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Die Staatsanwaltschaft ist nicht befugt, zu Gunsten des Ange= klagten die Wiedereinsehung desselben in den vorigen Stand gegen die von diesem versäumte Frist zur Einlegung des Rechtsmittels der Revision zu beantragen. RG. 26 Mai 1891, Entsch. Bd. 22 S. 31.

3. Das Gesuch muß binnen einer Woche nach Beseitigung des Hindernisses angebracht werden, und zwar:

bei demjenigen Gerichte, bei welchem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre, unter Angabe und Glaubhaftmachung der Versäumnißgründe. Mit dem Gesuche ist zugleich die versäumte Handlung selbst nachzuholen. Ueber das zur Entscheidung zuständige Gericht § 46 und Beschl. OLG. Kiel v. 26. April 1894, Goltd. Arch. Bd. 42 S. 150.

Bei Ablehnung sofortige Beschwerde zulässig (oben § 88, III, 7). 4. Ueber die Wirkung des Gesuchs verordnet

§ 47 a. a. O.: Durch das Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung nicht gehemmt.

Das Gericht kann jedoch einen Aufschub der Vollstreckung anordnen. Mit Löwe a. a. D. (Not. 5 zu § 47) wird anzunehmen sein, daß auch die StAschaft einen solchen Antrag nicht unberücksichtigt lassen darf und geeignetenfalls Antrag auf Aufschub der Vollstreckung beim Gericht zu stellen hat.

§ 92.

Wiederaufnahme des Verfahrens.

§§ 399-413 StrPrOrdg. v. 1. Februar 1877 (RGBI. S. 253). — Löwe, Kommentar, 1892, S. 787—807. Art. 106 Geschäftsanweisung für die Amtsanwälte v. 28. August 1879 (JMBI. S. 260) -v. Marck,

Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 584–592.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist gleichfalls kein Rechtsmittel im Sinne der StrPrOrdg. und überdies kommt sie nur bei der Strafvollstreckung in Betracht; die Besprechung an dieser Stelle kann gleichwohl gerechtfertigt erscheinen, weil die Wiederaufnahme des Verfahrens thatsächlich als Rechtsmittel benußt wird.

1. Ist sie doch an keine Frist gebunden, die Anbringung kann jederzeit stattfinden, während und nach der Strafvollstreckung:

§ 400: Durch den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird die Vollstreckung des Urtheils nicht gehemmt.

Das Gericht kann jedoch einen Aufschub, sowie eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen.

§ 401: Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird weder durch die erfolgte Strafvollstreckung, noch durch den Tod des Verurtheilten ausgeschlossen.

Auch die StAfchaft kann zu Gunsten eines verstorbenen Verurtheilten den Antrag stellen. Beschl. OLG. Caffel v. 7. Dezbr. 1889, Goltd. Arch. Bd. 37 S. 452.

2. Die Form und den Inhalt des Antrages regelt

§ 406: In dem Antrage müssen der gesetzliche Grund der Wiederaufnahme des Verfahrens, sowie die Beweismittel angegeben sein.

Der Angeklagte bezw. des Verstorbenen Ehegatte, die Verwandten auf- und absteigender Linien, sowie die Geschwister desselben müssen den Antrag zu Protokoll des Gerichtsschreibers stellen, falls er nicht mittelst einer vom Vertheidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift angebracht ist.

3. Die geseßlichen Gründe sind verschieden, je nachdem der Antrag zu Gunsten des Verurtheilten (§ 399) oder zu Ungunsten desselben (§ 402) gestellt wird.

In der Praxis werden regelmäßig neue Thatsachen oder Beweismittel beigebracht, um eine vollständige Freisprechung oder die Anwendung eines milderen Strafgesetes zu erzielen. Als neue Beweismittel gelten nicht blos Zeugen, welche zuerst im Wiederaufnahmeantrage genannt sind, sondern auch solche, welche zwar im abgeschloffenen Verfahren vom Angeklagten benannt sind, deren Abhörung aber Seitens des Gerichts unterlassen war, ohne daß dem Angeklagten von der hierauf gerichteten Entschließung so zeitig Nachricht gegeben war, daß er sein Interesse noch wahren konnte. Beschl. OLG. Caffel vom 23. Juli 1880, Heuser's Annal. 25 S. 366.

Der Nachweis des Angeklagten, daß er wegen Diebstahls im wiederholten Rückfalle unter falschem Namen verurtheilt ist, begründet keine Wieders aufnahme, weil solche Zwecks Aenderung der Strafe innerhalb desselben Geseges nicht zulässig ist. § 403. Beschl. des OLG. München vom 11. Febr. 1882, Samml. Bd. 2 S. 113. Ebensowenig ist es eine neue Thatsache, daß der Verurtheilte zur Zeit der im Auslande begangenen Strafthat Ausländer war. Beschl. OLG. Caffel vom 7. Dezbr. 1889, Goltd. Arch. Bd. 37 S. 452. Auch mildernde Umstände, welche auf Grund neuer Thatsachen oder Beweismittel angenommen werden sollen, bilden keinen Wiederaufnahmegrund. Beschl. OLG. Dresden vom 28. Juni 1882, Ann. 5 S. 1 und Jena vom 29. Januar 1884, Bl. f. Thür. 31 S. 361. Ebensowenig die Thatsache, daß das Urtheil vom Civilgericht gegen eine Militärperson erlassen ist, wenn die thatsächliche Feststellung des Urtheils sonst nicht angegriffen wird. Beschl. OLG. Caffel vom 7. Dezbr. 1889, Goltd. Arch. Bd. 37 S. 452. Ueber den Begriff „neuer Thatsachen" vgl. ferner Beschl. KG. v. 6. Febr. 1893, W. 61/93, Goltd. Arch. Bd. 41 S. 158.

4. Das Gericht.

§ 407: Ueber die Zulassung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens entscheidet das Gericht, dessen Urtheil mit dem Antrage angefochten wird. Wird ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urtheil aus anderen Gründen als auf Grund des § 399 No. 3 oder des § 402 No. 3 angefochten, so entscheidet das Gericht, gegen dessen Urtheil die Revision eingelegt war.

Die Entscheidung erfolgt ohne mündliche Verhandlung.

Das Civilgericht bleibt auch zuständig, wenn eine Person nach rechtskräftiger Verurtheilung in den Militärdienst eintritt und sodann den An= trag stellt.

Beschl. OLG. Königsberg 23. October 1886, Goltd. Arch. Bd. 37 S. 81.

Wird die Entscheidung des Amtsgerichts angerufen, so hat sich der Amtsanwalt jeder Erklärung zu enthalten und die Acten einfach dem Ersten Staatsanwalt vorzulegen.

CirkVerfüg. v. 4. October 1883, I, 3680 i. f.

Das Gericht verwirft den Antrag, wenn er in der Form fehlt, den gefeßlichen Grund oder ein geeignetes Beweismittel nicht enthält; es kann auch Beweisaufnahme beschließen, wenn es den Antrag für zulässig erachtet. Nach Abschluß derselben ergeht an die StAschaft und den Verurtheilten, unter Bestimmung einer Frist, Aufforderung zur ferneren Erklärung und sodann definitive Beschlußfassung über Verwerfung des Antrages oder Erneuerung der Hauptverhandlung, §§ 408, 409.

5. Die Erklärungen der St Afchaft.

Vor der Beschlußfassung wird die StAschaft nach § 33 zur Erklärung aufgefordert. Dabei genügt der bloße Antrag „den Antrag für zulässig zu erachten“ oder „denselben als unzulässig zu erachten" nicht; vielmehr hat die StAschaft in eine materielle Prüfung einzutreten. Das Weitere regelt die CirkVerf. vom 31. October 1890, I, 3374, welche nicht veröffentlicht werden fann.

6. Die etwa erneute Hauptverhandlung findet ebenso statt, wie §§ 83-86 dargestellt; nur ist schließlich der Antrag zu stellen, „das frühere Urtheil aufrecht zu erhalten“ oder „unter Aufhebung deffelben dahin zu erkennen, daß 2c." Vgl. ReichsG. 24. Januar 1896, Entsch. Bd. 28 S. 146.

7. Gegen alle Entscheidungen, welche anläßlich eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens erlassen werden, ist sofortige Beschwerde (8 88) zulässig. Dieselbe ist nicht bloß binnen 1 Woche einzulegen, sondern auch während dieser Frist zu rechtfertigen.

Beschl. OLG. Breslau v. 12. Dezbr. 1893, Goltd. Arch. Bd. 42 S. 119.

8. Folgende Mittheilungen sind vorgeschrieben:

Einer jeden Behörde, welcher Mittheilung von dem rechtskräftigen Urtheil in einer Untersuchungssache gemacht ist, wird demnächst ebenfalls Nachricht gegeben, wenn das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung verordnet hat; desgleichen ist Abschrift der Formel des demnächst ergehenden Urtheils mitzutheilen. Von einem nach § 411 StrPrOrdg, ergehenden freisprechenden Urtheil ist die Formel ebenso mitzutheilen.

Ziff. 22 Allgem. Verfüg. v. 25. Aug. 1879 (JMBI. S. 251).

Krobiksch.

16

II. Buch.
Die Strafvollstreckung.

Erster Abschnitt.
Allgemeines.
§ 93.

Begriff. Strafvollstreckungsbehörden. Zuständigkeit derselben.

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§§ 481-483 StrPrOrdg. v. 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253). — Löwe, Kommentar, S. 888 ff. — v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 510 ff. §§ 13-22 RStrGB. Reglement für die Gefängnisse der Justizverwaltung v. 16. März 1881 (JMBI. S. 50). Haus- und Dienstordnung für die ehemaligen Kantongefängnisse der Rheinprovinz, Berlin 1895. Dalcke, Handbuch der Strafvollstreckung und Gefängnissverwaltung, Berlin 1889. Krohne, Lehrbuch der Gefängnisskunde unter Berücksichtigung der Kriminalstatistik etc. Wulff, Die Gefängnisse der Justizverwaltung in Preussen, ihre Einrichtung und Verwaltung, Hamburg 1890. — Höfling, Strafmittel bei Jugendlichen, im Jahrbuch der Gefängniss-Gesellschaft für Sachsen und Anhalt. Wollenzien, Die Gefängnissverwaltung bei den preuss. Justizbehörden, Breslau 1890. Bruck, Fort mit den Zuchthäusern! Baer, Der Verbrecher in anthropologischer Beziehung, Leipzig 1893. Jacobs, Die Besserung des Verbrechers und die Bekämpfung des Verbrechens in und ausser dem Gefängnisse. Erfahrungen und Winke eines Strafanstaltsgeistlichen. v. Koblinski, Die Disciplinarstrafen der preussischen Strafanstalten. Jahrb. für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft, 12 S. 1287.

Unter Strafvollstreckung versteht man die Ausführung des Urtheils des ordentlichen Strafgerichts. Nach § 13 a. a. D. kann dasselbe auf Tod, Zuchthaus, Gefängniß, Festungshaft, einfache Haft, Verweis und Geldstrafe lauten; ebenso verschieden sind die Richtungen der Strafvollstreckung.

1. Zur Verbüßung der Freiheitsstrafen sind in jedem JustizDepartement besondere Anstalten, Zuchthäuser und Gefängnisse vorhanden; die Zuchthäuser (35) ressortiren immer vom Ministerium des Innern, welchem noch 17 größere Gefängnisse und 87 Kantongefängnisse in der Rheinprovinz unterstellt sind; dem Ministerium der Justiz sind 1017 größere und kleinere Gefängnisse unterstellt. Die Strafverbüßung in diesen Anstalten erfolgt theils nach Bezirken, theils mit Rücksicht auf die Konfession, das Alter und Geschlecht; für die jugendlichen Verbrecher find regelmäßig besondere Anstalten oder wenigstens Stationen eingerichtet, welche den früher versäumten Schulunterricht nachträglich und erfolgreich gewähren. Ein Nachweisung der einzelnen Anstalten und ihrer Zuständigkeit zeigt der sog. Strafvollstreckungsplan, welcher bei jeder StAschaft vorhanden ist. Daneben bestehen

in jeder Provinz die sog. Corrections-Anstalten, welche zur Vollstreckung der von der Landespolizeibehörde erkannten Detention (Abs. 2 § 362 RStrGB.) bestimmt sind, ferner 4 Zwangserziehungs-Anstalten für jugendliche Verbrecher (§ 56 RStrGB. und § 95 c), sowie Besserungsund Erziehungsanstalten (Ges. v. 13. März 1878 und § 97, 3b).

2. Unter Strafvollstreckung versteht man auch die Thätigkeit der Strafvollstreckungsbehörde. Als solche fungiren das Amts= gericht und die StAschaft:

Für diejenigen Sachen, in denen das Amtsgericht (Schöffengericht, Rheinschiffahrts- und Elbzollgericht) in erster Instanz erkannt hat, wird in Gemässheit des § 483 Abs. 3 die Strafvollstreckung dem Amtsrichter übertragen. Im Uebrigen erfolgt die Strafvollstreckung durch die Staatsanwaltschaft des Landgerichts. Die nach § 483 Abs. 1 erforderliche Abschrift der Urtheilsformel ertheilt der Gerichtsschreiber desjenigen Gerichts, welches in erster Instanz erkannt hat.

Allgem. Verfüg. v. 14. Aug. 1879. Vgl. auch Ges. betr. die Rheinschiffahrtsgerichte v. 8. März 1879 (GS. S. 129) und Ges. betr. die Elbzollgerichte v. 9. März 1879 (GS. S. 132).

Die Strafvollstreckung gegen verhaftete Angeklagte, welche auf Grund eines in der Berufungsinstanz ergangenen Urtheils ganz kurze Freiheitsstrafen zu verbüßen haben, regelt die

Cirk. Verfüg. v. 12. Dezbr. 1889, I, 3982: In den Fällen solcher Art kann die Strafvollstreckung auch durch die StAschaft beim Landgericht, und wenn von einer bei einem Amtsgericht gebildeten Strafkammer erkannt ist, durch den Amtsrichter am Sit dieser Kammer erfolgen.

Die nach § 483 Abs. 1 StrPrOrdg. erforderliche Abschrift der Urtheilsformel ertheilt in diesem Falle der Gerichtsschreiber des Berufungsgerichts. Von der in der vorbezeichneten Weise erfolgten Anordnung der Strafprozeßordnung ist der nach Ziff. I. der Allgem. Verfüg. v. 14. Aug. 1879, JMBI. S. 237, zuständige Amtsrichter mit thunlichster Beschleunigung zu benachrichtigen.

Vorstehende Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die erkannte Strafe nach Abzug der etwa gemäß § 60 RStrGB. angerechneten Untersuchungshaft die Dauer von 14 Tagen übersteigt.

Hat das Reichsgericht als erste Instanz auf Strafe erkannt (3iff. 1 § 71), so erfolgt die Strafvollstreckung durch den Ober-Reichs= anwalt.

3. Die örtliche Zuständigkeit der Beamten der StAfchaft bestimmt sich auch hier (§ 17) nach der Zuständigkeit des Landgerichts, für welches sie bestellt sind, § 144 GerVerfGefeß; die so begründete gefeßliche Zuständigkeit wird auch durch Aufhebung eines Urtheils in der Revisionsinstanz und Verweisung an ein anderes Gericht zur Entscheidung nicht aufgehoben.

Aus mir erstatteten Berichten habe ich ersehen, daß Zweifel darüber entstanden sind, welche StAschaft für die Strafvollstreckung in dem Falle zuständig sei, wenn eine Strafsache durch Urtheil des Revisionsgerichts von dem mit ihr ursprüglich befaßten an ein anderes Landgericht verwiesen worden ist (§ 394 Abs. 2 der Strafprozeßordnung).

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