparagraphen lauten wörtlich:

inser. §§ 211, 249, 250 Nr. 1 u. 3, 251.

Das Erkenntniß hat am 26. October 1893 die Rechtskraft beschritten. Der Verurtheilte, frühere Bergmann Joseph G., geboren am 16. März 1875 zu P., Kreis S., Reg.Bez. T., katholischer Religion, noch nicht Soldat gewesen, bereits bestraft durch Erkenntniß des Schöffengerichts V. vom 8. Juni 1893 wegen Sachbeschädigung und Verübung groben Unfugs zu einer Woche Gefängniß sowie einer Woche Haft, wohnte zu P. bei seiner Mutter, der Wittwe des vor wenigen Jahren verstorbenen Bergmannes Peter G., in der Nachbarschaft BI. 67 ff., 123, der Eltern des Ermordeten G., steht in seiner Heimath in dem Rufe 124, 102, 87. eines rohen, streitsüchtigen und arbeitsscheuen Menschen. Zu der

Entwickelung dieser schlechten Charaktereigenschaften scheint insbesondere nach dem Tode des Vaters die äußerst mangelhafte Erziehung der Mutter beigetragen zu haben, welche nach den Beobachtungen einzelner Nachbaren von jeher dem Hange des Verurtheilten zum Müßiggange, Heucheln und systematischen Lügen gefliffentlich Vorschub geleistet hat. Zur Charakteristik der rohen, gewaltthätigen Natur des G. diene, daß er sich während der leßten Bergarbeiterbewegung, an welcher er Theil BI. 40. genommen, nach seinem eigenen Geständniß grobe Ausschreitungen gegen Nichtausständige hat zu Schulden kommen lassen und wegen eines ähnlichen später verübten Excesses sich die Eingangs erwähnte gerichtliche Bestrafung zugezogen hat. Nachdem G. nach Beendigung des Bergarbeiterausstandes Anfangs d. I. auf der Grube L wieder angelegt worden war, blieb er Ausgangs März 1893 ohne jeden Grund BI. 65. von der Arbeit weg und wurde aus diesem Anlaß von der Inspection abgelegt. Hierauf war G. längere Zeit hindurch bei einigen Neubauten als Tagelöhner beschäftigt, blieb aber Anfangs Juni 1893 auch hier plöglich von der Arbeit weg und ergab sich von da ab völlig dem Müßiggange. Am 17. Juni 1893 Morgens verließ derselbe frühzeitig die mütterliche Wohnung und begab sich, angeblich um Arbeitsgelegen heit aufzusuchen, in die Nachbarorte. Nachdem er sich zunächst zweck

Bl. 118. Bl. 80 v.

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