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Diese jezt herrschende Auffassung hat auch das Oberlandesgericht Caffel ausgesprochen.

Beschl. v. 4. Januar 1890, Goltd. Arch. Bd. 37 S. 454.

2. Der Begriff der Ungebühr ist in der Praxis wiederholt festgestellt.

es genügt nicht, wenn in der Handlungsweise der betr. Person in objektiver Beziehung ein ungebührliches Betragen vor Gericht zu finden sei, vielmehr ist noch in subjektiver Beziehung erforderlich, daß der Person von Anfang an oder nach Vorhaltung des Richters über das Ungebührliche seines Verhaltens das Bewußtsein innegewohnt habe, sein Benehmen sei geeignet, die Würde der richterlichen Verhandlung und die dem Richter schuldige Rücksicht zu verlegen. Entsch. a. a. O. S. 259.

Demgemäß ist es keine Ungebühr:

wenn ein Angeklagter auf Befragung wegen seiner Vorstrafen und auf die Anflage überhaupt nicht antwortet.

dagegen:

Beschl. KammerG. v. 1. Juli 1889, Goltd. Arch. Bd. 37 S. 239.

Aeußerungen des Beifalls oder des Mißfallens können unbedenklich als Ungebühr geahndet werden.

ebenso:

Löwe a. a. O. S. 138 not. 2.

Während der Beeidigung eines Zeugen in der Hauptverhandlung erschien ein Vertheidiger, zog Ueberzieher aus und warf ihn über den Stuhl.

ferner:

Auf eine Bemerkung des Vorsitzenden, der Vertheidiger könne sich einer Belehrung des Gerichts enthalten, erwiderte der Vertheidiger, er könne das nicht finden, und machte eine unschickliche Geste.

Beschl. des KammerG. v. 13. Januar u. 9. März 1893, Goltd. Arch. Bd. 41 S. 161.

3. Der Vertreter der StAschaft untersteht in keiner Beziehung der Sizungspolizei; gegen ihn ist weder eine Strafe, noch eine sogen. Rüge, noch irgend eine Aeußerung zulässig, in welcher eine Kritik seines Verfahrens gefunden werden kann. Bei einer offenbaren Ungehörigkeit bleibt nur die Beschwerde an die vorgesezte Dienstbehörde oder unmittelbare Abbrechung der Sizung (§ 86).

$ 86.

Berhältniß der Staatsanwaltschaft zum Borßißenden.

§§ 177 ff. GerVerfGes. v. 27. Januar 1877 (RGBl. S. 41).
(RGBL. S. 253). — Löwe, Kommentar (1892) S. 155 u. 559.

§ 237 StrPrOrdg. v. 1. Februar 1877

v. Marck, Die Staatsanwaltschaft

S. 433. — Meves,,,Stellung des Vorsitzenden", Goltd. Arch. Bd. 39 S. 297.

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sitzungspolizeilichen Befugnisse gegenüber dem Staatsanwalt" in No. 1 der deutschen Juristen

Zeitung, S. 8-9.

Die Rechte des Vorsißenden lassen sich, wie folgt, zusammenfassen: 1. Leitung der Verhandlung (Eröffnung bis zum Schluß, incl. Aufnahme des Beweises);

II. Aufrechterhaltung der Ordnung gegen alle Anwesenden; III. Strafgewalt.

Demgegenüber steht das Recht der StAfchaft auf fortdauernde Anwesenheit, sowie auf unmittelbare Fragestellung an Zeugen und Sachverständige. Auch das Recht, während der Verhandlung fach= dienliche Anträge (§ 83 sub B) zu stellen, ist der StAschaft in §§ 227 und 238, Abs. 3 § 243, Abs. 2 § 244, §§ 245, 254, Abs. 4 § 264, §§ 265, 291 ausdrücklich eingeräumt. Die rechtzeitige Anbringung solcher Anträge, noch dazu in der gehörigen Form ist Sache des noth= wendigen Tactes (z. B. Abwarten einer Pause). Endlich hat auch die StAschaft ein Recht auf Ertheilung des Wortes zu ihren Ausführungen (Ziff. 6 § 84).

1. Nach dieser Gegenüberstellung sind die Kreise, innerhalb welcher sich die Functionen des Vorsitzenden und der StAschaft zu bewegen haben, vom Gesez scharf geschieden: Jeder hat seine bestimmten Rechte, bei vorsichtiger und tactvoller Wahrnehmung derselben kann eine Reibung oder ein Conflict nicht entstehen.

2. Nur bei einem Mißbrauche ist dies möglich. So muß sich zunächst die StAschaft, so gut wie der beisigende Richter oder Vertheidiger, bei einem Mißbrauche des Fragerechts die Entziehung des= selben gefallen lassen.

So erscheint der Vorsißende auch zu einer Unterbrechung der Ausführungen, aber nur dann befugt, wenn dieselben unrichtig oder unsachlich (Ziff. 2 § 84) werden, oder wenn in leidenschaftlicher Erregung ein unbedachtes Wort oder gar ein verleßender Ausdruck fällt.

ReichsG. 3. Mai 1892, Goltd. Arch. Bd. 40 S. 139.

Eine solche Unterbrechung verpflichtet übrigens die StAschaft nur zu aufrichtigem Dank, weil ihr Gelegenheit gegeben wird, die nicht beabsichtigte Wirkung einer Aeußerung sofort zu beseitigen.

Werden troß der Unterbrechungen die richtigen Grenzen bei der fachlichen Beweisführung Seitens der StAschaft nicht innegehalten, so bleibt als äußerstes Mittel die Aufhebung der Sizung und Abbrechung der Verhandlungen, wie dies im Protokoll der Kommission S. 947, 948 ausdrücklich anerkannt ist.

ReichsG. 2. März 1881, Rechtspr. Bd. 3 S. 99.

3. Auf der andern Seite steht der StAschaft gleichsam eine Con= trole über den Vorsitzenden und dessen „amtliches Walten" zu: gegen eine Anordnung des Vorsitzenden kann sie jederzeit die Entscheidung des Gerichts beantragen, gegen nicht convenirende Erkenntnisse die zulässigen Rechtsmittel ergreifen.

Hoffentlich bleibt es bei dieser theoretischen Erörterung! Die practische Benußung der äußersten Mittel ist immer schwierig, im Gerichtssaale außerdem recht peinlich. Zur Vermeidung der daraus entstehenden, die Würde des Gerichts in hohem Grade gefährdenden Scenen wird eine umsichtige Leitung Seitens des Vorsißenden viel beitragen können, nicht minder ein besonnenes, tactvolles Verhalten des Vertreters der StAfchaft. Dann wird aber, wie bisher, so auch

Krobitsch.

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in Zukunft ein ersprießliches Zusammenwirken des Gerichts und der StAschaft im Dienste des Rechts und der Gerechtigkeit fortdauernd stattfinden!

Dritter Abschnitt.

Mittheilungen, sofort nach Verkündung des Urtheils.

§ 87.

Allgem. Verfüg., betr. die von den Beamten der Staatsanwaltschaft an andere Behörden zu machenden Mittheilungen, v. 25. August 1879 (JMBI. S. 251), auch abgedruckt in Dalcke, Strafrecht und Strafprozess, S. 771 ff.

Den Ausgang eines Strafprozesses gegen ihre unterstellten Beamten schleunigst zu erfahren, haben alle Behörden ein begreifliches Interesse: in Würdigung desselben ist zunächst eine besondere Mittheilung bezw. Bericht, unter Beifügung der Formel des Urtheils, unmittelbar nach dessen Verkündung auch in denjenigen Sachen vorgeschrieben, in welchen Mittheilung von Eröffnung des Hauptver= fahrens (oben § 80 unter I-IV) gemacht ist. Beispiel der einfachen Mittheilung im § 83 Ziff. 3, des Berichts im § 60, B „Vierter Bericht“. Sodann bestehen noch folgende zwei Vorschriften:

In allen Zoll- und Steuerdefraudations- und Contraventionssachen, welche zur gerichtlichen Untersuchung gelangen, einschliesslich der sich nur als Uebertretungen charakterisirenden Zuwiderhandlungen, ist die Urtheilsformel sogleich nach der Verkündung der zur Verwalltung der betreffenden Steuern und Zölle bestellten Polizeibehörde, in den Untersuchungen wegen Grundsteuer- und Gebäudesteuer-Defraudation dem Kreislandrath mitzutheilen, unter gleichzeitiger Aeusserung, ob seitens der Staatsanwaltschaft die Einlegung eines Rechtsmittels in Aussicht genommen sei, oder aus welchen Gründen von der Einlegung des zulässigen Rechtsmittels Abstand genommen werde.

Ziff. 19 der Allgem. Verfüg.

In allen bergpolizeilichen Uebertretungssachen ist..., wenn Freisprechung des Angeklagten erfolgt, . . . unter Uebersendung einer Abschrift des Urtheils unverzüglich Mittheilung zu machen, und dabei anzugeben, ob ein Rechtsmittel eingelegt worden oder aus welchen Gründen dies nicht geschehen sei. Ziff. 20 ders. Verfüg.

=

Die sorgfältige Befolgung der Vorschrift in Nr. 10 der genannten Allgem. Verfüg. (unmittelbare Uebersendung der Formel nach Verkündung des Urtheils) ist bezüglich der Post- und Telegraphen - Beamten nochmals in Erinnerung gebracht durch die Verfügung des Ober- Staatsanwalts zu Cöln vom 18. Februar 1889, Nr. 905 weil die vorgesezte Dienstbehörde sonst nicht in der Lage ist, wegen Einlegung des Rechtsmittels mit der zuständigen StAschaft rechtzeitig in Verbindung zu treten.

Siebenter Theil.
Rechtsmittel.

§ 88.

Die Beschwerden.

§§ 346-353 StrPrOrdg. v. 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253). — Löwe, Kommentar (1892) S. 711 ff. — v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 214–218. - Dalcke, Strafrecht u. Strafprozess, S. 192-194. - Lamm, Beschwerde im Strafprozess. Annalen des Kön. Sächs. Oberlandesgerichts zu Dresden (4 S. 1).

Gerichtliche Entscheidungen prozessualer Natur (Beschlüsse und einzelne Verfügungen) können im Wege der Beschwerde angegriffen werden, welche das Gesetz in einfache, in weitere und in sofortige Beschwerde eintheilt. Gemeinsam sind ihnen folgende Grundsäße:

1. Als Beschwerdeführer darf jeder auftreten, welcher sich durch das richterliche Verfahren irgendwie beschwert fühlt, also auch Zeugen oder Sachverständige wegen Berechnung ihrer Gebühren; die Beschwerde ist selbst zuläsig bei einer richterlichen Unterlassung, z. B. bei einer unterlassenen Wiederaufhebung einer Beschlagnahme, Löwe a. a. D. S. 712.

2. Als Beschwerdegericht fungiren die Strafkammern und die Oberlandesgerichte.

§ 72 GerVerfGes.: Die Strafkammern entscheiden. . . über Beschwerden gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters, sowie gegen Entscheidungen der Schöffengerichte.

§ 123 das.: Die Oberlandesgerichte sind zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 5. der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen erster Instanz, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammer begründet ist, und gegen Entscheidungen der Strafkammer in der Beschwerdeinstanz und Berufungsinstanz. Anzubringen ist die Beschwerde schriftlich und der Regel nach bei demjenigen Gerichte, von welchem oder von dessen Vorsizenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist; in dringenden Fällen kann sie auch beim Beschwerdegerichte eingelegt werden (§ 348 Abs. 1 a. a. D.). Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entschei= dung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie derselben abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens aber vor Ablauf von 3 Tagen, dem Beschwerdegericht vorzulegen (§ 348 Abs. 2 a. a. D.).

Die der Urtheilsfällung der erkennenden Gerichte vorausgehenden Entscheidungen unterliegen nur dann der Beschwerde, wenn sie Verhaftungen, Beschlagnahme oder Straffestseßungen betreffen.

3. Was die Wirkung der Beschwerde anlangt, so wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung in der Regel nicht gehemmt (§ 360 Abs. 2, § 386 Abs. 2 a. a. D.), selbst nicht bei der Ungebühr=

strafe im Falle des § 179 GerVerfGef. Dagegen legt das Gesetz aufschiebende Wirkung bei derjenigen Beschwerde, welche gegen Entscheidungen im Falle der §§ 180 u. 182 GerVerfGes., sowie des § 81 Str PrOrdg. angebracht wird.

4. Im Einzelnen wird unterschieden:

Die einfache Beschwerde ist zulässig gegen alle Gerichtsbe= schlüsse oder Verfügungen eines einzelnen Richters, soweit das Geseß sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

Die Beschwerde des Untersuchungsrichters gegen die Uebertragung der im § 222 bezeichneten Vernehmung hat das Oberlandesgericht Celle, Beschl. vom 7. Dezbr. 1888, für begründet anerkannt.

Vgl. auch Entsch. ReichsG. Bd. 4 S. 91 u. Goltd. Arch. Bd. 37 S. 78.

Diese Beschwerde steht auch Zeugen, Sachverständigen und dritten Personen zu, welche durch solche Beschlüsse oder Verfügungen, z. B. bei Berech= nung der Gebühren oder durch Festsetzung von Ordnungsstrafen betroffen werden. Eine Frist zur Anmeldung dieser Beschwerde ist nicht bestimmt. § 346 Abs. 1 und 2 a. a. D.

Unzulässig ist dagegen die Beschwerde gegen Beschlüsse und Verfügungen des Oberlandesgerichts und des Reichsgerichts. Abs. 3 § 246 a. a. D.

Ausgeschlossen ist sie ferner in den Fällen des § 28 Abs. 1, § 46 Abs. 2, § 200 Abs. 2, § 279 Abs. 2, §§ 347, 388 Abs. 2 StrPrOrdg. und § 75 Abs. 2 GerVerfGes. Die Beschwerde gegen einen Untersuchungsrichter, der nach § 184 StrPrOrdg. vom Präsidenten des Reichsgerichts ernannt ist, entscheidet der erste Straffenat des Reichsgerichts. § 138 GerVerfGes. und Löwe, Not. 3 das.

5. Die weitere Beschwerde richtet sich nur gegen Beschlüsse, die eine Verhaftung betreffen und vom Landgericht in der Beschwerdeinstanz erlassen sind (§ 352 a. a. O.). Auch diese Beschwerde ist nicht an eine Frist gebunden.

6. Die sofortige Beschwerde muß dagegen binnen einer Woche angebracht werden (§ 353); die Frist beginnt mit der Bekanntmachung der anzufechtenden Entscheidung, also mit dem Eingange bei der StAschaft § 41 StrPrOrdg. Sie ist indeß nur in folgenden, geset= lich genau vorgesehenen Fällen zulässig und zwar :

I. Für den Angeschuldigten.

1. Gegen die Entscheidung über den Verfall einer Sicherheitsleistung, Abs. 2 § 122; haben Dritte diese Sicherheit bestellt, so steht auch ihnen das Rechtsmittel zu. 2. bei Verwerfung des Einwandes der Unzuständigkeit im Falle des § 180. 3. bei Verwerfung des Antrages auf Beweiserhebung oder Voruntersuchung, § 199. Vergl. auch oben § 79.

II. Für die StAfchaft.

4. Bei Ablehnung des Antrages auf Eröffnung des Hauptverfahrens oder bei abweichender Verweisung an ein Gericht anderer Ordnung § 209. 5. gegen den Beschluß im Falle des § 270.

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