Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

a) Der Beschluß muß auch die Gründe, aus welchen die Def= fentlichkeit ausgeschlossen wird, ebenso ausdrücklich enthalten, wie das Protokoll.

ReichsG. 29. Januar 1884, Rechtspr. Bd. 6 S. 69; 9. Dezbr. 1887, Rechtspr. Bd. 9 S. 715; 30. Mai 1890, Goltd. Arch. Bd. 38 S. 195.

b) Die Verkündung des Urtheils hat bei Strafe der Nichtigkeit in öffentlicher Verhandlung zu erfolgen, falls nicht auch hier die Oeffentlichkeit durch Gerichtsbeschluß ausgeschlossen wird.

ReichsG. 26. Novbr. 1881, Rechtspr. Bd. 3 S. 743 u. § 174 a. a. O.

c) Ist die Wiederherstellung der Oeffentlichkeit nicht ange= ordnet, so wird hier der Vertreter der StAschaft rechtzeitig einen desfallfigen Antrag zu stellen haben.

d) Ueber die Strafen bei unbefugter Mittheilung verordnet Art. II-IV des Ges. vom 5. April 1888 (RGBI. S. 133).

3. Die Beweisaufnahme (§ 244 a. a. D.).

a) Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Schöffengericht und ebenso die Strafkammer, wenn über eine Uebertretung in der Berufungsinstanz verhandelt wird; bei Verhandlungen wegen Vergehens oder Verbrechens vor der Strafkammer erstreckt sich die Beweisaufnahme auf die sämmtlichen vorgeladenen Zeugen, Sachverständige und sonstige herbeigeschaffte Beweismittel.

Dadurch allein, daß ein Protokoll über einen stattgehabten richterlichen Augenschein in der Anklageschrift als Beweismittel bezeichnet wird, erhält dasselbe noch nicht die Eigenschaft eines Beweismittels; vielmehr muß die Verlesung in der Hauptverhandlung noch bean= tragt werden.

ReichsG. 8. Januar 1885, Rechtspr. Bd. 7 S. 20.

Auf die vom Angeklagten geladenen Sachverständigen und Zeugen ist die Beweisaufnahme nur dann nothwendig zu erstrecken, wenn dem Gerichte der Nachweis ihrer Ladung in Gemäßheit des § 38 StrPrOrdg. geführt wird.

ReichsG. 9. Januar 1885, Rechtspr. Bd. 7 S. 24.

b) Beim Vorhandensein der Vorausseßungen der §§ 222 u. 250 a. a. D. ist gleichfalls Antrag auf Verlesung des richterlichen Protokolls zu stellen.

Der Aufenthalt eines Zeugen kann als ein nicht zu ermittelnder angesehen werden, wenn anzunehmen ist, daß weitere, als die stattgehabten Nachforschungen zu keinem Erfolge führen werden.

III. ReichsG. 15. Januar 1894, Goltd. Arch. Bd. 42 S. 35.

Ist die Verlesung der Aussage eines Zeugen wegen großer Entfernung seines Wohnortes erfolgt, so kann das Reichsgericht nachprüfen, ob die Entfernung eine große war.

Urth. dess. Gerichts.

c) Das Gutachten der Kön. Münzdirection (Ziff. 4 § 59) kann nach § 255 a. a. D. verlesen werden. Die einfache Verweisung der

Behörde auf den schriftlichen Bericht eines ihrer Beamten fällt dagegen nicht ohne Weiteres unter den Begriff der verlesungsfähigen Zeugnisse.

ReichsG. 4. Juli 1890, Goltd. Arch. Bd. 38 S. 341.

Auch die Auskunft über den moralischen Werth oder die moralische Führung eines Zeugen kann nicht verlesen werden.

ReichsG. 27. Juni 1890, Boltd. Arch. Bd. 38 S. 328.

Der staatsanwaltliche Bescheid über Einstellung des Verfahrens ist dagegen eine Urkunde im Sinne des § 248.

ReichsG. 22. Septbr. 1893, Entsch. Bd. 24 S. 263.

d) Bei Stellung neuer Beweisanträge ist zu berücksichtigen: Ein Antrag, in welchem weder die zu beweisenden Thatsachen, noch die zu erhebenden Beweise bestimmt angegeben sind, ist als ein Beweisantrag im Sinne des § 243 nicht anzusehen und bedarf daher auch keiner Bescheidung.

ReichsG. 27. Juni 1890, Goltd. Arch. Bd. 38 S. 329.

Der Antrag, über die Glaubwürdigkeit eines Zeugen einen anderen Zeugen in der Verhandlung zu hören, ist kein genügend substantiirter Beweisantrag. III. Straff. ReichsG. 31. Januar 1895, Entsch. Bd. 27 S. 95.

[ocr errors]

Die Ablehnung des Beweisantrages, die gestohlene Sache sei Eigenthum der wegen Diebstahls angeklagten Person, mit der Begründung, das Beweisthema enthalte ein Urtheil und es sei unanfechtbar widerlegt, kann zur Aufhebung führen.

ReichsG. 10./13. Jannar 1888, Rechtspr. Bd. 10 S. 29.

Die Behauptung sinnloser Trunkenheit ist die Behauptung einer Thatsache, worüber Zeugen in Vorschlag zu bringen nicht unstatthaft erscheint. ReichsG. 20. Dezbr. 1881, Rechtspr. Bd. 2 S. 812 u. 14. März 1890, Goltd. Arch. Bd. 38 S. 60. Ebenso die Behauptung, daß Jemand die Krämpfe gehabt habe.

ReichsG. 27. Novbr. 1894, Goltd. Arch. Bd. 42 S. 400.

Ueber Beweisanträge und ihre Bestandtheile vgl. auch John, StrPrOrdg. Bd. 3 S. 112, Stenglein, Komm. zu § 243, u. Zeitschr. für Strafrechtswiss. Bd. 10 S. 475.

4. Ausdehnung der Klage.

Wenn in der Hauptverhandlung die StAschaft beantragt, auch noch über eine im Eröffnungsbeschluß nicht gedachte That zu verhandeln und der Angeklagte keine Einwendungen gegen den Antrag erhebt, sondern sich zur Sache ausläßt, so kann in seinem Verhalten eine Zustimmung im Sinne des § 265 gefunden werden.

ReichsG. 12. März 1889, Goltd. Arch. Bd. 37 S. 175.

5. Aenderung der Klage.

Die Beweisaufnahme kann eine ganz veränderte Sachlage ergeben, so daß nicht bloß der Angeklagte, sondern auch die StÄschaft eine Aussehung, mindestens aber Aenderung des rechtlichen Gesichtspunktes für angebracht hält. Entsprechende Anträge sind rechtzeitig zu stellen, wie auch beim

6. Vorkommen einer strafbaren Handlung in der Situng, 3. B. Beleidigung, Meineid.

Der Vorsitzende bezw. das Gericht (§ 185 Ger.Verf.Ges. Abs. 3,

§ 273 StrPrOrdg.) hat zwar Thatbestand festzustellen und Niederschreibung zu veranlassen; Sache der StAfchaft wird es aber auch hier sein, Anregung durch Anträge in begründeten Fällen zu geben.

§ 84.
Das Plaidoyer.

Art. 51,

§ 257 RStrPrOrdg. v. 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253). — Löwe, Kommentar (1892) S. 592. 52 Geschäftsanweisung für die Amtsanwälte vom 28. August 1879 (JMB1. S. 260). Dalcke, Strafrecht und Strafprozess S. 150. - Ortloff, Die gerichtliche Redekunst, Berlin 1890.

Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten die StAschaft und sodann der Angeklagte (§ 257 a. a. D.) in der Berufungsinstanz zuerst der Beschwerdeführer, § 367 zu ihren Ausfüh= rungen und Anträgen das Wort". Gegenstand der Urtheilsfindung, also auch dieser Ausführung ist die That, wie sie sich nach dem Ergebniß der Hauptverhandlung darstellt.

1. Nach ihrem Inhalte können die Ausführungen thatsächlicher und rechtlicher Natur, in jeder Sache recht verschieden sein; im_Allgemeinen wird aber in thatsächlicher Beziehung auf Grund der Zeugenaussagen zu prüfen sein, welche Thatsachen sind durch die Verhandlung überhaupt erwiesen, also welche Thatsachen werden zugestanden oder zuverlässig bezeugt? In rechtlicher Beziehung ist sodann zu untersuchen, ob die so festgestellten Thatsachen sich mit den Merkmalen der in Frage kommenden oder einer anderen gefeßlichen Strafbestimmung decken (§ 264 a. a. D.). Fehlt ein wesentliches Merkmal, so kann Verurtheilung ebensowenig erfolgen, als wenn dem Angeflagten ein Strafausschließungsgrund (§§ 51-69 RStrGB) zur Seite steht. Hat dagegen der Angeklagte Strafe zu erhalten, so ist vor Antragstellung sorgsam zu prüfen, warum gerade die in Aussicht genommene Strafe für die vorliegende That angemessen erscheint. Als vornehmsten Zweck der Strafe darf man hierbei folgenden hinstellen:

Die Strafe ist die Sühne, also die nothwendige und gerechte Vergeltung der begangenen Schuld. In vollkommener Weise wird diese Sühne nur dann erreicht werden, wenn sie als eine Ausgleichung des Uebels der That durch das Uebel der Strafe vom Verbrecher empfunden und von der bürgerlichen Gesellschaft auch als solche ge= würdigt wird.

2. Der Vortrag selbst sei wohldisponirt, im Eingange und am Schluß genau überlegt und schließe sich in seinen einzelnen Beweisführungen eng an die Vorgänge und Ergebnisse der Hauptverhandlung an.

Zur Klarstellung streitiger oder zweifelhafter Begriffe kann auf Kommentare, gerichtliche Urtheile, Schriftsteller und sonstige Erzeugnisse der Litteratur Bezug genommen werden, selbst Verlesung ist zu solchem Zweck erlaubt.

ReichsG. 27. Sept. 1883, Rechtspr. Bd. 5 S. 550.

[ocr errors]

Dagegen ist das Einmischen fremder, d. h. in der Verhandlung nicht erörterten Thatsachen, insbesondere die Bezugnahme auf den Inhalt 2c. einer anderen Untersuchung oder Verhandlung unstatthaft (Löwe a. a. D. S. 594 Not. 6).

Hiermit soll aber keineswegs gesagt sein, daß sich die StAschaft jeder Erwähnung der Acten und jeder Mittheilung einer denselben entnommenen Notiz schlechterdings enthalten müsse, was unter Umständen schwierig und unthunlich sein kann: wohl aber ist die Grenze innezuhalten, daß sich die Beweisführung der StAschaft nur auf die Vorgänge und Ergebnisse der Hauptverhandlung stüßen und berufen darf.

ReichsG. 2. Wärz 1881, Rechtspr. Bd. 3 S. 99.

3. Schließen die Ausführungen mit dem Antrage:

den Angeklagten für schuldig zu erklären,

so ist im Schöffengericht und in der Strafkammer I. Instanz gleichzeitig eine bestimmte Strafe in Antrag zu bringen; stellt sich in der Verhandlung die Unschuld des Angeklagten heraus (Verwechslung Seitens eines Zeugen oder zuverlässiger Alibi-Beweis), oder ist der vorhandene Beweis nicht genügend zur Verurtheilung, so hat die StAschaft die Freisprechung zu beantragen.

Eine andere Stellungnahme, insbesondere, daß in zweifelhaften Fällen dem Gerichte die Entscheidung anheimgegeben wird“, entspricht nicht der Aufgabe der StAfchaft: das Gericht wird auch ohne diese Anheimgabe eine Entscheidung treffen, wie es solche für richtig hält, und außerdem verlangt die ganze StrPrOrdg. von der StAfchaft dem Gerichte gegenüber „Anträge”, wie sie solche im Interesse der Gerechtigkeit vertreten kann.

Werden die dem Beschuldigten erwachsenen nothwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt, so bleibt demnächst die Allgem. Verfüg. vom 15. März 1892 (JMBI. S. 109) zu beachten. Der Antrag kann auch dahin gehen, das Gericht wolle beschließen seine Unzuständigkeit (z. B. beim Meineid, Bankerott, §§ 269, 270 a. a. D.), vorläufige oder gänzliche Einstellung des Verfahrens (Geisteskrankheit, Mangel beim Strafantrag) oder Abwartung einer Civilentscheidung (§ 261).

4. Anweisungen der Vorgesezten sind auch für die mündliche Verhandlung sorgfältig zu beachten (oben § 5). So werden namentlich da strenge Strafanträge gewünscht, wo die Gemeingefährlichkeit der That solches nothwendig erscheinen läßt, z. B. bei FischereiVergehen (Cirk.Verfüg. v. 15. Novbr. 1880, I, 4751), bei Zuwiderhandlungen gegen § 4 Abs. 2, § 12 des Gef. v. 3. Juli 1883, betr. die Abwehr und Unterdrückung der Reblauskrankheit, RGBl. S. 149 (Cirk.Verfüg. v. 3. Novbr. 1885, I, 3953 und v. 4. Novbr. 1895, I, 6157), bei Zuwiderhandlungen gegen § 10 Nr. 1 Postordnung v. 8. März 1879 (Centralblatt f. d. Deutsche Reich S. 185), durch die Beförderung von gefährlichen Gegenständen (Cirk.

Verfüg. v. 11. Januar 1892, I, 44). Vgl. auch die Cirk.Verfüg. v. 16. Mai 1887, I, 1723, betr. Herausforderung früherer Vorgesetter.

5. Bei Stellung eines jeden Antrages verbinde der Vertreter der StAschaft die Festigkeit, welche sein Amt erfordert, mit Besonnenheit und Mäßigung. Niemals darf ihm, obschon ihm die Kritik allgemein gestattet ist, ein Wort oder auch nur eine Wendung entschlüpfen, welche kränkend oder ehrverleßend wirken kann!

6. Die StAschaft kann auf die erste Schlußausführung des Angeklagten oder seines Vertheidigers noch ein Mal erwidern; mit der Entgegnung des Angeklagten oder seines Vertheidigers als leztes Wort" soll dieses Prozeßstadium abschließen. Demgemäß hat die StAschaft keinen Anspruch darauf, öfter als zweimal zum Worte_ver= stattet zu werden. Weitere Ausführungen kann deshalb der Vorsißende bezw. das Gericht zurückweisen und verhindern; bietet die Duplik des Angeklagten sachlichen Anlaß zu einer ferneren Entgegnung, so kann der Vorsitzende der StAschaft noch einmal das Wort besonders einräumen.

[blocks in formation]

Die §§ 177-184 a. a. D. regeln die Sißungspolizei. Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sigung liegt dem Vorsißenden ob. Gehorcht eine Partei, ein Beschuldigter, ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine bei der Verhandlung nicht betheiligte Person dem zur Aufrechterhaltung der Ordnung erlassenen Befehle nicht, so kann nach § 178 der Ungehorsame aus dem Sizungszimmer entfernt, auch zur Haft abgeführt und während einer in dem Beschlusse zu bestimmenden Zeit, welche 24 Stunden nicht übersteigen darf, fest= gehalten werden. Macht eine solche Person sich in der Sizung einer Üngebühr schuldig, so kann gegen sie nach § 179 a. a. D. das Gericht, vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung, eine Ordnungsstrafe bis zu 100 Mark oder bis zu 3 Tagen Haft festseßen und sofort vollstrecken lassen. Gegen einen bei der Verhandlung betheiligten Rechtsanwalt oder Vertheidiger, der sich in der Situng einer Ungebühr schuldig macht, gestattet § 180 a. a. D., vorbehaltlich der strafgerichtlichen oder disciplinaren Verfolgung, eine Ordnungsstrafe bis zu 100 Mark.

.

1. Die Frage, ob für den Fall des Unvermögens eine ent= sprechende Haftstrafe festzusehen sei, bejaht Löwe a. a. D. S. 158 Not. 5; das Kammergericht hat jedoch am 17. Dezember 1888 anders entschieden, da die Vorschrift des § 28 RStrGB. dem Gebiete des Strafrechts angehört und nicht auf die zur Aufrechterhaltung der ge= schäftlichen Ordnung erlassenen Bestimmungen angewendet werden könne.

Entsch. des KammerG. Bd. 8 S. 258.

« ZurückWeiter »