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Die sofortige Beschwerde gegen einen das Hauptverfahren ablehnenden Beschluß darf nicht auf neue, erst nach dessen Erlaß ermittelte und behauptete Thatsachen gestügt werden.

Beschl. KammerG. v. 22. Juni 1891, S. 241/91, Goltd. Arch. Bd. 39 S. 360.

Die Anführung neuer Thatsachen hält für zulässig Löwe, Not. 3c zu § 209; dabei hebt er aber zutreffend hervor, daß auch § 210 zur Anwendung gelangen kann.

Dem Amtsanwalt ist sofortige Beschwerde besonders vorbehalten, wenn das Amtsgericht den Erlaß des beantragten Strafbefehls ablehnt, ohne gleichzeitig Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen. Art. 61, 95 Geschäftsanweisung.

III. Für die StAschaft und den Angeschuldigten.

6. Bei Verwerfung eines richterlichen Ablehnungsgesuches § 28. 7. bei Verwerfung des Gesuches um Wiedereinseßung in den vorigen Stand Abs. 3 § 46. 8. gegen den Beschluß auf Unterbringung des Angeschuldigten in einer öffentlichen Irrenanstalt Abs. 3 § 81. Vergl. auch Beschl. Kammergericht vom 20. April 1893 und Oberlandesgericht München vom 28. Juli 1892, Goltd. Arch. Bd. 41 S. 156 u. 157 Not. 2. 9. bei Ablehnung des Antrages auf Eröffnung der Voruntersuchung § 181. 10. bei Verwerfung der Berufung durch Beschluß § 363, weil verspätet. Beschl. Oberlandesgericht Colmar vom 13. Juni 1891, W. 25/91, Goltd. Arch. Bd. 39 S. 187. 11. gegen alle Entscheidungen des Gerichts erster Instanz bei Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens § 412. 12. bei Umwandlung der in einem vollstreckbaren Strafbescheide festgesetten Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe § 463 Abs. 3. 13. bei Festsetzung einer Gesammtstrafe Abs. 4 § 494. 14. bei Entscheidungen wegen Auferlegung der Kosten Abs. 3 § 501.

Beispiel sofortiger Beschwerde im Falle Nr. 4.

IV, 16388.

N., den 18. 2C.

1. Erped. an die Strafkammer Ia. des hies. Kön. Landgerichts.

Sofortige Beschwerde!

Gegen den Beschluß der Strafkammer vom 15. d. M., zugestellt am 17. d. M. durch welchen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Redacteur M. zu . . wegen Beleidigung des Bürgermeisters N. abgelehnt wird, lege ich hierdurch sofortige Beschwerde ein und rechtfertige dieselbe zugleich wie folgt:

Seinen ablehnenden Beschluß stüßt das Gericht auf die Annahme, daß nur eine Vermuthung dahin ausgesprochen werde, es müsse event. ein Schwindel vorliegen; daß aber den Bürgermeister N. an einem solchen Schwindel irgend ein Verschulden treffe, sei nicht einmal als möglich bezeichnet und deshalb vom Beschuldigten keine Thatsache im Sinne des § 186 RStrGB. behauptet worden.

Nach dem ganzen Zusammenhang der Sache kann es indeß nicht zweifelhaft sein, daß der Vorwurf der Fälschung von Actenstücken von dem Beschuldigten, bei der Unterredung mit dem Zeugen B., gegen den Bürgermeister N. geradezu erhoben worden ist.

Hat doch der Bürgermeister N. seiner Zeit die Behauptung des Bürgermeisters X., es seien zwischen der Stadt und dem General-Commando im

Jahre 2c. Verhandlungen wegen Verlegung des Bezirks-Commandos nicht ge= führt worden, öffentlich in Zweifel gezogen. Zwischen den beiden Bürgermeistern waren in der Folge dieserhalb Erklärungen in den öffentlichen Blättern gewechselt worden, welche schließlich zu einem Zweikampfe zwischen Beiden führten, bei welchem nach einer — irrthümlichen Notiz einer Zeitung N. eine Wunde

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am Kinn davongetragen haben sollte.

Das in Frage stehende Gespräch zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugen B. nahm von dieser angeblichen Verwundung seinen Ausgang. Beschuldigter erwähnte, daß ihm die Thatsache der Verwundung referirt sei, und fügte sodann hinzu, der Bürgermeister X. werde die ganze Sache bez. des Bezirks-Commandos noch aufdecken und wahrscheinlich die ihm zu Gebote stehenden Acten verz öffentlichen; es seien im Jahre 2c. seitens der Stadt keine Verhandlungen mit dem General-Commando geführt worden, und wenn in der That ein Actenstück dies ausweisen werde, so müsse nothwendig die Jahreszahl 92 und 93 umgewandelt worden sein, weil von 1892 Actenstücke vorhanden seien, nicht aber von 1893.

Bringt man diese Aeußerung des Beschuldigten mit dem Beginn seines Ges spräches mit B. in Verbindung, sowie mit der bekannten Thatsache, daß gerade Bürgermeister N. die Behauptung, es seien auch 1893 Verhandlungen geführt worden, aufgestellt und auf ein in seinen Händen befindliches Schriftstück gestüßt hatte, und erwägt man endlich, daß die angebliche Fälschung der Actenstücke überhaupt nicht ohne Wissen und Willen des Bürgermeisters N. hätte vorgenommen werden können, so kann die Bezeichnung der Aeußerungen des Beschuldigten auf diesen Bürgermeister mit Grund nicht in Frage gezogen werden. Daß der Vorwurf der Fälschung in bedingter Form ausgesprochen worden ist, schließt die Strafbarkeit der Aeußerung rechtlich nicht aus (vergl. Oppenhoff § 185 RStrGB. Not. 18).

Hiernach wird beantragt:

das Hauptverfahren in Gemäßheit der Anklageschrift zu eröffnen.
Der Erste Staatsanwalt.

§ 89.
Die Berufung.

§§ 354-373 StrPrOrdg. v. 1. Febr. 1877 (RGBl. S. 253). Art. 97-105 Geschäftsanw. für die Amtsanwälte v. 28. Aug. 1879 (JMBI. S. 260). — Löwe, Kommentar, S. 721 ff. - v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 459 ff. Dalcke, Strafrecht und Strafprozess, S. 194—198. Kronecker, Fragen zur Lehre von der Berufung, Goltd. Arch. Bd. 38 S. 119.

v. 11. Febr. 1880 (JMBI. S. 33).

Allgem. Verfüg.

1. Die Berufung ist gegenwärtig nur zulässig gegen Strafurtheile des Amtsgerichts, sei es, daß sie mit oder ohne Zuziehung von Schöffen gefällt werden. Sie steht der StAschaft ebensowohl wie dem Beschuldigten zu. Leßterem aber nicht blos im Falle der Verurtheilung, sondern auch bei einer Freisprechung insoweit, als eine ihm benachtheiligende Disposition getroffen ist. § 354, Abs. 2 § 211.

Wenn zwar die strafrechtliche Schuld bejaht, der Angeklagte aber aus anderen Gründen für straffrei erklärt worden, namentlich in Folge von Compensation gegenseitiger Beleidigungen oder Körperverlegungen §§ 199, 233 RStrGB., und

im Falle der Verjährung der Strafverfolgung § 66 oder der Einstellung des Verfahrens wegen Mangels des erforderlichen Strafantrages bei der für erwiesen erklärten Schuld, § 259 StrPrOrdg.

III. Straff. ReichsG. 11. Juni 1881, Rechtspr. Bd. 3 S. 380.

2. Die schriftliche Einlegung ist an die Frist von einer Woche gebunden, welche für den in der Verhandlung anwesenden Angeklagten mit der Verkündung des Urtheils, sonst mit der Zustellung desselben beginnt. § 355. Die richtige Bezeichnung des Rechtsmittels ist ohne Bedeutung.

3. Rechtzeitige Einlegung der Berufung hemmt die Rechtskraft des Urtheils, soweit dasselbe angefochten wird. Die verspätet eingelegte Berufung hat der Amtsrichter als unzulässig zu verwerfen, indeß kann der Beschwerdeführer binnen einer Woche nach Zustellung dieses Beschlusses die Entscheidung des Berufungsgerichts beantragen. Die Vollstreckung des Urtheils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. §§ 357, 360, Abs. I, 52. Vergleiche auch § 88 sub III, 10.

4. Für den Angeklagten kann nicht blos der bisherige oder neu legitimirte Vertheidiger, sondern auch die StAschaft (über Rücknahme § 344), ferner der gefeßliche Vertreter des Angeklagten (Vater für den minderjährigen Sohn), ebenso der Ehemann einer beschuldigten Frau Berufung einlegen. § 339, Abs. 2, §§ 338, 340.

Bei einem Verfahren gegen einen Abwesenden (oben § 66) können auch dessen Angehörige Berufung einlegen und verfolgen. §§ 324, 322 StrPrOrdg., Abs. 2, § 52 RStrGB.

Ferner ist zur Benußung des Rechtsmittels befugt der Nebenkläger (oben § 82), endlich auch die Verwaltungsbehörde, welche die Anklage selbst erhoben oder sich der Verfolgung angeschlossen hat. SS 441, 467.

5. Seitens der StAfchaft wird die Einlegung der Berufung, unmittelbar nach Verkündung des Urtheils, in den Handacten wie folgt verfügt:

1. Antrag: 3 Wochen Gef.

2. Urtheil: Freisprech. (keine rechtswidrige Absicht, nur Scherz).

3. Berufung anmelden.

4. Mit Acten event. nach 1 Woche,

N., den 2c.

In Folge der Verfüg. ad 3 läßt der Secretär die schriftliche Anmeldung auffeßen, unterschreiben und zur Absendung gelangen.

Bei Eingang der Acten mit dem schriftlichen Urtheil erfolgt die Prüfung wegen der Rechtfertigung.

Dieselbe ist zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, liegt indeß im sachlichen Intereffe und soll deshalb auch der Amtsanwalt eine schriftliche Rechtfertigung einreichen. § 358, Art. 100 Geschäftsanw.

Beispiel. Exped. an das Kön. SchöffenG. hier. Berufungs- Rechtfertigungsschrift

in Sachen D./96.

wider den 2c.

Die am 2c., also rechtzeitig eingelegte Berufung wird, wie folgt, gerechtfertigt:

Das SchöffenG. hat als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte von den im Gepäckwagen des Zuges be= findlichen Hasen einen am 2c. heimlich weggenommen hat, denselben aber gleichwohl nicht nach § 242 RStrGB. verurtheilt, weil der Angeklagte, ein Schaffner, nicht die Zueignung des Hafen, sondern nur einen Scherz mit dem ihm befreundeten Beamten im Gepäckwagen beabsichtigt habe.

Diese Auffassung erscheint jedoch nicht haltbar.

1. Am Abend des 2c. hat Angeklagter den Hasen an sich gebracht; am andern Morgen war er noch nicht zurückgebracht, weil ihn Angekl. im Kohlenraum der Maschine versteckt hatte.

2. Dieses Verheimlichen erscheint um so auffälliger, als der Beamte des Gepäckwagens schon am Abend den Verlust bemerkte, darüber in Aufregung gerieth und alle Bekannte, auch den Angeklagten, wegen des Verbleibes befragte, Angeklagter stellte jede Wissenschaft in Abrede und sollte nunmehr der Beamte Ersatz leisten.

3. In Folge der blutigen Spuren im Schnee, die am Morgen gesehen wurden, nahm der Stationsvorsteher eine Durchsuchung der Maschine vor, ohne etwas zu finden. In Begriff, die Kohlen wegzuräumen, wurde ihm vom Angeklagten zugerufen:

„dort sei der Hase nicht, er habe den Kohlenraum schon untersucht.“ Der Vorsteher ließ troßdem die Durchsuchung ausführen und fand den Hasen. 4. Der Wildhändler X. wird bekunden, daß Angeklagter Tags zuvor einen Hasen für eine Kindtaufe erstehen wollte, aber wegen des hohen Preises Abstand nahm. In diesem Thatbestande, den die früher vernommenen Zeugen und Wildhändler X. bekunden werden, liegen die Merkmale des § 242 RStrGB.

Es wird daher Aufhebung des ersten Urtheils und Verurtheilung zu einer Haftstrafe beantragt.

N., den 2c.

Nach Zustellung der Schriftstücke über Einlegung und Rechtfertigung der Berufung (Art. 102) gehen die Acten Seitens des Amtsanwalts an die StAschaft und von hier

Urschr. an den Herrn Vorsizenden der II. Strafkammer hier zur gefl. Terminsbestimmung; diesseits wird die Vorladung der in der Rechtfertigungsschrift benannten Zeugen erfolgen.

N., den 2c.

Nach Wiedereingang erfolgt Ladung, wie im § 81 sub I, A; nur ist Angeklagter unter Benuzung des Form. Nr. 349 zu laden.

6. Hat der Angeklagte seine Berufung nicht gerechtfertigt, so gehen die Acten

Urschr. an den Herrn Vorsitzenden der 2c. zur gefl. Terminsbestimmung. Zeugenladung wird diesseits nicht beabsichtigt.

Liegt dagegen eine Rechtfertigung mit neuen und erheblichen Behauptungen vor, so ist zu prüfen, ob alle Zeugen erster Instanz und noch andere zu laden sind.

Wird nur die Höhe der Strafe angefochten, so bedarf es regelmäßig der nochmaligen Abhörung der Zeugen nicht.

Bei der Ladung ist Angeklagter ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß seine Berufung verworfen wird, wenn er bezw. ein Vertreter nicht erscheint und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt wird. § 370.

Wiedereinsegung in den vorigen Stand, § 91. Hauptverhandlung §§ 83-86. Als erhebliche Abweichung von dem Grundsaß der Mündlichkeit tritt die im § 366 a. a. D. gestattete Verlesung der Aussagen der Zeugen und Sachverständigen hervor.

§ 90. Revision.

§§ 374-398 StrPrOrdg. v. 1. Febr. 1877 (RGBl. S. 253). — Löwe, Kommentar, S. 748 ff. - v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 460 ff. — Dalcke, Strafrecht und Strafprozess, S. 199–211. Barre, Hat das Gericht oder die Staatsanwaltschaft die Revisionschrift zuzustellen? Goltd. Arch.

Bd. 38, S. 15.

1. Das Rechtsmittel der Revision, welches sich gleich der Berufung (§ 89) gegen nicht rechtskräftige Urtheile richtet, unterscheidet sich doch wesentlich dadurch, daß die Revision

1. nur gegen Urtheile der Strafkammern und Schwurgerichte zulässig ist,

2. binnen einer Woche nach Zustellung des Urtheils, bei Verlust des Rechtsmittels, gerechtfertigt werden muß,

3. nur auf eine Verlegung des Gesezes gestützt werden kann.

Abs. 2 § 376: Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Unter 1-8 zählt sodann § 377 die sogen. Revisionsgründe auf. 2. Eine Einschränkung macht sodann das Gefeß bei Revisionen: a) gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Urtheile der Strafkammern. § 380,

b) der StAschaft in doppelter Beziehung:

§ 378: Die Verletzung von Rechtsnormen, welche lediglich zu Gunsten des Angeklagten gegeben sind, kann von der Staatsanwaltschaft nicht zu dem Zweck geltend gemacht werden, um eine Aufhebung des Verdikts zum Nachtheile des Angeklagten herbeizuführen.

§ 379: Wenn der Angeklagte von den Geschworenen für unschuldig erklärt worden ist, so steht der Staatsanwaltschaft die Revision nur in den Fällen zu, in welcher dieselbe durch die Bestimmungen des § 377

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